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Schlagwort: Religion

Die Antwort auf die Mörder

Veröffentlicht am 5. November 20205. November 2020
Meinen Hass bekommt ihr nicht! Wien: Die Kirche und ihre Sichtbarkeit

„Meinen Hass bekommt ihr nicht!“: diese Antwort war oft zu hören in den vergangenen Tagen, nach den Anschlägen von Paris und zuletzt in Wien. Da kommen Terroristen mit Waffen und Hass und wollen der Gesellschaft diesen Hass aufdrücken, durch Angst und Gewalt. Aber genau das verweigert man ihnen.

Es gibt aber auch die anderen Antworten, den Typ Antwort der selber auf Formen von Gewalt zurück greift, von Gegengewalt, wie er sich gibt. Auch hier zum Blog gab es einige sehr hässliche Wortmeldungen, die zwar laut auftraten, letztlich aber nur ängstlich waren.

Meinen Hass bekommt ihr nicht!

Letztere konzentrieren sich vor allem auf das „islamistisch“ in der Motivation der Täter. Radikalisierte Religion, ideologisch aufgeladene Gewalt, dieser sozial-religiöse Bereich wird mit einer ganzen Religion gleich gesetzt und zur Stärkung der eigenen, vermeintlichen Identität genutzt.

Was auch immer da dran ist: da müssen die Religionen auf den Plan. Und es gab eine ganze Reihe von Stellungnahmen dazu, auch wenn die vielleicht nicht immer gleich medial wahrgenommen wurden. Ein Zeichen, dass die vielleicht nicht mehr reichen. Dass man die schon oft gehört hat und dass man sich eine klarere Aussage wünschen würde.

Antwort der Religionen

Aber was kann das sein? Wir kann und soll Religion, wie soll der glaubende Mensch reagieren? Jedenfalls nicht nur durch das Aufsagen von Selbstverständlichem: Solidarität, Nächstenliebe, Hand reichen. Das ist wichtig, aber in dem Augenblick vielleicht nicht angebracht.

„Unser christlicher Glaube, der uns zum Gebet für unsere Feinde animiert, verbietet nicht die Tränen die Unruhe und die Wut“, zitieren Zeitungen den Internet-aktiven Priester Pierre-Hervé Grosjean, der damit die innere Unruhe nach Paris beschreibt. Das ist wichtig: die bekommen zwar nicht unseren Hass, aber Tränen, Unruhe, Wut, die sind ja da.

Die Gewalt macht uns alle kollektiv zu Schwachen. Die Waffen schreien uns an, unsere Gesellschaft fühle sich vielleicht überlegen, habe aber so einer einfachen Sache wie einer Pistole oder einem Messer nichts entgegen zu setzen. So brüchig sei das alles. Deswegen muss aus der Unruhe, aus der Wut und noch mit den Tränen auch ein „Nein“ kommen. Nein, wir sind nicht schwach. In unserer Kultur setzt sich nur halt nicht der mit der größten Waffe durch, der mit dem Willen zu töten. Sondern anderes. Und dieses andere, das müssen wir, auch und vielleicht besonders als Gläubige, jetzt sicher machen.

Tränen Unruhe Wut

Und wenn man genauer hinschaut, dann hat das in der Vergangenheit funktioniert: früher nannte man solche Gewalttäter „Märtyrer“. Dann wurde immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass Märtyrer „Zeuge“ bedeutet, Zeuge für den eigenen Glauben, und dass die Täter genau das wollen. Also hat man es ihnen weggenommen. Heute benutzt kaum noch wer dieser Wort für die Mörder, und das ist richtig so. Hier hat ein Wandel stattgefunden.

Oder schauen wir auf #SayTheirNames, das Nennen der Namen der Opfer. Nach dem Anschlag von Hanau hatte das zum ersten Mal wirklich Wirkung: Anstatt uns vom Mörder hypnotisieren zu lassen und alle Aufmerksamkeit auf ihn zu richten – was er ja will – schauen wir auf die Menschen, die es betrifft. Und nehmen der Gewalt etwas von ihrer zersetzenden Wirkung.

Sichtbar machen

Sichtbar machen, das ist jetzt unsere Antwort. Verweigern wir den Tätern die Religion als Motiv. Nennen wir es Hass. Verweigern wir den Mördern die Aufmerksamkeit, die sie so dringend brauchen. Und schenken wir sie denen, gegen die sie sich wendet.

Und Religion muss immer und immer wieder deutlich sagen, warum es geht. Und die Religionen müssen es gemeinsam tun, wie vor eineinhalb Jahren etwa international vorgemacht.

„Wir erklären mit Festigkeit, dass die Religionen niemals zum Krieg aufwiegeln und keine Gefühle des Hasses, der Feindseligkeit, des Extremismus wecken und auch nicht zur Gewalt oder zum Blutvergießen auffordern… Gott, der Allmächtige, hat es nicht nötig, von jemandem verteidigt zu werden; und er will auch nicht, dass sein Name benutzt wird, um die Menschen zu terrorisieren.“

Dafür steht Religion. Auch öffentlich. Und stärker wird sein und bleiben, wer sich für unsere plurale, heterogene Gesellschaft einsetzt und die Rolle von Religion in ihr schützt. Religion steht für Mündigkeit, für Reife, für Zweifel und Suche. Nicht für blindes Folgen.

Wir stehen für Dialog, für das Ausloten des Gemeinsamen auch zwischen den Religionen.

Wir stehen für den Glauben an einen Gott, den wir den Barmherzigen nennen. Den Schöpfer und den Gott, der Leben gibt.

Machen wir genau das schichtbar. Lassen wir uns von Mördern nicht in die Ecke drängen. Sie sollen unseren Hass nicht bekommen. Tränen, Wut, das ja, aber dann wird der Glaube eben nicht mit Gegengewalt reagieren. Sondern mit der Sichtbarmachung dessen, was die Mörder uns nehmen wollen. Barmherzigkeit. Solidarität. Dialog. Geschwisterlichkeit.

 

Kategorien Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Anschlag, Gewalt, Islamismus, Paris, Religion, Wien14 Kommentare zu Die Antwort auf die Mörder

Gott spricht und Menschen erschrecken

Veröffentlicht am 18. Februar 202014. Februar 2020
Gottes Bote Petersplatz, Rom: Flüchtlinge aller Zeiten und ein Engel unter ihnen. Kunst von Timothy Paul Schmalz

Eine Statuen-Gruppe auf dem Petersplatz, ganz frisch dort errichtet. Ein Boot, und auf diesem Boot stehen Flüchtlinge. Ganz vorne etwa jemand, den wir sofort als vor Nazis fliehenden Juden identifizieren, dahinter alle Alter, Kontinente, und eine Vielzahl von Motiven von Flucht. Eng stehen sie zusammen. Und oben heraus ragen Engelsflügel. Der Engel begleitet die Fliehenden, Gottes Bote ist unter denen, die Not leiden.

Ob das jetzt Kunst ist oder nicht, lasse ich mal dahin gestellt. Was ich interessant fand war aber das zitieren des Engel-Motivs. Zwei nach oben gerichtete Flügel sind da eindeutig.

Gottes Bote: der Engel

Engel sind biblische Figuren. Neben Träumen und Propheten sind sie eine bevorzugte Weise, das Sprechen Gottes vorkommen zu lassen. Gott spricht.

Wir haben in unserer Kultur diesen Engeln eine Form gegeben. Meist androgyn erscheinende Männer mit Flügeln. Schön sollen sie ausschauen, auch wenn sie in der Form der Putti im Barock ästhetisch ins Lächerliche abgleiten. Unsere Kirchen sind voll von geflügelten Figuren.

Die Bibel – unsere einzige Quelle dazu – erzählt eine breitere Geschichte. Oft werden Engel nicht erkannt oder erst dann, wenn sie weg sind. Oder die Menschen erschrecken, fürchten sich vor Engeln. Oder Engel haben ein Schwert in der Hand, sind bei den Vernichtungsaufträgen Gottes wider die Feinde Israels dabei. Engel bringen eben nicht nur himmlischen Gesang, sondern auch Verderben.

