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PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

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Kategorie: Kunst, Kultur und Können

Dann macht doch rüber!

Veröffentlicht am 22. Februar 202122. Februar 2021
Geht doch zu den Protestanten Beffchen. Foto Frank van Anken / wikimedia commons

Man kann es mit einem Kopfschütteln wegschweigen. Man kann es als Argument für nicht satisfaktionsfähig halten und ignorieren. Man kann die Beleidigung, die drin steckt, erkennen und deswegen nicht darauf eingehen. Aber davon geht es nicht weg: die Aufforderung an Katholikinnen und Katholiken, doch bitte die katholische Kirche zu verlassen. Geht zu den Protestanten! Hilflos vielleicht, aber häufiger gehört als der Debatte lieb sein kann.

Seit ich selber im Synodalen Weg aktiv bin, kommt diese Aufforderung noch häufiger als davor. Bis dato war sie Papst Franziskus und seinem Anliegen einer Kirche der Umkehr vorbehalten, jetzt kommt es regelmäßig mit Bezug auf die Kirche bei uns daher.

Geht zu den Protestanten!

Ein Zitat aus der jüngsten Email, die mich dazu erreicht hat (anonymisiert):

„Da frage ich mich, warum gehen Sie nicht einfach zu den Protestanten? Dort finden Sie alles was Sie begehren! Dort finden Sie bestimmt Ihr Glück! Warum spalten Sie, ja vernichten Sie meine römisch-apostolische katholische Kirche in Deutschland?“

Das klingt so, wie es ist: hilflos. Da will jemand sich dem Wandel der Kirche nicht aussetzen und will, dass alles bleibt wie es ist. Oder besser: dass alles so wird, wie es durch die Scheuklappen aussieht. Aber dieses Argument gibt es nicht nur in dieser hilflosen Form, der Theologe Karl-Heinz Menke will einen „katholischen Protestantismus“ ausgemacht haben.

„Katholischer Protestantismus“?

Zunächst überrascht die Wortwahl. Eigentlich sprechen wir von „katholisch“ und „evangelisch“. Nun aber wird „protestantisch“ gewählt, wohl um den Kontrast zu schärfen. Es geht also gar nicht um Ernst gemeinte Vorschläge (falls das überhaupt jemand je angenommen haben sollte), im Vorschlag steckt Streit.

Das allein reicht aber noch nicht, um dieser Aufforderung den Schleier herunter zu reißen. Da drin steckt noch mehr, und das alles steckt in mehr Köpfen und Herzen, als uns lieb sein kann.

Weiter verbreitet, als gedacht

Erstens: Es geht an der Realität der Kirchen der Reformation vorbei. Aufgegriffen werden Dinge wie die Frauenordination und eine echte parlamentarische Struktur, aber die durch und nach der Reformation entstandenen Kirchen sind ja mehr als das. Sie haben eine eigene geistliche und theologische Tradition. Die Reduktion auf wenige Phänomene geht an der Wirklichkeit vorbei.

Zweitens: Es geht an der Aufgabe der Ökumene vorbei. Seit Jahrzehnten, seit dem Konzil, ist das Streben nach Einheit Teil des katholischen Selbstverständnisses. Das bedeutet nicht, in Kontroversen nicht auch mal auf eigenen Standpunkten zu bestehen, aber grundsätzlich gilt, dass die Ökumene eine Herausforderung ist, die wir annehmen müssen. Und derlei Aufforderungen schaden der Ökumene.

Probleme mit der Wirklichkeit

Drittens: die hier zum Vorschein kommende Hilflosigkeit geht an der Wirklichkeit der Kirche vorbei. Mich erinnert das an den bis in die 80er Jahre gehörten Ruf älterer Westdeutscher an die Jugend, man solle doch in den Osten gehen, wenn es einem hier nicht passe. Dämlich damals schon, ist auch die heutige kirchliche Abwandlung nicht wirklich intelligent. Ein Feindbild (siehe: ‚protestantisch‘ statt ‚evangelisch’) wird angeschärft um damit die Unzulänglichkeiten des eigenen Systems zu kaschieren. Und das eigene Wohlbefinden nicht in Unruhe geraten zu lassen.

Ich darf noch mal aus der oben genannten Email zitieren:

„Ich möchte in Ruhe meinen Glauben in einer Kirche ausüben, die nicht ohne menschlicher Fehler ist, aber so wie sie ist, ist sie immer noch meine Kirche wo ich gerne komme um zu beten – nicht um zu kämpfen.“

Beten, nicht kämpfen?

Allein das „nicht ohne menschliche Fehler“ sollte stutzen lassen. In seiner Allgemeinheit klingt das irgendwie nett, aber wenn wir uns dann erinnern, was diese „menschlichen Fehler“ waren, spätestens dann sollten wir stutzen. Schließlich war eine Studie zum Missbrauch Auslöser des Synodalen Wegs.

Wenn wir jetzt schon etwas sagen können dann doch wohl das, dass es kein zurück gibt zu einer Kirche, wie sie aus den Zeilen des mich anschreibenden Katholiken hervor scheint. Wenn alle Opfer gehört, alle Maßnahmen ergriffen sind. Und wenn wir durch diese Geschichten durch sind und alles richtig gemacht haben sollten, selbst dann wird die Kirche eine andere sein. 

Kirche wird eine andere sein

Das Ideal von Kirche wird es nicht mehr geben. Nicht nur weil es zunehmend schwerer wird, vor anderen und auch vor sich selbst zu begründen, weswegen man noch dabei ist. Sondern auch, weil wir einsehen müssen, dass das Sprechen vom Ideal vieles verdeckt und vielleicht sogar möglich gemacht hat, was so gar nicht zum Ideal passt.

Die Kirche ist jetzt schon eine andere. Diese Einsicht ist noch nicht überall gleich verbreitet, um so wichtiger ist, dass wir reden, reden, reden. In theologischen Seminaren und bei Konferenzen. Im Arbeitszimmer des Papstes und bei Bischofskonferenzen. Unter Katholikinnen und Katholiken wie auch ökumenisch.

Sich dem zu verweigern bedeutet eben nicht Treue, sondern den Auftrag zu verfehlen, den Kirche hat.

Auch ich gehe gerne in meine Kirche, um zu beten. Wer bewerten bedeutet nicht, dass alle Konflikte dann draußen bleiben. Beten bedeutet für mich, sich dann auch einzusetzen. Zu streiten, wenn nötig. Die Augen offen zu halten.

Der Versuch, alles Herausfordernde vor die Kirchentüre zu verbannen, hilft niemandem.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und Können, Neulich im Internet, Ökumene, Spiritualität / Geistliches Leben, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter Debatte, katholisch, Kirche, Ökumene, protestantisch, Reform, Wandel21 Kommentare zu Dann macht doch rüber!

Blumen, Blei und Bilder: Anselm Kiefer und die Bibel

Veröffentlicht am 16. Oktober 202012. Oktober 2020
in Bildern denken Anselm Kiefer in Kochel am See

Wir sollten viel mehr in Bildern denken, wenn es um die Bibel geht. Nicht immer historisch, nicht immer moralisch, sondern eben in Bildern. Eine kleine Debatte unter Jesuiten über einem Kaffee: was heißt das denn genau, in Bildern und nicht in Moral die Bibel zu lesen? Wir haben länger und engagiert debattiert, aber nicht wirklich mit einer Lösung gerechnet.

Zum Glück gibt es dabei Hilfen. Eine davon habe ich in Kochel gefunden, im dortigen Franz Marc Museum. Dieses beherbergt zur Zeit eine Ausstellung von Werken Anselm Kiefers, „Opus Magnum“ heißt die Präsentation.

In Bildern denken

Da gibt es einiges an Skulpturen, die sich biblischen Geschichten verdanken. „Jakobsleiter“ heißt eine Vitrine, „Die fünf klugen Jungfrauen“ eine weitere, „Moses eherne Schlange“ eine dritte. Aber auch nicht streng-biblisches, sich aber den biblischen Geschichten Verdankendes findet sich: „Tagebücher der Könige von Juda“ oder „Liliths Töchter“.

