In der vergangenen Woche war ich in Wien. Freunde hatten mich zu einem Konzert eingeladen, ich habe mich mit dem Caritas-Chef unterhalten, mit meinen Mitbrüdern und bin ein wenig durch die Stadt gelaufen. Was man halt so macht, wenn man nicht viel Zeit hat, aber die Stadt schon ein wenig kennt.
Es wie auf einem anderen Planeten, dass ich jetzt lese und höre, dass man in Österreich von „Notstand“ spricht. Die Republik kann in Zukunft angesichts der Flüchtlingskrise einen „Notstand“ ausrufen und die Grenzen einfach dicht machen, kein Recht auf Asyl mehr für niemanden.
Das passt so gar nicht zusammen. Ein reiches, ruhiges, von Touristen besuchtes und so überhaupt nicht auf der Kippe befindliches Land, und dann redet man von „Notstand“. Das mag alles symbolisch gemeint sein, aber jetzt ist das Wort da, vom Parlament legitimiert, und irgendwann wird sich jemand daran erinnern und das mal ausprobieren. Das reiche Europa fühlt sich im „Notstand“, wenn die armen Menschen aus den Kriegsgebieten an die Tür klopfen.
Worte haben Macht und Wucht und Wirklichkeit, dieses Wort geht so schnell nicht mehr weg. Und es verdirbt die politische Atmosphäre. Noch mehr, als sie es ohnehin schon ist.
3.000 Kinder
Gleichzeitig starrt Italien auf den Brenner, also die Verbindung zwischen Tirol und Tirol (dem italienischen und dem österreichischen Teil). Das Ding soll auch dicht gemacht werden. Ist ja auch logisch, jetzt wo die Balkanroute zu ist, kommen die Flüchtlinge wieder vermehrt über das Mittelmeer, diejenigen die nicht ertrinken jedenfalls. Und da muss man dann halt einen Zaun bauen. Oder Kontrollen einführen.
Das Schengen Abkommen lässt das aber nur zu, wenn „eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ vorliegt. Und dann auch nur auf Zeit. Und da reckt es sich wieder hervor, das hässliche Wort „Notstand“.
Nun soll Österreich nicht alles abbekommen, blicken wir also nach Großbritannien. Dort hat am Montag das Parlament ein Zusatzgesetz abgelehnt – wenn auch knapp – welches das Land gezwungen hätte, 3.000 Flüchtlingskinder ohne Begleitung aufzunehmen. Kinder. Alleine. Aus Kriegsgebieten. Abgelehnt. Man wolle keine Situation schaffen, in der Familien eine Chance darin sehen würden, Kinder alleine loszuschicken. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Zugegeben, ich kenne die politischen Zusammenhänge nicht und weiß, dass solche Maßnahmen viele verschiedene Dimensionen haben, aber es ist eben auch symbolisch und emotional. Und wer das nicht weiß und nicht einkalkuliert, der handelt heutzutage grob fahrlässig. Das Wort „Notstand“ wird in GB nicht gebraucht, es ist schlimmer, man macht das ohne Verweis auf eine eigene Not.
Was geht da gerade mit unserer politischen Atmosphäre vor? Wo ist die große Geste, welche Angst überwindet? Dass es Angst gibt, ist mehr als deutlich. Aber wo ist die Politik, die damit umgehen kann, die nicht nur hinterher rennt, die dem auch noch Namen und Legitimation gibt, gegen Menschen die wirklich Not leiden?
Das Wort „Notstand“ ist nun erst mal da. Und wird aus den Köpfen auch nicht so schnell wieder weg gehen. Ich finde das furchtbar.