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Monat: Januar 2019

„Hoffnungsmüde“ – Gedanken zu Kirche und Wandel

Veröffentlicht am 30. Januar 201930. Januar 2019
Kraft um zu reparieren Santa Maria di Collemaggio, l'Aquila: Auch diese Kirche braucht Wiederaufbau, nach dem Erdbeben von 2009

„Hoffnungsmüde“: ein Wort von Papst Franziskus, gesprochen in Panamá bei seiner Reise zum Weltjugendtag. Er hat es zu Ordensleuten und Priestern gesagt, aber mir scheint es ein guter Begriff zu sein um die Debatten hier bei uns zu verstehen, die sich um Kirche und Erneuerung drehen. Was tun? Muss sich Kirche wandeln? Sich neu erfinden oder nicht? Ist die alte Zeit zu Ende? Was passiert mit Kirche und Veränderung?

Die Zitate in den Fragen stammen aus den vergangenen Wochen aus den Debatten um den Umgang mit Missbrauch, Autorität und die Frage, wie sich Kirche angesichts all dessen verändern muss.

Kirche und Veränderung

Dass eine Zeitenwende eingetreten sei, das sagt Bischof Franz-Josef Oberbeck (Essen). Es brauche eine „ernsthafte Erneuerung der Kirche“, alles müsse auf den Tisch, Priesterbild und Weiheamt, Hierarchie, Zölibat, Frauenamt und Sexualmoral. Nun gehe es nicht darum, eine bestimmte, vertraute Gestalt der Kirche zu retten, sondern „nach neuen Wegen zu suchen, um mit Gott in Berührung zu kommen“.

Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) sagt dagegen, Kirche müsse sich nicht „neu erfinden“. Kirche sei Projekt Gottes, und dürfe nicht organisatorisch-menschlich verstanden werden. Neue Wege: Ja, Bekehrung: auf jeden Fall. Aber eben keine Zeitenwende.

Damit hatte Voderholzer – direkt oder unabsichtlich – auf Bischof Georg Bätzing (Limburg) reagiert, der von „neu erfinden“ gesprochen hatte. Es brauche Veränderung. Kirche müsse sich vermehrt daran orientieren, was Menschen bräuchten, eine milieu-gestützte Weitergabe des Glaubens gebe es fast nicht mehr.

„Neu erfinden“?

Interessant ist eine Erfahrung, die Bätzing aus seinem Bistum berichtet und die den Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauch und der Erschütterung der Kirche darüber herstellt. Es habe es ansprechen müssen, von selber sei die Sprache nicht darauf gekommen. Aber sobald es angesprochen worden sei, hätten die Leute „gesprudelt“. Da sitzt also was tief drin, das von sich aus nicht artikuliert werde, Aggression, Enttäuschung, Wut. 

Daraus ziehet ich den Schluss, dass wir keine Debatte um Erneuerung führen können, ohne diese Dimension aktiv in die Debatte einzubringen.

Die verschiedenen und zugegeben etwas wahllos heraus gegriffenen Wortmeldungen (ich habe nur die letzten Wochen berücksichtigt und auch nur Bischöfe) können zu einer Art von Lähmung führen. Wenn ich eine Lösung suche, die all die verschiedenen Ansätze und Überzeugungen vereint, dann sind wir schnell blockiert. Und hier kommt dann für mich beim Thema Kirche und Veränderung das Papstwort von der „Hoffnungsmüdigkeit“ ins Spiel.

„Es ist eine lähmende Müdigkeit“

„Es ist eine lähmende Müdigkeit. Sie beginnt damit, dass wir vorausschauend nicht wissen, wie wir angesichts der Intensität und der Ungewissheit des Wandels, den wir als Gesellschaft durchmachen, reagieren sollen“. Der Papst sprach davon, wie schwer es sei, unter den Bedingungen von heute Ordensleben zu leben, aber ich lese das auch als Schlüssel für das leben als Christin und Christ in Gemeinschaft, in Kirche, überhaupt.

„Die Hoffnungsmüdigkeit kommt von der Feststellung, dass die Kirche durch ihre Sünde verwundet ist und dass sie viele Male die zahlreichen Schreie nicht zu hören vermochte, in denen sich der Schrei des Meisters verborgen hatte: ‚Mein Gott, warum hast du mich verlassen‘ (Mt 27,46).“ Damit meint der Papst auch den Missbrauch, den geistlichen, den sexuellen, und den Missbrauch von Macht und Autorität.

Fallen und Enttäuschungen

Die Falle sei nun ein „grauer Pragmatismus“. „Enttäuscht von der Wirklichkeit, die wir nicht verstehen oder in der, wie wir meinen, kein Platz mehr für unser Angebot ist, geben wir einer der übelsten Häresien unserer Zeit „Bürgerrecht“, nämlich zu denken, dass der Herr und unsere Gemeinden in dieser neuen Welt, wie sie abläuft, nichts zu sagen noch zu geben hätten (Evangelii Gaudium, 83).“

Wie da heraus kommen? Rezepte gibt es keine, vielleicht sind die Realitäten auch zu verschieden, um mit einer Lösung darauf reagieren zu können. Überhaupt, von einer Lösung zu sprechen ist vielleicht sogar falsch, es braucht Antworten.

Ein Hinweis vom Papst bekommen wir, wenn wir in der Zeit etwas zurück gehen und das Wort „Hoffnung“ aufgreifen. Der Papst hat es einmal in einer Videobotschaft so ausgedrückt: „Paulus sagt nicht „der Herr hat zu mir gesprochen und gesagt“, oder „der Herr hat mir gezeigt oder mich gelehrt“. Er sagt „er hat mir Barmherzigkeit erwiesen“.“

Antworten, nicht Lösungen

Eine Antwort auf die Müdigkeit liegt also darin, darauf zu schauen, wie Gott mit uns umgeht. „Es ist keine Idee, kein Wunsch, keine Theorie, schon gar keine Ideologie, sondern Barmherzigkeit ist eine konkrete Art und Weise, Schwäche zu „berühren“, sich mit anderen zu verbinden, einander näher zu kommen.“

Hoffnung entsteht mit Gott. „Um zu verstehen und zu akzeptieren, was Gott für uns tut – ein Gott, der nicht aus Angst denkt, liebt oder handelt, sondern weil er uns vertraut und erwartet, dass wir uns wandeln – muss vielleicht dieses unser hermeneutisches Kriterium sein, unser Modus Operandi: „Geht und handelt genauso“ (Lk 10:37). Unser Umgang mit anderen darf deswegen niemals auf Angst aufbauen, sondern auf die Hoffnung Gottes in unsere Umkehr.“

Noch einmal zurück zur Panama-Ansprache: Die Müdigkeit lasse sich nur durch die immer neue Begegnung mit Christus in Hoffnung verwandeln. Und das bedeutet die Begegnung mit dem, der uns barmherzig ansieht. Das bedeutet akzeptieren, dass wir – einzeln und in Gemeinschaft – verwandelt werden müssen.

Wir müssen verwandelt werden

Und damit verschieben wir das Problem der Veränderung nicht ins Spirituelle. Damit gehen wir den vielleicht harten Entscheidungen nicht aus dem Weg.  Bischof Overbeck hatte es so gesagt: Neue Wege suchen, mit Gott in Berührung zu kommen. Und die Voraussetzung dafür ist, zu schauen, wo Gott schon in Berührung mit uns war und ist.

