Skip to content
  • Home
  • Über mich
  • Jesuiten

PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

powered by Logo des Jesuitenordens

Monat: Mai 2020

Nicht von der Angst leiten lassen

Veröffentlicht am 31. Mai 202031. Mai 2020
Es geht aber nicht um die Institution Wollen wir das nicht alle? Der Ort dafür ist das Gewissen.

Es wurde aber auch Zeit. In all dem Sprechen über Corona und Kirche war die Betonung lange und viel zu sehr auf der Kirche. Auf Institution und auf den Verantwortlichen. Das ist den Reflexen einer stark institutionalisierten Kirche geschuldet, und durchaus ein ökumenisches Phänomen, wie die Debatte um die Lieberknecht-Kritik zeigt. Es geht aber nicht um die Institution.

Und deswegen kommt jetzt ein anderer Begriff in der Debatte gerade richtig. Er hätte da schon lange hin gehört. Und zwar der des Gewissens. Und der kommt nicht nur in der Corona-Debatte vor, wie etwa das neue Buch von Kardinal Reinhard Marx zeigt.

Es geht aber nicht um die Institution

Dummerweise gibt es in unserem Normalgebrauch der Sprache das Wort fast nur noch in Kombination mit der Qualifizierung „schlecht“. Es ist das ‚schlechte Gewissen‘, das uns vertraut ist. Aber das verzerrt. Es geht nicht nur um die Warnung vor Falschem, sozusagen um die Warnleuchte am inneren Armaturenbrett. Mein Gewissen leitet mich nicht nur, wenn ich falsch liege. Sondern auch sonst.

Nur so ist zu verstehen, dass das Gewissen auch in anderen Debatten der Kirche ein Rolle spielt. Etwa bei Bischof Kohlgraf, mit Blick auf die Macht-Frage: „Im Kern geht es auch um die Frage, ob wir eigenständige Gewissensentscheidungen von Menschen unterstützen und damit den Menschen zugestehen, mit Hilfe des Wortes Gottes und auch mit Hilfe seelsorglicher Begleitung zu eigenen Entscheidungen zu kommen – oder ob wir im letzten die Deutungshoheit beanspruchen, der sich die anderen Menschen dann einfügen.“

Die eigene Entscheidung

Dass es hier nicht um einen falschen Widerspruch von Ich und Wir geht, also um den eigenen Freiheitsdrang gegen die Gemeinschaft und deren Tradition, sollte klar sein. Sollte, ich bin da vorsichtig geworden. In jedem Fall aber finden hier, im Gewissen, die entscheidenden Weichenstellungen für die Kirche der Zukunft statt.

Dazu gehört etwa – in den Worten von Papst Franziskus – dass wir uns nicht von der Angst, sondern vom Stern leiten lassen sollen. Also vom Glauben, der Hoffnung, der Vision, der Gemeinschaft. Das vertreibt die Ängste nicht, nimmt ihnen aber die Macht, uns zu dominieren.

Dazu gehört auch das, was jetzt Kardinal Rainer Maria Woelki in einem Zeitungsbeitrag geschrieben hat: „Nächstenliebe, die Sorge um die Schwachen, ist vor allem durch das Christentum zu einem zentralen Begriff unserer Gesellschaften geworden. Man nennt es heute zumeist Solidarität. Ohne dass wir uns jetzt in dieser großen Not wechselseitig umeinander sorgen, wird aus der Naturkatastrophe eine viel größere, eine menschliche Katastrophe.“ Der Ort dafür ist das Gewissen.

Wo Neues geboren wird

Und damit sind wir beim Festtag heute. Denn was es vor allem anderen braucht, ist Heiliger Geist. Das Gewissen ist nicht autonom in dem Sinn, dass wir dort mit uns alleine sind. Es ist immer auf den Nächsten gerichtet und ohne Gott bleibt es leer. Der Heilige Geist wirkt in uns genau hier, das will am Pfingstfest gefeiert werden und im Rest des Jahres gepflegt werden.

Wenn wir also jetzt in die Debatte um Corona & Co das Gewissen einführen, dann sind wir mit dieser Debatte endlich da, wo Neues geboren werden kann: aus dem Heiligen Geist. Und nur dort.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Autorität, Corona, Gewissen, Glaube, Kirche8 Kommentare zu Nicht von der Angst leiten lassen

Finden wir es heraus

Veröffentlicht am 28. Mai 2020
Es braucht es einen fragenden Blick auf die Realität Was hat die Krise der leeren Räume mit der Kirche gemacht? Bild: Kapelle auf Schalke

Kirchensprech hat leider die Neigung, Tatsachen einfach voraus zu setzen. Wir sind gewohnt, dass von der Kanzel aus gesprochen wird. Und die Kanzel ist nicht wirklich ein Ort der Streitkultur oder der Debatte. Das hat sich nahtlos übersetzt in einige Erklärungen zu Kirche und Corona. Und das bis hin zu wirren Verschwörungstheorien ohne Grund, eben weil angebliche Tatsachen einfach behauptet werden. Das hilft gar nichts. Es braucht es einen fragenden Blick auf die Realität.

Fragen stellen ist überhaupt gut, weil man sich dann erst überhaupt mit sowas wie Realität auseinander setzen muss. Dass muss der Verschwörungstheoretiker oder der apodiktisch von der digitalen Kanzel redende Erklärer nicht. Dazu ganz frisch auf dem Tisch: Ein Projekt mehrerer Hochschulen zur Frage, wie die Kirche durch die Krise kommt. Oder in der Sprache der Wissenschaft: „Internationales, ökumenisches Forschungsprojekt zur digitalen Präsenz der Kirchen unter den Bedingungen von Versammlungsbeschränkung und Abstandsgebot während der COVID-19-Pandemie.“ Wen das interessiert, hier finden Sie den Internetauftritt.

