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Schlagwort: Dialog

Von Ur in Chaldäa zur globalen Krise

Veröffentlicht am 3. März 202127. Februar 2021
Warum fährt Franziskus in den Irak Christentum im Irak: Gläubige in einer gemeinsam von Jeziden und Christen genutzten Kapelle in Kurdistan. Oft: WikimediaCommons

Papst Franziskus fährt in den Irak. Die erste Papstreise seit Corona, aber nicht allein deshalb ist das ein spannendes Projekt. Warum tut der Papst das? Warum fährt Franziskus in den Irak? Weil dort viele Dinge zusammen kommen, die dem Papst in der Ausübung seines Amts am Herzen liegen.

Natürlich geht es auch um die Ursprünge unseres Glaubens, der Papst besucht „Ur in Chaldea“, die Heimat Abrahams. Das ist symbolisch der Auftakt der Reise. Aber da sind noch mehr Gründe:

Warum fährt Franziskus in den Irak?

Die Vorliebe für Reiseziele, die Menschen Sichtbarkeit geben: mit seiner Reise nach Lampedusa hat Papst Franziskus den Takt vorgegeben, Auffanglager auf Lesbos, Gefängnisse in Italien und viele andere Orte folgten. Der Papst richtet seine Aufmerksamkeit und damit auch die Aufmerksamkeit der Medien auf Menschen, die sonst im Schatten stehen. Er behandelt so nicht nur Themen, sondern trifft die Menschen, um die es geht.

Die Vorliebe für Reiseziele, die Themen sichtbar machen: Vertreibung der Christen durch den IS, Dialog, Frieden, Opfer der Kriege, Zusammenarbeit, all das kommt dort zusammen. Ein Thema möchte ich hier betonen: den Dialog mit dem Islam.

„Man kann keine Brücken zwischen den Menschen bauen, wenn man Gott vergisst. Doch es gilt auch das Gegenteil: Man kann keine wahre Verbindung zu Gott haben, wenn man die anderen ignoriert. Darum ist es wichtig, den Dialog zwischen den verschiedenen Religionen zu verstärken – ich denke besonders an den mit dem Islam“.

Worte von Papst Franziskus aus einer seiner allerersten Ansprachen, der Grundsatzrede vor dem diplomatischen Corps direkt nach seiner Wahl im März 2013. Immer wieder hat er diesen Dialog gesucht, über das gemeinsame Gebet in den Vatikanischen Gärten bis zur Erklärung von Abu Dhabi vor knapp über einem Jahr. Besuche in der Türkei, in Ägypten, in Jordanien und Israel und so weiter kamen dazu. Das ist ein bleibender und wenig beachteter roter Faden im Pontifikat Franziskus.

Keine Brücken zwischen den Menschen ohne Gott

Die Vorliebe für Reiseziele des Dialogs: Diese ist mir der vorhergehenden verwandt, aber nicht identisch. In Abu Dhabi zitierte er sich selbst, und zwar die Stelle, die ich oben bereigents Anna habe. Er sagte:

„Es gibt keine Alternative: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft. Vor allem die Religionen können nicht auf die dringende Aufgabe verzichten, Brücken zwischen Völkern und Kulturen zu bauen.”

Das Stichwort hier ist „bauen“. Es bricht nicht überall sofort Frieden aus, sobald sich Leute an einen Tisch setzen. Das ist mühsam. Dialog ist mühsam. Weswegen diese Reiseziele auch immer und immer wieder bei Papst Franziskus auftauchen. Es sind die Mühen der Ebene, denen sich die Religionen nicht entziehen dürfen.

Die Vorliebe für Reiseziele, die über den Ort selbst hinaus weisen. Der Irak gehört zu dem, was Christen „heiliges Land“ nennen, Ur und andere Orte sind biblisch. Damit ist der Radius viel weiter gezogen als der politische Irak. Und auch die dort sichtbaren Themen sind untrennbar mit der gesamten Region verbunden: Türkei und Syrien, Iran und Saudi Arabien, Israel und der „Westen“, alle sind beteiligt und betroffen. Und alle sind auf genau diese Weise einbezogen in die Reise, auch wenn es nur wenige Orte sind, an die der Papst konkret kommt.

Paradoxe Intervention

Die Vorliebe für paradoxe Interventionen: das große Thema weltweit ist ist die Pandemie und deren Folgen. Daneben verschwinden andere Themen schnell wieder. Papst Franziskus spricht nun einige dieser Folgen auf eine Art an, wie wir es schon in seinem Buch lesen konnten.

Es geht eben nicht nur um die Frage nach der Impfung bei uns, sondern um eine globale Krise, die in der Pandemie sichtbarer wird als jemals zuvor. Und die wird eben auch in Vertreibung und Not, im Ringen um Frieden, in interreligiösen und interkulturellen Konflikten sichtbar. Sich dem zuzuwenden heißt auch, sich der globalen Krise insgesamt zuzuwenden.

So passt die am 5. März beginnende Reise perfekt in das Pontifikat Franziskus.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, VatikanSchlagwörter Christenverfolgung, Dialog, Irak, Islam, Papst Franziskus, Papstreise10 Kommentare zu Von Ur in Chaldäa zur globalen Krise

Papst und Politik: „Their problems are our problems”

Veröffentlicht am 19. September 202019. September 2020
Politik des sich Einbringens für das Gemeinwohl Der Papst in den USA: Am Madison Square Gardens im September 2015

Der Papst und die Politik, ein weites Feld. Er wird wieder vor der Generalversammlung sprechen, wie bei seinem Besuch in New York 2015 auch schon, dieses mal sogar noch eine Nummer größer, es ist die Jubiläumswoche zu 75 Jahren UNO. Damit macht er sich nicht nur Freunde, auch in der Kirche nicht, auch hier im Blog nicht. Raushalten, ist ein immer wieder gehörter Ruf. Dagegen setzt der Papst seine Überzeugung: Politik des sich Einbringens für das Gemeinwohl.

„Die Zukunft der Welt liegt nicht nur in den Händen der Mächtigen, der großen Mächte und der Eliten. Sie liegt grundsätzlich in den Händen der Völker und in ihrer Fähigkeit, sich zu organisieren. Es liegt in ihrer Hand, die mit Demut und Überzeugung den Prozess des Wandels leiten kann.” Das ist sein Credo in Sachen Politik.

Politik des sich Einbringens für das Gemeinwohl

Nehmen wir uns noch mal zwei Ansprachen heraus, die in meinen Augen zusammen gehören, beide 2015 gehalten, beide „politische Reden“ im Sinne des oben gesagten. Und aus einer der beiden stammt auch das Zitat oben. Nämlich aus einer Ansprache vor den der Volksbewegungen der Welt in Santa Cruz in Bolivien. Dazu gehört die Ansprache vom September 2015 vor dem US-Kongress, so ziemlich das Gegenteil der Volksbewegungen. Aber die beiden dort gehaltenen Reden sollte man zusammen lesen.

Es ist spannend, die beiden Perspektiven des Papstes zusammen zu sehen, weil man dann nämlich feststellt, dass sie gar nicht so weit voneinander entfernt liegen. Weder sagt der Papst jedem Publikum, was es hören möchte, noch widersprechen sich dadurch seine Aussagen. Im Gegenteil, Papst Franziskus ist überzeugt, dass wir die Welt ändern können. Und das gilt für das Establishment, das wir Politiker nennen, genauso wie für alle, die sich engagieren. Und das – die Welt ändern, im Großen oder Kleinen – nennt man politisch Handeln.

Träume und Praxis

Was ein Politiker – eigentlich – ist, hat der Papst in seiner Ansprache vor dem US-Kongress deutlich gemacht. Es geht um Träume und das Gemeinwohl, und dann geht es um Praxis und konkrete Schritte. Von seinen vier Beispiel-Persönlichkeiten waren alle ganz unterschiedliche Typen dieses Typs Politiker.