Da steht man dann vor einer dieser Vitrinen, drinnen eine Kombination aus verblühten Blumen, Blei, Stein und anderen Materialien, und der Titel weist einen auf einen Zusammenhang hin. Das war es aber auch schon, mehr gibt es nicht. Dann muss ich erst einmal genau hinsehen: was ist das? Wo sind Verbindungen? Wo sehe ich was Neues? Und dann kann ich Assoziieren.

Genau hinsehen und dann assoziieren

Früher war es ja üblich, Glauben und Glaubensinhalte darzustellen. Das waren theatergleiche und sehr körperliche Darstellungen, wie etwa bei Rubens, oder leicht verkitschte Szenen sehr europäisch aussehender Menschen. Das findet man hier in Kochel überhaupt nicht. Im Gegengeil, die Titel weisen zwar in eine Richtung, legen die Geschichte aber nicht aus. Weder historisch noch moralisch. Es sind Bilder.

Die schönste Erfahrung für mich beim Besuch der Ausstellung: Die Frage, was das genau bedeute, stellte sich nie. Bedeutung ist nicht wichtig. Bilder sind es, Assoziationen, innerhalb des Werks wie auch zwischen den Werken. Das hilft auch, wenn ich die Bibel in die Hand nehme. Den Text und die Geschichte erst einmal lassen, was sie sind. Nicht sofort nach Bedeutung fragen.

Nicht immer gleich Bedeutung

Eine Hilfe ist auch, dass nicht die wohlbekannten Bilder aufgerufen werden. Wenn ich auf die klugen Jungfrauen schaue, sehe ich erst einmal verblühte Sonnenblumen. Wenn ich auf die Jakobsleiter schaue, sieht die nicht sehr vertrauenserweckend aus. Die abgestürzten Engel darunter scheinen auch der biblischen Geschichte zu widersprechen.

Aber so ist das ja zum Glück mit Bildern. Das Fremde, hier das Material und die Zusammenstellung, lassen uns anderes sehen. Die Werke sind inspiriert, sie sind keine Darstellungen. Und das sollte uns ja mit der Schrift auch gelingen: uns in unserem Leben inspirieren lassen.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Anselm Kiefer, Bibel, Kunst, Schrift30 Kommentare zu Blumen, Blei und Bilder: Anselm Kiefer und die Bibel

Die Kirche aus dem Kabel: 5 Thesen zu Internet und Glaube

Veröffentlicht am 6. Mai 20206. Mai 2020
Vernetzte Religion Neue Welt! Neuer Mensch? Neue Religion? Foto: Dongdaemun Design Plaza in Seoul

Wir streamen Gottesdienste und freuen uns, dass es so viele neue Initiativen gibt, die uns in Corona-Zeiten das Kirche-Sein ermöglicht. Vielleicht nur als Übergang, vielleicht mit ganz neuen Ideen, aber hier ist ein Schub zu erkennen. Vernetzte Religion bekommt auf einmal eine ganz neue Wucht.

Vernetzte Religion

Gut oder nicht gut? Wie immer ist das nicht eindeutig zu entscheiden. Klar ist aber, dass das alles nicht einfach eine Verlegung des Bisherigen ist. Das neue Medium prägt Religion und wird das zunehmend tun. Dazu habe ich so meine Gedanken, ich formuliere sie mal als These. Das mache ich nicht zum ersten Mal an dieser Stelle, aber auch unter Einbeziehung jüngerer Erfahrungen „aus diesen Zeiten“ würde ich sie halten und zur Diskussion stellen.

These 1, oder die Frank Schirrmacher These

Es gibt vor allem in den USA die Vorstellung, die Zunahme der Wichtigkeit des Internets führe gleichzeitig zu einer Abnahme der Wichtigkeit von Religion. Untersuchungen glauben, das auch belegen zu können. Die Begründung dahinter: Religion wird durch Wissen besiegt, Internet stellt Wissen unkontrolliert und unzensiert zur Verfügung, daraus folgt eben ein Mehr an Aufklärung. Hier interessiert mich die zweite Annahme: Internet stellt Wissen zur Verfügung. Das tut es nämlich nicht, jedenfalls nicht so einfach und deutlich.

Sie kennen das Phänomen: Sie buchen eine Reise, sind dann bei Amazon unterwegs und bekommen Bücher zum Reiseziel angeboten. Algorithmen bestimmen, was wir zu sehen bekommen.

Dazu kommt: In den USA gibt es bereits Software, die Nachrichten schreibt. Das geht schneller, als einen Redakteur dran zu setzen. Packen wir das eine mit dem anderen zusammen, dann gehört nicht viel Phantasie zur Vorstellung, dass in nicht allzu langer Ferne jeder von uns spezifische Nachrichten generiert bekommt. Sprachstil und Inhalt, je nach eigenen Präferenzen. Sie bekommen dann von der gleichen Seite zum gleichen Thema eine andere Meldung als ich geliefert, Frank Schirrmacher (verstorbener FAZ-Herausgeber) hat das in Buch und Interview ausgefaltet, deswegen habe ich die These nach ihm benannt.

Weswegen das wichtig ist: Die Orientierung nach der Algorithmen Dinge für uns aussuchen ist der Konsum. Und eben nicht die Aufklärung. Auf die Religion angewandt: Es entsteht im Netz eine marktgerechte und konsumorientierte Form von Religion und Religionsdiskurs.

These 2, oder die Blog-These

Seit 2011 betreibe ich meinen eigenen (diesen) Blog. Da versammeln sich in der Kommentar-Spalte alle möglichen Meinungen. Und wenn ich im Netz auf anderen Blogs herumlese, oder besser noch auf anderen sich mit Glauben und Kirche befassenden Seiten, dann zeigt sich ein Bild: Selten kommt es zu einer wirklich interessanten Debatte. Web 2.0 ist also noch weit weg, wirkliches Engagement wird nur von einer wirklich sehr kleinen Gruppe betrieben.

Eine kleine Begebenheit: Bezüglich der Friedensgebete für den Nahen Osten im Vatikan hatte ich das Beten der Sure durch einen Imam verteidigt. Daraufhin kamen die üblichen Muslim-ist-böse Kommentare. Ich habe einen Islamwissenschaftler gefragt, der das erklärt hat. Und darauf kam dann der Kommentar eines Users, die Zeit der akademischen Wissenschaft sei vorbei, sie werde abgelöst durch den Privatgelehrten (wörtliches Zitat), der sich seine Informationen selbst besorge und nicht im Elfenbeinturm lebe. Also: Keine wissenschaftlichen Standards mehr, keine peer-control, jeder darf sich seine Welt und sein Wissen zusammen basteln. In Bezug auf die Religion: Alle sind wir auf einmal Fachleute. Begründungen, Wissen, Argument, rigoroses Denken, intellektuelle und akademische Ausbildung, das alles wird weniger wichtig. Religion wird zu einer persönlichen Welt, widi-widi-wie sie mir gefällt. Und das ist schädlich.

These 3, oder die Freiheits-These

Früher haben Journalisten entschieden, was Nachricht ist und was nicht. Journalisten haben Kriterien, etwas kommt in die Sendung oder ins Blatt, etwas anderes nicht. Medien hatten früher die Hoheit über Themen, Selbstbefragung und Selbstauslegung der Religion in den Medien fand nach den Regeln der Journalisten statt. Das ist nicht mehr so.

Ein Beispiel: Als der Papstwechesel 2013 anstand, hatten die meisten Redaktionen in Deutschland das nicht für wirklich interessant gehalten. Die Menschen aber schon, das Internet hat das Interesse widergespiegelt und die Redaktionen mussten hinterher laufen.

Es gibt kein Leitmedium mehr, das die Menschen und ihr Interesse ignorieren kann, Religion ist interessant, egal ob es den Nerds bei diversen online-Medien passt oder nicht. Das schafft Freiräume für mehr Diskurs.

Sie sehen, nicht alle meine Thesen sind negativ.