Kirche und Veränderung – das wird in der Zukunft nicht einfacher. Lösungen und Rezepte gibt es nicht. Aber wenn unser Christsein von dem geprägt ist, wie Gott sich zu uns verhalten hat, in Barmherzigkeit, dann ist er erste Schritt gemacht und dann kann man auch die verschiedenen Wege vorwärts ideologiefrei besprechen. Dann lähmt das nicht in Müdigkeit, sondern dann bewegt sich da was.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Erneuerung, Kinderschutz, Kirche, Kirchenreform, Missbrauch, Papst Fanziskus, Reform, Wandel28 Kommentare zu „Hoffnungsmüde“ – Gedanken zu Kirche und Wandel

Diener der Freude nicht Herren des Glaubens

Veröffentlicht am 28. Januar 201927. Januar 2019
Kirche ist nicht abstrakt: Volksfrömmigkeit auf dem Petersplatz Tradition ganz klassisch: Auf dem Petersplatz feiern kirchliche Vereine ihren Glauben (Mai 2013)

Über Kirche zu sprechen ist gefährlich. Es besteht immer die Versuchung, der Institution zu großes Gewicht zu geben. Vor allem bei Leuten, denen die Kirche wichtig ist. Es ist die Versuchung, Kirche und Glauben gleich zu setzen. Trotzdem oder vielleicht deswegen kennt die Tradition die „Regeln, mit der Kirche zu fühlen“. Das berühmte „Sentire cum Ecclesia“. Wobei das „sentire“ gar nicht einfach zu übersetzen ist, ein „Gespür haben“ kommt dem wohl am nächsten.

„Regeln, mit der Kirche zu fühlen“

Genau diese Regeln nahm sich Papst Franziskus in Panamá vor, in seiner Ansprache vor den Bischöfen Zentralamerikas. Der Anlass: „Sentire cum Ecclesia“ steht auch auf dem Grabstein von Oscar Romero, es war sein Bischofsmotto. So nahm er sich also in der Ansprache diese Regeln vor, genauer die Exerzitien-Regeln des Ignatius von Loyola, gelesen durch eine Romero-Brille.

Bei Ignatius soll man viel loben: lange Gebete, Messfeiern, Enthaltsamkeit, Gelübde, Reliquien und so weiter und so weiter. Loben heißt hier aber nicht nur Lippenbekenntnis für die Tradition, sondern ist bei Ignatius auch immer eine Haltung, etwas Innerliches. Man soll dafür sein.

Man darf dabei nicht vergessen, dass die Liste der Regeln all das aufzählt, was zur Zeit der Entstehung der Exerzitien im 16. Jahrhundert unter Beschuss war (Stichwort: Reformation) bzw. was von allerlei Missbrauch verformt war. In all dem war eben nicht so sehr Glaube und Christus sichtbar als vielmehr „Mundanität“, verweltlichte Kirche. Das soll man laut dieser Regeln also loben, so Ignatius.

Kein Kritikverbot

Damit will er aber nicht etwa einen historisch-kulturellen Stillstand generieren. Es soll nicht eine historische Situation eingefroren werden. Es sollen auch nicht Fehlformen des Glaubenslebens einfach für gut erklärt und über die Wirklichkeit hinweg geschaut werden. Ganz und gar nicht.

Die Regeln sind auch kein Kritikverbot. Wenn man die Briefe Ignatius liest, dann findet man da sehr viel Kritik. Immerhin hat sich auch die Inquisition für Ignatius interessiert, einige Male wurde er von ihr vernommen, bestimmt nicht weil er viel zu unkritisch war.

Die größte Gefahr allerdings ist es, diese Regeln nicht für anzuwenden, sondern gegen. Sie also zum Maßstab zum Richten des Verhaltens Anderer zu nehmen. Gibt es ja auch hier im Blog, bei den Kommentaren: ich lobe und halte mich an die Sätze der Kirche und darf deswegen urteilen und verurteilen. So läuft die verquere Logik.

Kein Mittel zur Selbstrechtfertigung

Die Regeln haben aber ihren Platz in den Exerzitien, sie sind also eine Übung, für den Übenden, nicht zur Selbstrechtfertigung gegen andere. Und genau so versteht sie auch der Papst in seiner Ansprache:

„Wenn der heilige Ignatius von Loyola die Regeln für das „Sentire cum Ecclesia“ vorschlägt (..), versucht er, dem Exerzitanten dabei zu helfen, jegliche Art von falschen Dichotomien oder Gegensätzen zu überwinden, die das Leben des Geistes auf die gewöhnlich auftretende Versuchung reduzieren, das Wort Gottes dem Eigeninteresse anzupassen.“

Die Übung dient also zur Überwindung festgesetzter Interpretationsmuster in Sachen Kirche, in denen sich der Einzelne gerne mit guten Noten versieht. Da muss man heraus, um die Übung richtig machen zu können.

Teil einer Gemeinschaft

Und noch ein zweiter Punkt ist wichtig, so der Papst. Nur so – in der Überwindung dieser falschen Dichotomien – könne man sich als Teil einer Gemeinschaft erfahren, die den Auftrag hat, die Botschaft Jesu weiter zu geben. Das passt zu der Predigt vom 31. Juli 2013, die ich weiter oben schon verlinkt habe

„Zur Zentralität Christi gehört auch die Zentralität der Kirche: Es sind zwei Fokusse, die nicht voneinander trennbar sind: ich kann Christus nicht nachfolgen, wenn ich es nicht in der Kirche und mit der Kirche tue.“

Noch ein zweiter Punkt aus der Papstansprache, der für unseren Umgang mit Kirche und für das Gespür mit der Kirche wichtig ist: sie ist Volk Gottes. Dieses Gewicht welches das Konzil der Kirche gegeben hat sei für Romero entscheidend gewesen, und es müsse es auch für die Glaubenden heute sein.

„Denn der Herr wollte uns nicht einzeln und ohne Verbindung retten, sondern wollte uns zu einem Volk machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen soll“. (vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 9)

Kirche ist nicht abstrakt

Das ist natürlich ganz biblisch, im Alten Testament ist „Volk“ eine ganz zentrale Kategorie, es ist der Ort des Glaubens und der Befreiung. Aber es ist eben auch der Hinweis auf das Konkrete. Kirche ist kein Abstraktum, es geht nicht um eine Institution, sondern um Menschen. Und das meint der Papst nicht soziologisch:

„In der Kirche lebt Christus unter uns, und sie muss daher demütig und arm sein, da eine hochmütige Kirche, eine Kirche voller Stolz, eine sich selbst genügende Kirche nicht die Kirche der Kenosis (Menschwerdung, Selbstentäußerung Jesu) ist.“

Dass muss auch unser Sprechen und Denken über Kirche prägen. Ein Gespür für die Kirche haben kann eben nicht bedeuten, sich zu Urteilen über andere aufzuschwingen. Oder um es mit Paulus zu sagen, wie sollen Diener der Freude anderer sein und nicht Herren über deren Glauben.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Papstreise, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Exerzitien, Glaube, Kirche, Panama, Papst Fanziskus, Papstreise16 Kommentare zu Diener der Freude nicht Herren des Glaubens

Papst und Konzil: Wider die Unglückspropheten

Veröffentlicht am 24. Januar 201922. Januar 2019
Vatikanisches Konzil: Teilnehmer in Bewegung Kirche in Bewegung: Bischöfe beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Foto: Lothar Wolleh

Niemand von den Anwesenden ahnte etwas. Achtzehn Kardinäle waren versammelt, hinter verschlossenen Türen. Der Papst war in die Basilika Sankt Paul vor den Mauern gekommen, vor genau 60 Jahren war das, am 25. Januar, der Papst hieß Johannes XXIII. Es hätte ein Gottesdienst zur Gebetswoche zur Einheit der Christen sein sollen. Und das war es auch. Und noch mehr.