Abraham Lincoln hat die Einheit der Union erhalten wollen und dafür einen Bürgerkrieg in Kauf genommen, der sich dann die Befreiung der Sklaven auf die Fahnen schreib. Martin Luther King wollte die Freiheit für alle US-Amerikaner, nicht nur die Weißen. Er nahm Gewalt und Ablehnung in Kauf, letztlich wurde er dafür getötet. Dorothy Day hat sich für katholische Arbeiter eingesetzt und Häuser für Frauen gegründet. Hinter ihr stand keine Mehrheit wie der Norden der Union oder die afro-amerikanische Bevölkerung. Und Thomas Merton war der untypischste im Quartett, ein kontemplativer Mönch, der sich aber durch das Schreiben Gehör verschaffte und die Sicherheiten seiner Zeit in Frage stellte, letztlich ein sehr politisches Tun.

Politisch im Sinne des Papstes

In diesem Sinne war der Papst auch politisch. Seine Träume wollen nicht nur Träume bleiben, er spricht auch nicht nur abstrakt über die Rolle von Religion in  Gesellschaft und Staat, sondern wird konkret: Abschaffung der Todesstrafe, Aufnahme von Immigranten (interessanterweise machte er keine Unterscheidung zwischen legal und illegal), Würde für die Ausgeschlossenen, Gefängnisse nicht nur zur Bestrafung sondern auch zur Resozialisation, dazu die Themen Umwelt, Frieden und der Dialog mit Kuba und dem Iran, die Liste der konkreten Dinge bei der Papstrede ist lang. Religionsfreiheit steht auch auf der Liste, zuletzt in Abu Dhabi bei der Unterzeichnung eines Abkommens.

Leider hat Politik einen schlechten Ruf, in den USA einen noch viel schlechteren als bei uns. Das politische Geschäft ist die reine Selbstblockade, und Präsident Trump unterbietet derzeit jeden Standard, den Politik hat.

Recht-haben-wollende Politikfeinde

Woanders sind es andere Phänomene, aber die Ablehnung von Politikern ist ziemlich weit verbreitet. Es ist aber die Art und Weise, die Welt zu verändern, wenn dir nicht auf Diktatoren oder Oligarchien setzen wollen. Das was die Anti-Demokraten veranstalten, in den USA vor allem Trump, ist im Letzten unpolitisch, weil man nichts ändern will. Änderung setzt nämlich Prozesse voraus, und die will man nicht. Man will Recht haben, in allem, Punkt. Das ist aber unpolitisch. Schauen Sie sich um!, auch hier gibt es reichlich unpolitischer weil Recht-haben-wollender Politikfeinde.

„Their problems are our problems”: dieser Satz aus der Rede in Washington ist letztlich der Kern des Politischen. Wer sich nicht mit den eigenen Problemen zufrieden gibt, sondern Verantwortung für andere übernimmt, macht sich ihre Probleme zu eigen. Und er bekommt auch Probleme, die er sich gar nicht ausgesucht hat. Klimafragen, Hunger, Zugang zu Wasser, „Dach, Erde, Arbeit”, wie das Schlagwort der wachsenden Bewegung lautet, die der Papst in Bolivien und auch in Rom getroffen hatte, das sind alles Probleme, die allen zuwachsen, die Verantwortung übernehmen.

„Yardstick”: Woran wir gemessen werden

Und dann ist es eigentlich auch egal, ob man das als Vertreter von Landlosen tut oder als US-Senator.

Fluchtpunkt des Politischen, wie es der Papst vielleicht nicht definiert aber doch beschrieben hat, ist das Gemeinwohl, der Aufbau einer Gesellschaft. Das Gegenteil dazu – und dazu schlage an die Rede an die Volksbewegungen nach – sind Partikularinteressen, die Interessen der Mächtigen, seien es Konzerne oder Parteistrategen und Wahlkämpfer.

Und wir werden gemessen werden, „yardstick” sagte der Papst, es gibt Fragen, an denen zukünftige Generationen ablesen, ob wir gescheitert sind, ob wir uns wirklich gemüht haben oder ob wir in Bequemlichkeit alles abgeschoben haben. Und diese Messlatten suchen wir uns nicht aus, nicht wir bestimmen, nach was wir einmal gemessen werden. An dieser Stelle habe ich es schon einmal geschrieben, ich bin fest davon überzeugt, dass der Umgang mit den Flüchtlingen weltweit eine solche Messlatte ist, die an uns angelegt wird.

„The enemy without feeds the enemy within”

Hier liegt unser Auftrag, für das Wohl aller und das Wohl aller gemeinsam, das Gemeinwohl, zu arbeiten.

Drücken gilt nicht. Ich möchte einen Satz abwandeln, den der Papst über den Umgang mit Hass und Terror gesagt hat: Wenn wir uns dem Gegner nur in Gegnerschaft stellen, dann werden wir so wie er. „The enemy without feeds the enemy within”, innerlich sind wir dann nicht besser. Abgewandelt lautet der Satz dann: wenn ich mich drücke, beschädige ich mich selber. Wenn wir uns diesen – letztlich politischen – Aufgaben nicht stellen, macht das was mit uns. Wir müssen nicht gleich in Parteien eintreten, politisches Handeln geht auch ganz anders. Aber mit dem Wegsehen füttern wir den Feind in uns, den “Feind der menschlichen Natur”, wie ihn der heilige Ignatius nennt, also den, der in uns steckt und uns von uns selber wegbringen will, von dem wozu wir eigentlich geschaffen und gewollt sind.

Also, überlassen wir die Politik nicht nur den Politikern. Dafür ist sie viel zu wichtig.

Transparency: Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Version eines Artikels während der Papstreise zur UNO im September 2016

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Papstreise, VatikanSchlagwörter Dialog, Gemeinwohl, Papst Franiskus, Papstreise, Politik, Religionsfreiheit, USA21 Kommentare zu Papst und Politik: „Their problems are our problems”

Wider die Negativitäts-Vergiftung

Veröffentlicht am 8. Januar 20208. Januar 2020
Aufeinander hören Synodaler Weg: Die Kerze am "Austragungsort", dem Dom in Frankfurt

Gebetsmühlenartig klingt es in diesen ersten Wochen des synodalen Weges: Aufeinander hören sollen wir, nicht nur betonierte Positionen verteidigen. Und selber gehöre ich ja auch zu denen, die meinen, nur das Hören bringt uns überhaupt weiter.

Die geistliche Tradition kennt da das Prinzip des „Rettens der Aussage des Anderen“. Ignatius von Loyola stellt das seinem Exezitienbuch voran (Nr. 22), es sei vorauszusetzen, dass „jeder gute Christ bereitwilliger sein muss, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen“.

Aufeinander hören

Da steckt eine Menge drin, auch über die offensichtliche Aussage hinaus. Aber bleiben wir bei dieser Intention. „Wer bin ich, zu urteilen“ fragt der Papst immer mal wieder, berühmt bei einer Pressekonferenz im Flieger, aber auch bei Predigten.

Nicht urteilen, sondern aufeinander hören und verstehen wollen. Wobei, mit dem Urteilen kann man viel mehr verdienen, Klickzahlen zum Beispiel oder auch Selbstbestätigung. Ich sage das nicht zynisch, sondern beobachtend. Wer die vielen Webseiten anschaut, die von Negativität leben, dem kommt fast automatisch das Ignatius-Zitat in den Sinn.

Drei Dinge sind es, die ich an diesem Zitat und damit dieser Grundhaltung des „Rettens“ schätze.

Gegen den ersten Eindruck kommt man nur schwer an

Zum einen ist es, dass man ein Gespräch am Laufen hält. Wir sind durch unsere Evolution darauf getrimmt, schnell und instinktiv Entscheidungen über Situationen zu treffen. Und gegen den so entstandenen ersten Eindruck kommen wir nur schwer an. Der sitzt. Und kann verhindern, dass sich Gespräche entwickeln, welche diesen Namen auch verdienen.