Es braucht es einen fragenden Blick auf die Realität

Warum es diese Projekt gibt und was der Grundgedanke ist, mag ich hier nicht wiederholen, dazu gibt es ein Interview mit einem der Macher. Aber an dieser Stelle möchte ich dann doch Lob anbringen. Vor zwei Monaten hatte ich hier an dieser Stelle geschrieben, dass die Krise uns dazu bringen muss, genau hin zu schauen und für die Zukunft zu lernen. Und da war ich nun wirklich nicht der Einzige, der das so gesagt hat. Dass sich jetzt die Theologie dessen annimmt, ist wunderbar.

Als jemand, der am synodalen Weg beteiligt ist, kann ich gar nicht abwarten, was die Ergebnisse sein werden.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Neulich im InternetSchlagwörter Corona, digital, Kirche, Studie, Theologie, WissenschaftSchreiben Sie einen Kommentar zu Finden wir es heraus

Von der Tugend des Zweifelns

Veröffentlicht am 27. Mai 202024. Mai 2020
Zweifel sind gut Seit es Menschen gibt ... wird gezweifelt.

Zweifel sind gut. Und wichtig. Ohne Zweifel kommen wir nicht weiter, auch und vielleicht gerade im Glauben nicht. Sie führen zu Fragen und zu Erkenntnis, oder vielleicht auch zu Bestätigung, wer weiß.

Nun ist der Zweifel aber gerade Corona-Bedingt in der Krise. Denn wer zweifelt, an Erkenntnissen der Wissenschaft oder der Sinnhaftigkeit politischer Entscheidungen, gerät schnell in einen zweifelhaften Ruf. Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, und so weiter.

Zweifel sind gut

Da gilt es gut zu unterscheiden, denn ich will mir meine eigenen Zweifel nicht nehmen lassen, ohne gleich Bill Gates zu verdächtigen oder Gesichtsmasken für Gessler-Hüte zu halten.

Das Problem ist, dass auch Zweifel gepflegt werden wollen. Nur weil es einen Zweifel gibt, heißt das noch lange nicht, dass der selbst schon eine Einsicht ist. Oder dass ich dabei stehen bleiben darf und soll.

Einen klugen Rat, was zu tun ist, wenn man Zweifel hat, besonders wenn es starke Zweifel sind, hat unser Papst. Geschrieben in einem Text, als er noch ein einfacher Ordensmann war. Man soll sich nicht direkt gegen den Zweifel stellen, sondern erst einmal fragen, was dieser in mir auslöst.

Ein alter Bergoglio-Text

Pater Jorge warnt davor, die Ursache für den Zweifel zu debattieren, denn dadurch würde dieser zu viel Macht gegeben. Im Beispiel: ich zweifle an irgend einer wissenschaftlichen Aussage, sagen wir zu Corona, und greife diese dann direkt an. Dabei übersehe ich dann den Auslöser, der ganz woanders liegen kann, nämlich in mir selber.

Der Zweifel wird wichtig und hilfreich, wenn wir lernen, auf die eigene, die innere Stimme zu hören und nicht gleich gegen jemanden oder etwas anzutreten. Der Zweifel wird eben nicht dadurch aufgelöst, dass ich nun was neues weiß, weil irgend etwas den klärt, sondern durch inneren Frieden.

Genauso ist das auch bei Glaubenszweifeln. Wir haben Fragen und Zweifel, und es lohnt sich, die nicht mit schnellen Lösungen zuzuschütten. Sondern danach zu fragen, was das in mir anspricht. Innerer Friede ist nicht dort, wo ich eine dogmatische Wahrheit aufsuche, um den Zweifel zum Schweigen zu bringen. Sondern in der Suche selber. In der Einsicht, dass ich suche und frage.

Zweifel ist gut, er darf aber nicht bei sich selber stehen bleiben. Er ist nur dann gut, wenn er zu was führt.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Bergoglio, Corona, Glaube, Papst Franziskus, Zweifel2 Kommentare zu Von der Tugend des Zweifelns

Eine Frage der Einsicht

Veröffentlicht am 24. Mai 202024. Mai 2020
Verantwortung für die Schöpfung Kirche in Manaus, Amazonien, Brasilien

Alles ist mit allem verbunden: wie ein roter Faden oder ein Credo zieht sich diese erst einmal banal klingende Aussage durch den Text, der heute 5 Jahre alt wird: Die Enzyklika Laudato Si’. Dass diese Aussage so banal nicht ist zeigt sich mindestens bei den heftigen Reaktionen, welche gleich zu hören waren und immer noch sind. Man mag das nicht hören, weil der Satz von Verantwortung spricht. Verantwortung für alles, weil alles mit allem verbunden ist. Verantwortung für die Schöpfung.

Es fällt uns allen aber schwer, uns selbst als Verursacher oder Schädiger zu akzeptieren. Dass müssen wir aber, wollen wir diese Grundaussage der Enzyklika Ernst nehmen. Wenn ich in den Debatten um Umwelt, Klima und Zukunft was gelernt habe, dann das: es ist schwer, in sich selbst die Gründe für den Schaden zu erkennen.

Verantwortung für die Schöpfung

Abstrakt nennt der Papst das eine fehlgeleitete Sicht, die uns Menschen ins Zentrum stellt, also herauslöst aus dem Gewebe der Schöpfung. Konkret werdend nennt er es Bekehrung, eine „weltweite ökologische Umkehr“ aller wie auch die „innere Umkehr“ (Nr 216ff).

Wir müssen die Art und Weise, wie wir uns die Welt gemacht haben, korrigieren, wenn die Schöpfung und damit wir selber eine Chance haben wollen. Es geht darum, „die strukturellen Ursachen der Fehlfunktionen der Weltwirtschaft zu beseitigen und die Wachstumsmodelle zu korrigieren, die allem Anschein nach ungeeignet sind, den Respekt vor der Umwelt […] zu garantieren“, zitiert Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. (Nr. 6).

Respekt!

Und damit geht es um Schöpfung und Auftrag Gottes, es geht um Gerechtigkeit, um die Würde des Geschaffenen, aber auch um die Art und Weise, wie wir miteinander über all diese Dinge sprechen.