Verderben und Erschrecken

Wichtig sind auch die Stellen, in denen der Engel ausdrücklich spricht, wunderbar etwa bei Sacharja. Engel sind Boten, Engel sind Erscheinungen, Engel sind immer im Himmel und doch agieren sie in der Welt, so die Erzählungen, bis zu Maria und zu Joseph und den Weisen und dann zu den Frauen am Grab, zu denen jeweils Engel sprechen.

Weswegen ich das hier so ausführlich mache: Wir haben uns ein Bild angewöhnt, eben das des schönen Jünglings mit Flügeln. Damit haben wir Engel irgendwie domestiziert. Ästhetisch harmlos gemacht.

Dabei gehört es zum Wesen der Engel, dass Menschen erst einmal erschrecken. Engel sind Boten, die Selbstverständlichkeiten zerbrechen. Die die Welt ändern. Die die Sicht der Dinge auflösen. Und darauf reagieren die biblischen Personen mit Erschrecken.

Gott spricht, unsere Sicht auf der Welt wird erschüttert

Das alles ging mir durch den Sinn, als ich neulich auf dem Petersplatz die Engel-Flügel entdeckte. Erschrecken gehört dazu, wenn Gott spricht, wenn Gottes Anwesenheit sichtbar oder hörbar oder sonstwie entdeckbar wird.

Die Domestizierung der Engel als Flügelgestalten nimmt davon etwas weg. Wir nehmen das Sprechen Gottes zu selbstverständlich, als ob es in unseren ästhetischen Kanon einzuordnen wäre. Aber das Erschrecken gehört dazu.

Mir scheint, diese Flügel wollen das Erschrecken irgendwie umgehen. Engel beruhigen irgendwie, dabei ist das genaue Gegenteil ihr biblischer Effekt. Sie stellen die Welt der Menschen, zu denen sie gesandt sind, auf den Kopf.

Das Sprechen Gottes

Das sollte uns etwas sagen über das Sprechen Gottes, wenn wir selber versuchen zu hören, was Gott uns sagen will. Das ist nicht ästhetisch gepflegt zu haben. Das hat mit Erschrecken zu tun.

„Angels Unawares“ heißt die Skulptur auf dem Petersplatz. Engel, ohne dass wir es merken. Gott schickt Boten eben auch dort, wo wir erschrecken, etwa in den Fliehenden dieser Welt. Man muss nur bereit sein, im eigenen Erschrecken darüber Gott auch wahr zu nehmen. Vielleicht ist die Skulptur auf dem Petersplatz deswegen doch besser, als ich im ersten Augenblick gedacht habe.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Bibel, Engel, Glaube, Religion9 Kommentare zu Gott spricht und Menschen erschrecken

Irritiert von der Dynamik des Religiösen

Veröffentlicht am 7. Februar 202025. Januar 2020
Bedeutungsverlust der Religionen Juni 2010: Kardinal Kasper tritt in den Ruhestand. Und zwar mit einer Pressekonferenz. Religion trifft Journalismus

„Der lange vorhergesagte Bedeutungsverlust der Religionen in modernen Gesellschaften ist nicht eingetreten”: So beginnen wir den Text einer Ausschreibung für eine Fortbildungsreihe. Ich darf „wir” sagen, weil es ein Projekt ist, an dem ich beteiligt sein darf. Die Frage nach dem (nicht eingetretenen) Bedeutungsverlust zieht aber die Frage nach der Bedeutung in den Redaktionen der Medien nach sich, das ganze Feld Religion ist unübersichtlich geworden, auch für die Berichterstatterinnen und Berichterstatter. Journalisten tun sich oft schwer mit dem Subjekt. Und das gerade auch dann, wenn Menschen zunehmend irritiert sind von den Dynamiken der verschiedenen Religionen.

Aber dagegen kann man ja was tun, das ist keine Frage von Genialität. Deswegen diese Fortbildungsreihe. Die katholische Journalistenschule ifp in München nennt sie „Fachjournalist/in Religion”. Über zwei Jahre hinweg wollen wir berufsbegleitend helfen, Kontakte, Fachwissen und Erfahrung zu erwerben.

Bedeutungsverlust der Religionen

Die Fortbildungsreihe Fachjournalist „Religion“ will Journalistinnen und Journalisten qualifizieren, über diese Entwicklungen und Konflikte sachkundig zu berichten. Sie lernen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland kennen. Sie erleben die religiöse Praxis der Gemeinschaften, lernen ihre Gotteshäuser kennen und knüpfen Kontakte zu Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Akteurinnen und Akteuren aus Politik und Kultur.

So heißt es in der Ausschreibung. Selber habe ich immer wieder dazu was geschrieben, ich glaube, dass Religion eben nicht nur ein soziologisch oder psychologisch zu begreifendes Phänomen ist. Religion ist nicht nur von politikwissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturwissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Ich verliere sogar eine wichtige Dimension von Religion, wenn ich mich als Journalist in meiner Berichterstattung nur auf solche Begriffe stütze.

Das ist mehr als Soziologie und Psychologie

Nun will das keine Vorgabe für die Fortbildung sein, aber es beschreibt vielleicht mein persönliches Anliegen dabei. Die konstruktive und auch die kritische Dimension von Religionen herauszufinden braucht eben auch dieses Verstehen.

Es wird um Kopftücher gehen, um weltanschauliche Vielfalt. Es wird ums Religionsverfassungsrecht gehen. Um Flüchtlinge, Dialog und die Frage nach Krieg oder Frieden im Namen Gottes. Also ein veritabler Rundumschlag.

Wer mehr wissen will, hier gibt es auch noch einen Flyer dazu, die Ausschreibung selber habe ich weiter oben verlinkt.

 

 

Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Journalismus, Journalistenschule, Medien, Religion, Religionen, Weiterbildung1 Kommentar zu Irritiert von der Dynamik des Religiösen

Realismus auf dem Weg

Veröffentlicht am 20. Januar 202013. Januar 2020
Kaum jemand ist religiös auf der Suche Kirche und Moderne: gebrochenes Spiegelbild der Michaelskirche München

„Kaum jemand ist religiös auf der Suche“. Der Satz eines Religionssoziologen am Ende einer ausführlichen Studie zu den Gründen des Rückgangs religiöser und kirchlicher Bindung. Der Satz sitzt. Denn er nimmt Kirche eine Illusion, nämlich die Illusion sich nur besser auf die Moderne einstellen zu müssen, dann würden die suchenden Menschen schon andocken.

Aber es sucht kaum jemand. So hart der Satz klingt, so wichtig finde ich ihn kurz vor Beginn des gemeinsamen Teils des synodalen Weges. Denn auf dem Weg braucht es einen Sinn für Realität. Dringend.

„Kaum jemand ist religiös auf der Suche“

Wenn wir uns Ende des Monats zur ersten Vollversammlung in Frankfurt treffen, sollte klar sein, was wir durch den synodalen Weg nicht erreichen werden: die Kirchen werden nicht voll, Religion nicht auf einmal wieder relevant und es wird nicht alles wieder gut. Das klingt jetzt vielleicht banal, ich finde es aber wichtig um sich nicht gleich bei den ersten Schritten zu verlaufen. Es wird nicht wieder alles gut, ganz gleich was wir dort beraten.

Der synodale Weg ist nur ein Schritt, nicht schon das Ende. Auch wenn der Papst den Weg „berechtigt und notwendig“ für die „Zeitenwende“ und „Wendezeit“ nennt: das ist nicht alles, was passieren muss.

Die Rezepte, die der Soziologe basierend auf seiner Studie anbietet, sind ebenfalls keine Heilmittel. Mehr Menschen einbeziehen zum Beispiel, um Bindungen zu stärken. Verbinden von religiösen mit nichtreligiösen Anliegen, um Menschen anzusprechen. Trotzdem sieht Detlef Pollack einen Trend, der nicht völlig aufzuhalten ist.

