Punkt zwölf Uhr mittags explodierte Twitter: Genau um die Uhrzeit hatte ich meine eigene Zusammenfassung des Papsttextes „Evangelii Gaudium“ verbreitet, als alle anderen das auch taten, exakt zum Ablauf des Embargos. Und dann begann das Zitieren: Einzelsätze werden ge-tweeted was die Tastatur hergibt.
Dabei ist der Text doch das genaue Gegenteil: Bisher hatte der Papst selber immer kurze Stücke geliefert, Morgenpredigten, Einzelgedanken, einzelne Aspekte. Diese Exhortation – wie die Textgattung offiziell heißt – will den Zusammenhang sehen. Nicht die Einzelfragen. Wer bei diesem sehr programmatischen Text den Horizont außer Acht lässt, wird sich schnell verlaufen. Da macht eine Zeitung aus der Stelle zu den Bischofskonferenzen „more power to the bishops“, wo doch ‚Macht’ genau das Gegenteil dessen ist, was der Papst will. Oder eine us-amerikanische katholische Nachrichtenagentur machte einen – nur einen – Artikel daraus: Kirchliche Lehre zur Abtreibung ist nicht veränderbar. Kein weiteres Thema wurde angesprochen.
Ruhe braucht dieser Text. Es reicht nicht, die Überschriften und das „best of“ zu lesen, hier noch viel weniger als sonst. Wer nur sein Lieblingsthema sucht, der wird fündig, entstellt dann aber die Gesamtidee einer lebendigen, freudigen und vor allem verkündenden Kirche. Selber lesen macht schlau. Oder in diesem Fall: Selber lesen macht verstehen.