Dass der Vatikan nun gleich ein ganzes Laudatio Si’ Jahr zum Thema veranstalten wird, wirkt auf mich fast schon wie eine weiße Fahne. Als ob man eingesehen hätte, dass Die Welt zwar höflich applaudiert – oder vehement widerspricht – sich aber nicht viel getan hat. Man will nichts unversucht lassen, dieses Thema hoch zu halten. Als ob brennende Wälder und dergleichen nicht reichen würden. Erinnern Sie sich noch? Letzten Sommer? Da hat Amazonien gebrannt und alles war aufgeregt. Für wenige Wochen. So wirklich zur Einsicht bewegt hat uns das nicht, von Umkehr mal ganz zu schweigen.

Es ist eine Krise, die uns bleibt. Nicht eine, die absehbar zu Ende geht und wo wir die Einschränkungen aushalten können. Sondern eine, die unsere Lebensweise verändern wird, ob wir wollen oder nicht. Noch können wir selber aktiv werden, noch können wir Dinge ändern, auch wenn uns das vielleicht zunächst nicht passt. Es ist erfreulich, dass Papst und Vatikan die positive Botschaft in den Vordergrund stellen und nicht die Position des Unglückspropheten einnehmen.

Hoffen wir, dass beim zehnten Geburtstag des Textes wir mehr vorweisen können als zu diesen.

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Enzyklika, Gerechtigkeit, Laudato Si, Papst, Papst Franziskus, Schöpfung, Umwelt4 Kommentare zu Eine Frage der Einsicht

Aus der Krise heraus

Veröffentlicht am 21. Mai 202020. Mai 2020
Post-COVID Zeit Papst Franziskus, Zeichnung: Bogdan Solomenco

„Es ist an der Zeit, sich auf einen grundlegenden Wandel in einer Post-COVID Zeit vorzubereiten”: Während wir noch mit den Auswirkungen von Regeln und Einschränkungen hadern und einige eher destruktiv Forderungen stellen, versuchen einige die Zeit danach zu denken. Es gibt Gedanken zur Solidarität in der Gesellschaft, zur Entwicklung von Kirche, zu vielem anderen. aber mit den täglichen Entwicklungen von Zahlen und dem Bangen, wann man wieder arbeiten gehen darf, sind diese Gedanken eher im Hintergrund geblieben.

Im Hintergrund geblieben ist auch, was Papst Franziskus immer und immer wieder zur Krise und zur Zeit danach gesagt hat. Höchstens die beiden Urbi et Orbi Ansprachen haben Aufsehen erregt, vor allem die außerordentliche, gerade auch wegen ihres Settings. Aber es lohnt sich vielleicht, das alles mal zusammen zu lesen.

Post-COVID Zeit

Das meint jedenfalls Kardinal Michael Czerny, den ich eingangs zitiert habe. Der Satz stammt aus einem gerade erscheinenden kleinen Buch, das die Ansprachen des Papstes zusammenfasst. Leider noch nicht auf deutsch, aber das kommt vielleicht noch. Das Zitat von Kardinal Czerny stammt aus dem Vorwort, die englische Version des Büchleins ist auch bereits vollständig im Netz (siehe Link zum Vorwort).

Versammelt sind Ansprachen, Briefe und Predigten. Es geht um Angst und um Vorbereitung, es geht um Egoismus und um Medien. Und nicht zuletzt geht es auch um den geweiteten Blick, über Corona hinaus, auf die Überwindung weltweiter Krisen überhaupt. Das ist ja eines der großen Themen dieses Papstes, die in diesen Tagen fünf Jahre alte Enzyklika Laudato Si’ ist ein Beispiel dafür.

Weltweite Krisen, über Corona hinaus

„Sie sind die unverzichtbaren Baumeister dieses Wandels, den man nicht mehr aufschieben kann,“ so heißt es in einem der Texte. Verantwortung, das zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte. Genauso wie die Dringlichkeit, die bereits Laudato Si’ auszeichnet. Die Stimme des Papstes hat vielleicht in den letzten Wochen nicht Ballzuviel Widerhall gefunden. Was nicht bedeutet, dass er nichts zu sagen hatte. Was er aber gesagt hat, das lässt sich nun nachlesen.

Eine weitere Hilfe aus dieser Krise heraus. Und wenn wir den Blick weiten: überhaupt aus Krisen heraus.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Buch, Corona, Czerny, Papst Franziskus, Urbi et Orbi, Vatikan24 Kommentare zu Aus der Krise heraus

Die Welt, wie wir sie uns geschaffen haben

Veröffentlicht am 18. Mai 202017. Mai 2020
Komplexe Zusammenhänge Wunderschön, aber wir machen es kaputt: der Regenwald in Amazonien, aufgenommen vor genau einem Jahr

Es ist einfacher, mit dem Finger auf Menschen zu zeigen, als komplexe Zusammenhänge zu sehen, in die man selber möglicherweise drin steckt. Das ist die aktuelle Formulierung eines Problems, das uns Papst Franziskus 2015 auf den Tisch gelegt hat. Christen können sich nicht zufrieden geben mit der Welt, so wie wir sie uns geschaffen haben. Heute müssen wir aktualisierend sagen: dafür tragen aber nicht irgendwelche geheimen Weltregierungen die Verantwortung, sondern wir selber.

Da ist zum einen die Ausbeutung der Natur über die Maßen hinaus, der Earth Overshot Day rückt im Kalender immer weiter nach vorne. Dann ist da die soziale Ungerechtigkeit, die Umverteilung, der Zugang zu den die Welt verändernden Entscheidungen. Und dann ist da die kulturelle Hegemonie, die individuelle Vorteilssuche, die bis in die letzten Regionen der Welt vordringt und Kulturen durchdringt und verändert.