Ein Trend, der nicht aufzuhalten ist

Ich schreibe das nicht, um Mut zu nehmen. Oder um die Wichtigkeit zu dämpfen. Oder um gleich die Erfolgsaussichten herunter zu schrauben. Ich schreibe das, weil Realismus eine eigene Kraft hat. Nur wer die Welt Ernst nimmt und zu verstehen sucht, wird sich dort zurecht finden. Die Kirche, wie wir sie vielleicht noch in Erinnerung haben, die verschwindet. Auch kein noch zu verzweifeltes Klammern und Wiederholen alter Phrasen wird daran etwas ändern.

Wie gesagt, Realismus hat seine ganz eigene Kraft. Er befreit von falschen Verpflichtungen oder Illusionen. Er lehrt uns, unsere Welt zu sehen wie sie ist und nicht, wie wir sie gerne hätten. Er nimmt den Triumph und das „endlich haben wir es geschafft“ illusorischer Vorstellungen. Im Auge des Realismus kann es keine Wunderlösung geben.

Es bleibt uns die Arbeit, die der Kirche aufgegeben ist, ihr Auftrag. Den können wir aber nur dann erfüllen, wenn wir ehrlich sind mit uns und der Welt.

Es bleiben die Arbeit und der Auftrag

Ja, der Satz dass kaum jemand religiös auf der Suche sei ist frustrierend. Gerne wären wir eine Kirche, die wenn Störendes beiseite geräumt ist endlich wieder Zuspruch erführe. Das wird nicht passieren. Oder zumindest nicht sofort und automatisch.

Und trotzdem lohnt sich der Einsatz. Auch wenn vergangene Glorie, Wichtigkeit und Bedeutung nicht wieder kommen, er lohnt sich. Gerade weil die Realität ist wie sie ist.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Gesellschaft, Kirche, Reform, Religion, synodaler Weg8 Kommentare zu Realismus auf dem Weg

Heiler, Richter, Beter

Veröffentlicht am 29. September 201913. August 2019
Geistliche Autorität Raimondo Maciel da Rocha Filho, Pajé von Murutinga

Wer ein Problem hat, der geht zu ihm: Raimondo Maciel da Rocha Filho ist der Pajé von Murutinga, einem Dorf des indigenen Volks der Mura. Wer krank ist, der ruft zuerst ihn, dann erst die Krankenpfleger von der Gesundheitsstation. Pajé, das ist so etwas wie der Schamane, Heiler, aber auch Beter und früher auch Richter im Dorf.

Würde, Macht, geistliche Autorität, das alles stellt man sich anders vor. Maciel da Rocha ist 83, ein netter Herr, der leise spricht und in Gruppen nicht besonders auffällt. Soll heißen: er steht nicht im Vordergrund. Oder drängt sich nicht dorthin. Keine Abzeichen, keine besondere Kleidung, kein Ehrenplatz.

Geistliche Autorität

Geistliche Autorität ist bei den Indigenen anders, als wir uns das vorstellen, es wird eine der spannendsten Begegnungen bei meiner Reise, aber auch eine die mir fremd bleibt. Die Vorbereitungen der Synode sprechen davon, die Weisheit der indigenen Völker ernst zu nehmen. Und der Pajé gehört dazu.

Seine Berufung und seine Fähigkeiten habe er von Gott, sagt Raimondo da Rocha mir. „Ich war noch ein Junge, ich war etwa 10 Jahre alt. Jetzt bin ich 83.” Bei meiner nächsten Frage prallen dann die Welten aufeinander. Der Pajé betet, also hat er mit Religion zu tun. Und er hat eine Rolle in der Gemeinschaft. Also denke ich natürlich, diese Rolle muss ihm übergeben worden sein. In einer Art Initiation, so etwas wie die Weihe bei uns, eine Liturgie, ein öffentlicher Akt.

Nichts da. Der Pajé spürt die Berufung und übt sie dann aus. Und allein die Akzeptanz bei den Menschen entscheidet, ob er das weiter machen kann. Keine Autorität durch eine Religion, eine Institution, eine Weihe.

Heiler

Wer ein Problem hat, geht zu ihm, das ist seine Funktion. Heiler zu sein. „Hier gibt es verschiedene Arten von Krankheiten: Krebs, Cholesterin, Diabetes und andere. Dann werde ich für die Person beten und dadurch sehen, welche Art von Krankheit sie hat, damit ich die Medizin herstellen kann. Und wenn ich nicht helfen kann, dann schicke ich den Arzt, um der Person eine andere Art von Medizin zu geben. Dann wird die Person untersucht, damit der Arzt sie behandeln kann. Die Medizin, die ich gebe, ist nur hausgemacht.“

Es gebe Krankheiten, an die gehe er gar nicht erst heran, die brauchen auf jeden Fall sofort einen Arzt, sagt er. „Ich heile von außen. Wenn die Leute kein Wasser schlucken können, dann gehe ich dorthin und bete, nehme ein bestimmtes Blatt, lege etwas Bienenhonig hinein, nehme das Serum und gebe es der Person, die es nehmen soll.“ Er wisse, welche Baumrinde gegen Tuberkulose helfe, und wie man aus dieser Rinde einen Tee mache. Wenn wir andere Indigene fragen, sprechen die mit Ehrfurcht vom Wissen der Pajés um die Heilkräfte von Pflanzen, es gehört fest zu ihrer Kultur dazu, die Pajés pflegen dieses Wissen.

Baumrinde gegen Tuberkulose

Die Gesundheitspfleger, die wir auf der Reise treffen, haben mit den Pajés kein Problem. Immer wenn sie in ein Dorf von Indigenen gerufen würde, sei der Pajé schon da, sagt uns bei der Reise eine Krankenschwester. Das sei aber kein Problem, die Pajés wüssten genau, wann medizinische Hilfe gebraucht würde und traditionelle Heilkräfte nicht mehr reichten.

Er habe geträumt, dass er Pajé sei, erzählt Raimondo da Rocha von seiner Kindheit. Meistens bleibt die Berufung in der Familie, auch Raimondos Vater war schon Pajé. Früher waren die Pajés auch Richter, aber das geht mit dem brasilianischen Recht heute nicht mehr. Heute gibt es Verfahren und Prozesse, da hält er sich zurück, Richter sei er schon lange nicht mehr.

Aber noch einmal zurück zur Gretchenfrage, das mit Gott und der Religion interessiert mich dann doch. Ist das keine Konkurrenz zu den Kirchen, die hier in Amazonien seien, möchte ich von ihm wissen. Und ob er Beziehungen hat zu anderen Religionen, zu Pastoren der Evangelikalen oder zu Priestern? „Nein, nur mit Katholiken“, sagt er. Ob wohl es Evangelikale im Dorf gebe.

Die Frage nach der Religion

Gleich um die Ecke vom Gemeindehaus steht das Gebetshaus der „Assembleia de Deus“, eine der am weitesten verbreiteten pentekostalen Kirchen in Amazonien. Die wollen aber mit indigener Kultur nichts zu tun haben. Die Sprachen der Völker, ihre Trachten und Gebräuche, das sei alles Teufelszeug. Und deswegen auch der Pajé und seine geistliche Autorität.

Nur die Katholiken und woanders auch Baptisten versuchten, die indigenen Kulturen zu erhalten, hören wir immer wieder.

Raimondo da Rocha schweigt dazu. Er sagt nichts Negatives. Gott habe ihm diese Gabe für die Gemeinschaft gegeben, und das mache er.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Dialog, Gesundheit, Indigene, Kultur, Religion2 Kommentare zu Heiler, Richter, Beter

Wie wollen wir leben? Ein Besuch in der Zukunft

Veröffentlicht am 11. September 20199. September 2019
Wie wir leben wollen Futurium Berlin, direkt im Spreebogen

Die Zukunft war auch schon mal anders. Leben auf fremden Planeten, unter Ozeanen und so, das war der Horizont. Nun fragen wir danach, wie alt ich werden kann und ob wir uns alle von proteinreichen Mehlwürmern ernähren werden. Kleiner ist sie geworden, aber das was wir mit dem Planeten angerichtet haben, ändert halt auch die Frage, wie wir leben wollen, in Zukunft.