Die Situation sei schwierig, so der Papst in seiner Ansprache. Und weil er sozusagen mit seinem Amt für zwei Ebenen stehe – das Bistum Rom und die Weltkirche – wolle er zwei Schritte tun, um die Probleme anzugehen.

„Gewiss ein wenig zitternd vor Bewegung, aber doch mit demütiger Entschlossenheit, verkünden wir vor euch den Namen und den Plan einer zweifachen Feier: einer Diözesansynode der Stadt Rom und eines Ökumenischen Konzils für die Gesamtkirche.“

Leute die dabei waren sprachen nachher davon, dass es Schweigen gab, nicht wirklich Begeisterung. Vielleicht war die Botschaft auch noch gar nicht angekommen, auf der ersten Seite des Osservatore Romano jedenfalls erschien die Nachricht eher weiter unten, nicht als Top-Story.

Nicht die Top Story

Einer wusste es vorher schon, der damalige Papstsekretär Loris Capovilla (gestorben als Kardinal 2016).

„Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist die Weise, wie der Papst dieses große Problem der Einberufung angegangen ist. Er hat ganz und gar Gott vertraut und gleichzeitig geglaubt, dass die Institutionen der Kirche die Probleme lösen können. Ich habe ihm gesagt, als er mich fünf Tage nach seiner Wahl darauf angesprochen hat, dass ich das für ein Wagnis halte. Er sagte mir, dass auf seinem Tisch sich so viele Probleme versammeln, Sorgen und Fragen, der Bischöfe und der Orden; es brauche etwas Neues. Ich dachte damals an ein Heiliges Jahr oder eine Revision des Kirchenrechtes, das ja noch gar nicht so alt war. Aber der Papst dachte damals schon an ein ökumenisches Konzil.“

Fünf Tage nach seiner Wahl also schon, im Oktober 1958 hatte er die Idee. Nicht nur er, von Kardinal Frings ist überliefert, dass er bei der Rückkehr vom Wahl-Konklave davon sprach, dass der Papst ein Konzil wolle. Andere hielten die Konzils-Idee für überholt, zu aufwendig sei das.

Die Papstansprache von 1959

Wer mag, hier ein Blick auf das, was Papst Johannes damals gesagt hat.

Er beginnt gleich mit einem kantigen Satz: „Wir [damals sprachen Päpste von sich noch im Plural] wissen, dass freundschaftliche und eifrige, aber auch böswillige oder unsicher Blicke sich auf den neuen Papst richten und auf das warten, was am charakteristischsten ist, was man von ihm erwarten darf.“ Er spricht also aus, dass es damals schon nicht nur freundliche Gesichter gab.

Dann nimmt der Papst Anlauf zu seiner Ankündigung, als nächstes betont er seine „doppelte Verantwortung als Bischof von Rom und Hirte der Weltkirche“. Das könne nicht voneinander getrennt werden.

Rom hat sich sehr geändert …

Als erstes nimmt er sich Rom vor, eine Stadt, die sich seit seiner Jugendzeit stark geändert habe. Hier kann man schon lesen, dass Wandel und Veränderung eine der Triebkräfte für seine Entscheidung fürs Konzil waren. Er erzählt von diesem Wandel, von diesem „menschlichen Bienenstock“, von dem aus ein „ununterbrochenes Durcheinander von verwirrten Stimmen erklingt, auf der Suche nach Einstimmigkeit, Stimmen sie sich leicht mit einander verflechten oder auflösen“. Er wird da poetisch, der Papst. Der Einsatz für die religiösen, aber auch die sozialen Bedürfnisse sei deswegen mühsam geworden.

„Was ist das für so viele?“: dieser Ausruf vor der Brotvermehrung gebe die Stimmung in der Kirche ganz gut wieder, die Kräfte reichten einfach nicht aus.

„Wenn dann der Bischof von Rom seinen Blick auf die ganze Welt richtet, (..) oh, was für ein Schauspiel: froh einerseits darüber, dass die Gnade Christi weiterhin Früchte trägt und geistlich auferbaut, Gesundheit und Heiligkeit in der Welt vermehrt. Andererseits traurig über Missbrauch und Einschränkung der Freiheit des Menschen, der den freien Himmel nicht kennend und an Christus (…) nicht glaubend sich ganz der Suche nach den weltlichen Gütern zuwendet.“

… und aus Änderung folgt, dass man reagieren muss …

Dazu kämen dann noch die Versuchungen durch die moderne Technik. Diese sei eigentlich wertfrei, bringe aber Versuchungen, wenn man ganz auf sie baue. All dies – „sagen wir, dieser Fortschritt“ – schwäche die Kirche, lasse sie Fehler machen, führe dann zu Spaltung und zum Verfall.

Aber erinnern wir uns, später, bei der Eröffnungsansprache des Konzils, sollte er dann wider die „Unglückspropheten“ wettern. Johannes XXIII. wäre also völlig falsch verstanden, wenn wir in dieser Klage Kulturpessimismus erkennen wollten.

Im Gegenteil. Diese Beobachtungen „lassen im Herzen des demütigen Priesters, den die Göttliche Vorsehung obwohl unwürdig zu der Höhe des Papstamtes geführt hat, eine – sagen wir – entscheidende Lösung entstehen.“ Also, den Blick auf die Schwierigkeiten gerichtet wird er nicht etwa defensiv, sondern findet einen neuen Weg. In ihm sei etwas gewachsen.

… mit alten Mitteln, aber auf etwas Neues hin …

Die Kirche kenne nämlich Formen der Versicherung und der Weiterentwicklung der Lehre, auf die man zurückgreifen könne, „in Zeiten der Erneuerung haben sie Früchte von außerordentlicher Wirksamkeit, für die Klarheit des Denkens, die Festigkeit der religiösen Einheit, für die Flamme der christlichen Leidenschaft.“ Man war in den 50er Jahren in der kirchlichen Sprache noch viel blumiger unterwegs.

Und dann sind wir auch schon fast beim Thema, auf das der Papst die ganze Zeit zugesteuert war: „Ehrwürdige Brüder und liebe Söhne! Gewiss ein wenig zitternd vor Bewegung, aber doch mit demütiger Entschlossenheit, verkünden wir vor euch den Namen und den Plan einer zweifachen Feier: einer Diözesansynode der Stadt Rom und eines Ökumenischen Konzils für die Gesamtkirche.“

… mit einem Konzil

Ohne polemisch werden zu wollen: man kann in der Absicht des Konzilspapstes Johannes bereis lesen, was Benedikt XVI. dann später die „Hermeneutik der Kontinuität“ nennen sollte.