Komplexe Zusammenhänge

Das ist aber nicht unsere – christliche – Welt. Unsere Welt wie wir selber auch verdanken uns Gott. Der Papst gibt uns auf, diese „Logik der Schöpfung“ zu verstehen. Das ist eben nicht die Logik des Besitzens. Besitzen, das bedeutet letztlich auf Nutzen abklopfen. Und was nichts nutzt, kommt weg. Kultur des Wegwerfens lautet eine der immer wieder kehrenden Vorwürfe, die Papst Franziskus seit 2013 unseren Gesellschaften vorwirft, Menschen die keinen verwertbaren Nutzen haben, werden weg-geworfen, wörtlich.

Sprechen wir von der Ausbeutung der Natur:  Der Schutz der Schöpfung ist für Christen nicht optional. So formuliert es Papst Franziskus in Laudato Si’ (LS, 5, 64, 159). Verschmutzung, Klima, Wasser, Biodiversität, immer wieder bezieht sich der Papst ausdrücklich auf Experten, die er zu Rate gezogen hat. Breit aufgestellt ist die Beschreibung der Probleme, die ich hier nicht zu wiederholen brauche. Aber der Kern ist eben seine nicht in allen katholischen Kreisen beliebte Feststellung, dass der Schutz der Schöpfung nicht optional sei. Und dazu braucht es eben sämtliche Wissenschaften.

Unbequem, immer noch

Damit landet der Papst mit einem fünf Jahre alten Text mitten in den aktuellen Debatten von heute. Und bleibt unbequem.

Schon damals hatte es Kritik gehagelt: das sei nicht Kernbestand des Katholischen und so weiter. Da schwingen sich gerne einige zu unfehlbaren Kritikern auf, daran hat sich auch heute nichts geändert.

Dabei führt Laudato Si’ viele christliche Themen zusammen. Über das schon Genannte hinaus die Frage, ob wir Gott ins Zentrum unseres Handelns setzen. Das ist die Frage hinter der Gebetsinitiative, die auf Laudato Si’ aufbaut. Oder die Frage nach dem Lebensschutz, der eben kein ideologisch eng geführter Konflikt ist, sondern viel mehr Dimensionen hat, als es die Kulturkrieger wahr haben wollen.

Gottes Auftrag an uns

Am 24. Mai oder eine Woche später am Pfingstfest wird die Enzyklika nun fünf Jahre alt, je nachdem, wie man zählen will. Die Lektüre lohnt auch heute noch, eben weil so viele Konflikte oder Fragen von heute schon da drin stecken.

Es ging und geht dem Papst um Schöpfung und Geschenk, um Hüten als Auftrag Gottes, es geht um den Sündenfall als Bruch der Balance der Schöpfung und darum, dass die Menschen danach ein Verhältnis zur Wirklichkeit haben, das von Macht und Unterwerfung geprägt ist. Um zerstörerische Wirtschaftsordnung. Um Wegwerfen von Mensch und Schöpfung.

Und so schwer uns das fällt: wir sind daran beteiligt.

Zeit, sich diesen Text noch einmal vorzunehmen. Mit der Brille von heute.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Debatte, Enzyklika, Gerechtigkeit, Jahrestag, Kirche, Laudato Si, Ökologie, Papst Franziskus, Schöpfung5 Kommentare zu Die Welt, wie wir sie uns geschaffen haben

Wagnis mit offenem Ausgang

Veröffentlicht am 14. Mai 202024. November 2020
Der synodale Weg ist aktuell Der Tagungssaal des synodalen Weges in Frankfurt

Der synodale Weg – war da was? Verdrängt von Corona fristet er im Augenblick ein Randdasein in der Öffentlichkeit. Und auch in der Kirche. Was schade ist, denn es gibt eine Menge zu bereden. Gerade Corona zeigt der Kirche ja deutlich, wo Schwächen liegen. Etwa im Relevanzverlust. Der synodale Weg ist aktuell.

Es gibt neue Debatten, etwa um Stellenwert und Weise des Eucharistie-Feierns. Aber auch die schon bestehenden Debatten bleiben uns erhalten, unter anderem die fundamentale Debatte, was das Ganze soll und was für eine Bedeutung der synodale Weg haben kann. Das stand ja schon zum Startschuss als Thema an: Fragen von Verbindlichkeit, von Vereinbarkeit mit unserem Kirchenrecht, von Autorität zur Umsetzung der Beschlüsse und so weiter.

Der synodale Weg ist aktuell

Ich habe eine heimliche Schwäche für das Kirchenrecht, mir hat das im Studium immer Spaß gemacht. Deswegen hat es mich gefreut, dass zwei Kirchenrechtler sich diese Fragen nun wieder vornehmen. Und zwar dezidiert unterschiedlich und im Gegensatz. Aber nicht aneinander vorbei, sondern antwortend. In der Zeitschrift „Lebendige Seelsorge“ kann man das nachlesen.

Thomas Schüller, Professor in Münster, macht den Aufschlag, und Markus Graulich SDB, Kirchenrechtler im Vatikan, antwortet. Dann wieder Schüller, und noch einmal Graulich. Einig werden sich die beiden nicht, aber das muss ja auch nicht sein. Aber sie blättern die Weite des Themas auf. Mit Spitzen und im Widerspruch, aber auch mit gemeinsamen Linien.

Artikel Eins (Schüller) endet in einem Wunsch, die erste Antwort (Graulich) in einer Befürchtung: das zeigt schon einmal die Betonungen. Der eine schreibt außerdem sichtlich aus unserer deutschen Perspektive (Schüller), der andere – beruflich und kirchenrechtlich – aus der gesamtkirchlichen und vatikanischen. Wobei: das darf man nicht als Etikett drauf kleben und meinen, damit habe man schon verstanden. Die Argumente sind auf beiden Seiten komplexer. Hier spricht nicht Deutschland gegen den Vatikan.