These 4, der die Zoo-These

Es ist ein Zoo da draußen. Es gibt Kampagnen und reine Kampagnen-Webseiten zu Religion und vor allem Kirche im Internet, Pöbeleien, jegliche Form von Schmähungen. Es gibt die Erregung, die Lautstärke, die Irren und Wirren, all diejenigen, die uns nicht denken lassen wollen sondern irgendwelche Gefühle, vor allem Angst, ansteuern. Das gibt ihnen nämlich Macht.

Da gibt es Goodwin’s law auch in Bezug auf die Religion.

Da gibt es, was ich „Relevanzverwirrung” nenne, also das Durcheinander von Bedeutungen. Was bedeutet was für was?, da wird gerne mal ein Kurzschluss für einen Geistesblitz gehalten.

Da wird souverän von Inhalt auf Person umgestellt, man spielt den Mann, nicht den Ball, um aktuell zu sein.

Das macht etwas mit Religion, das lässt uns in der Wahrnehmung wie komische, wirre, merkwürdige und manchmal bösartige Diskurse erscheinen.

Das macht etwas mit Religion, vor allem der organisierten Religion, vor allem auch mit inner-religiösen / interkirchlichen Diskursen.

These 5, oder die neue-Heiden These

Es entstehen neue Religions-Cluster, Verbindungen, Gruppen, Interessen, die sich nicht an den traditionellen Vergemeinschaftsungsmustern und Hierarchien orientieren. Christen, die an Reinkarnation glauben oder an Astrologie, Neuerfindungen des Heidentums mit Druiden und so weiter. Neue Religionsformen entstehen, allerdings ohne „Realität”, also ohne Gemeinschaft, ohne die Schwierigkeiten des Alltags, ohne all das, was Religion ausmacht.

Online-Rituale wie etwa Postings für Verstorbene sind zwar bislang nur ein Randphänomen, nehmen aber zu und werden prägender. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, über das Netz einen „Tzetel” in der Westmauer, der so genannten Klagemauer, in Jerusalem zu hinterlegen. Oder in einem online-Hindutempel kann man Rituale per Kreditkarte ordern.

Das wird Auswirkungen auf die realen Religionen haben. Welche genau, das wissen wir noch nicht. Das testen und probieren wir noch, die Corona-Dynamik schiebt uns da mächtig an.

Die Druckerpresse Ende des 15. Jahrhunderts veränderte Religion, das Sprechen und das Nachdenken über Religion. Jeder konnte auf einmal eine Bibel in der Hand halten (wenn er oder sie das Geld dazu hatte), Wissen wurde in bis dahin unbekanntem Maß verbreitet.

Bildung, Bildung, Bildung

Genau dasselbe geschieht nun durch das Internet. Europa reagierte damals auf diese Verbreitung des Wissens mit der „Erfindung” der Schule, wie wir sie heute kennen. Dasselbe muss meiner bescheidenen Meinung nach heute geschehen.

Schlussthese: Die richtige Weise des Umgangs und damit der positiven Nutzung des Internets für Religion und darüber hinaus für Glauben lautet: Bildung, Bildung, Bildung.

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Zur Transparenz: Die Thesen sind eine Überarbeitung von Thesen, die ich hier 2014 das erste Mal vorgelegt habe.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, Neulich im InternetSchlagwörter Corona, digital, Internet, Kultur, Messe, Netz, These4 Kommentare zu Die Kirche aus dem Kabel: 5 Thesen zu Internet und Glaube

Irritiert von der Dynamik des Religiösen

Veröffentlicht am 7. Februar 202025. Januar 2020
Bedeutungsverlust der Religionen Juni 2010: Kardinal Kasper tritt in den Ruhestand. Und zwar mit einer Pressekonferenz. Religion trifft Journalismus

„Der lange vorhergesagte Bedeutungsverlust der Religionen in modernen Gesellschaften ist nicht eingetreten“: So beginnen wir den Text einer Ausschreibung für eine Fortbildungsreihe. Ich darf „wir“ sagen, weil es ein Projekt ist, an dem ich beteiligt sein darf. Die Frage nach dem (nicht eingetretenen) Bedeutungsverlust zieht aber die Frage nach der Bedeutung in den Redaktionen der Medien nach sich, das ganze Feld Religion ist unübersichtlich geworden, auch für die Berichterstatterinnen und Berichterstatter. Journalisten tun sich oft schwer mit dem Subjekt. Und das gerade auch dann, wenn Menschen zunehmend irritiert sind von den Dynamiken der verschiedenen Religionen.

Aber dagegen kann man ja was tun, das ist keine Frage von Genialität. Deswegen diese Fortbildungsreihe. Die katholische Journalistenschule ifp in München nennt sie „Fachjournalist/in Religion“. Über zwei Jahre hinweg wollen wir berufsbegleitend helfen, Kontakte, Fachwissen und Erfahrung zu erwerben.

Bedeutungsverlust der Religionen

Die Fortbildungsreihe Fachjournalist „Religion“ will Journalistinnen und Journalisten qualifizieren, über diese Entwicklungen und Konflikte sachkundig zu berichten. Sie lernen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland kennen. Sie erleben die religiöse Praxis der Gemeinschaften, lernen ihre Gotteshäuser kennen und knüpfen Kontakte zu Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Akteurinnen und Akteuren aus Politik und Kultur.

So heißt es in der Ausschreibung. Selber habe ich immer wieder dazu was geschrieben, ich glaube, dass Religion eben nicht nur ein soziologisch oder psychologisch zu begreifendes Phänomen ist. Religion ist nicht nur von politikwissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturwissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Ich verliere sogar eine wichtige Dimension von Religion, wenn ich mich als Journalist in meiner Berichterstattung nur auf solche Begriffe stütze.

Das ist mehr als Soziologie und Psychologie

Nun will das keine Vorgabe für die Fortbildung sein, aber es beschreibt vielleicht mein persönliches Anliegen dabei. Die konstruktive und auch die kritische Dimension von Religionen herauszufinden braucht eben auch dieses Verstehen.

Es wird um Kopftücher gehen, um weltanschauliche Vielfalt. Es wird ums Religionsverfassungsrecht gehen. Um Flüchtlinge, Dialog und die Frage nach Krieg oder Frieden im Namen Gottes. Also ein veritabler Rundumschlag.

Wer mehr wissen will, hier gibt es auch noch einen Flyer dazu, die Ausschreibung selber habe ich weiter oben verlinkt.

 

 

Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Journalismus, Journalistenschule, Medien, Religion, Religionen, Weiterbildung1 Kommentar zu Irritiert von der Dynamik des Religiösen

Durchs Kreuz gehen

Veröffentlicht am 6. November 20193. November 2019
Frieden und Europa Kreuz Weg: Blick in den Innenraum der Nikolaikirche in Berlin

Man geht in einem Kreuz aufwärts. Eine Art Gang oder Gerüst, umzogen von weißer Kunstoffplane und beleuchtet, bildet eine Kreuzform, im Innenraum einer Kirche in Berlin. Ein Kunstwerk zu Frieden und Europa. Aber eben auch ein Kreuz.

Die Künstlerin Mia Florentine Weiss nutzt die Nikolaikirche für ein spannendes Projekt, es geht um den Frieden in Europa 100 Jahre nach den Versailler Verträgen, es geht um Begegnung in dem durch das Kreuz entstehenden Raum, um Bewegung.

Frieden und Europa

Die Kreuz-Symbolik ist fest in unserer europäischen Kultur verankert, über das religiöse hinaus. Das Kreuz ist auch mal für einen Streit gut, zuletzt prominent in Bayern, aber auch sonst wenn es um Schulen oder Gerichte geht. Immer geht es dabei um die Frage, für was es steht. Für Christus und sein Leiden? Das Abendland? Kultur? Tradition?

Nicht zuletzt damit spielt die Künstlerin, die ein großes begehbares Kreuz in eine Kirche gelegt hat. Oder hat hinfallen lassen? Wer weiß.