In Berlin hat das Futurium eröffnet. Da kann man sich über derlei Fragen informieren. Gleich neben dem Hauptbahnhof, der ja auch mal für Zukunft stand.

Wie wir leben wollen, sollen, werden

Zu sehen ist erst einmal viel Gegenwart. Was man im Futurium sieht oder besser worüber man informiert wird, das sind Technologien, die es schon gibt und die dann mal unsere Welt bestimmen werden. Bio-Design gehört dazu, und natürlich Künstliche Intelligenz und was man mit der machen kann. 3D-Drucker führen vor, wie Baustrukturen der Natur imitiert und umgesetzt werden. Faszinierend, aber der Name „Futurium“ versprach irgendwie anderes.

Angenehm ist, dass aus der Technik keine Legitimation gewonnen wird. Weil es so kommt, müssen wir jetzt dies oder jenes oder gelten diese oder jene Werte nicht mehr. Das Ganze ist sehr sachlich und ein wenig spielerisch. Was die vielen Kinder am Eröffnungswochenende sichtlich erfreut hat. Da wird nicht über den Umweg Zukunft die Gegenwart gedeutet.

Zukunft ist sachlich, nicht utopisch

Wie wir leben wollen
Drinnen, im Futurium in Berlin

Deswegen gibt es im Futurium auch wenig Utopien. Einige Vorträge versuchten sich daran, aber so richtig utopisch wurde es nie.

Es geht um Ordnung, um Arbeit, um Umwelt und Privatsphäre. Alles positiv, Gefahren scheint es da nicht zu geben. Aber fast schon verschämt leuchtet an einer Wand im ersten Stock auch die Frage auf, wie das Glück von morgen aussieht. Die Frage passt nicht so richtig da rein, ist doch sonst alles technisch gehalten.

Was wird Glück sein?

Glück. Nicht das wir wüssten, was das in der Gegenwart ist, aber für die Zukunft darf die Frage auch mal gestellt werden. Denn all das andere, was sich auf drei Etagen in Berlin sammelt, hat einen Nutzen. Hat Zweck. Aber das Zweckfreie, zum Beispiel das Glück, das kommt wenig vor.

Und auch nicht der Anwalt des vom Nutzen freien, der Glaube. Oder meinetwegen die Spiritualität. Das Blicken über das was ist hinaus. Es geht um bauliche Veränderungen am Menschen, um den Menschen in sich selbst steuernden und regulierenden Systemen. Aber Solidarität? Gerechtigkeit? Oder die gute alte Nächstenliebe? Das kommt nicht vor.

Wo bleiben Gerechtigkeit, Glauben, Solidarität?

Nun wäre das Futurium vielleicht überfordert, wollten wir es mit diesen Fragen überladen. Aber da es nun mal um die Zukunft geht, können diese Fragen nicht draußen bleiben. Und wenn sie drinnen nicht gestellt werden, dann stecken sie mindestens in meinem Kopf.

Wenn uns das gegenwärtige Desaster etwa lehrt, dann doch das, dass rein technische Lösungen nichts bringen. Das Futurium will uns zeigen, wie sehr wir noch von der Natur lernen können, wie Technik von Aufmerksamkeit lebt. Und das ist wirklich spannend zu sehen. Nur gehört die Debatte um all die anderen Dinge auch dazu, damit wir überhaupt eine Zukunft haben.

Zukunftsfragen sind immer auch Gegenwartsfragen. Weswegen der Titel zum Futurium an der Fassade „Wie wollen wir leben?“, auch wunderbar treffend ist. Denn er fragt uns, heute, hier. Wir sind jetzt gefragt, wir bekommen keine Antworten aus der Zukunft und den Verheißungen der Technik. Jetzt und hier müssen wir nach Glück und Spiritualität und Gerechtigkeit und Glauben und all dem anderen fragen. Und nach der Technik. Dann haben wir auch eine Zukunft.

Es geht doch nichts über die Gegenwart.

Wie wir leben wollen
Geht’s hier zur Zukunft? Wegweiser auf den Straßen Berlins zum Futurium
Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und MedienSchlagwörter Glück, KI, Religion, Technik, Utopie, Zukunft5 Kommentare zu Wie wollen wir leben? Ein Besuch in der Zukunft

Die Götter strafen nicht

Veröffentlicht am 11. August 20198. August 2019
Eine neue Religion Das Alte und das Neue: Galleria Nazionale dell'Arte Moderna, Roma

Eine neue Religion? Hier im Blog ist zu einem Artikel die Rede von Peter Sellars in Salzburg diskutiert worden, was mich neugierig gemacht hat. Da sei die neue, säkulare Religion greifbar geworden und ähnliche Kommentare waren zu lesen. Das hat mich neugierig gemacht. Also habe ich die Rede – mit Verspätung – etwas intensiver gelesen.

Der Hauptpunkt war schnell identifiziert: keinerlei Rekurs auf das christliche Erbe. Stattdessen Rückgriff auf die antiken Mythen und deren Verarbeitung durch die Aufklärer, in Sellars Fall ist es Mozart. Und das wird dann auf unsere Zeit und da vor allem auf die Umweltzerstörung angewandt, in ganz großem Stil. Habe ich das in aller ürze so richtig erfasst?

Eine neue Religion?

„Die Stimmen der Vorfahren hören“: Das ist das Programm der Rede von Peter Sellars zu Beginn der 99. Salzburger Festspiele. „Die Stimmen der noch ungeborenen Kinder hören, unsere eigenen inneren Stimmen hören“.

Was mir dabei auffällt ist zuerst die atemberaubende Sicherheit, mit der er festzustellen scheint, dass es das Böse nicht gibt. Klassische Tragödie, Buddhismus und Hinduismus seien die Zeugen. Und hier ist tatsächlich eine klare Bruchlinie zu allem, was wir christlich nennen können. Gibt es das Böse, gibt es Sünde? Wenn nein – und das scheint mir Sellars Ansatz zu sein – dann hängt alles von uns selber ab. Dann ist Erlösung von all dem Schlimmen bei uns und nur bei uns zu suchen.

Erlösung selbstgemacht?

Nun ist das was Sellars da macht alles andere als neu. Und so eindeutig auch nicht. Es tut schon etwas weh, wie er Klassiker, Mozart und Plastik im Ozean in einen Gedankengang zwingt. Es ist nicht neu, weil es die Geistesgeschichte Europas immer begleitet hat. Wir nennen es die Gnosis, die Selbsterlösung durch Wissen. Oder eine andere Variante: Der Pelagianismus, die Selbsterlösung durch das Tun. Auch ich überzeichne hier, aber um den Kern zu erfassen darf ich das an dieser Stelle mal.

Beides übrigens –ismen, die sich immer auch in christlichen Varianten gefunden haben, bis heute streitet der Papst immer und immer wieder gehen ihre neo-Formen.

Vieles was Sellars da sagt kann ich selber unterschreiben. Vielleicht nicht genau so, aber die Richtung stimmt. Mir entspricht zwar die Weise, wie unser Papst darüber spricht, eher, aber das wird nicht wirklich verwundern. Aber die mahnenden Worte weisen – wie ich finde – schon in die richtige Richtung.

Gibt es Sünde?

Aber spannend wird es eben bei der oben angedeuteten Frage, ob es Sünde und Böses gibt oder nicht. Davon hängt auch die Frage ab, ob es Vergebung, Gnade, Erlösung geben kann oder nicht. Sellars sagt ausdrücklich, dass das klassische griechische Theater erfunden wurde, um den Bürgern von Athen zu zeigen, dass das Böse („evil“) nicht existiert.

Da lese ich viel von Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“ heraus. Sellars geht aber weiter und legt seine These vor, dass es das Böse nicht gebe, sondern nur Unwissenheit.