Er brauche den Anwesenden nicht die Bedeutung dessen zu erklären, was er da vorgeschlagen habe, so Johannes XXIII. weiter. Das klingt in unseren heutigen Ohren etwas komisch, begann doch genau in diesem Augenblick die Auseinandersetzung über das, was ein Konzil bedeuten kann, darf und soll.

Eine Aktualisierung des Kirchenrechts nennt der Papst als erstes als Aufgabe für das Konzil, und tatsächlich sollten die Arbeit dann – viel später, aber aufbauend auf dem Konzil – 1984 zur Promulgierung des aktuellen CIC führen. Das reiche aber schon aus, beendet der Papst den inhaltlichen Teil seiner Ansprache. Mit Grüßen in kurialer Sprache kommt er zum Ende.

Und damit beginnt die Bewegung

Und damit beginnt die ganze Bewegung, die nach viel hin und her, nach Texten, Ablehnung, Neuformulierung und Streit zu den Konzilsdokumenten führen sollte. Aber die Grunddynamik sollten wir nicht vergessen: Der Blick auf die Schwierigkeiten, auf Wandel und Veränderung, braucht eine positive Antwort. Nicht den Rückzug ins Defensive. Diesen Weg hat Papst Johannes XXIII. begonnen. Damals, am 25. Januar 1959.

 

Kategorien Allgemein, Geschichte, Glaube und Vernunft, Vatikan, Zweites Vatikanisches KonzilSchlagwörter Johannes XXIII., Kirche, Konzil, Papst, Reform34 Kommentare zu Papst und Konzil: Wider die Unglückspropheten

Und jetzt eine Synode

Veröffentlicht am 21. Januar 2019
Synode gegen Missbrauch - hier in Rom gibt es erst einmal eine Konferenz dazu Demnächst hier in Rom: eine Konferenz zu Kinderschutz und zur Aufarbeitung von Missbrauch

Theologische Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal: Endlich greift die Debatte auch diese Dimension vermehrt auf. Der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff hat sich in einem Interview dazu geäußert, in der FAZ. Und überrascht mit dem Gedanken an eine Synode gegen Missbrauch.

Immer mal wieder habe ich hier im Blog die Frage gestellt, wo angesichts von Missbrauch die Theologie ist, was die Theologie zu sagen hat. Jetzt, einen Monat vor der Konferenz im Vatikan zu Kinderschutz und Aufarbeitung, möchte ich das noch einmal aufgreifen.

Synode gegen Missbrauch

Überraschend an den Gedanken Hoffs fand ich vor allem den Schluss. „Was jetzt in Deutschland ansteht, ist eine Synode“. Nicht im Vatikan, er meint damit nicht die Konferenz im Februar, sondern eine Synode auf Level der Ortskirche. Der Grund für seinen Ratschlag: es braucht eine Analyse der Probleme. Und da er nach eine Synode fragt, darf man das so lesen: es braucht eine gemeinsame Analyse der Probleme.

Synodalität also praktisch, im Einsatz. Jede Form des Missbrauchs, also auch die katholische, habe seine Besonderheiten, sagt Hoff. Durch, Strategien der Verschleierung und Möglichkeiten von Missbrauch. Wo liegt in der Kirche das systematische Problem?

Synodalität im Einsatz

Hoff spricht von der „wechselseitigen Sakralisierung von Amt und Person“ beim Priester und dann davon, dass die Kirche eigentlich eine differenzierte Theologie der Macht entwickelt habe. Kern müsse die Botschaft Jesu bleiben. Wenn die verdeckt würde, dann sei das – so lese ich Hoff – eine deutliche Problemanzeige.

Ich mag an dieser Stelle nicht das ganze gar nicht so lange Interview wiedergeben. Aber wie gesagt hat mich der Schlussgedanke überrascht. Und auch wieder nicht. Weg vom übereinander reden, hin zum miteinander analysieren. Natürlich ist auch das kein Zauberstab, aber ein mögliches Element zur Aufarbeitung und auch zum Verstehen dessen, was da in der Kirche über Jahrzehnte passiert ist. Und zum Verstehen der spezifisch katholischen Variante dieser Verbrechen.

Ich weiß gar nicht, ob damit überein gehe. Ob eine Synode jetzt und heute (schon) der richtige Schritt ist. Aber ich freue mich über die Debatte. Papst Franziskus hat die Synodalität immer wieder als Weg voran bezeichnet. Hier finde ich ein mögliches Anwendungsbeispiel. Theologisch wichtig und praktisch möglich.

Vielleicht wäre das ja was.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Deutschland, FAZ, Kinderschutz, Konferenz, Missbrauch, Synode, Theologie12 Kommentare zu Und jetzt eine Synode

Kinderschutz-Konferenz: Worum es geht. Und worum nicht.

Veröffentlicht am 16. Januar 201916. Januar 2019
Missbrauch verstehen: Das Gebäude der Glaubenskongregation in Rom, wo die Aufklärung und Verurteilung von Tätern angesiedelt ist Missbrauch verstehen: Das Gebäude der Glaubenskongregation in Rom, wo die Aufklärung und Verurteilung von Tätern angesiedelt ist

Es ist der Wille und die Entscheidung der ganzen Kirche, dass sexueller Missbrauch nie wieder vorkommen, nie wieder vertuscht und nie wieder herungergespielt wird. Papst Franziskus war in seiner Weihnachtsansprache an die Kurie im Vatikan klar und eindeutig, und das nicht das erste Mal. In seinem Brief an die US-Bischöfe in den vergangenen Wochen war er noch einmal konkreter: das Ganze ist keine Organisationsfrage, sondern eine Mentalitätsfrage. Es geht um Bekehrung und Einsicht, letztlich um einen anderen Umgang mit Macht und Autorität.

Es bleibt aber die Frage offen, wie wir das, was an Leid und Verbrechen bislang hat geschehen können, bewerten. Und das unter anderem auch deswegen wichtig, weil wir nur durch Verstehen von Missbrauch effektiv verhindern können, dass es wieder passiert. Das gilt vor allem für die Konferenz, die zu den Themen Kinderschutz, Aufklärung und Prävention von Missbrauch im Februare hier im Vatikan stattfinden wird.

Missbrauch durch Verstehen verhindern

Nun taucht in den vergangenen Monaten immer wieder eine Deutung auf, die mich etwas unruhig macht. Fast schon zur Karrikatur verzerrt etwa in den diversen Briefen des ex-Nuntius Viganò. Oder in Interviews.  Aber auch in eher ruhigen Analyse-Stücken wie etwa dem von George Weigel, einem US-Journalisten und Papst-Kenner, jedenfalls was Johannes Paul II. angeht.

Bleiben wir bei Weigel: der spricht über die Konferenz im Februar und fordert, dass die Beschlüsse oder Beratungen die empirischen Ergebnisse reflektieren müssen. Das fällt zusammen mit zwei weiteren Forderungen Weigels, nämlich der nicht auf ideologische Lösungen zu setzen und damit eigene Interessen in die Debatte einzuschleusen (Stichwort Abschaffung des Zölibats), sowie genau hinzuschauen, was zur Krise hat führen können, „Klerikalismus!“ zu rufen reiche nicht aus. Soweit, so richtig.