Spiel mit der Bedeutung des Kreuzes

Aber mindestens ich kann nicht anders, als bei dieser Kunst auch die Befragung des Religiösen zu sehen. Oder besser: vor allem eine Befragung des Religiösen. Ein Kreuz ist ja nicht nur ein Kreuz, schon gar nicht wenn das alte, spätgotische Kreuz samt Corpus im Kirchenschiff darüber steht.

Wenn man durch das Kreuz in der Kirche hindurch geht, stellt sich zuerst die Frage, was das sein soll. Man weiß um die Form, wenn man drinnen ist sieht man sie aber zuerst nicht. Man begegnet auch anderen Menschen im Kreuz, so das Museum nicht vollständig leer ist. Was soll das sein, oder bildlich mit der Installation gesprochen: Welchen Stellenwert, welchen Ort nimmt das Kreuz ein?

Welchen Ort hat das Kreuz?

Wir Christen verehren das Kreuz als Ort der Erkenntnis der eigenen Sünden und deren Vergebung. Es ist eine Verbindung. Es ist Ort der Begegnung mit Christus. Es ist auch Ort des Leidens in der Welt, auch wenn wir es nicht gleichsetzen können mit den Leiden des Menschen. Das Kreuz verweist gleichzeitig auf Gott und auf den Menschen.

Die Künstlerin Mia Florentine Weiss lädt dazu ein, das noch einmal aus einer künstlerischen Perspektive zu bedenken. Es mag ihr um ganz andere Themen gegangen sein, um Frieden und Europa, aber wie gesagt Christen verbinden mit dem Kreuz auch etwas anderes.

Verweisen auf Gott und Menschen

Haben wir die Deutungshoheit über das Kreuz verloren? Anfang der 2000er benutzte Madonna ein Kreuz bei ihrer Tournee-Show, Umhängekreuze sind Mode-Acessoires, ich will hier keine Litanei anstimmen aber es sind halt nicht mehr wir Christen, die entscheiden, wofür es zu stehen habe. Wir haben das Kreuz irgendwie verloren. Das Kunstwerk erinnert auch an diese Verlusterfahrung. Das schöne daran: das ist wiederum sehr christlich.

Denn ohne Verlust ist das Christentum nicht zu denken. Hier passt das Kreuz hin: Ich muss abgeben, wenn ich auf das Kreuz schaue und das Kreuz ernst nehme. Und dann kann ich das Kreuz auch neu entdecken. Etwa in dem Kunstwerk in Berlin.

 

Das Ganze ist noch bis Ende November zu sehen.

Und hier noch das Ganze im Film:

https://paterberndhagenkord.blog/wp-content/uploads/2019/10/Kreuz-Weg.mp4
Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter #loveurope, Berlin, Europa, Frieden, Kreuz, Kunst, Weltkrieg6 Kommentare zu Durchs Kreuz gehen

Ratzinger im Kino: Die Frage nach Missbrauch

Veröffentlicht am 31. Oktober 2019
Verteidiger des Glaubens Ein Kino in Berlin: Vor der Vorführung und der Debatte des Films

Religion enthält grundsätzlich die Gefahr von Missbrauch. Gestern Abend (Mittwoch), in einem Kino in Friedrichshain in Berlin, wurde in einer Preview Christoph Röhls Film „Verteidiger des Glaubens“ über Joseph Ratzinger und die Missbrauchs-Frage gezeigt. Und danach durfte ich mit dem Regisseur auf der Bühne debattieren.

Röhl ist bekennender Nichtglaubender. Was ja für eine journalistische Perspektive gut sein kann. Und über seinen Film kann man viel sagen, an einigen Stellen mag ich dort vorgebrachten Positionen widersprechen, andere Stellen mag ich mitreden.

Verteidiger des Glaubens

Aber das hier soll keine Filmkritik sein. In dem Gespräch danach kamen wir auch auf die Frage, wo genau Missbrauch eigentlich beginnt. Der Regisseur sagte am Schluss etwas Bemerkenswertes: Religion beginne da missbräuchlich zu werden, wo schwache Menschen auf der Suche nach Sinn mit Heils- und Erlösungsversprechen gelockt würden.

Ist das so? Meine erste Reaktion, die ich aber nicht ins Mikro gesagt habe, war: ich würde zustimmen, wenn er gesagt hätte, Missbrauch begänne wo Religion zum Mittel wird. Ich glaube, das hat er auch gemeint. Wenn Religion eben um den Menschen kreist und es um Macht oder Ordnung oder was auch immer geht.

Macht und Ordnung?

Im Film geht es um Joseph Ratzinger, um Irland, um die Legionäre Christi, es geht um Missbrauch und Moderne und Konzil, es sind fast schon zu viele Themen, die verhandelt und gezeigt werden. Irland hat sehr viel Platz, während die Theologie Ratzingers verkürzt dargestellt wird.

Aber der Punkt ist ja, dass so ein Film zum Reden einlädt. Zum Widerspruch, aber auch zur Nachfrage. Und die Frage nach dem „blinden Fleck“, wie es der Moderator Joachim Hake von der katholischen Akademie Berlin formuliert hat, wird durch den Film zum Thema. Wo sind blinde Flecke bei Joseph Ratzinger? Oder wo hat vielleicht der Film selber blinde Flecke?

Blinde Flecke

Das ist überhaupt die wichtigste Frage nach dem Film: was sehen wir nicht? Wollen oder können wir nicht sehen? Was Röhl versucht, paradigmatisch wie er sagt bei Joseph Ratzinger zu zeigen, gilt auch für uns. Etwa die Frage nach dem Klerikalismus, der eine Spielart der Verzweckung von Religion ist.

Röhls Film ist zurückhaltend genug, um Gespräche darüber anzuregen. Er will nicht überwältigen, durch Skandal oder steile Thesen. Auch wenn er selber wie ich meine auch blinde Flecken hat, ist er doch eine Einladung zur Debatte.

Ein zurückhaltender Film

Es gab im Laufe der Publikumsreaktionen einen Beitrag, den ich bezeichnend fand. Ein Ingenieur, der selber in jungen Jahren den Theologieprofessor Ratzinger gehört hatte, sprach davon, was er alles inspirierendes bei diesem Denker gehört hatte. Im Film kommt diese Theologie eher als Karikatur vor, das sah der Zuschauer offensichtlich einen solchen blinden Fleck.

Und da sind wir bei der Frage: können wir schwächen und blinde Flecken entdecken, ohne gleich ein Urteil zu fällen? Das Inspirierende behalten? Sind wir selber zurückhaltend und fragend genug, nicht sofort Urteile zu fällen? Oder dient die Personalisierung, wie sie der Film mit Joseph Ratzinger vornimmt, nicht auch zum Abschieben des Problems auf einzelne Personen?

Wo beginnt Missbrauch? Röhl versucht sich an seiner Antwort, als Geschichte der Tragödie eines Mannes, wie er sie erzählt, wird er seinem Thema und der gewählten Person nicht gerecht. Aber er stellt die Frage, nach den blinden Flecken, nach Theologie, nach Kirchenbild, nach Wegschauen. Und als Beitrag in der Debatte sind das Fragen, die immer wieder gestellt werden müssen.

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, VatikanSchlagwörter Benedikt XVI., Film, Kino, Kirche, Missbrauch, Papst, Vatikan, Verteidiger des Glaubens9 Kommentare zu Ratzinger im Kino: Die Frage nach Missbrauch

Sprachverschiebungen

Veröffentlicht am 28. August 201927. August 2019
Die Sprache des Papstes Übersetzung, Stolperstein und Übergang: Stein im Straßenpflaster von Amsterdam

Es gab Klagen. Über den Brief des Papstes an die Gläubigen in Deutschland. Nicht zuletzt auch in der ZEIT, in der auch ich einen Beitrag hatte. Und zwar Klagen nicht über Inhalt oder Sinn, sondern über die Übersetzung. Die Sprache des Papstes sei schlecht wieder gegeben.