Das Mühen um das Verstehen will darüber hinaus. Ignatius benutzt den Komparativ, also „bereitwilliger“ sein. Das schließt ein Urteil nicht aus, sagt aber deutlich, was vorzuziehen sei. Er formuliert eine bevorzugte Option, ein geistliches ‚im Zweifel für den Angeklagten’. Und das alles dient der Fortsetzung des Gesprächs, über die Kollision von Meinungen hinaus.

Zweitens hat das auch schon was von Unterscheidung. Also davon, dass wir uns gegen vorgegebene Meinungen zu wehren lernen. Selbstkritik wird möglich, eine neue Facette unserer bunten und spannenden Welt kommt in den Blick. Die Gefahr ist, dass ich meine eigene Meinung revidieren muss, es ist also ein echter Schritt, den wir tun müssen.

Die Gefahr, beim Hören die eigene Meinung ändern zu müssen

Der dritte Punkt aber ist mir in den letzten Wochen erst so richtig aufgegangen. Die vielen Meinungen und vor allem Urteile über den synodalen Weg der Kirche oder auch über Papst Franziskus oder einzelne Bischöfe verfolgend stelle ich mir zunehmen die Frage, wie die ganzen Verurteiler im Netz mit so viel Negativität in der Seele überleben können. Das Ignatius-Prinzip des eher Retterns als Verurteilens hat auch die Funktion, mich selber vor der Negativitäts-Vergiftung zu bewahren.

Negativ ist einfach. Das kann jeder und das gibt auch sofort den Selbstbestätigungs-Kick. Aber Negativität vergiftet. Weise legt Goethe seinem Mephisto in den Mund, er sei „der Geist, der stets verneint“. Mittlerweile lese ich die meisten Stücke des Chors der Negativen gar nicht mehr, nicht weil mich die Meinung nicht interessieren würde, sondern weil ich diese geballte und dauernde Negativität nicht ertragen will.

Positiv sein macht verwundbar, der zynische Kritiker ist vermeintlich stärker. Aber er macht nur kaputt. Er baut nicht auf. Ist nicht kreativ, ist ohne Geist. Kritik ist gut, Urteile müssen sein, aber vor der Negativität bewahrt uns das Prinzip, eher retten als verurteilen zu sollen.

Es bewahrt vor Negativität

Noch einmal zurück zum Komparativ, man soll „bereitwilliger“ sein. Auch das bewahrt vor zu schnellen Schlüssen. Es ist und bleibt ein Abwägen, ein Unterscheiden, kein absolutes Prinzip. Kein „du musst verstehen!“. Es bleibt menschlich.

Und damit erst wird es wirklich kreativ und nützlich für einen geistlichen Prozess, oder auch nur für ein menschliches Miteinander. Kein Zwang, kein kategorischer Imperativ. Kein Besserwisser, keine Kommunitaktions-Mechanik.

…

Bei Ignatius gehört das Zitat in die vorbereitenden Punkte für denjenigen, der Exerzitien begleitet. Vollständig lautet es:

„Damit sowohl der, der die geistlichen Übungen gibt, wie der, der sie empfängt, mehr Hilfe und Nutzen haben, ist vorauszusetzen, daß jeder gute Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.“

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Dialog, Kirche, synodaler Weg, Urteil4 Kommentare zu Wider die Negativitäts-Vergiftung

Synodaler Weg ist wie das Lösen von Knoten

Veröffentlicht am 30. November 201926. November 2019
Der synodale Weg beginnt Maria Knotenlöserin, das Originalbild in Sankt Peter, Augsburg

Was werden wir davon haben? Über zwei Jahre sitzen einige hundert Katholikinnen und Katholiken zusammen beim synodalen Weg, in Themengruppen und in Vollversammlungen, aber was zu erwarten ist, ist noch nicht völlig klar. Der synodale Weg beginnt, und zwar an diesem Sonntag, dem 1. Advent. Aber weil nicht klar ist, was genau es sein wird, das zeichnet sich noch nicht ab.

Das ist ein Problem. Weil es eben nicht klar ist, gibt es wenig Interesse. Viele Meinungen, viele kluge Ratschläge, viele Warnungen, aber noch nicht wirklich eine klare Perspektive. Es gibt zum Beispiel Kritik an der Unverbindlichkeit, eine richtige, kanonische (kirchenrechtlich eingerichtete) Synode wäre besser. Weil verbindlich. Damit wäre ein Quelle der Erwartungsunsicherheit beiseite geräumt.

Der synodale Weg beginnt

Schwächen können aber auch Stärken sein. In den vergangenen Wochen durfte ich mich ja länger damit beschäftigen, ich werde einer der beiden geistlichen Begleiter des Prozesses sein. Natürlich wäre auch mir eine klare Vorgabe einfacher. Aber ich sehe auch die Chance, die in der eher anstrengenden weil unbestimmten Vorgehensweise liegt.

Es hat etwas vom Lösen von Knoten. Einen gemeinsamen synodalen Weg wolle man gehen, haben Bischöfe und Laien gemeinsam beschlossen, angestoßen von den Bischöfen nach der MHG-Studie. Weil aber nicht klar ist, wie genau mit den einzelnen Problemkomplexen umgegangen werden kann und soll und darf, ist vielleicht die offene Form besser. Weil offen gesprochen werden kann, ohne auf das Ziel zu peilen.

Das Lösen von Knoten

Das Knotenlösen habe ich natürlich mit dem Verweis auf das oben abgebildete Gemälde zitiert. Knoten lösen braucht Geduld. Die kann man nicht machen, die sollte man auch auf keinen Fall anmahnen, weil das schnell als übergriffig rüber kommt. Aber trotzdem ist ein gehöriges Quantum davon nötig. Nicht um Dinge zu verschieben. Sondern der Sorgfalt wegen. Vor dem ersten Treffen der geistlichen Begleiter in Augsburg war ich deswegen in der Kirche Sankt Peter und habe die „Maria Knotenlöserin“ meditiert. Wer Knoten lösen will, ist mit Hektik schlecht beraten. Eben weil es nicht hilft. Hartnäckige Geduld aber führt weiter.

Manch einem mag die Versuchung begegnen, zum Schwert greifen zu mögen, um den Gordischen Knoten zu durchschlagen. Diese Geschichte wird ja in der Knotenlöserin zitiert. Viele Wortmeldungen, die nach Macht klingen, haben wir leider schon gehört. Komischerweise auch von Leuten, die damit gar nichts zu tun haben. Macht bringt aber nicht weiter.

Macht bring den Prozess nicht weiter

Christsein heißt ausgehen von seiner eigenen Schwachheit, nicht von der Stärke. Zuletzt hat diese zutiefst christliche Einsicht Papst Franziskus in seinem Schreiben Gaudete et Exsultate beschrieben. Er benutzt Metaphern vom Kampf, das ist richtig, aber es ist nicht der eine alles entscheidende Kampf der Superhelden, sondern tatsächlich eher der Kampf gegen die Knoten. Und genauso hat er selber das Bild von der Knotenlöserin interpretiert, bei einer kleinen Audienz für Mitarbeiter in der er das tat durfte ich mit dabei sein, da hat er das Bild erklärt.