Kinderschutz und Homosexualität

Dann aber sagt Weigel, dass man mit Blick auf die Daten nicht von „Kinder“-Schutz sprechen könne, es gehe vor allem (und er spricht von der katholischen Kirche) um Jungen. Außerdem sei das Sprechen von Pädophilie in diesem Zusammenhang falsch. Es gehe um heranwachsende Jungen und junge Männer, die Opfer von Missbrauch geworden seien.

Das Narrativ dahinter wird deutlich: die Missbrauchs-Debatte müsste eigentlich eine Homosexualitäts-Debatte sein. Viganò vertritt das mit Vehemenz, andere sich selbst vor allem gerne als laubens-Kontrolleure aufspielende Webseiten englischer Sprache auch. George Weigel tut es eher zurückhaltend und fragend, aber trotzdem in dieselbe Richtung denkend.

Wenn das aber so wäre, dann wären auch die Lösungen klar. Anstatt über Homosexualität zu reden, wäre die Ablehnung oder die Erklärung, das sei eine Krankheit, ausreichend. Anstatt Haltungen zu überdenken, würden sie verstärkt, und das auch noch mit dem Verweis auf die Krise.

Keine Ideologien, bitte!

Aber machen wir das, was Weigel fordert, schauen wir die Daten an, in unserem Fall in die MHG Studie. Die wird zwar oft kritisiert, aber es sind erst einmal Daten, und auf die sollen wir ja schauen. Korrekt werden in der oben genannten Deutung die Daten wieder gegeben, ich zitiere aus der Studie:

„Dokumentierte Hinweise auf eine homosexuelle Orientierung lagen bei 14,0 Prozent bzw. 19,1 Prozent [an dieser Stelle bezieht sich der Text auf zwei verschiedene Studien] der beschuldigten Kleriker vor. Dies war gegenüber der Vergleichsgruppe aus anderen institutionellen Kontexten wie z.B. Schulen (6,4 %) stark erhöht. In Teilprojekt 2 fanden sich bei 72 Prozent der interviewten beschuldigten Kleriker Hinweise auf eine homosexuelle Orientierung und bei 12 Prozent der interviewten nicht beschuldigten Kleriker.“

Das unterstützt scheinbar erst einmal die Deutung Weigels. Mit Blick auf die Daten muss festgestellt werden, dass es zumindest im Vergleich in der katholischen Kirche mehr Missbrauch unter homosexuellen Vorzeichen gibt.

Zahlen sind noch keine Analyse, Analyse noch keine Interpretation

Aber, und das ist ein großes und wichtiges aber, Zahlen sind noch keine Analyse. Anlyse ist noch keine Interpretation. Und gerade bei einem solchen Thema muss das sehr vorsichtig passieren, denn selbst Weigel fordert ja, keine ideologischen Thesen dem Thema aufzudrücken.

Also zitiere ich noch einmal aus der Studie, die sich die eigenen Zahlen anschaut: „Monokausale Erklärungen für das deutliche Überwiegen männlicher von sexuellem Missbrauch betroffener Kinder und Jugendlicher durch Kleriker der katholischen Kirche greifen zu kurz.“ Das ist ausdrücklich auf das Thema Homosexualität gesprochen. Es gebe verschiedene Erklärungen, warum die Zahlen so seien, wie sie sind. Die Interpretation, die Missbrauchs-Thematik sei in Wirklichkeit eine Homosexualitäts-Thematik, geht damit an den Zahlen vorbei.

Die MHG-Studie zählt dann andere mögliche Interpretationen auf, etwa die Frage nach der katholischen Sexualmoral zur Homosexualität, außerdem der zölibatären Lebensweise in Verbindung mit unreifen und abgewehrten homosexuellen Neigungen. Um dann zu schließen „das komplexe Zusammenspiel von sexueller Unreife, abgewehrten und verleugneten sowie die zum Zeitpunkt der Berufswahl möglicherweise latenten homosexuellen Neigungen in einer ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung könnte also eine weitere Erklärung für das Überwiegen männlicher Betroffener beim sexuellen Missbrauch durch katholische Kleriker bieten.“ Um dann anzuschließen: „Allerdings sind weder Homosexualität noch Zölibat eo ipso Ursachen für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen.“

Deutungen

Und damit sind wir bei der Deutung der Missbrauchs-Krise. Der Verweis – direkt oder indirekt – darauf, dass es sich hier um eine Homosexualitäts-Problematik handle, trägt nicht. Ich würde sogar sagen, der macht „blind“, wie die Bibel sagen würde, er lässt die Wirklichkeit nicht sehen. Mit der Aufforderung, keine Ideologie in die Debatte zu bringen, kommt sie durch die Hintertür wieder rein, getarnt als faktenbasierte Interpretation.

Mit der MHG Studie müssen wir aber sagen: „Homosexualität ist kein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch. Die Studienergebnisse machen es aber notwendig, sich damit zu beschäftigen, welche Bedeutung den spezifischen Vorstellungen der katholischen Sexualmoral zu Homosexualität im Kontext des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zukommt.“ So wird ein Schuh draus.

Ja, die Studie wird kritisiert, aber sie wird auf wissenschaftlicher Basis kritisiert. Und das ist ja gut so, nur so kommen Debatten und damit Fortschritt in Einsicht zu stande. Die Studie gibt der Katholischen Kirche auch noch kräftig einen mit, wenn es um das Verständnis von Homosexualität geht: „Von der Kirche in diesem Zusammenhang verwendete idiosynkratische Terminologien wie jene einer „tief verwurzelten homosexuellen Neigung“ entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage.“

Mögliche Lesarten und Interpretationen der Daten führen zumindest die Fachleute zu anderen Schlüssen, als die oben genannten es gerne hätten. George Weigel hat recht, die Debatte darf nicht ideologisch geführt werden. Anders formuliert: die Kirche muss zuhören, jedem einzelnen Betroffenen, Opfer und Überlebenden, aber auch den Zahlen.

Vor allem aber ist das die Aufforderung, jetzt nicht das Thema wechseln zu sollen.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, VatikanSchlagwörter Homosexualität, Kinderschutz, Konferenz, MHG-Studie, Missbrauch, Schutz, Vatikan, Wissenschaft22 Kommentare zu Kinderschutz-Konferenz: Worum es geht. Und worum nicht.

Darf man damit Werbung machen? Oder Politik?

Veröffentlicht am 11. Januar 20197. Januar 2019
Flucht und Schiff: Syrer auf einem Boot auf dem Weg nach Europa Flüchtlinge heute, Syrer auf dem Weg nach Europa. Foto: GGIA

Ein Schiff, voller Menschen, überquellend voll, Menschen überall, auf jeder Oberfläche, an der Seitenwand, im Wasser. Flüchtlinge und Schiff und Mittelmeer. Ein Foto. Erinnern Sie sich? Nein, ich meine nicht die Bilder aus diesen Jahren, ich meine ein Foto, das 1992 (!) viel Aufsehen erregt hat.

Die Firma Benetton hatte damals mit Skandalbildern Werbung gemacht. Besonders dieses Flüchtlingsschiff mit Menschen aus Albanien löste große Debatten aus, ob man das dürfe, ob das für Werbung zulässig sei, was ist mit der Würde der Menschen, und so weiter.

Flucht und Schiff, ein altes Motiv

Das Bild selber habe ich nicht rechtefrei gefunden, also hier per Link zum ZHK Zürich. Mittlerweile hängt das Foto in Museen.