Einig und einander widersprechend

Die beiden Kirchenrechtler sind sich einig darin, dass die Form des „synodalen Weges“ etwas ist, was das Kirchenrecht so nicht kennt. Einig sind sie sich auch darin, dass der Weg ein geistlicher Prozess bzw. ein Beitrag zur Verkündigung des Glaubens ist, keine parlamentarische Abstimmung. Aber während Schüller vor allem Möglichkeiten für Neues und Entwicklungsspielräume auslotet, definiert Graulich den Weg eher rechtlich absichernd durch bestehende Rechtsinstrumente.

Der eine betont die „Adaptionsfähigkeit [des Kirchenrechts] an gewandelte Sozialgestalten von Kirche und Welt und deren Bedarfe“, der andere die Aufgabe der „kirchlichen Rechtsordnung, die Einheit der Gesetzgebung zu schützen“.

Das hilft

Ich finde diese Debatte ungemein hilfreich. Vor allem für all diejenigen von uns, die eben keine Kirchenrechtler sind, aber verstehen wollen, wo einige der Probleme liegen. Und die dort debattierten Fragen sind ja die Grundierung für alle anderen Fragen. Wenn über Autorität in der Kirche oder priesterliche Lebensform gesprochen wird, dann muss irgendwann die Frage gestellt werden, was mit den Ergebnissen passiert. Und spätestens da wird das Kirchenrecht eben spannend. Und nicht nur Canon 127 CIC (das als mein Gruß an die Autoren!).

Der synodale Weg ist ein Lösen von Knoten, habe ich ja behauptet. Das gilt auch für das Kirchenrecht. Die Debatte in dem Heft hilft auch den nicht-Spezialistinnen und Spezialisten, sich diesen Knoten einmal genauer anzuschauen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, VatikanSchlagwörter Kirche, Kirchenrecht, synodaler Weg, Synodalität35 Kommentare zu Wagnis mit offenem Ausgang

Ein Link: Was zu Corona-Zeiten sichtbar wird

Veröffentlicht am 13. Mai 20209. Mai 2020
Entkirchlichung auf Probe Nicht einschüchtern lassen!

Meine These: Wir erleben gerade so etwas wie eine „Entkirchlichung auf Probe“. An dieser Stell habe ich das ja schon mal angedacht. Die Rotarier haben mich vor einigen Wochen gebeten, das etwas ausführlicher noch mal aufzuschreiben, was ich an dieser Stelle dann auch getan habe.

Entkirchlichung auf Probe

Wir können den nun sichtbaren Verlust als Bedrohung wahrnehmen. Eine Bedrohung des Status, der Relevanz, der Bedeutung. Oder aber als Realitätscheck, um zu fragen, wie genau wir eigentlich Kirche sein wollen im 21. Jahrhundert. Um die leider zu oft dahingesprochenen Worte des Konzils zu bemühen: „die Zeichen der Zeit erkennen“.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Neulich im InternetSchlagwörter Artikel, Corona, Kirche, Rotary11 Kommentare zu Ein Link: Was zu Corona-Zeiten sichtbar wird

Wem können wir glauben? Experten – alte und neue

Veröffentlicht am 10. Mai 20209. Mai 2020
Expertentum wird hinterfragt. Zwei Experten der Vergangenheit: Athanasius Kircher und Christoph Clavius, zwei Jesuitenpatres

Wir brauchen sie, aber gleichzeitig haben sie auch einen schweren Stand. Wir sehen sie und ihr Fachwissen zu Corona jeden Tag zitiert, und die Politik richtet sich danach, aber gleichzeitig sind sie auch der Angriffspunkt für alle Unzufriedenen und Kritiker. Expertentum wird hinterfragt.

Aber das ist ja Teil von Expertentum: Wissenschaft – auf der das aufruht – ist ja genau da, wo Thesen grundsätzlich falsifizierbar sind. Wo also Wissenschaftler Modelle bilden, welche die Wirklichkeit erklären. Und andere Wissenschaftler dann schauen, ob das Modell trägt oder eben nicht. Und dann neue Modelle bilden.

Expertentum wird hinterfragt

Expertentum ist genau da nicht am Start, wo es diese Möglichkeit nicht gibt oder wo diese Möglichkeit verneint wird. Wo Leute mit absolutem Wahrheitsanspruch auftreten. Wie jetzt in Corona-Zeiten wieder die Verschwörungs-Theoretiker, die sich keiner Debatte stellen, sondern von finsteren Kräften raunen, so dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Nein, das ziehe ich zurück, lachen kann man nicht, dafür ist da zu viel struktureller Antisemitismus dabei, wie der Kollege bei katholisch-de richtig festgestellt hat.

Hinterfragen ist genau da nicht am Start, wo – wie vereinzelt auch hier im Blog bei den Kommentaren – nicht Ergebnisse oder Schlussfolgerungen kritisiert werden, sondern die Wissenschaftler selber oder deren (angebliche) Motive. Wir müssen also schon genauer hinschauen, wenn es um Kritik geht.

Auf dem Bild zu diesem Text sind zwei Experten zu sehen, die ihren Teil der Kritik abbekommen haben. Zwei Gemälde, die bei mir zu Hause in der Jesuitenkommunität München hängen. Zwei Jesuiten und Wissenschaftler. Der eine ist Christophorus Clavius (rechts), der andere Athanasius Kircher. Bekannt und berühmt zu ihrer Zeit, und beide nicht unumstritten.

Zwei umstrittene Experten nebeneinander

Ich muss immer lächeln, wenn ich die beiden da nebeneinander hängen sehe. Denn ihre Hinterlassenschaft könnte verschiedener nicht sein. Der eine, Clavius, bestimmt bis heute unser Leben. Er hatte die Berechnungen eines verstorbenen Kollegen aufgenommen und einen Kalender errechnet. Und nach diesem Kalender bestimmen wir bis heute unsere Tage, Schalttage, Jahreswechsel und so weiter. Er war der Macher des so genannten Gregorianischen Kalenders. Weil Kalender aber mehr sind als nur einfache Ordnungsfunktionen, gab es um diesen Kalender immer schon Streit. Weil von einem Papst umgesetzt wehrten sich Anglikaner und Orthodoxe gehen diese papistische Verschwörung.