Und dann wird da auch ein geistlicher Prozess draus. Über die Geduld. Ja, das bedeutet, unsichere Erwartungen. Das ist vielleicht im Augenblick nicht zu vermeiden. Mein Mitbruder Pater Stefan Kiechle bringt das so auf den Punkt:

„Ein geistlicher Prozess setzt voraus, dass alle, die teilnehmen, indifferent hineingehen; dieses Schlüsselwort ignatianischer Spiritualität meint zunächst ergebnisoffen, aber tiefer noch: von persönlichen Vorlieben, Vorurteilen, Vorfestlegungen so frei, dass man ganz auf den Geist hören kann, der vielleicht ganz Neues wirken will. Ein solcher Prozess muss abgeschirmt stattfinden, damit er nicht schon im Ansatz von Lobbyisten, Machtkämpfern und doktrinären Struktur-Bewahrern manipuliert wird – diese sind ja nicht indifferent und wollen es nicht sein. Vetorechte darf es keine geben. „Geistlicher Prozess“ bedeutet auch, dass alle Beteiligten mit Freimut und Ehrlichkeit auf die „Regungen“ achten, also auf geistliche Gedanken, Gefühle und Stimmungen, und dass sie durch die Unterscheidung von Trost und Trostlosigkeit entdecken, wohin der Geist sie führt.“

Der Prozess muss abgeschirmt stattfinden

Da stecken alle Chancen und alle Gefahren schon drin. Der synodale Weg beginnt nämlich nicht abgeschirmt. Das kann er auch gar nicht, sollte er auch gar nicht. Das ist aber ein Problem für die Teilnehmenden, die immer auch die öffentliche Wirkung ihrer Statements klugerweise bedenken müssen. Unter diesen Bedingungen trotzdem ergebnisoffen denken und hören zu können, das wird die Herausforderung.

Dazu braucht es die Geduld, die ich mit dem Knotenlösen meine. Da ist dann die Schwäche der unklaren Erwartungen vielleicht eine Hilfe, eben weil es offen ist. Was werden wir davon haben? Das wird sich erweisen. Das können wir nicht vorher definieren.

…

Zum Thema geistlicher Weg darf ich an dieser Stelle eine Erklärung per Video verlinken, welche P Franz Meures SJ, geistlicher Begleiter der Synode des Bistums Trief, zu Beginn des Weges dort gegeben hat. Da steckt sehr viel drin.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Sprechen von GottSchlagwörter Bischöfe, Dialog, Kirche, synodaler Weg, Synode, ZdK16 Kommentare zu Synodaler Weg ist wie das Lösen von Knoten

Heiler, Richter, Beter

Veröffentlicht am 29. September 201913. August 2019
Geistliche Autorität Raimondo Maciel da Rocha Filho, Pajé von Murutinga

Wer ein Problem hat, der geht zu ihm: Raimondo Maciel da Rocha Filho ist der Pajé von Murutinga, einem Dorf des indigenen Volks der Mura. Wer krank ist, der ruft zuerst ihn, dann erst die Krankenpfleger von der Gesundheitsstation. Pajé, das ist so etwas wie der Schamane, Heiler, aber auch Beter und früher auch Richter im Dorf.

Würde, Macht, geistliche Autorität, das alles stellt man sich anders vor. Maciel da Rocha ist 83, ein netter Herr, der leise spricht und in Gruppen nicht besonders auffällt. Soll heißen: er steht nicht im Vordergrund. Oder drängt sich nicht dorthin. Keine Abzeichen, keine besondere Kleidung, kein Ehrenplatz.

Geistliche Autorität

Geistliche Autorität ist bei den Indigenen anders, als wir uns das vorstellen, es wird eine der spannendsten Begegnungen bei meiner Reise, aber auch eine die mir fremd bleibt. Die Vorbereitungen der Synode sprechen davon, die Weisheit der indigenen Völker ernst zu nehmen. Und der Pajé gehört dazu.

Seine Berufung und seine Fähigkeiten habe er von Gott, sagt Raimondo da Rocha mir. „Ich war noch ein Junge, ich war etwa 10 Jahre alt. Jetzt bin ich 83.“ Bei meiner nächsten Frage prallen dann die Welten aufeinander. Der Pajé betet, also hat er mit Religion zu tun. Und er hat eine Rolle in der Gemeinschaft. Also denke ich natürlich, diese Rolle muss ihm übergeben worden sein. In einer Art Initiation, so etwas wie die Weihe bei uns, eine Liturgie, ein öffentlicher Akt.

Nichts da. Der Pajé spürt die Berufung und übt sie dann aus. Und allein die Akzeptanz bei den Menschen entscheidet, ob er das weiter machen kann. Keine Autorität durch eine Religion, eine Institution, eine Weihe.

Heiler

Wer ein Problem hat, geht zu ihm, das ist seine Funktion. Heiler zu sein. „Hier gibt es verschiedene Arten von Krankheiten: Krebs, Cholesterin, Diabetes und andere. Dann werde ich für die Person beten und dadurch sehen, welche Art von Krankheit sie hat, damit ich die Medizin herstellen kann. Und wenn ich nicht helfen kann, dann schicke ich den Arzt, um der Person eine andere Art von Medizin zu geben. Dann wird die Person untersucht, damit der Arzt sie behandeln kann. Die Medizin, die ich gebe, ist nur hausgemacht.“

Es gebe Krankheiten, an die gehe er gar nicht erst heran, die brauchen auf jeden Fall sofort einen Arzt, sagt er. „Ich heile von außen. Wenn die Leute kein Wasser schlucken können, dann gehe ich dorthin und bete, nehme ein bestimmtes Blatt, lege etwas Bienenhonig hinein, nehme das Serum und gebe es der Person, die es nehmen soll.“ Er wisse, welche Baumrinde gegen Tuberkulose helfe, und wie man aus dieser Rinde einen Tee mache. Wenn wir andere Indigene fragen, sprechen die mit Ehrfurcht vom Wissen der Pajés um die Heilkräfte von Pflanzen, es gehört fest zu ihrer Kultur dazu, die Pajés pflegen dieses Wissen.

Baumrinde gegen Tuberkulose

Die Gesundheitspfleger, die wir auf der Reise treffen, haben mit den Pajés kein Problem. Immer wenn sie in ein Dorf von Indigenen gerufen würde, sei der Pajé schon da, sagt uns bei der Reise eine Krankenschwester. Das sei aber kein Problem, die Pajés wüssten genau, wann medizinische Hilfe gebraucht würde und traditionelle Heilkräfte nicht mehr reichten.

Er habe geträumt, dass er Pajé sei, erzählt Raimondo da Rocha von seiner Kindheit. Meistens bleibt die Berufung in der Familie, auch Raimondos Vater war schon Pajé. Früher waren die Pajés auch Richter, aber das geht mit dem brasilianischen Recht heute nicht mehr. Heute gibt es Verfahren und Prozesse, da hält er sich zurück, Richter sei er schon lange nicht mehr.

Aber noch einmal zurück zur Gretchenfrage, das mit Gott und der Religion interessiert mich dann doch. Ist das keine Konkurrenz zu den Kirchen, die hier in Amazonien seien, möchte ich von ihm wissen. Und ob er Beziehungen hat zu anderen Religionen, zu Pastoren der Evangelikalen oder zu Priestern? „Nein, nur mit Katholiken“, sagt er. Ob wohl es Evangelikale im Dorf gebe.

Die Frage nach der Religion

Gleich um die Ecke vom Gemeindehaus steht das Gebetshaus der „Assembleia de Deus“, eine der am weitesten verbreiteten pentekostalen Kirchen in Amazonien. Die wollen aber mit indigener Kultur nichts zu tun haben. Die Sprachen der Völker, ihre Trachten und Gebräuche, das sei alles Teufelszeug. Und deswegen auch der Pajé und seine geistliche Autorität.

Nur die Katholiken und woanders auch Baptisten versuchten, die indigenen Kulturen zu erhalten, hören wir immer wieder.

Raimondo da Rocha schweigt dazu. Er sagt nichts Negatives. Gott habe ihm diese Gabe für die Gemeinschaft gegeben, und das mache er.

 

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Denken in Wellen

Veröffentlicht am 14. August 20199. August 2019
Immer wieder neu Kunst von Jean Tinguely in Fribourg in der Schweiz, in seinem Museum voll von klappernden und sich bewegenden Dingen

Nichts Neues, aber immer wieder neu: Es ist merkwürdig, wenn man eines dieser längeren Papstinterviews liest. Vergangene Woche war es wieder soweit, La Stampa hatte den Papst interviewt. Hauptthemen waren Europa und der Dialog, und die Amazonassynode. Wobei beide Themen weit umkreist wurden, es ging um Politik, Flüchtlinge, Nationalismus, Proteste, Umweltschutz, Schöpfung und vieles mehr.