Ein Uraltes Problem: Ein frei gesprochener Text muss übersetzt werden, was ein Spezialistenjob ist. Die Nuancen, die kulturellen Anspielungen und die Zitate, das alles muss erkannt werden. Oder aber ein geschriebener Text muss in zu kurzer Zeit übersetzt werden. Dasselbe Problem nur leicht verschoben.

Die Sprache des Papstes

In den vergangenen Jahren war das fast mein täglich Brot. Sowohl in meiner Arbeit, als auch immer, wenn ich mich im Italienischen bewegt habe. Denn so gut jemand in einer zweiten Sprache auch ist, so richtig und ganz kommt man da nie rein, schon gar nicht wenn diese Sprache spät erlernt wurde.

Auch in der Bibel, in Gebet, Meditation und Liturgie begegnet einem das. Die Bibel ist nicht in unserer Sprache geschrieben und meistens sind die Texte sogar zu gut übersetzt. Paulus Griechisch ist zum Beispiel beileibe nicht so glatt und logisch wie uns die Übersetzungen glauben machen.

Besser als das Original

Zurück zu den Klagen über die Übersetzung des Papstbriefes. Professionelles arbeiten ist hier das eine. Zeitdruck und Entscheidungen des Absenders, das über sein persönliches Büro laufen zu lassen sind das andere. Nicht immer geht dabei alles so glatt, wie wir das wollen.

Neulich habe ich mich mit einem nigerianischen Jesuiten unterhalten. Nigeria – so klärte er mich auf – habe 250 anerkannte Sprachen. Sprachen, nicht Dialekte. Wie machen die das? Wenn es keine Minimalsprache gibt? So gut kann man gar nicht sein. Das Ergebnis ist oft genug, ob Nigeria oder Vatikan, eine nicht ordentliche Übersetzung.

250 Sprachen in einem Land

Oder das Gegenteil: Man übernimmt Sprachbilder, die so gar nicht passen. Denn die Sprache, in die hinein übersetzt wird, hat ja auch ihre Bilder. Und auch das kann die Aussage verzerren. Die Sprache des Papstes sagt dann etwas, was in der Intention gar nicht drin war.

Sprache verändert sich beim Übersetzen. Kulturen, Intentionen, Arbeitsumstände, Wortfelder, all das hat seinen Einfluss. Wir können schlicht gar nicht einen Text so übersetzen, dass er voll und ganz die Intention des Aussagers oder Schreibers wiedergibt.

Sprache des Papstes verändert sich beim Übersetzen

Wie schön wäre es, wenn wir nur eine Sprache hätten und diese Verwirrung und Verschiebung uns erspart bliebe. Im Vatikan glaube ich ist man oft der Überzeugung, Italienisch sei diese Sprache. Oder sei zumindest die Richtsprache. Dem ist aber nicht so.

Die Vielfalt der Sprachen und die Sprachverschiebungen trennen uns, machen uns Arbeit. Aber sind auch ein Segen. Nichts ist selbstverständlich. Nichts ist von sich aus verstehbar, verständlich. Und das hat Auswirkungen auf die Weltkirche, wenn ich bei meinem Beispiel bleibe. Eben weil übersetzt werden muss und wir wissen, dass in der Übersetzung die Bedeutung sich verschiebt, können wir nie sicher sein. Und müssen immer nachfragen. Und müssen in der Ambiguität leben, dass wir nicht alles verstanden haben und verstehen können.

In Babel einen Turm zu bauen war eine ziemlich dämliche Idee, wenn wir von den Konsequenzen drauf schauen. Aber es bewahrt uns heute davor – wenn wir uns das denn eingestehen wollen – dass wir meinen zu verstehen.

Das ist zumindest eine Lehre, die ich aus meinen zehn Jahren Vatikan und Papstübersetzungen mitnehme.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und Können, Neulich im InternetSchlagwörter Papst Franziskus, Sprache, Übersetzung, Urtext.16 Kommentare zu Sprachverschiebungen

Die Götter strafen nicht

Veröffentlicht am 11. August 20198. August 2019
Eine neue Religion Das Alte und das Neue: Galleria Nazionale dell'Arte Moderna, Roma

Eine neue Religion? Hier im Blog ist zu einem Artikel die Rede von Peter Sellars in Salzburg diskutiert worden, was mich neugierig gemacht hat. Da sei die neue, säkulare Religion greifbar geworden und ähnliche Kommentare waren zu lesen. Das hat mich neugierig gemacht. Also habe ich die Rede – mit Verspätung – etwas intensiver gelesen.

Der Hauptpunkt war schnell identifiziert: keinerlei Rekurs auf das christliche Erbe. Stattdessen Rückgriff auf die antiken Mythen und deren Verarbeitung durch die Aufklärer, in Sellars Fall ist es Mozart. Und das wird dann auf unsere Zeit und da vor allem auf die Umweltzerstörung angewandt, in ganz großem Stil. Habe ich das in aller ürze so richtig erfasst?

Eine neue Religion?

„Die Stimmen der Vorfahren hören“: Das ist das Programm der Rede von Peter Sellars zu Beginn der 99. Salzburger Festspiele. „Die Stimmen der noch ungeborenen Kinder hören, unsere eigenen inneren Stimmen hören“.

Was mir dabei auffällt ist zuerst die atemberaubende Sicherheit, mit der er festzustellen scheint, dass es das Böse nicht gibt. Klassische Tragödie, Buddhismus und Hinduismus seien die Zeugen. Und hier ist tatsächlich eine klare Bruchlinie zu allem, was wir christlich nennen können. Gibt es das Böse, gibt es Sünde? Wenn nein – und das scheint mir Sellars Ansatz zu sein – dann hängt alles von uns selber ab. Dann ist Erlösung von all dem Schlimmen bei uns und nur bei uns zu suchen.

Erlösung selbstgemacht?

Nun ist das was Sellars da macht alles andere als neu. Und so eindeutig auch nicht. Es tut schon etwas weh, wie er Klassiker, Mozart und Plastik im Ozean in einen Gedankengang zwingt. Es ist nicht neu, weil es die Geistesgeschichte Europas immer begleitet hat. Wir nennen es die Gnosis, die Selbsterlösung durch Wissen. Oder eine andere Variante: Der Pelagianismus, die Selbsterlösung durch das Tun. Auch ich überzeichne hier, aber um den Kern zu erfassen darf ich das an dieser Stelle mal.

Beides übrigens –ismen, die sich immer auch in christlichen Varianten gefunden haben, bis heute streitet der Papst immer und immer wieder gehen ihre neo-Formen.

Vieles was Sellars da sagt kann ich selber unterschreiben. Vielleicht nicht genau so, aber die Richtung stimmt. Mir entspricht zwar die Weise, wie unser Papst darüber spricht, eher, aber das wird nicht wirklich verwundern. Aber die mahnenden Worte weisen – wie ich finde – schon in die richtige Richtung.

Gibt es Sünde?

Aber spannend wird es eben bei der oben angedeuteten Frage, ob es Sünde und Böses gibt oder nicht. Davon hängt auch die Frage ab, ob es Vergebung, Gnade, Erlösung geben kann oder nicht. Sellars sagt ausdrücklich, dass das klassische griechische Theater erfunden wurde, um den Bürgern von Athen zu zeigen, dass das Böse („evil“) nicht existiert.

Da lese ich viel von Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“ heraus. Sellars geht aber weiter und legt seine These vor, dass es das Böse nicht gebe, sondern nur Unwissenheit.

Wissen ist also Überwindung des Schlimmen. Dem widerspricht die Praxis: wie wissen eigentlich alles, was wir brauchen, trotzdem tun wir nicht das nötige. Deswegen muss sein Anliegen letztlich in moralischen Apellen stecken bleiben. Und auch seine Idomeneo-Deutung bleibt so moralisch, ein Apell.

Es bleibt bei der Moral

Der christliche Gedanke läuft dazu parallel. Wir lesen bei Paulus: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde“ (Römer 7). Aber Paulus spricht explizit von Sünde, es gibt es also, das Böse. Die Sünde.