Wissen ist also Überwindung des Schlimmen. Dem widerspricht die Praxis: wie wissen eigentlich alles, was wir brauchen, trotzdem tun wir nicht das nötige. Deswegen muss sein Anliegen letztlich in moralischen Apellen stecken bleiben. Und auch seine Idomeneo-Deutung bleibt so moralisch, ein Apell.

Es bleibt bei der Moral

Der christliche Gedanke läuft dazu parallel. Wir lesen bei Paulus: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde“ (Römer 7). Aber Paulus spricht explizit von Sünde, es gibt es also, das Böse. Die Sünde.

Sellars These entnimmt der dem Buddha: Die Wahrheit des Leidens führt zur Erkenntnis und zum Such nach dem Weg zur Besserung. Christen setzen dagegen: „Das wahre Heil des Menschen besteht nicht in Dingen, die er von sich aus erlangen könnte”.

Sind Christen besser?

Die Rede selber habe ich nicht gehört, ich kann also nichts über die rhetorische Leistung sagen. Aber als gelesener Text finde ich sie so spektakulär nicht. Hier spricht ein Künstler, der Transparenz nicht kennt. Das ist sein gutes Recht und seine Entscheidung.

Ist das dann schon eine neue Religion, die Religion von heute? Eher eine schon etwas ältere Religion. Oder Weltanschauung. Gnosis eben.

„Der Gnostizismus ist nicht fähig zur Transzendenz. Der Unterschied zwischen der christlichen Transzendenz und jeder Form eines gnostischen Spiritualismus liegt im Geheimnis der Menschwerdung,“ sagt der Papst. Macht das dann schon Christen zu besseren Menschen? Auf keinen Fall. Wir sind genauso an der Zerstörung der Welt beteiligt wie alle anderen auch. Weswegen wir die Synode zu Amazonien brauchen, weswegen es sich immer noch lohnt, Laudato Si’ zu lesen und so weiter.

Sellars sagt, dass die Tragödie uns erzählt dass die Götter nicht strafen, sondern dass wir uns das alles selber einbrocken. Wir Christen nennen das Sünde. Und deswegen ist unser Weg nicht der des Ansammelns von Wissen, auch wenn das nötig ist. Aber es bleibt nur Mittel. Unser Weg ist der der Umkehr. Und der braucht Gott und Gottes Gnade. Von selbst aus können wir das alles nämlich nicht schaffen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kunst, Kultur und Können, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Mozart, Mythos, Peter Sellars, Religion, Salzburg, Schöpfung, Umweltschutz, Verantwortung25 Kommentare zu Die Götter strafen nicht

Religion als Religion berichten (Redux)

Veröffentlicht am 17. Juli 201916. Juli 2019
Journalismus und Religion Journalismus während der Papstwahl: Auf allen Dächern "Journalisten-Nester"

Religion ist eine fremde Welt. Jedenfalls vielen Leuten, die sich beruflich mit Religion befassen. Gleich ob das die Frage nach dem Jüdischen im Jüdischen Museum in Berlin, nach dem Islam in den vielen Formen, nach Ökumene und nach katholischen Spezifika ist: Journalismus und Religion sind sich oft fremd geworden. Zu oft gelten nur noch Schlagworte – „konservativ“, „unmodern“ – die nicht wirklich beim Verstehen helfen.

Ja, Religionen in ihrer verfassten Form tun alles möglich dafür, falsch verstanden zu werden. Machtkämpfe, Intransparenz, Geldgeschichten, all das gibt es immer wieder. Und trotz allem: Religion wird wichtig. Konflikte machen sich an Religonen fest, es gibt eine zunehmende Vielfalt von Religionen. Das Verstehen von Religion wird wichtiger, wenn man diese Phänomene verstehen und verstehbar machen will, und zwar sowohl was das fremd gewordene Eigene angeht, das Christentum, als auch was etwa den Islam angeht, um nur eine weitere Religion zu nennen.

Journalismus und Religion

Religion ist eben nicht nur ein soziologisch zu begreifendes Phänomen, sie ist nicht nur von politikwissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturwissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Ich verliere sogar eine wichtige Dimension von Religion, wenn ich mich als Journalist in meiner Berichterstattung nur auf solche Begriffe stütze.

Ganz besonders gilt das vielleicht für die Psychologie, wenn man also versucht, Religion völlig aus nicht-religiösen Kategorien heraus zu erklären. Und damit zu unterwerfen. Das alles kann richtig sein und kann wichtig sein und kann helfen, zu verstehen, aber es ist eben nicht alles.

Wie ich in den Wald hinein rufe …

Wenn zum Beispiel ein neuer Papst gewählt wird, dann findet die Berichterstattung oft im Modus von demokratischen Wahlprozessen statt. Da gibt es dann Parteien, Wahlsieger, da gibt es konservativ und progressiv und so weiter. Und das ist ja auch verständlich, die Kategorien, die ich anlege, bestimmen das Bild, das ich sehe.

Aber es verhindert eben leider auch, dass ich die vollständige Geschichte erkenne. Die selbstverständliche Präsenz Afrikas zum Beispiel (um beim Beispiel der Papstwahl zu bleiben) wurde reduziert auf die Frage, ob Kardinal Turkson „Chancen“ auf das Papstamt habe, etc. Dass dahinter eine Weltkirchlichkeit steckt, wird übersehen. Ganz zu schweigen, dass das ziemlich herablassend einem ganzen Kontinent gegenüber ist.

Aber auch die geistliche Dimension gehört dazu. Was Gebet ist, was Tradition, welche Rolle die Schrift oder die Liturgie spielt ist eben nicht nur Beiwerk. Und Volksfrömmigkeit ist nicht nur Folklore.

Berichterstattung via Bilder

Am ehesten noch gelingt die Berichterstattung über die religiöse Dimension der Religion interessanterweise im Fernsehen, das wird von Bildern viel besser getragen als von Worten. Aber wie erklärt man das? Verstehen braucht Bilder, braucht aber auch Worte, Konzepte, Reflexion.

Man kann – davon bin ich überzeugt – über Religion als Religion sprechen, selbst wenn man dieser Religion nicht angehört. Man muss nicht selber gläubig oder fromm sein, um klug über Religion zu sprechen. Aber wie kommt man dahin?

Angst verlieren

Ein erster Schritt ist es, die Angst zu verlieren, sich vereinnahmen zu lassen. Nicht die Vorsicht und nicht die Sorgfalt, aber die Angst. Natürlich gibt es die Versuchung, zum Teil des Systems zu werden, wie bei Sportreportern und Sportfunktionären, Politikreportern und Politikern, und so weiter. Es ist aber kein Automatismus.

Ich stelle eine Sorge bei Kolleginnen und Kollegen fest, zu „fromm“ zu klingen. Ich stelle auch eine Sorge fest, sich zu weit von einem Publikum zu entfernen, das man als der Religion entfremdet vermutet. Und drittens stelle ich die Sorge fest, vor Kolleginnen und Kolleginnen komisch auszusehen, wenn man sich mit sowas auskennt. Ich meine das gar nicht herablassend, das muss man ja auch ernst nehmen. Aber daraus darf sich keine Angst entwickeln, die Unkenntnis in Sachen Religion zu einer Tugend erhebt.

Unkenntnis zur Tugend

Ein zweiter Schritt wäre, Religion neu kennen zu lernen. Wie gesagt, Unkenntnis ist keine Tugend. Auch ist es keine Tugend, Religion den immer wieder gebrauchten Begriffen aus Politik oder Kultur zu unterwerfen. Drittens ist es keine Tugend, schon gar keine journalistische, immer wieder dieselben Fragen aufzuwerfen ohne nachzusehen, ob solche Fragen ein richtiges Bild des Berichteten abgeben. Neugier ist auch hier wie überall im Journalismus wichtig.

Beispiel Amazonas-Synode: ob es die Realität Amazoniens trifft, wenn immer wieder die gleichen europäischen Fragen aufgeworfen werden, wage ich zu bezweifeln. Um zu verstehen und vor allem um die Menschen, die es angeht, zu hören muss ich als Journalist (glaube ich jedenfalls) in der Lage sein, fertige Vorstellungen mindestens in Frage stellen zu lassen.