Aber Hauptpunkte waren eben der Dialog und die Schöpfung anhand der Synode. Insgesamt alles Ideen, die wir alle irgendwie schon einmal gehört oder gelesen haben. Aber die in der Zusammenstellung dann doch wieder ein genuiner Beitrag des Papstes zur Debatte sind.

Immer wieder neu

Kennen Sie die Kunst von Jean Tinguely? Wie die auf dem Foto oben. Wobei, Fotos passen nicht mal annähernd. Bei Tinguely klappert es, es bewegt sich, es ist laut und lustig, aber produziert wird nichts. Das ist Bewegung um der Bewegung willen, zwar gibt es immer Neues zu entdecken, je nach Perspektive ergibt sich ein ganz neues Kunstwerk, aber eben nichts Neues.

Nicht wenige denken von Papst Franziskus, dass er genau so sei wie ein Kunstwerk von Tinguely. Viel Aktivität, aber nichts kommt dabei heraus. Faszinierend, interessant, spannend gar wenn man sieht was da alles ineinander greift und wie auf was einwirkt. Aber es werde eben nichts verändert. Und so spräche – so übertrage ich das einmal – Papst Franziskus mal wieder im Appell-Charakter über Dialog und so weiter, aber wirklich produziert würde nichts.

Verändert sich eigentlich was?

Nein, das ist kein Tinguely-Papst. Aber er ist eben auch kein Umwerfer. Er entzieht sich dem Effizienz-Denken. Und ist auch niemand, der erst mal in Strukturen denkt (was ihn vor allem den Deutschen ineffizient erscheinen lässt).

Nehmen wir das Interview in La Stampa: die Themen sind nicht neu, aber in der Zusammenstellung wird eine Konversation daraus. Wer sich Neuheit erwartet, News, wer nur auf den skandalträchtigen Nebensatz wartet, der wird enttäuscht. Oder nein, dann doch nicht, als Lateinamerikaner nicht unbedingt mit deutschen Sensibilitäten ausgestattet wagt er, sich an Hitler erinnern zu lassen.

Aufgeregtheiten beiseite

Aber lassen wir die kleinen Aufgeregtheiten beiseite, dann bieten sich einige Themen an. Europa und der Dialog zum Beispiel. Es gebe zu viel Monolog, zu wenig Offenheit für andere Kulturen. Identität dürfe nicht abschließen, sondern brauche die Offenheit für andere Identitäten. Nationalismus – die organisierte Form des Abgeschlossenseins – führe letztlich zum Krieg. An dieser Stelle muss man den „Dritten Weltkrieg in Stücken“ mitdenken. Populismus? „Dasselbe“

Thema Zwei ist Migration und Flucht: Sein Aufruf zur Kreativität im Umgang ist auch ein Abweisen der schnellen und vermeintlich klaren Lösungen, geschlossene Häfen und so. Die von ihm konkret genannten Ideen lassen sich nicht ohne weiteres auf unsere Länder übertragen, aber hier in Italien gibt es da schon einige Beispiele.

„Das Kind von Laudato Si‘“

Und das dritte Thema: Die Synode, „das Kind von Laudato Si‘“, wie er es nennt. Keine „grüne“ Enzyklika habe er geschrieben, sondern eine Sozialenzyklika, und auch bei der Synode gehörten Armutsfragen und Umweltfragen zusammen. Die Schöpfung Gottes lässt sich eben nur als Gesamt betrachten, wie auch die Umweltfrage Auswirkungen habe auf die sozialen Fragen.

„Absolut nicht“: seine Antwort auf die Frage nach den Viri Probati bei der Synode. Er will seine Synode nicht auf wenige Aufreger-Themen beschränkt sehen, eine Taktik die Freund und Feind gerne bemüht um das Projekt Synode zu unterlaufen und in die eigene Richtung zu drehen.

Keine News für die Kollegen

Das wären sie also, die Themen des Interviews. Keine News für die Kollegen. Aber etwas Anderes. Nämlich eine Konversation. Und deswegen immer wieder neu. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann geht das nur über Änderungen von Haltungen. Und das geht nur über Dialog, über Gespräch, über Konversation.

Die bietet der Papst an. Seine Ideen kommen in Wellen, etwas ist wichtig und wird über einige Wochen immer wieder genannt, dann flaut die Intensität ab, um danach wieder in neuen Zusammenhängen genannt zu werden. So setzt der Papst seine Themen und so pflegt er sie.

Wer das Spektakuläre sucht oder nur auf Kontrast setzt, wird mit ihm nicht glücklich. Wer den Machtgestus will, auch nicht. Der Papst hat seine Ideen, wie gesagt in Wellen. Nachhaltigkeit im Wandel – so scheint er uns sagen zu wollen – gelingt nur über tiefgreifenden Wandel, eben über die haltung. Oder religiös gesagt (immer wieder auch vom Papst): über Bekehrung.

Steter Tropfen hingegen bringt was. Konversation, Dialog, immer wieder vorbringen. Der Mensch lernt halt nicht durch Variation, sondern durch Wiederholung. Eine Pädagogik, die Papst Franziskus beherrscht. Wenn wir denn mitmachen wollen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Amazonien, Denken, Dialog, Europa, Kunst, Papst Franziskus, Papstinterview, Schöpfung, Synode, Themen, Tinguely5 Kommentare zu Denken in Wellen

Gretchenfrage: Wie hast du’s mit der AfD?

Veröffentlicht am 18. Juni 201914. Juni 2019
Dialog mit der AfD Vor zwei Jahren: Kirchentag an einem der Ursprungsorte der Reformation, in Wittenberg (DEKT/Kathrin Erbe)

Kirche, wie hältst du es mit dem Populismus? Die Gretchenfrage ist ein Kinderspiel dagegen. Die Frage stellt sich vor allem, wenn es um Institutionen geht, also Kirche und Parteien. Es ist immer so eine Sache mit der Politik und dem Glauben. Kreuze in Büros, Kirchenasyl, da kreuzt man gerne mal die Klingen. Nirgendwo wird es aber so deutlich und auch so unsicher wie bei der Frage, ob man nun die AfD einlädt zu Kirchen- oder Katholikentag. Dialog mit der AfD?, das ist hier die Frage.

Der evangelische Kirchentag hat sich dagegen entschieden, die AfD wehrt sich. Und auch die Christen sind sich nicht eins.

Dialog mit der AfD?

Ganz kurz: Es gibt einen Beschluss des Kirchentages (September 2018), „Repräsentant*innen der Alternative für Deutschland (AfD) sind auf Podien und Diskussionsveranstaltungen des Kirchentages in Dortmund vom 19. bis 23. Juni 2019 nicht eingeladen. Gleichzeitig will der Kirchentag den Dialog mit all denjenigen führen, die sich gegenwärtig in den gesellschaftlichen und politischen Debatten nicht wiederfinden und lädt diese ausdrücklich nach Dortmund ein.“ Nicht eingeladen wird, wer sich rassistisch äußert. Zudem würden Personen nicht eingeladen, die Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbreiteten.

Einige AfD-ler, voran Björn Höcke, werfen nun der evangelischen Kirche vor, mit dem Zeitgeist zu paktieren. Von Ausgrenzung ist die Rede. Die Kirche solle Seelsorge betreiben, statt Politik zu betreiben. Und weil die AfD ja nicht ohne sinnlose Provokation kann, ohne analoges Trollen, kommt auch gleich der Vergleich der evangelischen Kirche heute mit der Kirche, die mit den Hitler- und dem SED-Regime paktiert habe.

Keine Einladungen an Menschen, die sich rassistisch äußern

Der evangelische Kirchentag hat sich also entschieden, und zwar anders als noch der Kirchentag vor zwei Jahren und auch als der Katholikentag 2018. Was dafür spricht, dass es keine Prinzipienfrage, sondern eine Abwägung war. Die AfD habe sich radikalisiert, begründet dies der Kirchentags-Präsident Hans Leyendecker. Es gehe nicht im Proporz, sondern um darum, Menschen einzuladen, die etwas Wichtiges zu sagen hätten. Auch das ein Kommentar zu den Äußerungen der AfD-Vertreter.