Die 90er Jahre waren auch die Zeit, als mit Kampagnen wie „Das Boot ist voll“ gegen angeblichen Asylbetrug Stimmung gemacht wurde. Damals war auch viel von der „Festung Europa“ die Rede, Schengen wurde gerade eingerichtet und damit kamen auch die Außengrenzen in den Blick.

Lange ist das her. Aber wenn ich die Debatten von damals wiederlese, dann doch nicht zu lange. Wir haben wenig gelernt, scheint mir. Und wer glaubt, 2015 sei das Jahr mit der Krise gewesen, der schaue auf die überdrehten Debatten von 1992 zurück.

49 Flüchtlinge

Erst am vergangenen Sonntag musste Papst Franziskus öffentlich für 49 auf dem Mittelmeer auf Schiffen treibende Flüchtlinge das Wort ergreifen, weil sich die Regierungen nicht einigen können. Oder besser: weil sich damit schön Politik und Angst machen lässt.

Wie 1992 schon. Die Debatten darum, ob man mit so einem Foto Werbung machen darf, klingen im Rückblick geradezu harmlos. Die Frage heute ist, ob man damit Politik machen darf. Darf man, meinen einige. Dem ist zu widersprechen. Und zwar deutlich.

Lampedusa ist der symbolische Anti-Ort zum Foto von damals. Der Ort an dem der Papst die Frage in den Raum warf, wer eigentlich um die vielen Toten weine. Das ist viel menschlicher als Werbung mit ihnen zu machen. Oder Politik.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, VatikanSchlagwörter Benetton, Flüchtlinge, Fotografie, Mittelmeer, Politik, Werbung2 Kommentare zu Darf man damit Werbung machen? Oder Politik?

Nationalistische Tendenzen und internationale Aufgaben

Veröffentlicht am 7. Januar 20197. Januar 2019
Papst und Politik: Ansprache vor dem diplomatischen Corps Und alle kommen: Papst Franziskus sprach an diesem Montag vor den beim Vatikan akkreditierten Diplomaten

Kirche ist keine NGO, niemand betont das häufiger als Papst Franziskus. Aber gleichzeitig gilt auch, dass Kirche sich einmischen muss. Und dass es Berührungspunkte zwischen Papst und Politik gibt. Geben muss.

Es war eine lange, lange Ansprache an diesem Montag, die Papst Franziskus wie jedes Jahr vor den versammelten Botschafterinnen und Botschaftern hielt. Und wie immer gab es Grundsätzliches. Es war nicht das erste Mal, immer wieder nimmt der Papst zu gesellschaftlichen und damit politishen Themen Stellung. Wenn es um Armut, um Jugendarbeitslosigkeit, um Schöpfung bzw. Umwelt, um Flüchtlinge und so weiter geht, kann Kirche nicht still bleiben, will sie dem Glauben treu sein. Papst Franziskus ist auch nicht der erste Papst, ich erinnere nur an die Bundestagsrede von Papst Benedikt XVI.

Mit oder gegen

An diesem Montag war es also wieder soweit. Und nachdem der das Abkommen mit China, die wachsenden Beziehungen zu Vietnam und andere Entwicklungen gewürdigt hatte, kam er zu seinem Zentralanliegen, das er abschließend ausbuchstabierte. Im Zentrum stand die Frage nach internationaler Zusammenarbeit.

Ansatzpunkt war für ihn der Völkerbund, der im nun angebrochenen Jahr 100 Jahre alt wird. Alt würde, gäbe es ihn noch. „Warum einer Organisation gedenken, die heute nicht mehr existiert? Weil sie den Anfang der modernen multilateralen Diplomatie darstellt, mittels der die Staaten versuchen, die gegenseitigen Beziehungen der Logik der Vorherrschaft entziehen, die zum Krieg führt.“

Papst und Politik und Völkerbund

Das Experiment ist schief gegangen, statt der Abschaffung dieser Kriegs-Logik kam ein zweiter grausamer Krieg, der Zweite Weltkrieg. Aber die Vereinten Nationen, die danach die Stelle des Völkerbundes einnahmen, ziehen diese Linie weiter, „ein Weg gewiss besät mit Schwierigkeiten und Gegensätzlichkeiten; nicht immer wirksam, da auch heute die Konflikte leider fortbestehen; aber doch immer eine unbestreitbare Gelegenheit für die Nationen, einander zu begegnen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.“

Ist das naiv? Sind die UN nicht vielmehr ein Forum der Partei- und Nationalpolitik? Wo je nach Eigeninteresse blockiert wird? Und ist es nicht auch so, dass der Vatikan selber nicht bei allem mitmacht? Mitmachen kann? Stimmt schon. Aber wenn wir es nicht Naivität nennen, sondern guten Willen, dann wird was draus.

Multilateral

„Unverzichtbare Voraussetzung für den Erfolg der multilateralen Diplomatie sind der gute Wille sowie Treu und Glauben der Gesprächspartner, die Bereitschaft zu einer ehrlichen und aufrichtigen Auseinandersetzung und der Wille, die unvermeidlichen Kompromisse anzunehmen, die sich aus dem Vergleich der Parteien ergeben.“ Schön wär’s, ist man versucht zu sagen. Der Papst fügte in seiner Rede auch an, dass beim Fehlen auch nur eines dieser Elemente die Unterdrückung des Schwächeren durch den Stärkeren folgt. Genau das sei beim Völkerbund passiert, un dieselbe Haltung gefährde auch heute die Leitung der wichtigsten internationalen Organisationen. Papst Franziskus ist also hoffnungsvoll, aber nicht blauäugig.

„Ich halte es daher für wichtig, dass auch in der gegenwärtigen Zeit der Wille zu einer sachlichen und konstruktiven Auseinandersetzung unter den Staaten nicht schwinde, auch wenn es offenkundig ist, dass die Beziehungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft und das multilaterale System in seiner Gesamtheit durch das erneute Aufkommen nationalistischer Tendenzen schwierige Augenblicke erleben“: Der nächste Schritt seiner Überlegungen, die Identifizierung des Problems. Es heißt ‚nationalistische Tendenzen‘ und ist in etwa das Equivalent zu dem, was im geistlichen Raum um-sich-selbst-Kreisen ist.

Wider nationalistische Tendenzen

Diese Tendenzen wachsen auch auf der Unfähigkeit der internationalen Organisationen, wirkliche Lösungen zu schaffen, oft genug sehen wird das überall auf der Welt. Durch die Organisationen setzen  sich doch nur wieder die Starken durch. Aber auch das hat seine Gründe, er zählt eine ganze Liste auf. Um dann wieder seinen Ausgangspunkt, den Völkerbundm aufzugreifen:

„Einige dieser Haltungen weisen zurück auf die Zwischenkriegszeit, als die populistischen und nationalistischen Tendenzen sich gegenüber der Tätigkeit des Völkerbundes durchsetzten. Das erneute Auftreten solcher Strömungen heute schwächt allmählich das multilaterale System und führt zu einem allgemeinen Vertrauensmangel, zu einer Glaubwürdigkeitskrise der internationalen Politik und einer fortschreitenden Marginalisierung der schwächsten Mitglieder der Völkerfamilie.“

Aber wie denn? Appelle reichen nicht aus, von denen haben wir schon genug und vielleicht zu viel gehört, allgemein werden sie Sonntagsreden genannt. Diese Papstrede war keine, und zwar einfach weil er schon oft mögliche Lösungswege aufgezeigt hat. Einen davon griff er an diesem Montag wieder auf: „Man muss daher die globale Dimension berücksichtigen, ohne die lokalen Gegebenheiten aus dem Blick zu verlieren.“ Nicht nur das Blicken auf Wahlsiege, aber auch nicht allein die Rettung der Welt allein schaffen es.