Fragen stellen

Der dänische Statistiker Hans Rosling zum Beispiel ist um den Planeten gezogen und hat allen, die es hören wollten, beigebracht dass unsere Sicht auf die Welt oft genug eben nicht auf Daten und Zahlen, mithin von der Realität abhängt, sondern von Vor-Urteilen. Die seien erklärbar, aber man müsse eben auch über sie hinaus, um die Realität nicht zu verfehlen. Das Problem ist nicht, dass es keine Daten gäbe, sondern dass wir – Journalisten – mit fertigen Vorstellungen dort heran gehen. In Sachen Religion weiter gedacht: Es ist nicht so, als dass es nichts zu berichten gäbe. Aber wenn wir uns für Religion als Religion interessieren, dann darf ich mich nicht an Vorstellungen des 20. Jahrhunderts hängen. Oder um es simpel zu formulieren: Die Tugend lautet, Fragen zu stellen. Dem Gegenüber aber auch sich selber.

Drittens braucht es eine gesunde Selbsteinschätzung in Sachen „Aufgeklärtheit“. Es ist eben nicht so, dass post-religiöse Menschen „aufgeklärter” sind, „weiter” sind als andere. Es gibt eine Auffassung von Fortschrittlichkeit, die post-religiös daher kommt. Das mag ja sein – nehmen wir das mal hypothetisch an – muss dann aber auch gezeigt werden. Als stille Voraussetzung verzerrt es die Perspektive.

Jenseits des Klick-baiting

Viertens braucht es Sachkenntnis. Das klingt jetzt wie ein versteckter Vorwurf, als ob es das nicht gäbe. Es gibt aber tatsächlich viele Kolleginnen und Kollegen, die sehr viel wissen, meistens aber über die jeweiligen Institutionen von Religion, etwa die Kirche. Das ist aber nicht immer dasselbe. Religion ändert sich, Formen und Praxis von Religiosität ändern sich, innerreligiöse Konflikte etwa zwischen Institution und Gläubigen brauchen auch den Blick auf diese Wandlungen.

Und als letzten Punkt muss ich an dieser Stelle in die Klage über das Klick-Baiting einstimmen. Das füttert Vorurteile, weil es nichts Neues bringt (was Journalismus ja eigenglich sein soll), sondern nur Bestehendes abruft. Das gilt bei allen Bereichen der Medien, beim Thema Glauben und Religion stelle ich das selber als verheerend fest. Es gibt so viele als festgefügt angenommene Meinungen, die mit Schlagzeilen gefüttert werden, dass es im Netz immer weniger qualitätsvolle Berichterstattung außerhalb von klar religiös orientierten Medien gibt.

Es gibt sie, das ist hier keine Generalkritik, aber es gibt sie immer weniger. Wenn wir die Welt in der wir leben verstehen wollen, und wenn wir als Journalisten sie beschreiben und verstehbar machen wollen, wenn wir gute Geschichten erzählen wollen, dann gilt das für alle Bereiche unserer menschlichen Realität. Und auch für die Religion.

—

Nachbemerkung:

Meine Gedanken habe ich hier schon mal vorgelegt, vor einigen Jahren. Aber ich erlaube mir, das hier noch einmal aktualisiert anzubieten.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Vernunft, Interview, Kirche und Medien, Sprechen von GottSchlagwörter Berichterstattung, EBU, Journalismus, Religion18 Kommentare zu Religion als Religion berichten (Redux)

Der Mut zur Andersheit

Veröffentlicht am 5. Februar 20194. Februar 2019
Frieden und Religion: Thema eines Treffens in Abu Dhabi Papst Franziskus zu Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Erinnern Sie sich an das Friedensgebet im Vatikan? 2014 war das, der Papst, der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, der Präsident Israels und der Präsident Palästinas hatten jeweils für Frieden gebetet. In den Vatikanischen Gärten war das, nach dem Israelbesuch des Papstes. Und weil eine nicht vorher nicht abgesprochene Sure zitiert wurde, brachen im Netz die Wellen über diese Friedensinitiative herein. Frieden und Religion ist eine schwierige Kombi, besonders wenn einige Religion eher als Keil benutzen.

Den interreligiösen Dialog mit dem Islam hat der Papst sehr früh auf seine Agenda gesetzt. Und ihn im Laufe der Jahre auch betrieben, sei es mit seinem Besuch in der Türkei, in Ägypten, in Jordanien und Israel und so weiter. Und jetzt ist er als erster Papst überhaupt auf die arabische Halbinsel gereist, Grund und Anlass ist eben genau dieser Dialog.

Frieden und Religion

Nach den Gebeten, nacheinander in den Vatikanischen Gärten gesprochen, ist noch nicht sofort der Frieden ausgebrochen. Erstaunt war ich aber damals schon darüber, wie negativ solch ein Beten gesehen wurde. Auch im Blog hier. Da halte ich gegen, dass jeder Schritt, den man nicht macht obwohl man ihn machen könnte, sträflich ist. Es gibt viele Schritte in Richtung mehr Gewalt und Verhärtung, denen muss man etwas entgegen setzen. Denen darf man die Welt nicht überlassen.

In seiner Ansprache in Abu Dhabi ist der Papst noch einmal auf das Beten eingegangen, es „reinigt das Herz von seiner Selbstbezogenheit“. Überhaupt hat der Papst noch einmal deutlich die religiöse Dimension von Frieden und Dialog hervor gehoben: Frieden und Religion gehören zusammen.

Das gemeinsame Haus der Schöpfung

„Gott, der Schöpfer von allem und allen, will, dass wir als Brüder und Schwestern leben und das gemeinsame Haus der Schöpfung bewohnen, das er uns geschenkt hat.“ So hat er sein religiöses und doch die einzelne Religion übergreifende Anliegen zusammen gefasst. Gewalt bedeute Entweihung des Namens Gottes.

„Wahre Religiosität besteht darin, Gott von ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Religiöses Verhalten muss daher ständig von der immer wiederkehrenden Versuchung gereinigt werden, andere für Feinde und Gegner zu halten. Jedes Glaubensbekenntnis ist aufgerufen, die Kluft zwischen Freund und Feind zu überwinden, um die Perspektive des Himmels einzunehmen, welche alle Menschen ohne Bevorzugung und Diskriminierung umfasst.“

Mehr als nur Sonntagsrede

Das ist mehr als nur eine Sonntagsrede, das sind nicht nur fromme Worte. Zum einen ist es natürlich ein Bekenntnis zum gemeinsamen Vorgehen. Zum anderen ist es wie das Gebet im Vatikan auch schon ein Tun, ein Handeln. Es ist schon Dialog, als Papst auf die Halbinsel zu reisen und durch Präsenz diesen Dialog wichtig zu machen.

Der Papst nannte das in seiner Ansprache „Mut zur Andersheit“, „Dies setzt die eigene Identität voraus, die man nicht aufgegeben muss, um dem anderen zu gefallen. Aber gleichzeitig erfordert es den Mut zur Andersheit, was die volle Anerkennung des anderen und seiner Freiheit miteinschließt, und das daraus folgende Bemühen, mich so einzusetzen, dass seine Grundrechte immer und überall und von allen anerkannt werden.“

Und der Papst unterschrieb das auch, gemeinsam mit einem Vertreter der Al-Azhar Universität von Kairo. Beide sprechen – und unterschreiben – „im Namen Gottes, der alle Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten, mit der gleichen Würde geschaffen hat“; „im Namen des unschuldigen menschlichen Lebens, das Gott zu töten verboten hat“; „im Namen der Armen“, der „Witwen und Waisen, Flüchtlinge und Vertriebenen, der Opfer von Krieg und Verfolgung“. Al-Azhar und die katholische Kirche erklären, „die Kultur des Dialogs als Weg; die gemeinsame Zusammenarbeit als Verhaltenskodex; das gegenseitige Verständnis als Methode und Kriterium“ annehmen zu wollen.