Aber nicht alle finden den Beschluss richtig. Es wird weiter debattiert. Die Ausgrenzung sei unklug und falsch, sagt ein Historiker, auch wenn er die Argumente nachvollziehen könne.

Ein Kirchenrechtler nennt den Beschluss sogar inkonsequent, weil andere Organisationen, auf die man ähnliches anwenden könnte, nicht ausgeschlossen würden. Außerdem könnte sich die AfD jetzt als Opfer inszenieren, statt sich den Debatten in Dortmund stellen zu müssen.

Es geht nicht um Proporz

Nun kann man an dieser Stelle vielleicht Papst Franziskus anführen, Dialog sei in jedem Fall besser als kein Dialog. Das habe ich hier ja auch schon immer wieder mal kommentiert. Nur wäre das in Dortmund ja mehr als Dialog, es wäre ein Podium für die AfD.

Dialog ist ja nicht einfach, aufeinander einzureden. Dialog ist kein auf die Zeltbühne verlegte Talkshow. Wenn es echter Dialog ist, dann weiß man nachher nicht, wo man gelandet ist. Wenn es echter Dialog ist, dann ist er nicht einfach nur ein Mittel, um etwas zu erreichen. Laut Papst Paul VI. ist Dialog sogar eine ausdrückliche Methode des Apostolats, also des Handelns der Kirche, so der Papst in seiner Antritts-Enzyklika Ecclesiam Suam.

Keine Talk-Show auf der Zeltbühne

Die Bemerkung mit der Zeltbühne meine ich durchaus ernst. Talk-Shows sind Inszenierungen, die unterhalten sollen. In einem echten Dialog kann es aber nicht nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Und auch nicht um die Darstellung möglichst großer Kontraste der Unterhaltung wegen. Zumindest bei kirchlichen und christlichen Dialogen nicht.

Hier kann ich die Begründung des Kirchentages nachvollziehen. Hier ist Abgrenzung nötig. „Keine Toleranz der Intoleranz“ sagt der Kirchentag in seiner Beschlussbegründung. Wir sehen ja – und der oben angesprochene Höcke-Auftritt neulich unterstreicht das – dass die Forderung, die Kirche sei mit den Mächtigen im Bett und solle bittschön Seelsorge machen und nicht Politik betreiben, seinerseits auf Abgrenzung aus ist. Nicht auf Zubewegen.

„Keine Toleranz der Intoleranz“

Dialog hat mit Wahrheit zu tun. Ein großes Wort, es meint aber schlicht und einfach, dass man sich auf die Suche danach machen will. Wenn ich den Dialog gebrauche, um meine eigene – parteipolitische – Identität zu schärfen, dann ist das ein Dialogverhinderer. So sagt es Papst Benedikt XVI. Es kann schon mal sein, dass man es in der Religion mit der Frage nach der Wahrheit zu tun bekommt. Wer das über Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausschließt, der will keinen Dialog.

So beginnt der Kirchentag in Dortmund also ohne die offiziellen Vertreter der AfD. Das ist die aktualisierte Version der Gretchenfrage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon“ (Faust I, Vers 3415). Und wer von Religion als Religion nicht viel hält, wer diesen Dialog nicht will, der wird halt auch nicht eingeladen. Und das finde ich richtig so.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter AdF, Debatte, Dialog, Diskussion, Katholikentag, Kirchentag, Politik, Populismus72 Kommentare zu Gretchenfrage: Wie hast du’s mit der AfD?

Von Horizonten, Journalisten und der Frage nach der Würde

Veröffentlicht am 4. April 2019
Journalismus trifft Ökumene "Meine" Ökumene: Papst Benedikt XVI. im September 2011 in Luthers Kirche in Erfurt

Journalismus trifft Ökumene trifft Papst: Eine interessante Konstellation, die da heute im Vatikan zusammen traf. Papst Franziskus empfing eine Delegation der deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche und der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland.

„Gespräch schafft Verständnis und öffnet Horizonte“ stieg der Papst in seine kurze Ansprache ein, eigentlich eine Banalität, sollte man denken. Leider ist dem nicht so, mediale Debatte ist von Gesprächsverweigerung geprägt, weil Meinungen aufeinander prasseln und per Talk-Show aus so inszeniert werden. Da öffnen sich nicht wirklich Horizonte.

Journalismus trifft Ökumene

Journalismus trifft Ökumene trifft Papst: in meiner Erinnerung ist diese Konstellation fest mit dem Besuch Papst Benedikt XVI. in Erfurt verbunden, damals, September 2011. Am Tag davor hatte der Bundespräsident den Papst mit den Worten empfangen, die Trennung bedürfe der Rechtfertigung, nicht die Einheitsbemühungen. Damit war die Papstreise eingenordet.

Benedikt war damals ehrlich. Er begann mit der vielzitierten Aussage, er habe keine Gastgeschenke mitbekommen. Was dann die meisten Journalisten dazu getrieben hat, Benedikts Ökumene-Verständnis deutlich zu kritisieren. Zu Recht oder zu Unrecht, das lassen wir dahin gestellt, aber der Papst war ehrlich und offen. Er hat den Anwesenden nichts vorgemacht.

Auch das gehört zu den Horizonten dazu. Horizonterweiterung Eins: Ehrlichkeit.

Ökumene trifft Papst

Bei Papst Franziskus ist es unter den Journalisten ähnlich. Viele wissen nicht recht, was sie von den Ökumene-Bemühungen des Papstes halten sollen. Berühmt wurde sein Besuch in einer deutschsprachigen lutherischen Kirche, der hier in Rom. Dort hatte er auf die Frage nach dem gemeinsamen Kommunionempfang gemischt.konfessioneller Paare die einen sagen ausweichend die anderen sagen einladend geantwortet.

Dabei hatte er während des ganzen Besuches das Wort „Ökumene“ nicht einmal in den Mund genommen. Es war wie so oft: dieser Papst besucht Menschen, er verabschiedet keine Programme. Sein Öffnen von Horizonten liegt in der persönlichen Begegnung. Bei allem Unterschreiben von Erklärungen, „Wahrheit ist Begegnung“.

Horizonterweiterung Zwei: Persönliche Begegnung, nicht abstrakte Werte.

Papst trifft Journalismus

„Ich ermutige Sie in Ihrem Einsatz, dafür zu sorgen, dass es Fakten statt Fake News, Objektivität statt Gerücht, Differenzierung statt oberflächlicher Schlagzeile gibt“: Das sagte Papst Franziskus an diesem Donnerstag, auch das nicht zum ersten Mal. Und die meisten Journalisten würden sich darin wiederfinden, kirchlich oder nicht.

Papst Franziskus ging aber noch darüber hinaus:

„Seit einiger Zeit erleben wir in der Welt eine besorgniserregende Entwicklung: Anfechtung des Rechtes auf Leben, Vormarsch der Euthanasie, Verneinung der sozialen Gleichheit, mangelnde Integration, Verstoß gegen die Menschenwürde und gegen die Gewissensfreiheit. Die öffentlich-rechtlichen Medien haben hier die verantwortungsvolle Aufgabe, für das hohe Gut der menschlichen Freiheit und Würde entschieden Stellung zu beziehen.“

Darf Journalismus das? Stellung beziehen? Oft genug tun Journalisten das, gleichzeitig wird aber auf die Unabhängigkeit gepocht. Da braucht es vielleicht noch etwas Reflexion.

Horizonterweiterung: Reflektiert Stellung beziehen. Im Dialog.