Aber der Kalender hat sich gehalten, über die katholische Kirche hinaus. Ganz einfach weil der bis heute das beste Instrument ist, Zeitorganisation und Planetenbewegung in Einklang zu bringen. Expertentum auf gelungene Weise, sozusagen.

Hieroglyphen und Kalender

Und daneben Pater Kircher, der erste wirkliche Universalgelehrte. Ihm sei zu verdanken, dass die Hieroglyphen entschlüsselt werden konnten, heißt es bis heute gerne noch in meinem Orden. Was falsch ist. Der Einfluss von Kircher auf alle mögliche Forschung ist unbestritten, aber er bezog sich in seinen Studien auch auf eine Menge Unfug und schon damals als falsch bekannte Thesen und Erkenntnisse. Die Generation nach ihm, René Descartes vorweg, hielt ihn für einen Quacksalber.

Und da hängen sie also nun nebeneinander, die beiden Experten. Zu ihrer Zeit hat man sich auf beide verlassen. Aber auch beide hinterfragt. Mit dem Ergebnis, dass der eine Bestand hat, der andere nicht. Das ist Expertentum, das ist Wissenschaft.

Übertragen auf die ganzen Experten, die uns über die Zeitungsseiten und Bildschirme flattern: auch die beziehen sich auf Zahlen und Daten, auf Modelle und Thesen. Kritik gehört da zum Geschäft, das macht das Ganze erst zur Wissenschaft. Nur darf es eben nicht die raunende Verschwörungs-Vermutung sein. Oder der Angriff auf die Person.

Der Kern ist das Lernen

Denn das Wesen aller Wissenschaft ist nicht, dass die Erkenntnis unumstößlich ist. Dass man jetzt weiß. Dass klar ist. Sondern das Wesen aller Wissenschaft ist das Lernen. Deswegen ändern sich Modelle, Thesen und Erkenntnisse. Im Augenblick vielleicht verwirrend oft, aber es ist eben ein Zeichen des Lernens, wenn widersprochen wird oder neue Erkenntnisse dazu kommen.

Das muss man aber wollen. Das Lernen. Unsere Verschwörer wollen das nicht, lernen. Denn sie wissen ja schon alles. Unsere beiden Jesuiten auf den Bildern wollten es, und haben es, und nachfolgende Generationen haben das aufgenommen und weiter geführt, kritisch, ablehnend in dem einen und weiterführend in dem anderen Fall.

Und lernende Experten sind mir allemal lieber als Menschen, die für sich die Unfehlbarkeit gepachtet haben. Lernen und Entwicklung von Erkenntnissen und Modellen ist ein Qualitätsmerkmal. Den Rest können wir getrost ignorieren.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter Corona, Debatte, Experten, Fachwissen, Theologie, Wissenschaft28 Kommentare zu Wem können wir glauben? Experten – alte und neue

Die Kirche aus dem Kabel: 5 Thesen zu Internet und Glaube

Veröffentlicht am 6. Mai 20206. Mai 2020
Vernetzte Religion Neue Welt! Neuer Mensch? Neue Religion? Foto: Dongdaemun Design Plaza in Seoul

Wir streamen Gottesdienste und freuen uns, dass es so viele neue Initiativen gibt, die uns in Corona-Zeiten das Kirche-Sein ermöglicht. Vielleicht nur als Übergang, vielleicht mit ganz neuen Ideen, aber hier ist ein Schub zu erkennen. Vernetzte Religion bekommt auf einmal eine ganz neue Wucht.

Vernetzte Religion

Gut oder nicht gut? Wie immer ist das nicht eindeutig zu entscheiden. Klar ist aber, dass das alles nicht einfach eine Verlegung des Bisherigen ist. Das neue Medium prägt Religion und wird das zunehmend tun. Dazu habe ich so meine Gedanken, ich formuliere sie mal als These. Das mache ich nicht zum ersten Mal an dieser Stelle, aber auch unter Einbeziehung jüngerer Erfahrungen „aus diesen Zeiten“ würde ich sie halten und zur Diskussion stellen.

These 1, oder die Frank Schirrmacher These

Es gibt vor allem in den USA die Vorstellung, die Zunahme der Wichtigkeit des Internets führe gleichzeitig zu einer Abnahme der Wichtigkeit von Religion. Untersuchungen glauben, das auch belegen zu können. Die Begründung dahinter: Religion wird durch Wissen besiegt, Internet stellt Wissen unkontrolliert und unzensiert zur Verfügung, daraus folgt eben ein Mehr an Aufklärung. Hier interessiert mich die zweite Annahme: Internet stellt Wissen zur Verfügung. Das tut es nämlich nicht, jedenfalls nicht so einfach und deutlich.

Sie kennen das Phänomen: Sie buchen eine Reise, sind dann bei Amazon unterwegs und bekommen Bücher zum Reiseziel angeboten. Algorithmen bestimmen, was wir zu sehen bekommen.

Dazu kommt: In den USA gibt es bereits Software, die Nachrichten schreibt. Das geht schneller, als einen Redakteur dran zu setzen. Packen wir das eine mit dem anderen zusammen, dann gehört nicht viel Phantasie zur Vorstellung, dass in nicht allzu langer Ferne jeder von uns spezifische Nachrichten generiert bekommt. Sprachstil und Inhalt, je nach eigenen Präferenzen. Sie bekommen dann von der gleichen Seite zum gleichen Thema eine andere Meldung als ich geliefert, Frank Schirrmacher (verstorbener FAZ-Herausgeber) hat das in Buch und Interview ausgefaltet, deswegen habe ich die These nach ihm benannt.

Weswegen das wichtig ist: Die Orientierung nach der Algorithmen Dinge für uns aussuchen ist der Konsum. Und eben nicht die Aufklärung. Auf die Religion angewandt: Es entsteht im Netz eine marktgerechte und konsumorientierte Form von Religion und Religionsdiskurs.