Sellars These entnimmt der dem Buddha: Die Wahrheit des Leidens führt zur Erkenntnis und zum Such nach dem Weg zur Besserung. Christen setzen dagegen: „Das wahre Heil des Menschen besteht nicht in Dingen, die er von sich aus erlangen könnte”.

Sind Christen besser?

Die Rede selber habe ich nicht gehört, ich kann also nichts über die rhetorische Leistung sagen. Aber als gelesener Text finde ich sie so spektakulär nicht. Hier spricht ein Künstler, der Transparenz nicht kennt. Das ist sein gutes Recht und seine Entscheidung.

Ist das dann schon eine neue Religion, die Religion von heute? Eher eine schon etwas ältere Religion. Oder Weltanschauung. Gnosis eben.

„Der Gnostizismus ist nicht fähig zur Transzendenz. Der Unterschied zwischen der christlichen Transzendenz und jeder Form eines gnostischen Spiritualismus liegt im Geheimnis der Menschwerdung,“ sagt der Papst. Macht das dann schon Christen zu besseren Menschen? Auf keinen Fall. Wir sind genauso an der Zerstörung der Welt beteiligt wie alle anderen auch. Weswegen wir die Synode zu Amazonien brauchen, weswegen es sich immer noch lohnt, Laudato Si‘ zu lesen und so weiter.

Sellars sagt, dass die Tragödie uns erzählt dass die Götter nicht strafen, sondern dass wir uns das alles selber einbrocken. Wir Christen nennen das Sünde. Und deswegen ist unser Weg nicht der des Ansammelns von Wissen, auch wenn das nötig ist. Aber es bleibt nur Mittel. Unser Weg ist der der Umkehr. Und der braucht Gott und Gottes Gnade. Von selbst aus können wir das alles nämlich nicht schaffen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Mozart, Mythos, Peter Sellars, Religion, Salzburg, Schöpfung, Umweltschutz, Verantwortung25 Kommentare zu Die Götter strafen nicht

Christianisten unterwegs

Veröffentlicht am 27. Juli 201926. Juli 2019
Bildungstouristen in Kirchen Fresco im Benediktinerkonvent von Subiaco

Eine Busfahrt in Rom. Ich stehe neben zwei deutschsprachigen Touristinnen, und weil ich weder kurze Hosen noch T-Shirt oder dergleichen Strandkleidung in der Stadt trage, halten die mich für einen Einheimischen. Und reden laut. Bildungstouristen in Kirchen, darum ging es.

Die beiden Damen waren gerade in San Luigi die Francesi gewesen und hatten sich die beiden Caravaggios dort angeschaut. Und sie beschwerten sich, dass man die so schlecht sehen könne, weil sie an den Seitenwänden eine Kapelle hingen. In einem Museum wären die doch viel besser aufgehoben.

Bildungstouristen in Kirchen

Dass die beiden Bilder für die Kapelle gemalt wurden und selbst der Lichteinfall abgestimmt ist, das lassen wir da mal beiseite.

Und dann ging es um eine andere Kirche, dort hatten die beiden eine Darstellung Jesu Einzugs in Jerusalem gesehen. Und die beiden überlegten, ob es da nicht auch sowas wie ein Fest zu gäbe. „Palmsonntag“ wollte ich zurufen, aber habe mich dann doch zurückgehalten.

Nun kommt das jetzt von mir sehr schnöselig herüber, herablassend. Aber mir hat sich da schon die Frage gestellt, wie man etwa Caravaggio richtig sehen will, wenn man nicht weiß, worum es da geht.

Wissen worum es geht

Die Kulturleistungen der Christen sind erheblich. Kirchen, Gemälde, Theater, Literatur, überhaupt Sprache und Bildwelt: Europa ist voll von christlichem Erbe. Muss ich nun das Christliche auch kennen, um das sehen und hören und wertschätzen zu können?

Ja, ich glaube das geht. Man kann das achten, wertschätzen, sogar verstehen, wenn auch notwendigerweise immer eingeschränkt. Vielleicht sehen Menschen, die nicht sofort die christliche Geschichte und vielleicht die Predigten dazu im Kopf haben, auch ganz andere Dinge? Die Christen nicht sehen? Haben einen Zugang zur Kunst wie wir Christen zu nichtchristlicher religiöser Kunst?

Ich bitte also nachträglich um Nachricht für meine Schnöseligkeit.

Nicht nur schnöselig

Trotzdem: Es fehlt was. Ein Altarbild ist eben kein Gemälde und Fresken haben einen Ort und durch diesen Ort einen Sinn. Ein Caravaggio an der Museumswand verliert seinen Ort, die Kirche. Das Christliche ist eben nicht nur der Ursprung, Kunst ist nicht nur Bebilderung oder Vertonung. Sie will genuiner Beitrag sein.

Und: ich kann das Christliche auch nicht allein auf Kulturleistung zurückführen. Ein Bild oder ein Oratorium steht in Spannung zu gelebtem Christentum. Es ist nicht nur Kultur, ohne den Sinn- und Vollzugszusammenhang.

Der Theologe Remi Brague hat den Begriff der „Christianisten“ geprägt. Das sind Menschen, die das Christliche achten, es dabei aber dann auch belassen. „Die Leute, die diese Errungenschaften geleistet haben, waren eben keine Christianisten, sondern echte Christen. Sie taten, was sie taten, weil sie an Christus glaubten und nicht nur allgemein an die westliche oder abendländische Kultur.“ Das steckt in christlicher Kunst eben auch drin.

 

Kategorien Allgemein, Geschichte, Kunst, Kultur und Können, Rom, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Christentum, Kirchen, Kultur, Kunst, Tourismus21 Kommentare zu Christianisten unterwegs

Unsere Erfahrung von dem, was ist

Veröffentlicht am 23. März 201922. März 2019
Meditation und Kunstwerk Das Pendel und die Doppelspiegel: Gerhard Richter in Münster

Wanderer, kommst du nach Münster … dann wirst du dich der geradezu hypnotischen Faszination des Pendels in der Dominikanerkirche nicht entziehen können. Gerhard Richter hat dort ein Kunstwerk installiert, „Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel“. Langsam gleitet die Kugel über die Scheibe, hin und her, und sofort wird man selber ruhig und gleicht sich der Allmählichkeit an. Ein großer, leerer Kirchraum, wenig und monotone Bewegung, Meditation und Kunstwerk in einem, sozusagen.

Das Werk beherrscht die ganze Kirche, definiert den Raum drum herum. Alles wird ist auf dieses Werk bezogen. Kardinal Woelki wird froh sein, dass er in seinem Dom in Köln „nur“ Fenster von Richter hat, und nicht dieses Werk.

Meditation und Kunstwerk

Es hat eine gewisse Spitze, dass jetzt in der säkularisierten Kirche ausgerechnet Foucaults Pendel hängt. Denn das ist es, das Pendel des Wissenschaftlers Léon Foucault. Damit hat der Naturwissenschaftler vor 170 Jahren die Erdrotation nachgewiesen. Die Bahn der schweren Kugel ändert sich, da sich Schwerkraft aber nur senkrecht auswirkt, muss es eine andere Kraft sein, welche die Bahn ändert. E voilà, ein Beweis für die Erdrotation (ganz auf die Schnelle).

https://paterberndhagenkord.blog/wp-content/uploads/2019/03/Münster-Gerhard-Richter.mp4

Die Berichterstattung über dieses Kunstwerk wurde deswegen auch nicht müde zu betonen, dass da wo man früher geglaubt habe die Erde müsse in der Mitte sein, nun der Beweis des Gegenteils hänge. Aber so einfach ist das nicht, so ist Richters Kunst nicht. Er fällt keine Urteile, er ist auch in seinen Gemälden nie so eindeutig, als dass man ihn so verstehen könnte.

Einen Schlüssel für das Kunstwerk bekommt man, wenn man es sich ganz anschaut. Wenn es Ihnen so geht wie mir, dann bleiben Sie am Pendel hängen. Erst langsam dämmert es, dass da mehr ist. Nämlich „zwei graue Doppelspiegel“, wie es der Titel ansagt. Es ist nicht nur das Pendel, was da hängt.