Keine Alternative

Wie gesagt, das sind nicht nur Worte, das ist ein christliches Bekenntnis, auch gegen all die gesprochen, welche eine eigene Identität nicht in Anerkennung, sondern in Ablehnung suchen. Gerade in Sachen Dialog mit dem Islam ist das bei selbsternannten Identitäts-Wächtern immer wieder der Fall. Noch einmal aus der Ansprache:

„Es gibt keine Alternative: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft. Vor allem die Religionen können nicht auf die dringende Aufgabe verzichten, Brücken zwischen Völkern und Kulturen zu bauen.”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Papstreise, Sprechen von GottSchlagwörter Dialog, Frieden, Gebet, Gerechtigkeit, Islam, Papst Franziskus, Religion, Zukunft23 Kommentare zu Der Mut zur Andersheit

„Sportreporter der Religion”

Veröffentlicht am 16. Dezember 201812. Dezember 2018
Religion im Journalismus: Seligsprechung Johannes Paul II., am 1. Mai 2011 Petersplatz 2011, im Mai: Wie berichtet man so ein Ereignis wie dieses?

Man kann es schon bei Goethe sehen: Jemand will was wissen über Religion. Was es damit auf sich hat und so. Und der Befragte weicht aus, stellt Rückfragen, geht nicht auf die Frage ein sondern auf den Frager, und so weiter. Über Religion sprechen ist schwierig.

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.”

So fragt Gretchen, und so eindrücklich, dass diese Art Frage nach ihr benannt ist (Faust I).

In den letzten Tagen hatte ich wieder einige Gespräche darüber, wie wir das hier machen, also im Beruf, bei Vatican News, Radio Vatikan. Das Reden über Religion gehört ja dazu, naturgemäß. Aber wie darüber sprechen?

Religion im Journalismus

Und wie machen das die Kolleginnen und Kollegen, die für andere Medien arbeiten, aber zum selben Thema? Machen die Religion als Religion zum Thema? Oder weichen sie auf andere Themen aus, wie Faust?

Wie kann ich das überhaupt tun, hier im Strukturzentrum einer Weltreligion über Religion sprechen, ohne vereinnahmend zu sein? Seit einiger Zeit teste ich deswegen eine Formulierung für meine Arbeit aus, mit der ich das fassen mag. Ich bin nämlich sowas wie ein „Sportreporter der Religion”.

Damit meine ich, dass ich wenn es um vatikanische Ereignisse geht, es mir weniger um fertige Urteile geht, die an den Mann und die Frau gebracht werden müssen und wollen. Ich folge viel mehr dem Geschehen auf dem Feld, um in der Metapher zu bleiben.

Natürlich ist das nicht neutral, nichts ist neutral, schon gar nicht im Journalismus. Aber ich bin überzeugt, dass eine Stimme, die nicht genau so funktioniert wie all die anderen Stimmen, eine Bereicherung sein kann, wenn sie denn offen daher kommt. Und das probieren wir hier bei uns.

Vor einiger Zeit hatte ich schon mal darüber geschrieben, aber weil es in jüngster Zeit mal wieder Gegenstand hier war, mag ich das hier noch einmal anbringen.

Religion als Religion berichten

Immer mehr Journalisten ist das Thema Religion fremd, gleichzeitig wird es aber immer wichtiger, und zwar sowohl was das fremd gewordene Eigene angeht, das Christentum, als auch was den Islam angeht.

Religion ist eben nicht nur ein soziologisch zu begreifendes Phänomen, sie ist nicht nur von politikwissenschaftlichen, geschichtlichen oder kulturwissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Ich verliere sogar eine wichtige Dimension von Religion, wenn ich mich als Journalist in meiner Berichterstattung nur auf solche Begriffe stütze.

Wenn zum Beispiel ein neuer Papst gewählt wird, dann findet die Berichterstattung oft im Modus von demokratischen Wahlprozessen statt. Da gibt es dann Parteien, Wahlsieger, da gibt es konservativ und progressiv und so weiter. Und das ist ja auch verständlich, die Kategorien, die ich anlege, bestimmen das Bild, das ich sehe.

Aber es verhindert eben leider auch, dass ich die „ganze“ Geschichte erkenne. Wenn ein Kardinal vom gemeinsamen Gebet erzählt, das stattfindet, und die geistliche Dimension betont, wird das als Nebensächlichkeit oder als Vertuschung wahrer Motive eher ignoriert.

Am ehesten noch gelingt die Berichterstattung über die religiöse Dimension der Religion im Fernsehen, das wird von Bildern viel besser getragen als von Worten. Aber wie erklärt man das?
Man kann – davon bin ich überzeugt – über Religion als Religion sprechen, selbst wenn man dieser Religion nicht angehört. Man muss nicht selber gläubig oder fromm sein, um klug über Religion zu sprechen. Aber wie kommt man dahin?

Angst verlieren

Ein erster Schritt ist es, die Angst zu verlieren, sich vereinnahmen zu lassen. Nicht die Vorsicht und nicht die Sorgfalt, aber die Angst. Natürlich gibt es die Versuchung, zum Teil des Systems zu werden, wie bei Sportreportern und Sportfunktionären, Politikreportern und Politikern, und so weiter. Es ist aber kein Automatismus. Ich stelle eine Sorge bei Kolleginnen und Kollegen fest, zu „fromm“ zu klingen. Ich stelle auch eine Sorge fest, sich zu weit von einem Publikum zu entfernen, das man als der Religion entfremdet vermutet. Und drittens stelle ich die Sorge fest, vor Kolleginnen und Kolleginnen komisch auszusehen, wenn man sich mit sowas auskennt. Ich meine das gar nicht herablassend, das muss man ja auch ernst nehmen. Aber daraus darf sich keine Angst entwickeln, die Unkenntnis in Sachen Religion zu einer Tugend erhebt.

Ein zweiter Schritt wäre, Religion neu kennen zu lernen. Wie gesagt, Unkenntnis ist keine Tugend. Auch ist es keine Tugend, Religion den immer wieder gebrauchten Begriffen aus Politik oder Kultur zu unterwerfen. Drittens ist es keine Tugend, schon gar keine journalistische, immer wieder dieselben Fragen aufzuwerfen ohne nachzusehen, ob solche Fragen ein richtiges Bild des Berichteten abgeben. Neugier ist auch hier wie überall im Journalismus wichtig.

Unkenntnis ist keine Tugend

Drittens braucht es eine gesunde Selbsteinschätzung in Sachen „Aufgeklärtheit“. Es ist eben nicht so, dass post-religiöse Menschen „aufgeklärter“ sind, „weiter“ sind als andere. Es gibt eine Auffassung von Fortschrittlichkeit, die post-religiös daher kommt. Das mag ja sein – nehmen wir das mal hypothetisch an – muss dann aber auch gezeigt werden. Als stille Voraussetzung verzerrt es die Perspektive.

Viertens braucht es Sachkenntnis. Das klingt jetzt wie ein versteckter Vorwurf, als ob es das nicht gäbe. Es gibt aber tatsächlich viele Kolleginnen und Kollegen, die sehr viel wissen, meistens aber über die jeweiligen Institutionen von Religion, etwa die Kirche. Das ist aber nicht immer dasselbe.

Das alles ist aber nicht nur nach außen gesprochen. Das gilt auch nach Innen, in den katholischen Journalismus.

Post-religiöse Fortschrittlichkeit

Vor einiger Zeit habe ich einmal Kriterien zu formulieren versucht, was genau katholischer Journalismus sein kann. Oder vielleicht etwas bescheidener formuliert, das dazu gehören muss.
Katholische Medien, um es etwas thesenhaft zu formulieren,

– brauchen Loyalität. Wer nicht zur eigenen Katholizität steht, wird nicht ernst genommen. Das bedeutet aber nicht, gleich einen eingebauten Filter zu haben und offizielle Sprachregelungen schlicht zu kopieren.
– brauchen Professionalität, was die Standards angeht. Natürlich ist ein Pfarrblatt etwas anderes als die Pressestelle der DBK, aber jeder muss das seine gut und richtig machen, je auf eigene Weise.
– brauchen eine klare Trennung zwischen Information und Verkündigung. Informationen, die sich nur Nutzern erschließen, die ein Vorverständnis teilen, führen in Sonderwelten.