These 2, oder die Blog-These

Seit 2011 betreibe ich meinen eigenen (diesen) Blog. Da versammeln sich in der Kommentar-Spalte alle möglichen Meinungen. Und wenn ich im Netz auf anderen Blogs herumlese, oder besser noch auf anderen sich mit Glauben und Kirche befassenden Seiten, dann zeigt sich ein Bild: Selten kommt es zu einer wirklich interessanten Debatte. Web 2.0 ist also noch weit weg, wirkliches Engagement wird nur von einer wirklich sehr kleinen Gruppe betrieben.

Eine kleine Begebenheit: Bezüglich der Friedensgebete für den Nahen Osten im Vatikan hatte ich das Beten der Sure durch einen Imam verteidigt. Daraufhin kamen die üblichen Muslim-ist-böse Kommentare. Ich habe einen Islamwissenschaftler gefragt, der das erklärt hat. Und darauf kam dann der Kommentar eines Users, die Zeit der akademischen Wissenschaft sei vorbei, sie werde abgelöst durch den Privatgelehrten (wörtliches Zitat), der sich seine Informationen selbst besorge und nicht im Elfenbeinturm lebe. Also: Keine wissenschaftlichen Standards mehr, keine peer-control, jeder darf sich seine Welt und sein Wissen zusammen basteln. In Bezug auf die Religion: Alle sind wir auf einmal Fachleute. Begründungen, Wissen, Argument, rigoroses Denken, intellektuelle und akademische Ausbildung, das alles wird weniger wichtig. Religion wird zu einer persönlichen Welt, widi-widi-wie sie mir gefällt. Und das ist schädlich.

These 3, oder die Freiheits-These

Früher haben Journalisten entschieden, was Nachricht ist und was nicht. Journalisten haben Kriterien, etwas kommt in die Sendung oder ins Blatt, etwas anderes nicht. Medien hatten früher die Hoheit über Themen, Selbstbefragung und Selbstauslegung der Religion in den Medien fand nach den Regeln der Journalisten statt. Das ist nicht mehr so.

Ein Beispiel: Als der Papstwechesel 2013 anstand, hatten die meisten Redaktionen in Deutschland das nicht für wirklich interessant gehalten. Die Menschen aber schon, das Internet hat das Interesse widergespiegelt und die Redaktionen mussten hinterher laufen.

Es gibt kein Leitmedium mehr, das die Menschen und ihr Interesse ignorieren kann, Religion ist interessant, egal ob es den Nerds bei diversen online-Medien passt oder nicht. Das schafft Freiräume für mehr Diskurs.

Sie sehen, nicht alle meine Thesen sind negativ.

These 4, der die Zoo-These

Es ist ein Zoo da draußen. Es gibt Kampagnen und reine Kampagnen-Webseiten zu Religion und vor allem Kirche im Internet, Pöbeleien, jegliche Form von Schmähungen. Es gibt die Erregung, die Lautstärke, die Irren und Wirren, all diejenigen, die uns nicht denken lassen wollen sondern irgendwelche Gefühle, vor allem Angst, ansteuern. Das gibt ihnen nämlich Macht.

Da gibt es Goodwin’s law auch in Bezug auf die Religion.

Da gibt es, was ich „Relevanzverwirrung” nenne, also das Durcheinander von Bedeutungen. Was bedeutet was für was?, da wird gerne mal ein Kurzschluss für einen Geistesblitz gehalten.

Da wird souverän von Inhalt auf Person umgestellt, man spielt den Mann, nicht den Ball, um aktuell zu sein.

Das macht etwas mit Religion, das lässt uns in der Wahrnehmung wie komische, wirre, merkwürdige und manchmal bösartige Diskurse erscheinen.

Das macht etwas mit Religion, vor allem der organisierten Religion, vor allem auch mit inner-religiösen / interkirchlichen Diskursen.

These 5, oder die neue-Heiden These

Es entstehen neue Religions-Cluster, Verbindungen, Gruppen, Interessen, die sich nicht an den traditionellen Vergemeinschaftsungsmustern und Hierarchien orientieren. Christen, die an Reinkarnation glauben oder an Astrologie, Neuerfindungen des Heidentums mit Druiden und so weiter. Neue Religionsformen entstehen, allerdings ohne „Realität”, also ohne Gemeinschaft, ohne die Schwierigkeiten des Alltags, ohne all das, was Religion ausmacht.

Online-Rituale wie etwa Postings für Verstorbene sind zwar bislang nur ein Randphänomen, nehmen aber zu und werden prägender. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, über das Netz einen „Tzetel” in der Westmauer, der so genannten Klagemauer, in Jerusalem zu hinterlegen. Oder in einem online-Hindutempel kann man Rituale per Kreditkarte ordern.

Das wird Auswirkungen auf die realen Religionen haben. Welche genau, das wissen wir noch nicht. Das testen und probieren wir noch, die Corona-Dynamik schiebt uns da mächtig an.

Die Druckerpresse Ende des 15. Jahrhunderts veränderte Religion, das Sprechen und das Nachdenken über Religion. Jeder konnte auf einmal eine Bibel in der Hand halten (wenn er oder sie das Geld dazu hatte), Wissen wurde in bis dahin unbekanntem Maß verbreitet.

Bildung, Bildung, Bildung

Genau dasselbe geschieht nun durch das Internet. Europa reagierte damals auf diese Verbreitung des Wissens mit der „Erfindung” der Schule, wie wir sie heute kennen. Dasselbe muss meiner bescheidenen Meinung nach heute geschehen.

Schlussthese: Die richtige Weise des Umgangs und damit der positiven Nutzung des Internets für Religion und darüber hinaus für Glauben lautet: Bildung, Bildung, Bildung.

.

