Es ist eine Leistung der besonderen Sorge, das Thema Glaube und Gebet auf die Titelseiten der großen Zeitungen zu bringen, und zwar weltweit. Das schafft nicht jeder. Selbst wenn man eine Kampagne anstrengen würde mit dem Ziel, genau das zu schaffen, würde man scheitern. Papst Franziskus schafft das mit einer kurzen Bemerkung. Sie erinnern sich? Genau, die Übersetzung des Vaterunser.
Im Dezember 2017 war das. Und wie gesagt, weltweit sprachen Journalisten, Bischöfe, Theologen über das Thema Versuchung, Bibelübersetzung und Gebet. Großartig!
Übersetzung des Vaterunser
Die Debatte mag ich hier nicht noch einmal nachzeichnen, nur hat es sich in meinen Augen sehr gelobt, die ganz verschiedenen Beiträge dazu zu verfolgen. Da ging es um das griechische Original des Textes, um den Jakobusbrief, es ging um die Natur des Bösen und was eine Versuchung im Leben so alles anrichtet.
Jetzt hat der Papst noch einmal nachgelegt, am 1. Mai war das, in einer Generalaudienz zum Thema. Erst mal räumte er theologische Unsicherheiten beiseite:
„Wie bekannt ist der griechische Originalausdruck in den Evangelien schwer exakt zu übersetzen, und alle modernen Übersetzungen humpeln da ein bisschen. Auf ein Element aber können wir uns alle einigen: Wie auch immer man den Text versteht, wir können ausschließen, dass es Gott wäre, der die Versuchungen auf dem Weg des Menschen auslöst. Als ob Gott seinen Kindern einen Hinterhalt legen würde! Eine derartige Interpretation widerspricht vor allem dem Text selbst und ist auch weit entfernt von dem Bild Gottes, das Jesus uns offenbart hat.“
Spannungsfeld Freiheit – Versuchung
Er betont aber auch noch einmal den Sinn dieser Bitte, nämlich das Spannungsfeld zwischen unserer Freiheit und Gottes Umgang damit. Die Botschaft aus der Bibel laute, dass Gott in diesen Versuchungen an unserer Seite stehe, nicht uns als Konkurrent gegenüber. Gott probiert uns nicht aus, Gott sieht uns nicht als Spielball oder als etwas zu Testendes. Gott begleitet.
Wobei wir bei Hiob wären.
Der wird zwar nicht in Versuchung geführt, erlebt aber Leid. Er erlebt, dass Gott ihn dem Leid aussetzt. So erzählt es jedenfalls die biblische Geschichte. Hiob wird Opfer einer „Wette“ zwischen Gott und Satan. Hier geschieht etwas sehr Spannendes: während Religion – bis Hiob, sozusagen – von einer Balance ausging und davon, dass Leid Ausgleich sei für Fehlverhalten, wird das nun durchbrochen. Das Leiden Hiobs ist sinnlos. Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Hiob – Leid- Versuchung
Das hat Auswirkungen auf das Gottesbild in diesem biblischen Buch. Hiob geschieht nicht, wie es ihm zukommt. Die Welt ist nicht gerecht, sie belohnt nicht gutes Verhalten und bestraft böses. Leiden ist nicht Teil der Weltordnung, hat keinen Sinn, das ist die Spitze dieses Buches.
Dieser Glaube, dass Leiden etwas mit Schuld zu tun hat, war wichtig gewesen. Denn wer Schuld hat, der kann dann selber etwas dagegen tun. Dieser Glaube ermächtigt den Menschen, es belastet ihn gleichzeitig aber auch, weil es auf einmal an ihm hängt, ob er leidet. Genau das durchbricht das Buch Hiob.
Gott kommt nicht gut weg
Gott kommt in diesem in Märcheform geschrieben Buch nicht gut weg. Dieser Gott wäre ein Gott, der in Versuchung führt, oder jemanden sehenden Auges in die Versuchung führen lässt. Der Philosoph Christoph Türcke macht in einem wunderbaren Essay auf etwas Wichtiges aufmerksam: Solange Hiob nun das Böse als umsonst wahrnimmt, als „unerforschlichen Ratschluss Gottes“, kann er es hinnehmen. Wenn er aber erfahren würde, dass es der Deal zwischen Gott und Satan war, dann hätte wohl das getan, was Satan vorausgesagt hat, nämlich Gott geflucht.
Umso verwunderlicher ist es, dass dieses Buch in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen wurde. Wie gesagt, wie die Geschichte erzählt wird kommt Gott da nicht gut weg. Aber genau das ist es vielleicht, was uns beim Thema Versuchung hilft.
Das Thema Versuchung
„Führe uns nicht in Versuchung“ klingt ja genau nach so einem Gott. Aber erst im Gesamtbild, erst mit der Bewusstwerdung und Entwicklung des Gottesbildes wird daraus der Erlöser, der Befreier. Das Vaterunser zeichnet im Bitten unseren Glaubensweg nach. Auch das gehört zur Frage nach der Übersetzung des Vaterunser.
Wenn wir die Bitte aussprechen müssten, genau weil Gott ein Verführer ist, dann käme unser Glaube auf Abwege und die Anschlussbitte, die nach Erlösung, würde leer.
Gott testet uns nicht, er macht keine Deals mit niemandem um heraus zu finden, wie fromm wir sind. Es ist nicht unsere Glaubens-Aufgabe, Gott unseren Glauben zu beweisen. Versuchungen gibt es. Reichlich. Aber die sind kein Test, sondern Ausweis unserer Freiheit, einer Freiheit die Gott uns geschenkt hat. Insofern hat es sehr viel Sinn, die Versuchungs-Bitte auszusprechen.
Dein Reich, dein Wille
„Dein Reich komme, dein Wille geschehe“, „führe uns nicht sondern erlöse uns“, das sind Formulierungen im Grundgebet der Christen, die dieses Thema umkreisen und sich direkt an Gott wenden.
Es tut gut, um die Übersetzung des Vaterunser zu streiten. Dann kommen auch solche Dinge ins Gespräch: was erwarten wir eigentlich, das Gott tut? Und an was für einen Gott wenden wir uns eigentlich?