Das unter den Bedingungen einer sich immer weiter wandelnden Medienwelt neu zu erfinden, das ist unser täglicher Job.

Religion im Journalismus. Interviewt werden anlässlich der Seligsprechung Papst Johannes Paul II
Sieht fast aus wie eine Sportreportage: 1. Mai 2011, im Interview zur Seligrpechung von Johannes Paul II

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und KönnenSchlagwörter Journalismus, Medien, Religion, Sport7 Kommentare zu „Sportreporter der Religion”

Einmal Religion mit Gott, bitte

Veröffentlicht am 1. November 201811. November 2018
Rückblick Synode: Hier bei einer PK-Vorbereitung. Die jungen Menschen wissen, was sie wollen Rückblick Synode: Hier bei einer PK-Vorbereitung. Die jungen Menschen wissen, was sie wollen

Morgens früh mache ich gerne Sport. Weil danach, im Laufe des Tages, keine Zeit mehr ist und ich 1.000 Ausreden habe. Außerdem ist um 6 Uhr Zeit, in Ruhe Radio zu hören um zu wissen, was so alles los ist. Gerne höre ich dann auch noch die Morgenandacht. Sie merken, um diese Uhrzeit ist der Deutschlandfunk mein Sender.

Rückblick Synode: Hier bei einer PK-Vorbereitung. Die jungen Menschen wissen, was sie wollen
Rückblick Synode: Hier bei einer PK-Vorbereitung. Die jungen Menschen wissen, was sie wollen

Und neulich musste ich mich ärgern. So richtig ärgern. Es gab eine Andacht – ich sage nicht wann und wer – die über den Perspektivwechsel auf die Dinge sprach und darüber, dass man dadurch das, was einem selber wichtig ist, ganz neu in den Blick bekommt. Also ein Leib- und Magenthema auch von mir.

Nur wurde das als Andacht angekündigt, aber diese christlichen Gedanken kamen völlig ohne die Worte „Gott“ und „Jesus“ aus. Die 10 Gebote wurden genannt, aber nur die zwischenmenschlichen, die ersten, wo von Gott die Rede ist, nicht.

Es wurde nicht klar, warum diese Person sich für Flüchtling einsetzt. Oder besser: als Motivationen wurde „Bürgersinn“ und „Mitmenschlichkeit“ genannt. Alles ehrenvoll.

 

Es hört keiner mehr zu

 

Aber wenn das alles ist, was Christinnen und Christen vorzubringen haben, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns keiner mehr zuhört.

Selbstverkleinung ist das. Wir sollen Zeugnis ablegen für den Grund unserer Hoffnung.

Die Zivilreligion, die sich einpasst, die nimmt uns keiner mehr ab. Und junge Menschen. „Wofür steht ihr eigentlich?“ höre ich sagen. In einer Welt voller Optionen und Möglichkeiten muss die Sache mit Gott klar sein. Wer so tut, als ob irgendwie Gott keine Rolle bei uns spielt und dass Religion ja sozialverträglich und gut sei, der wird junge Menschen nicht erreichen. Die brauchen sowas nicht.

 

Jugend braucht sowas nicht

 

In Rom haben ältere Herren getagt, gemeinsam mit wenigen jungen Menschen und einigen Fachleuten. Also nichts Repräsentatives, was die Welt junger Menschen heute angeht. Trotzdem habe ich niemanden gehört, der „weniger über Gott sprechen“ als Option genannt hätte.

Mein Morgenandacht ist natürlich nur ein Schlaglicht. Aber es markiert ein Extrem im Christentum, das leider Mehrheitsfähig wird. Eine Zivilreligion, welche die Gesellschaft besser machen will, die aber keine Ecken und Kanten mehr hat.
Auch Christen sollen und wollen die Welt besser machen. Aber aus einem gelebten Glauben heraus, für sich und mit anderen. Wenn wir darauf verzichten, dann verzichtet die kommende Generation auf uns. Und ich kann es ihr noch nicht einmal verdenken.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Ökumene, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Bischofssynode, Gebote, Gott, Jesus, Jugend, Religion, Verkünden, Zeugen, Zivilreligion3 Kommentare zu Einmal Religion mit Gott, bitte

Pressefreiheit – auch hier

Veröffentlicht am 3. Mai 201811. November 2018
Das sind wir jetzt Das sind wir jetzt

Ein Text, den ich für die Webseite meines Ordens geschrieben habe, anlässlich des Tages dr Pressefreiheit heute. Zum Kommentieren stelle ich den Text auch hier ein:

“Hofberichterstattung”: kein Wort fällt häufiger als dieses, wenn Leute meine Arbeit vorstellen oder mich fragen, was ich denn da in Rom mache. Wenn es nett ist, dann wird das Wort ironisch gebraucht. Aber auch die nichtironische Variante gibt es durchaus.
Dahinter liegt die Frage oder Anfrage oder auch der Vorwurf, dass unsere Arbeit – früher bei Radio Vatikan, jetzt Vatican News – journalistisch nicht Ernst zu nehmen sei. Wir seien ja nicht frei in dem, was wir schreiben könnten, dürften und müssten.

Das sind wir jetzt
Das sind wir jetzt

Am internationalen Tag der Pressefreiheit ist das vielleicht einen Gedanken wert. Natürlich sind wir Teil des Vatikan, natürlich reflektiert unsere Arbeit die Perspektive des Papstes, alles andere wäre ja auch unnatürlich. Wir berichten nicht über den Vatikan, sondern aus dem Vatikan. Aber wir behaupten ja auch nichts anderes, es steht groß über unserer Webseite, wer uns liest oder hört, der weiß, wer wir sind.

 

Religion als Religion berichten

 

Trotzdem ist das kein Hofberichterstattung. Wir erzählen Geschichten – “storytelling” auf Neudeutsch – aus Vatikan und Weltkirche, wir wollen nachvollziehbar machen und wir springen nicht auf jede Debatte auf, die in den Medien ihre Kreise zieht.

Wir probieren auch, Religion als Religion zu erzählen, nicht nur als soziologisches oder politisches Phänomen. Das ist eine Stimme mehr in den Medien, eine Perspektive die vielleicht andere nicht so haben.

Pressefreiheit ist ein hohes Gut, es gibt sie aber in vielen Formen. Und dass eine Institution sich eigene journalistische Medien leistet, das gehört auch dazu. Es gut, dass eine Institution wie der Vatikan nicht nur durch Pressesprecher redet, sondern sich auch andere Kommunikation leistet. Das ist ein Zeichen von Freiheit.

 

Das trägt zur Freiheit bei

 

Pressefreiheit ist wertvoll. Es ist gut, dass es so viele verschiedene Formen von Kommunikation gibt und dass gerade jetzt so viele neue Entstehen. Unfreiheit entsteht, wenn nicht mehr Menschen – User, Kunden, Redakteure, Hörer, Unternehmer – entscheiden, was Nachricht ist und was man vielleicht sein lässt, sondern Algorithmen. Vatikan-Journalismus wie der unsere ist also gar nicht die Gefahr, das kann ja ignorieren, wer will. Gefährlich wird es erst dann, wenn wir nicht mehr die Wahl haben, sondern der Big Data entscheidet, was wir zu hören, sehen und zu lesen bekommen. Wenn der Konsum entscheidet, was News sein darf und was nicht.

Der Tag der Pressefreiheit ist deswegen auch unser Tag hier bei Vatican News. Es steht Religionen und Kirchen und dem Vatikan gut an, sich an Debatten zu beteiligen und zu berichten, was zu berichten ist. Das trägt zur Freiheit bei.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und MedienSchlagwörter Freiheit, Journalismus, Medien, Pressefreiheit, Religion, Vatican News17 Kommentare zu Pressefreiheit – auch hier

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