Trump und die offene Tür

Ein zweiter Punkt gerade wenn es um die spalterischen Formen von Politik geht ist die Papstformulierung, dass immer eine Tür offen bleibt. Gefallen ist sie zum Beispiel als der Papst nach seinem Umgang mit Donald Trump gefragt wurde. Selbstgerecht Urteile fällen ist das eine, nicht aufgeben und hartnäckig diese eine noch offene Tür suchen das andere. Noch einmal, das ist hoffnungsvoll und nicht blauäugig. Das wäre ein zweiter Weg, oder besser eine Haltung: Hartnäckigkeit, immer weiter suchen, immer weiter fragen und nicht aufgeben.

Ein drittes Element – nicht notwendigerweise ein letztes, es gibt noch andere – ist die Frage der Perspektive. Der Kern des Politischen ist in der Formulierung „Their problems are our problems” enthalten. So hatte Papst Franziskus dem US-Kongress mitgegeben. Wer sich nicht mit den eigenen Problemen zufrieden gibt, sondern Verantwortung für andere übernimmt, macht sich ihre Probleme zu eigen. Und er bekommt auch Probleme, die er sich gar nicht ausgesucht hat. Klimafragen, Hunger, Zugang zu Wasser, etc.

Also, retten wir die Welt. Machen wir sie wenigstens ein wenig besser. Das ist christlich. Und es ist eminent politisch.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Ansprache, Diplomatie, Frieden, International, Nationalismus, Papst Franziskus, Politik, Vatikan, Völkerbund8 Kommentare zu Nationalistische Tendenzen und internationale Aufgaben

Wissen was man nicht weiß

Veröffentlicht am 6. Januar 20195. Januar 2019
Wissen was man nicht weiß hilft gegen die Dummheit der Maschinen Das ist als Werbung gemeint: Schaufenster in Amsterdam

Eine neue Text-Gattung ist geboren. Ich weiß nicht ob es auch Ihnen aufgefallen ist, aber immer öfter lese ich direkt nach Anschlägen online Texte, die eine Unterscheidung im Titel haben. Etwa: „Anschläge von Bottrop: Was wir über den Täter wissen und was nicht“. „Datenleck im Bundestag: Was wir wissen“. Oder ähnlich. Wir lernen also zu wissen was man nicht weiß.

Das geht nun schon einige Zeit so, und immer öfter erscheinen diese Texte auch als Push-Meldung auf meinem Mobil-Fon, offensichtlich sitzen da Menschen in den Redaktionen, die solche Meldungen für wichtig halten.

Nichtwissen wird wichtig

Eigentlich sollte das ja normal sein. Ein Bericht über ein Unglück oder einen Anschlag sollte nur Informationen enthalten, die man wirklich belegen kann. Natürlich kann kaum ein Journalist die Zuckung zurückhalten, auch mal zu spekulieren, mehr oder weniger belegt, aber das gehört zum Geschäft. Dass man nun aber meint, ausdrücklich sagen zu müssen, was man nicht weiß, ist neu.

Es ist natürlich eine Reaktion auf all den Unfug, der im Netz seine Kreise zieht. Krude Verschwörungstheorien genauso wie Social-Bots die darauf programmiert sind, Unruhe zu schaffen. Und das auch hinbekommen, wie wir in den vergangenen Jahren gesehen haben. Die entweder Klickzahlen generieren und deswegen auf Erregung setzen, oder ganz bewusst gesteuert sind.

Nichtwissen wird also zu einer Tugend. Oder besser: Das Bewusstsein um das eigene Nichtwissen wird zur Tugend.

Sokrates auf Redaktionsbesuch

Zuerst ist es mir bewusst aufgefallen, als die Münchner Polizei und dann auch die Medien um die Ereignisse im Münchner Olympia Einkaufszentrum herum gegen die Hysterie antraten. Die Nachricht hatte ja ganz München wirr gemacht, weil niemand was wusste wurde spekuliert und herumgeraten, nicht wenige meinten auch Verschwörungen und dergleichen sofort rauspusten zu müssen. Das Nichtwissen hat geholfen, sich gegen diese Hysterie zu wehren.

Seit Platon es in seiner Apologie geschrieben hat, ist es der Stolz jedes Philosophen, sein Nichtwissen zu wissen. „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Das ist der erste Schritt zur Einsicht und zu mehr Wissen und Information. In diesem Sinne hat die neue Text-Gattung geradezu philosophischen Wert.

München 2016

Journalismus soll uns helfen, mit der Welt umzugehen. Basiert auf Fakten, auf Analysen und auf Interpretationen. Wobei wichtig ist festzustellen, dass die drei nicht identisch sind. Ein konstruktiver, dem Menschen helfender Journalismus muss sich hier neu aufstellen. Und genau das sehe ich in dieser neuen Text-Gattung. Sie kommt schnell, per Push-Mitteilung, und hilft bei der Orientierung im Dickicht all der Info-Schnipsel – richtig oder falsch – die auf uns einschießen. Eine sehr erfreuliche Entwicklung und eine gute Antwort auf all das Fake-Zeug im Netz.

Es braucht angesichts all der Journalismusmaschinen heute guten Journalismus, und der besteht eben auch darin, genau zu wissen, was man nicht weiß.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Fake News, Internet, Journalismus, Medien, Medienethik, Nichtwissen, Philosophie, Sokrates2 Kommentare zu Wissen was man nicht weiß

Was demnächst passiert: Die Missbrauchskonferenz im Vatikan

Veröffentlicht am 2. Januar 20194. Januar 2019
Missbrauchskonferenz im Vatikan - Rote Ampel für Vertuschung Es geht nicht weiter so!

Papst Franziskus hat viel vor. Zum Beispiel wird er ein Land besuchen, das noch nie vorher einen Papstbesuch gesehen hat: Die Vereinigten Arabischen Emirate, Anfang Februar wird das sein. Davor ist Weltjugendtag in Panamá, auch mit Papst Franziskus. Großereignisse, das zweite von den Zahlen her, das erste in der Bedeutung. Aber alles wird in den kommenden Monaten in den Schatten gestellt, weil im Februar alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen hier im Vatikan über Missbrauch sprechen werden. Missbrauchskonferenz im Vatikan, das ist das Thema.

Und schon seit Wochen wird darüber gesprochen, was so eine Konferenz leisten kann. Papst Franziskus hatte im September angekündigt, alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zu versammeln. Es wird aber nicht die eine Konferenz, die alles löst. Das „Yalta“ der Missbrauchs-Debatte, wie es der kluge Vatikanist John Allen formuliert hat. Aber was wird es dann

Was wird das sein?