Journalismus trifft Ökumene trifft Papst

Journalismus trifft Ökumene trifft Papst, das war also eine Konstellation, die eine ganze Reihe von Themen aufgerissen hat. Nichts Grundsätzliches wurde verkündet, sondern der Dialog fortgesetzt. Mit dem Ziel Horizonte zu öffnen. Das kann der Papst nicht allein leisten, das können die Bischöfe nicht alleine leisten, das können auch die Medien nicht alleine leisten, auch wenn sie das manchmal zu denken scheinen.

Das geht nur im Dialog. Und das hat auch ein Ziel. Der Papst formulierte es – abschließend – so:

„Sie haben als Journalisten die Menschen im Blick und wollen dazu beitragen, dass ihr Leben lebenswert ist und bleibt.“

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Kirche und Medien, Rom, VatikanSchlagwörter DBK, Dialog, EKD, Fake News, Journalismus, Medien, öffentlich-rechtlich, Papst Franziskus3 Kommentare zu Von Horizonten, Journalisten und der Frage nach der Würde

Der Mut zur Andersheit

Veröffentlicht am 5. Februar 20194. Februar 2019
Frieden und Religion: Thema eines Treffens in Abu Dhabi Papst Franziskus zu Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Erinnern Sie sich an das Friedensgebet im Vatikan? 2014 war das, der Papst, der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, der Präsident Israels und der Präsident Palästinas hatten jeweils für Frieden gebetet. In den Vatikanischen Gärten war das, nach dem Israelbesuch des Papstes. Und weil eine nicht vorher nicht abgesprochene Sure zitiert wurde, brachen im Netz die Wellen über diese Friedensinitiative herein. Frieden und Religion ist eine schwierige Kombi, besonders wenn einige Religion eher als Keil benutzen.

Den interreligiösen Dialog mit dem Islam hat der Papst sehr früh auf seine Agenda gesetzt. Und ihn im Laufe der Jahre auch betrieben, sei es mit seinem Besuch in der Türkei, in Ägypten, in Jordanien und Israel und so weiter. Und jetzt ist er als erster Papst überhaupt auf die arabische Halbinsel gereist, Grund und Anlass ist eben genau dieser Dialog.

Frieden und Religion

Nach den Gebeten, nacheinander in den Vatikanischen Gärten gesprochen, ist noch nicht sofort der Frieden ausgebrochen. Erstaunt war ich aber damals schon darüber, wie negativ solch ein Beten gesehen wurde. Auch im Blog hier. Da halte ich gegen, dass jeder Schritt, den man nicht macht obwohl man ihn machen könnte, sträflich ist. Es gibt viele Schritte in Richtung mehr Gewalt und Verhärtung, denen muss man etwas entgegen setzen. Denen darf man die Welt nicht überlassen.

In seiner Ansprache in Abu Dhabi ist der Papst noch einmal auf das Beten eingegangen, es „reinigt das Herz von seiner Selbstbezogenheit“. Überhaupt hat der Papst noch einmal deutlich die religiöse Dimension von Frieden und Dialog hervor gehoben: Frieden und Religion gehören zusammen.

Das gemeinsame Haus der Schöpfung

„Gott, der Schöpfer von allem und allen, will, dass wir als Brüder und Schwestern leben und das gemeinsame Haus der Schöpfung bewohnen, das er uns geschenkt hat.“ So hat er sein religiöses und doch die einzelne Religion übergreifende Anliegen zusammen gefasst. Gewalt bedeute Entweihung des Namens Gottes.

„Wahre Religiosität besteht darin, Gott von ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Religiöses Verhalten muss daher ständig von der immer wiederkehrenden Versuchung gereinigt werden, andere für Feinde und Gegner zu halten. Jedes Glaubensbekenntnis ist aufgerufen, die Kluft zwischen Freund und Feind zu überwinden, um die Perspektive des Himmels einzunehmen, welche alle Menschen ohne Bevorzugung und Diskriminierung umfasst.“

Mehr als nur Sonntagsrede

Das ist mehr als nur eine Sonntagsrede, das sind nicht nur fromme Worte. Zum einen ist es natürlich ein Bekenntnis zum gemeinsamen Vorgehen. Zum anderen ist es wie das Gebet im Vatikan auch schon ein Tun, ein Handeln. Es ist schon Dialog, als Papst auf die Halbinsel zu reisen und durch Präsenz diesen Dialog wichtig zu machen.

Der Papst nannte das in seiner Ansprache „Mut zur Andersheit“, „Dies setzt die eigene Identität voraus, die man nicht aufgegeben muss, um dem anderen zu gefallen. Aber gleichzeitig erfordert es den Mut zur Andersheit, was die volle Anerkennung des anderen und seiner Freiheit miteinschließt, und das daraus folgende Bemühen, mich so einzusetzen, dass seine Grundrechte immer und überall und von allen anerkannt werden.“

Und der Papst unterschrieb das auch, gemeinsam mit einem Vertreter der Al-Azhar Universität von Kairo. Beide sprechen – und unterschreiben – „im Namen Gottes, der alle Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten, mit der gleichen Würde geschaffen hat“; „im Namen des unschuldigen menschlichen Lebens, das Gott zu töten verboten hat“; „im Namen der Armen“, der „Witwen und Waisen, Flüchtlinge und Vertriebenen, der Opfer von Krieg und Verfolgung“. Al-Azhar und die katholische Kirche erklären, „die Kultur des Dialogs als Weg; die gemeinsame Zusammenarbeit als Verhaltenskodex; das gegenseitige Verständnis als Methode und Kriterium“ annehmen zu wollen.

Keine Alternative

Wie gesagt, das sind nicht nur Worte, das ist ein christliches Bekenntnis, auch gegen all die gesprochen, welche eine eigene Identität nicht in Anerkennung, sondern in Ablehnung suchen. Gerade in Sachen Dialog mit dem Islam ist das bei selbsternannten Identitäts-Wächtern immer wieder der Fall. Noch einmal aus der Ansprache:

„Es gibt keine Alternative: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft. Vor allem die Religionen können nicht auf die dringende Aufgabe verzichten, Brücken zwischen Völkern und Kulturen zu bauen.“

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Papstreise, Sprechen von GottSchlagwörter Dialog, Frieden, Gebet, Gerechtigkeit, Islam, Papst Franziskus, Religion, Zukunft24 Kommentare zu Der Mut zur Andersheit

Schlüsseltexte

Veröffentlicht am 22. Oktober 201721. Oktober 2017
Bücher über Papst Franziskus in der Auslage einer Buchhandlung
Neulich in der Auslage

„Das Evangelium des Lächelns“, „Lasst euch die Hoffnung nicht nehmen!“ oder „Liebe, die die Augen öffnet“: Nur drei der Buchtitel in der Auslage hier um die Ecke. Alle Titel beziehen sich auf Aussagen des Papstes, meistens aus einer Predigt. Alle Titel greifen ein schönes Zitat auf, emotional und griffig.

Der Papst verkauft sich gut. Auch hier in Italien, wo es an geistlichen Autoren nun wirklich nicht mangelt. Er schlägt sogar einen der Stars am Himme, den verstorbenen emeritierten Erzbischof von Mailand, Carlo Maria Martini. Der hatte als Bibelwissenschaftler einen gut zugänglichen Weg gefunden, über Gott, Glaube und Schrift zu sprechen und verkaufte sich auch Jahre nach seinem Tod noch. Bis Franziskus kam.

Vieles von dem ist vielleicht allzu leicht verdaulich, wenn man die Bücher aus der Auslage nimmt, geraten sie dann doch recht dünn. Aber das muss ja nichts schlimmes sein, wenn man einen Gedanken ausführlich darstellt, ohne gleich eine Doktorarbeit daraus zu machen oder eine Biographie, dann kann das ja helfen.

 

Er schlägt den Star Martini

 

Wie oben gesagt, die meisten Bücher arbeiten mit Papstzitaten. Auch das jüngste: „Und jetzt stellt eure Fragen“, im Original „Adesso Fate le Vostre Domande“, bereits das vierzehnte Franziskus-Buch im Rizzioli Verlag, und das ist nur ein Verlag unter vielen.