Naturwissenschaft und auch nicht

An den beiden Wänden rechts und links passiert das, was immer passiert, wenn man Spiegel gegenüber hängt, sie spiegeln sich gegenseitig und der Raum wird optisch unendlich und gleichzeitig unfassbar. Und während das Pendel in der Mitte einerseits meditativ ist, andererseits aber ein naturwissenschaftlicher Beweis, sind diese Spiegel-Spiegel ebenfalls meditativ, aber eben das genaue Gegenteil des Messens.

Es geht um unsere Erfahrung von dem, was ist. Von unserer Welt drum herum. Das Pendel beweist, entschleunigt aber auch, es ist ein pendelnder verzerrender Spiegel. Unsere Wahrnehmung von Welt ändern sich, wenn wir da drauf schauen. Das ist Visualisierung von sonst nicht wahrnehmbaren Gesetzen – der Erdrotation – aber gibt sein Geheimnis nicht gleich preis.

Es gibt sein Geheimnis nicht preis

Bei den Spiegeln ist das ähnlich, der Raum ist eben nicht mehr der barocke Raum der Kirche, sondern grau ins Unendliche und damit auch Unmessbare erweitert.

Was Wirklichkeit ist, wird hier einerseits gezeigt, andererseits wird es fraglich. Unsichtbares wird sichtbar, das Sichtbare aber unfassbar. Was Richter hier zeigt erweitert unsere Wahrnehmung, macht uns aber gleichzeitig weniger sicher.

In unserer Welt, wo scheinbar nur noch das Messbare zählt, sind wir Gerhard Richter dankbar dafür, dass nun in dieser ehemaligen Kirche Spiegel und Pendel hängen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Dominikanerkirche, Erdrotation, Gerhard Richter, Kunst, messen, Münster, Pendel, Wirklichkeit5 Kommentare zu Unsere Erfahrung von dem, was ist

Glauben sehen: Der Barock und die Religion

Veröffentlicht am 3. März 20192. März 2019
Barock in der Religion Der allerbarockeste Barock: Palazzo Barberini

Sant’Ignazio, Palazzo Farnese und natürlich Sankt Peter: Rom ist nicht arm an barocker Kunst. Statuen auf der Engelsbrücke, Fassaden an den Palazzi, die ganze Anlage der Piazza Navona, und so weiter. Man kann das tage- und wochenlang genießen, oder man kann sich schnell satt sehen, und wer mit dem Barock so gar nichts anfangen kann, dem wird das schnell über. Vor allem gilt das für den Barock in der Religion. Aber dazu später.

Zunächst mein persönlicher Favorit: Das eindrücklichste Werk von all den Barock-Dingen findet sich meiner bescheidenen Meinung nach im Palazzo Barberini, am Abhang des Quirinal, ein großes Deckenfresko. Pietro da Cortona hieß der Künstler, der hier kreativ war.

„Allegorie der göttlichen Vorsehung“

Man kommt in einen großen Saal. Dankenswerterweise haben die Museeumsgestalter dort nichts hinein gestellt. Der Saal ist einfach groß und hoch und leer und ganz anders als etwa in einer Kirche haben die Wände keine Verzierung, der Saal hat auch keine Blickrichtung auf einen Altar.

Und nach Oben öffnen sich Räume. Man schaut durch die Decke hindurch ins Himmelreich, sehr plastisch und sehr hoch hinauf. „Allegorie der göttlichen Vorsehung“ heißt das, und es hat viel mit den Auftraggebern, der Familie Barberini zu tun.

Wir wissen alle, dass das gemalt ist, aber hier lassen sich Sinne und Augen im Besonderen doch zu gerne täuschen. Man schaut hier durch die Decke hindurch.

Durch die Decke hindurch

Das Dargestellte hat nicht unbedingt was mit Realität zu tun, man sieht viele Tugenden dort. Und eine der zu sehenden Tugenden der Familie der Barbarini ist die des Friedens-Papstes, genauer des Papstes Urban VIII. Er habe den Nationen den Frieden gebracht. Ganz schön absurd, wenn man bedenkt, dass das Fresko Mitten im 30jährigen Krieg entstand. Aber es will eine andere Wirklichkeit bezeichnen.

Barock in der Religion: die Treppe iim Palazzo Bernini
Francesco Borrominis Treppe

Und wenn wir schon mal da sind: Direkt Daneben gibt es im selben Palazzo gleich ein zweites architektonisches Meisterstück des Barock, Francesco Borrominis Treppe. Eine Spitze gegen seinen Konkurrenten Bernini, der im gleichen Palazzo auch eine Treppe gebaut hat, aber ganz eckig. Dagegen setzt Borromoni die pure Eleganz. Aber das führt jetzt zu weit.

PR könnte man sagen, Identitäts-Politik, Fürsten – und das waren die Päpste damals vor allem anderen – haben sich inszeniert. Dieses Fresko ist da ein ganz besonderes Beispiel der Gattung.

Der Barock in der Religion

Der Barock oder auch die Barocke, wenn man will, laden ein in Bildern zu denken. Es ist trotz aller Bildhaftigkeit aber auch das Zeitalter der Vernunft, der Aufklärung, der Mathematik. Aber diese Vernunft ist noch nicht der Positivismus, barocke Wirklichkeit kennt noch alle Dimensionen der Welt nebeneinander, Wissenschaft und Glauben. 

Unsere Religion ist bis heute immer noch von diesem Denken und vor allem von diesem Schauen geprägt. Nicht nur, weil sehr viele unserer Kirchen barock gebaut oder umgestaltet sind. Unsere ganze religiöse Vorstellungswelt ist zutiefst von diesen An-Schauungen gefüttert.

In Bildern denken

Passt das heute noch? Immer wenn der Papst davor warnt, dass die Kirche zu einem Museum wird, habe ich so eine barocke Kirche vor Augen, ganz automatisch. Selbst Sankt Peter ist da keine Ausnahme. Die meisten Menschen kommen hier eben wegen der Kunst rein wie in ein Museum. Nicht der Religion willen.

Dabei ist der Barock vor allem eins nicht: langweilig. Hier passieren Dinge, hier passiert was, hier ist alles in Bewegung. Egon Friedell schrieb in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“ in den 20er Jahren, dass Menschen, welche die Renaissance höher stellten als die Barocke glauben „dass man ein Kunstwerk nur dann erhaben finden dürfe, wenn es langweilig ist.“ Barock ist Theater, ist Handlung, ist nicht langweilig. Jedenfalls nicht, wenn es gute Kunst ist.

Theater, Handlung, nicht langweilig

Noch einmal die Frage: passt das heute noch? Die Geschichte-Politik der Papst-Fürsten-Familien können wir nicht mehr Ernst nehmen. Das großartige Deckenfresko im Palazzo bleibt uns museal. Gilt das auch für religiöse Kunst? Für Rubens Christusbilder? Für Sankt Peter? Für all die kleinen und mittleren Barock-Kirchen bei uns?

Wenn ich im Palazzo hoch schaue, ist mir das alles sehr fremd. Wenn ich in der Kirche auf ein Bild aus der gleichen Zeit schaue, dann gestehe ich mir dieselbe Fremdheit oft nicht ein. Schließlich ist es eine Kirche, ein  Altarbild, oder so etwas. Aber es gibt sie, diese Fremdheit. Wir leben nicht mehr im Barock, unsere Bilder sind heute andere. Deswegen müssen wir noch längst nicht alles weg- oder abtun, aber das Denken in Bildern heute läuft anders.

Da ist jetzt unsere eigene Kreativität gefragt. In der Bild- und Zeichensprache von heute Kunst schaffen, die in unseren Glauben passt, als Darstellung, als Infragestellung, als Kommentar, als Widerspruch. Ein Besuch hier in Rom in einer der großen Kirchen zeigt uns jedenfalls, an welchen Vorläufern sich Kunst messen lassen muss.