Schauen wir uns genauer an, was von der Konferenz geleistet werden muss. Oder soll. Erst einmal muss ein gemeinsamer Wissensstand hergestellt werden. Spezialisten braucht es, vor allem auch weil der Wissensstand nicht in allen Teilen der Kirche derselbe ist. Was daran liegt, das nicht alle Teile der Kirche eine Debatte im eigenen Land haben führen müssen oder geführt haben. Von Pater Hans Zollner, der das im Hauptberuf macht, weiß ich dass er durch die Welt fährt und Bischöfen und Kircheninstitutionen davon berichtet. Von ihm weiß ich aber auch, wie schwer das ist.

Dann muss zweitens bei der Missbrauchskonfernez im Vatikan die Vielgestaltigkeit des Phänomens zu Wort kommen. Eine Vielgestaltigkeit, wie sie auch in der Verschiedenheit der dann versammelten Kirchenvertreter ausgedrückt wird. Sexuelle Gewalt ist nicht gleich sexuelle Gewalt, auch ist Missbrauch weiter zu sehen. Der Papst nennt immer auch den Machtmissbrauch, er nennt ihn sogar in Chile an erster Stelle, wo die Situation besonders dramatisch ist. Auch in seiner Weihnachtsansprache an die Chefs der Abteilungen im Vatikan war der Papst hier sehr deutlich: Missbrauch hat verschiedene Dynamiken, verschiedene Elemente, die zusammen kommen. Das will ausbuchstabiert werden.

Formen des Missbrauchs

Drittens ist das eher ein Treffen von „Klassensprechern“, wenn mir der Kommentar erlaubt ist. Die Vorsitzenden haben keine Autorität über andere Bischöfe. Das prägt den Charakter der Missbrauchskonferenz im Februar, das ist kein Parlament. Die Erwartungshaltung ist hoch, hier müssen wir glaube ich ein wenig nachjustieren.

Viertens blickt nicht die ganze Welt mit dem europäischen oder gar US-amerikanischen Blick auf Missbrauch und sexuelle Gewalt. In Indien etwa gibt es verbreitete Gewalt gegen Frauen. Aus Afrika haben wir von sexueller Gewalt gegen Ordensfrauen gehört. Das sind ganz andere Debatten. Vieles findet auch nicht unter den gleichen rechtsstaatlichen Bedingungen wie hier bei uns statt, da gibt es Ängste und da gibt es Druck.

Christen leben unter ganz verschiedenen Voraussetzungen, in ganz verschiedenen Umgebungen. Und deswegen kann es keine „one-size-fits-all“ Lösung geben, also eine Vorgehensweise, die überall gilt. Es gibt zum Beispiel die Angst, die wir schon während der Jugendsynode gehört haben, dass die im Westen deutlich wahrgenommene Krise in anderen Teilen der Welt Probleme verdeckt, Gewalt gegen Christen etwa, Verfolgung, Neo-Kolonialismus und dergleichen. Ganz gleich wie man das bewertet, die Angst ist da und muss ernst genommen werden. Wer das ignoriert, verfehlt die Möglichkeiten, die eine solche Konferenz hat oder nicht hat.

Vatikan wird Ort der Debatten um Missbrauch

Fünftens dürfen wir uns nicht „in die Prävention flüchten“. Also das nicht sehen wollen, was passiert ist. Aufarbeitung ist wichtig, bleibt wichtig, und dazu muss man zuhören. Gleichzeitig aber muss man auch auf die Vergangenheit schauen und Verantwortung wahrnehmen. Auf dem Titel des österreichischen Magazins „Profil“ fand sich im November die Unterzeile „In Österreich gibt es nur Opfer und keine Täter“, ironisch gemeint weist das darauf hin, dass die Täter nicht unbehelligt bleiben dürfen.

Wichtig bei der Missbrauchskonferenz im Vatikan ist sechstens auch der Blick auf die Strukturen. Wie konnte es zum Schutz der Täter kommen? Zur Vertuschung? Was hat die religiöse und sakramentale Bemäntelung des Missbrauchs für eine Rolle gespielt? Was sagt das über das Verständnis von Autorität – Macht – in der Kirche? Beliebt ist die Aussage, es ginge hier immer nur um Einzelne, während die Kirche als solche nicht sündigen könne. Das ist eine theologische Aussage, welche in der Gefahr steht, Vertuschungs-Strukturen zu decken und damit zu ermöglichen. Und es gibt auch bereits einige, die deutlich an dieser Aussage, es seien nur einige, rütteln. Wenn es bei der Konferenz in diesem Sinn zu theologischen Anstößen kommt, dann um so besser. Wir müssen neu und anders über Kirche sprechen.

Genau zuhören

Siebtens müssen wir den Opfern oder Überlebenden genau zuhören. Nicht alle sprechen so, wie der Rest der Kirche und der Gesellschaft sich das vorstellt. Manche wollen oder können auch gar nicht sprechen, auch das erfordert Respekt. Immer wenn ich höre, wie jemand die Opfer oder Überlebenden auffordert endlich zu sprechen, damit die Institution aufarbeiten könne, wird mir leicht anders. Da fordert schon wieder die Institution etwas. Das geht so nicht. Zuhören ist viel subtiler und darf nicht mit Erwartung und schon gar nicht mit Vorverständnis einher gehen.

Kann die Missbrauchskonferenz im Vatikan dann überhaupt ein Erfolg sein? Oder anders gefragt, was wäre ein Erfolg des Treffens im Februar? Meine sieben Punkte kann man vielleicht noch ergänzen oder verringern, das ist keine Anspruchs-Liste, sondern einfach nur eine Aufzählung, was alles im Blick sein muss. Aber was wäre dann ein Erfolg?

Was wäre der Erfolg der Missbrauchs-Konferenz?

Ich versuche mich mal an einer Voraussage: Es wird keine Liste mit umzusetzenden Regelungen geben. Die Kirche beginnt nun aber, kulturübergreifend über das Thema zu sprechen. In den Worten des Papstes, vom 21. Dezember des vergangenen Jahres:

„Es muss klar sein, dass angesichts dieser Abscheulichkeiten die Kirche keine Mühen scheuen wird, alles Notwendige zu tun, um jeden, der solche Verbrechen begangen hat, vor Gericht zu bringen.“

Der Wille der Gesamtkirche wird ausgedrückt, der Papst wird sicherlich sehr klar sagen, dass Missbrauch durch Kirchenvertreter, durch Priester und Ordensleute oder durch irgendwen sonst in der Kirche, ein Problem ist, das es überall gibt, gleich ob es gesehen wird oder nicht. Keiner wird mehr sagen können, er habe es nicht gewusst. Und der Papst wird sicherlich auch um Verzeihung bitten, nicht zum ersten Mal, aber jetzt vor allen anderen Verantwortungsträgern.

Die Aufarbeitung, die Strukturdebatten, die Übernahme von Verantwortung, das alles muss konkret passiert. Die Konferenz bietet dazu das moralische, kirchliche und wenn es gut geht auch theologische Rückgrat. Das ist weder ein Anfang noch das Ende. Aber die Missbrauchs-Konferenz im Vatikan markiert die Tatsache, dass es eine kirchliche Frage ist. Überall.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, VatikanSchlagwörter Aufklärung, Bischofskonferenz, Kirche, Konferenz, Missbrauch, Papst Franziskus, Vertuschung, Weltkirche13 Kommentare zu Was demnächst passiert: Die Missbrauchskonferenz im Vatikan

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