Zur Transparenz: Die Thesen sind eine Überarbeitung von Thesen, die ich hier 2014 das erste Mal vorgelegt habe.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, Neulich im InternetSchlagwörter Corona, digital, Internet, Kultur, Messe, Netz, These4 Kommentare zu Die Kirche aus dem Kabel: 5 Thesen zu Internet und Glaube

Lebens-Wert

Veröffentlicht am 2. Mai 2020
Über den Tod redet keiner gerne Zentrum christlichen Glaubens ist immer noch das Kreuz: Christudarstellung in Assisi, Kirche San Pietro

Es geht nicht nur um das Leben, sondern auch um den Tod. Wolfgang Schäuble, Boris Palmer, Klaus Mertes: Ganz verschiedene Beiträge haben in den vergangenen Tagen die Debatte um den Umgang mit der Corona-Krise geprägt. Über den Tod redet keiner gerne, dementsprechend schräg lieft die Debatte dann auch ab.

Dass ich die drei Namen oben in einem Satz genannt habe, ist schon ein wenig bösartig. Palmer ist auf Tabubruch aus, da ist viel Inszenierung. Bei Schäuble und Mertes sehe ich dagegen Ernsthaftigkeit im Anliegen, auch wenn ich weiß, dass nicht alle das teilen mögen. Ich habe die drei aber zusammen genannt, um einfach die ganze Bandbreite der Debatte zu skizzieren. Aber auch, um die Notwendigkeit zu betonen, innerhalb der Debatte zu differenzieren.

Über den Tod redet keiner gerne

Ich habe lange gezögert, das hier zum Thema zu machen. Schon bei vergangenen Beiträgen dazu kamen unsägliche Kommentare, von denen ich auch einige nicht frei gegeben habe. Ich nenne das hier, weil auch das zur Debatte dazu gehört. Wir reden hier über den Tod und das Leben, das ist für viele schwer auszuhalten.

Dabei ist doch dieses Thema genau das, wozu Religionen etwas zu sagen haben. Stattdessen werden Kirchenvertreter nur zu Themen wie Verbot und Kirchensteuer zitiert. Verständlich, wenn ich als Journalistin oder Journalist nichts mit Religion am Hut habe, dann ist das wirklich das einzige, was interessiert. Aber unter Glaubenden sind Tod und Leben Themen, zumal wir immer noch in der Osterzeit sind.

Unsere Themen

Nächstenliebe gehört zu unseren Themen. Die Solidarität mit den Armen, ja mehr noch, das Erkennen Christi im Armen und den Menschen, die an unserem Wohlstand keinen Anteil haben. Gerechtigkeit ist ein Name Gottes, wie wir sagen. Und eben das Leben, das wir nicht uns selbst verdanken und von dem wir glauben, dass es uns nicht geliehen sondern auf ewig geschenkt ist, über den Tod hinaus.

Es geht in der Krise nicht nur um das Leben, sondern auch um den Tod. Die Gesellschaft verdrängt das weitgehend, da gibt es zwar jeden Tag Zahlen, aber nicht viel mehr. Um den Tod zu wissen bedeutet auch, das Leben und die Welt anders sehen zu können. Das wussten auch schon die griechischen Philosophen.

Da ist mehr als nur „Messe – ja oder nein“

Gut an der Debatte wie sie Schäuble führt finde ich, dass es nicht sofort um Fundamentalkritik geht. Gegen Maßnahmen, gegen Personen. Sondern es liest sich wie die Beobachtung eines gelassenen Politikers, der um Gefahren weiß, aber andere Dinge nicht aus den Augen verliert. Grundlegende Dinge.

Innerkirchlich dreht sich die Debatte leider vor allem um „Messe – ja oder nein“. Auch hier im Blog übrigens, bei vielen Kommentaren. Aber wir haben doch viel mehr zu sagen als das. Ob jemand nun ‚seine‘ Messe bekommt oder nicht, das ist doch erst einmal zweitrangig. Corona hat noch ganz andere Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Unsere Themen. Es wäre schön, wenn wir die mal wieder unter uns besprechen könnten. Dann wird auch diese Krise wie es religiös heißt fruchtbar für uns.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter Corona, Debatte, Glaube, Kirche, Schäuble, Tod36 Kommentare zu Lebens-Wert

Links

  • Helfen Sie meinem Blog
  • Radio Vatikan
  • RV-Newsletter bestellen

Neueste Beiträge

  • „Wohin auch immer das führen wird“
  • Respekt!
  • Selbstkritik
  • Sammelpunkt der Dynamik des Zuhörens

Kategorien

  • Allgemein
  • Benedikt XVI.
  • Bischofssynode
  • Die deutschsprachige Kirche
  • Franziskus
  • Geschichte
  • Glaube und Gerechtigkeit
  • Glaube und Vernunft
  • Interview
  • Kirche und Medien
  • Kunst, Kultur und Können
  • Neulich im Internet
  • Ökumene
  • Papstreise
  • Rom
  • Spiritualität / Geistliches Leben
  • Sprechen von Gott
  • Vatikan
  • Zweites Vatikanisches Konzil

Artikelarchiv

  • Juni 2021
  • Mai 2021
  • April 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • Dezember 2020
  • November 2020
  • Oktober 2020
  • September 2020
  • August 2020
  • Juli 2020
  • Juni 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Februar 2020
  • Januar 2020
  • Dezember 2019
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • September 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • August 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • September 2016
  • August 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • Dezember 2014
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juli 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • April 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Mai 2011

Schlagwörter

Barmherzigkeit Benedikt XVI. Bischofssynode Deutschland Deutschlandreise Dialog Evangelii Gaudium Familie Flüchtlinge Franziskus Frieden Gebet Generalaudienz Gesellschaft Glaube Glauben Gott Internet Jahr des Glaubens Jesus Kirche Kommunikation Kuba Liturgie Medien Missbrauch Neuevangelisierung Papst Papst Franziskus Papstreise Politik Predigt Radio Vatikan Reform Religion Rom Sommerreise Spiritualität synodaler Weg Synode Theologie Vatikan Verkündigung Öffentlichkeit Ökumene
  • paterberndhagenkord.blog
  • Kontakt / Impressum
  • Datenschutzerklärung
Der Blog von Pater Bernd Hagenkord   |   2011 bis 2023