In unserer Sprache klingt das Wort „Ermächtigung“ schräg. Es hat historische Konnotationen, die nichts mit meinem Gedanken hier zu tun haben. Leider haben uns die dunklen Jahre bis 1945 auch viele Worte geraubt, die sich nicht mehr benutzen lassen. Der Gedanke dahinter ist aber wichtig, etwas selber in die Hand nehmen, befähigt werden. Das ist es, was Papst Franziskus will. Den Glauben, den eigenen Glauben, selber in die Hand nehmen.
Politische Beobachter sehen in den Wahl-Entwicklungen der vergangenen Jahre bis zu Österreich und Italien, allen voran in den USA, nicht etwa eine Rebellion der ungebildeten und so weiter, solch eine Argumentation verlängere nur die Fehleinschätzung derer, die sich verwundert die Augen reiben, wie es nur so weit kommen konnte.
Es geht vielmehr darum, dass Menschen selber bestimmen wollen, wie ihr Leben funktioniert. Dazu wollen sie keine Almosen, sondern Möglichkeiten.
Möglichkeiten, nicht Almosen
Die Welt um uns herum beschränkt aber immer mehr Möglichkeiten, von den Großkonzernen und Daten-Monstern angefangen über immer komplexere Vorgänge etwa an den Börsen, die buchstäblich so schnell sind, dass kein Mensch sie mehr kontrollieren kann. Konzerne zahlen keine Steuern, aber die Straßen funktionieren nicht oder die Rente reicht nicht mehr zum Leben. Und so weiter.
Negativ kann man das in Populismus ummünzen, das haben wir oft genug gesehen. Aber dieser Populismus injiziert ja nicht etwas in die Menschen hinein, er ruft etwas auf, was schon da ist und benutzt das.
Auch Papst Franziskus ruft das auf, aber nicht populistisch. Er will christliche Möglichkeitsräume schaffen. Das Leben als Christ entscheidet sich nicht an der möglichst genauen Erfüllung der Regeln, sondern im Umsetzen dessen, was Christus von uns will, im eigenen Leben, selbstbestimmt und in Gemeinschaft.
Natürlich gibt es dazu Rahmenbedingungen, natürlich schwebt das, was Jesus gelehrt hat, nicht im freien Raum, das wäre „Situationismus“, wie der Papst das neulich genannt hat. Relativismus hatte Benedikt XVI. das genannt.
Deswegen kann der Papst ja auch so deutlich gegen das Bauen von Mauern und andere Populismen Stellung beziehen: Die Lehren Jesu haben Folgen für uns und unser Leben, die wir nicht schlicht der eigenen Entscheidung oder Ängsten unterwerfen dürfen. Das nennen wir Tradition.
Gemeinschaft und Auftrag
Was wir von Jesus aber durch die Jahrhunderte hindurch als Tradition empfangen haben, sind zwei Dinge: Gemeinschaft und Auftrag. Kirche und Lehre, mag man das übersetzen, beides wird aber wenn statisch verstanden falsch und richtet sich gegen die dem Gedanken eigentlich innewohnende Dynamik. Wenn wir es aber dynamisch verstehen, dann wird es zum Glauben selber in die Hand nehmen, dann wird das zu unserem „Empowerment“, dann werden wir nicht Objekte einer Kirche, sondern ihre Träger, ihre mit der Würde der Entscheidung ausgestatteten Mitglieder.
Wir entscheiden nicht über unseren Glauben, weil der uns geschenkt ist, aber wir setzen ihn um, im Leben, im Alltag.
Der Populismus hat uns die letzten Jahre über begleitet, in dem jetzt zu Ende gehenden Jahr auch hier im Blog. Und es ist ja auch gut so, dass wir uns dem stellen – jedenfalls wenn er sich dem Dialog stellen will.
Das Gefühl, dass die Welt uns entgleitet und in die Hände von komplexen und unüberschaubaren Vorgängen geht, Konzernen und Daten-Kraken, darf uns nicht in die Versuchung führen, der Allmacht anheim zu fallen, der einen-Lösung-für-alles oder des starken Mannes. Das beschränkt die Räume nur noch mehr, auch wenn es aussieht, als böte es Sicherheit – das Gegenteil ist der Fall.
Einen dynamischen Glauben der aufsteht, der losgeht, der keine Angst hat, und der dann auch den Versuchungen des Populismus widerstehen kann, das ist die Antwort auf die vielen Beschränkungen und Fragen, denen wir begegnen. Das ist nicht einfacher, das Jubeln über die großen Vereinfachungen der Populisten geht besser und schneller, aber es geht eben vorbei an dem, was ein selbstbestimmter und gelebter Glaube sein will.
Einen solchen Glauben, oder einen Weg dahin, den wünsche ich uns allen für das kommende Jahr 2017.
Alles Gute Ihnen.