 

Kategorien Allgemein, Geschichte, Kunst, Kultur und Können, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Barberini, Barock, Fresko, Glauben, Kultur, Kunst13 Kommentare zu Glauben sehen: Der Barock und die Religion

„Sportreporter der Religion“

Veröffentlicht am 16. Dezember 201812. Dezember 2018
Religion im Journalismus: Seligsprechung Johannes Paul II., am 1. Mai 2011 Petersplatz 2011, im Mai: Wie berichtet man so ein Ereignis wie dieses?

Man kann es schon bei Goethe sehen: Jemand will was wissen über Religion. Was es damit auf sich hat und so. Und der Befragte weicht aus, stellt Rückfragen, geht nicht auf die Frage ein sondern auf den Frager, und so weiter. Über Religion sprechen ist schwierig.

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

So fragt Gretchen, und so eindrücklich, dass diese Art Frage nach ihr benannt ist (Faust I).

In den letzten Tagen hatte ich wieder einige Gespräche darüber, wie wir das hier machen, also im Beruf, bei Vatican News, Radio Vatikan. Das Reden über Religion gehört ja dazu, naturgemäß. Aber wie darüber sprechen?

Religion im Journalismus

Und wie machen das die Kolleginnen und Kollegen, die für andere Medien arbeiten, aber zum selben Thema? Machen die Religion als Religion zum Thema? Oder weichen sie auf andere Themen aus, wie Faust?

Wie kann ich das überhaupt tun, hier im Strukturzentrum einer Weltreligion über Religion sprechen, ohne vereinnahmend zu sein? Seit einiger Zeit teste ich deswegen eine Formulierung für meine Arbeit aus, mit der ich das fassen mag. Ich bin nämlich sowas wie ein „Sportreporter der Religion“.

Damit meine ich, dass ich wenn es um vatikanische Ereignisse geht, es mir weniger um fertige Urteile geht, die an den Mann und die Frau gebracht werden müssen und wollen. Ich folge viel mehr dem Geschehen auf dem Feld, um in der Metapher zu bleiben.

Natürlich ist das nicht neutral, nichts ist neutral, schon gar nicht im Journalismus. Aber ich bin überzeugt, dass eine Stimme, die nicht genau so funktioniert wie all die anderen Stimmen, eine Bereicherung sein kann, wenn sie denn offen daher kommt. Und das probieren wir hier bei uns.

Vor einiger Zeit hatte ich schon mal darüber geschrieben, aber weil es in jüngster Zeit mal wieder Gegenstand hier war, mag ich das hier noch einmal anbringen.

Religion als Religion berichten

Immer mehr Journalisten ist das Thema Religion fremd, gleichzeitig wird es aber immer wichtiger, und zwar sowohl was das fremd gewordene Eigene angeht, das Christentum, als auch was den Islam angeht.

Religion ist eben nicht nur ein soziologisch zu begreifendes Phänomen, sie ist nicht nur von politikwissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturwissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Ich verliere sogar eine wichtige Dimension von Religion, wenn ich mich als Journalist in meiner Berichterstattung nur auf solche Begriffe stütze.

Wenn zum Beispiel ein neuer Papst gewählt wird, dann findet die Berichterstattung oft im Modus von demokratischen Wahlprozessen statt. Da gibt es dann Parteien, Wahlsieger, da gibt es konservativ und progressiv und so weiter. Und das ist ja auch verständlich, die Kategorien, die ich anlege, bestimmen das Bild, das ich sehe.

Aber es verhindert eben leider auch, dass ich die „ganze“ Geschichte erkenne. Wenn ein Kardinal vom gemeinsamen Gebet erzählt, das stattfindet, und die geistliche Dimension betont, wird das als Nebensächlichkeit oder als Vertuschung wahrer Motive eher ignoriert.

Am ehesten noch gelingt die Berichterstattung über die religiöse Dimension der Religion im Fernsehen, das wird von Bildern viel besser getragen als von Worten. Aber wie erklärt man das?
Man kann – davon bin ich überzeugt – über Religion als Religion sprechen, selbst wenn man dieser Religion nicht angehört. Man muss nicht selber gläubig oder fromm sein, um klug über Religion zu sprechen. Aber wie kommt man dahin?

Angst verlieren

Ein erster Schritt ist es, die Angst zu verlieren, sich vereinnahmen zu lassen. Nicht die Vorsicht und nicht die Sorgfalt, aber die Angst. Natürlich gibt es die Versuchung, zum Teil des Systems zu werden, wie bei Sportreportern und Sportfunktionären, Politikreportern und Politikern, und so weiter. Es ist aber kein Automatismus. Ich stelle eine Sorge bei Kolleginnen und Kollegen fest, zu „fromm“ zu klingen. Ich stelle auch eine Sorge fest, sich zu weit von einem Publikum zu entfernen, das man als der Religion entfremdet vermutet. Und drittens stelle ich die Sorge fest, vor Kolleginnen und Kolleginnen komisch auszusehen, wenn man sich mit sowas auskennt. Ich meine das gar nicht herablassend, das muss man ja auch ernst nehmen. Aber daraus darf sich keine Angst entwickeln, die Unkenntnis in Sachen Religion zu einer Tugend erhebt.

Ein zweiter Schritt wäre, Religion neu kennen zu lernen. Wie gesagt, Unkenntnis ist keine Tugend. Auch ist es keine Tugend, Religion den immer wieder gebrauchten Begriffen aus Politik oder Kultur zu unterwerfen. Drittens ist es keine Tugend, schon gar keine journalistische, immer wieder dieselben Fragen aufzuwerfen ohne nachzusehen, ob solche Fragen ein richtiges Bild des Berichteten abgeben. Neugier ist auch hier wie überall im Journalismus wichtig.

Unkenntnis ist keine Tugend

Drittens braucht es eine gesunde Selbsteinschätzung in Sachen „Aufgeklärtheit“. Es ist eben nicht so, dass post-religiöse Menschen „aufgeklärter“ sind, „weiter“ sind als andere. Es gibt eine Auffassung von Fortschrittlichkeit, die post-religiös daher kommt. Das mag ja sein – nehmen wir das mal hypothetisch an – muss dann aber auch gezeigt werden. Als stille Voraussetzung verzerrt es die Perspektive.

Viertens braucht es Sachkenntnis. Das klingt jetzt wie ein versteckter Vorwurf, als ob es das nicht gäbe. Es gibt aber tatsächlich viele Kolleginnen und Kollegen, die sehr viel wissen, meistens aber über die jeweiligen Institutionen von Religion, etwa die Kirche. Das ist aber nicht immer dasselbe.

Das alles ist aber nicht nur nach außen gesprochen. Das gilt auch nach Innen, in den katholischen Journalismus.

Post-religiöse Fortschrittlichkeit

Vor einiger Zeit habe ich einmal Kriterien zu formulieren versucht, was genau katholischer Journalismus sein kann. Oder vielleicht etwas bescheidener formuliert, das dazu gehören muss.
Katholische Medien, um es etwas thesenhaft zu formulieren,

– brauchen Loyalität. Wer nicht zur eigenen Katholizität steht, wird nicht ernst genommen. Das bedeutet aber nicht, gleich einen eingebauten Filter zu haben und offizielle Sprachregelungen schlicht zu kopieren.
– brauchen Professionalität, was die Standards angeht. Natürlich ist ein Pfarrblatt etwas anderes als die Pressestelle der DBK, aber jeder muss das seine gut und richtig machen, je auf eigene Weise.
– brauchen eine klare Trennung zwischen Information und Verkündigung. Informationen, die sich nur Nutzern erschließen, die ein Vorverständnis teilen, führen in Sonderwelten.

Das unter den Bedingungen einer sich immer weiter wandelnden Medienwelt neu zu erfinden, das ist unser täglicher Job.

Religion im Journalismus. Interviewt werden anlässlich der Seligsprechung Papst Johannes Paul II
Sieht fast aus wie eine Sportreportage: 1. Mai 2011, im Interview zur Seligrpechung von Johannes Paul II

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Journalismus, Medien, Religion, Sport7 Kommentare zu „Sportreporter der Religion“

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