Dieses Buch ist nun nicht ein Buch eines der vielen Journalisten um den Vatikan herum, sondern führt den Papst als Autor. Beigesteuert hat er auch ein Vorwort. Aber der eigentliche Autor dahinter ist Jesuitenpater Antonio Spadaro.

Nichts in dem Buch ist neu, es ist eine Zusammenstellung von Interviews, Fragerunden, Pressekonferenzen. Etwas zum Nachlesen also, wenn man dsa nicht nur im Tagesgeschäft mitbekommen will.

Und damit sind wir dann wieder bei den meisten anderen Büchern: Furchtbar originell sind die nicht, der Papst selber ist orginell, das muss man dann nur noch zusammen stellen.

Aber furchtbar originell müssen die Bücher ja auch nicht sein. Gute Hilfen und Schlaglichter auf einige Aspekte, das reicht ja schon, einen ins Denken zu bringen.

Und: man muss ja nicht gleich alle kaufen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und VernunftSchlagwörter Antonio Spadaro, Buch, Dialog, Papst Franziskus, Papstbuch83 Kommentare zu Schlüsseltexte

Dialog der Freundschaft

Veröffentlicht am 19. Juni 20163. Juni 2016

Papst Franziskus kann mit anderen Religionen. Das ist nichts neues, ist aber immer wieder beeindruckend. Der zweite Mann im Dialograt hat dazu neulich ein Interview gegeben, Bischof Miguel Ángel Ayuso Guixot bezeichnete die Absicht des Papstes als „Brücken bauen“ und benutzte ein Wort, das immer wieder in Bezug auf den Papst benutzt wird: Koalition. Dieser Papst baut Koalitionen um Themen wie Frieden und Versöhnung, weil die wirklich wichtigen Themen nur gemeinsam angegangen werden können. „Dialog kennt keine Verlierer“: es sind Zitate wie dieses, das man immer wieder von Papst Franziskus hören kann, es ist aber weniger das formale „Dialogprozess“, wie wir es kennen, es ist ganz praktisch, hat mit Besuchen und Umarmen zu tun, mit Betonen der Gemeinsamkeiten etc. So auch unlängst mit dem Scheich der Al-Azhar Moschee in Kairo, einer der wichtigsten theologischen Institutionen des Islam. Das Treffen selbst sei die Botschaft, sagte der Papst dabei.

Damit sind die Probleme nicht gelöst. Sie werden auch nicht unter den Teppich gekehrt. Aber ohne solche Begegnungen passiert gar nichts.

Der Papst mit Ahmad Mohammad al-Tayyeb, dem Scheich der al-Azhar Uni Kairo
Der Papst mit Ahmad Mohammad al-Tayyeb, dem Scheich der al-Azhar Uni Kairo

Franziskus könne man als Papst beschreiben, der auf einen Dialog der Freundschaft setze, sagt Ayuso dazu.

Analytisch ist das nicht, muss es auch gar nicht sein, es beschreibt aber den Schwerpunkt recht gut. Freundschaft bedeute nicht, einfach nur nett zu sein. Im Gegenteil, man braucht dafür eine eigene Identität und Durchhaltevermögen. Dann komme man zu Brücken und überwinde die Mauern, so Ayuso.

Johannes Paul II. hatte um den Frieden gerungen und um Freiheit, Paul VI. hat vielleicht den Dialog mit der Welt der Wissenschaft und Kunst neu geschaffen, so hatten alle Päpste eigene Dialog-Schwerpunkte. Aber in einer Welt, die zunehmend auseinander driftet und auf das „Eigene“ setzt, ist es um so wichtiger, dieser Tendenz Freundschaft – Verbindung, Verbindlichkeit, Gespräch, Offenheit – entgegen zu setzen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Ayuso, Dialog, Frieden, Papst Franziskus8 Kommentare zu Dialog der Freundschaft

Ältere Brüder?

Veröffentlicht am 18. Januar 2016

Papst Johannes Paul II. hatte den Ausdruck als erster Papst gebraucht: ältere Geschwister, fratelli maggiori. Eigentlich auch ältere Brüder, je nach Lesart. Gemeint sind damit die Juden, er wollte damit eine Verwandtschaft betonen, die in all den Jahrhunderten der Feindschaft übersehen und verdrängt wurde. Die Kirche hat keine wirklich gute Geschichte mit den Juden, erst im vergangenen Jahrhundert hat man theologisch ernsthaft den Dialog gesucht und gefunden. Und bei seinem ersten Synagogenbesuch hier in Rom hatte Johannes Paul diesen Begriff benutzt.

Papst Franziskus und Oberrabbiner di Segni
Papst und Oberrabbiner: Besuch in der Synagoge

Papst Franziskus hat den bei seinem Besuch an diesem Sonntag zitiert und aufgegriffen. Er will Wertschätzung ausdrücken.

Juden und Christen glaubten an denselben Gott und hätten ein gemeinsames geistliches Erbe, zitierte der Papst Nostra Aetate, das Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und dann ging er auf Johannes Paul II. bei seinem Besuch 1986 ein, der diese „bella espressione“ gebraucht habe, diesen guten Ausdruck, der älteren Brüder bzw. älteren Geschwister.

Allein, nicht alle Vertreter des Judentums sind glücklich über diesen Begriff. Der Oberrabbiner Roms, Ricardo di Segni, den der Papst an diesem Sonntag in der Synagoge besucht hat, hat sich dazu sogar wiederholt und auch erst kürzlich äußerst kritisch geäußert. Der Grund ist sehr biblisch, und deswegen habe ich oben auch immer beide Übersetzungen für „fratelli“ benutzt, „Brüder“ und „Geschwister“. Denn in der Bibel ist es immer der ältere Bruder, der sein Erstgeburtsrecht verliert oder der eben nicht der Gute ist. David ist der jüngste Sohn und wird dennoch König, Esau verliert gegen Jakob um ein Erbsengericht, die ganze Josefs-Geschichte im Buch Genesis stellt die Hierarchie von zuerst und später auf dem Kopf. Überhaupt ist das ein gerne genommenes Thema in der Schrift: Die tradierten Hierarchien von Ältestem und so weiter werden zugunsten des Willens Gottes umgekehrt. Mit einem Blick in die Schrift ist es also gar nicht erstrebenswert, als der ältere Bruder bezeichnet zu werden. Im Gegenteil.

Man könnte diesen Ausdruck also interpretieren als den Versuch zu sagen, dass wir Christen nun den Platz des Erstgeborenen eingenommen hätten und das Erbe anträten.

 

Umgekehrte Hierarchien

 

Das hat Johannes Paul so nicht gemeint und auch Franziskus nicht, das wird aus den Aussagen in der Synagoge klar, es ist der Versuch der Augenhöhe, der ohne Hierarchie und ohne Wichtigkeiten auskommt und der einfach nur die gleichen Wurzeln in den Vordergrund stellen will, nicht die Unterschiede.

Aber ganz so einfach ist es nicht. Es geht hier auch nicht um irgendwelche Sensibilitäten, es geht darum genau hinzuschauen, was Ausdrücke wie dieser alles auch noch aussagen und wie sie verstanden werden können. Die Geschichte zwischen Juden und Christen erfordert das.

Wenn wir also von Geschwisterlichkeit sprechen, dann muss das sichtbar sein. Dann dürfen das nicht nur Worte sein. Dann muss offensichtlich sein, dass die Anti-Judaismen, die es lange in der Kirche gegeben hat und die es bei einigen noch geben mag, nicht akzeptabel sind. Dann muss die Augenhöhe, auf der wir uns begegnen, wirklich sichtbar und erfahrbar sein, nicht nur einfach postuliert.

Papst Franziskus kann das und hat das unter Beweis gestellt, einmal wieder. Aber er ist nur der Papst. Viel wichtiger ist es, dass auch wir das zeigen.

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Altes Testament, Besuch, Brüder, Dialog, Franziskus, Juden, Papst, Rabbiner, Rom, Synagoge14 Kommentare zu Ältere Brüder?

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