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PaterBerndHagenkord.blog

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Schlagwort: Bischofssynode

Synodalitäts-Synode

Veröffentlicht am 8. März 20207. März 2020
Selbstumkreisung oder Vertiefung Die Bischofssynode tagt: Blick aus meiner Beobachterbox, 2018 bei der Jugendsynode

Es klingt ein wenig absurd, der Gipfel der Selbstumkreisung: Papst Franziskus hat entschieden, dass die nächste Versammlung der Bischofssynode sich mit dem Thema Synodalität beschäftigen soll. Selbstumkreisung oder Vertiefung, ist man versucht zu fragen.

Das Thema hatte schon mal angestanden, nach der Doppel-Synode zur Familie 2014 und 2015 waren Stimmen laut geworden, die dieses Meta-Thema auf die Tagesordnung setzen wollten. „Was machen wir hier eigentlich?“, schien die Frage zu sein.

Selbstumkreisung oder Vertiefung?

Papst Franziskus hatte sich damals noch für das Thema Jugend entschieden. Das war weniger kontrovers. Denn machen wir uns nichts vor: hier wird es ums Eingemachte gehen. Damals schon waren die Kritiker der Synodalitäts-Synode dadurch aufgefallen, dass sie immer gleich aus Ganze gingen.

Die katholische Kirche hat nicht wirklich eine Tradition in Synodalität. Das Konzil spricht von Kollegialität, meint damit aber nur die Bischöfe in ihrer Leitung. Papst Franziskus versteht das aber weiter.

Mehr als Kollegialität

Es fehlt ja auch nicht an Auslassungen zum Thema, der Papst hat immer wieder im großen und auch im kleinen – etwa im Brief an die Glaubenden in Deutschland – das Thema aufgegriffen. Braucht es denn dann noch eine Synode zum Thema?

Braucht es. Es ist noch arg früh, aber da ich in der Vergangenheit immer und immer wieder dieses Thema hier aufgegriffen habe, habe ich schon eine kleine Wunschliste an Themen.

Eine kleine Wunschliste

Methoden: Es fehlt an Klarheit, wie genau Synodalität organisiert werden kann. Von oben und von unten, das Anhören und das Entscheiden. Es gibt Versuche wie den synodalen Weg in Deutschland, das kann man berichten, es braucht aber sicherlich noch mehr Formen.

Autorität: Wie zuletzt bei der Synode zum Thema Amazonien wird unendlich viel Erwartung in Sachen Entscheidung und Autorität auf das Thema gelegt. Hier geht es um Verbindlichkeit, um Offenheit, und letztlich um Legitimierung eines solchen Prozesses.

Erfahrungen: Genaues Hören auf die Erfahrungen der anderen Kirchen, immer mit dem Blick darauf, was alles geht und was nicht geht. Wir können lernen, aus guten wie aus schlechten Erfahrungen.

Belastbarkeit: Synodalität darf nicht bei Sonnenschein-Situationen stehen bleiben. In Labor-Bedingungen. Wenn alles gut geht. Wenn sie einen Sinn hat, dann nur dann, dass sie uns in der Gegenwart hilft, und die ist nicht immer rosig.

Teilhabe: Bislang sind Bischofssynoden die einzige Weise, wie Synodalität katholisch in freier Wildbahn vorkommt. Die Teilnehmer hierbei sind gesetzt: Bischöfe. Wie aber das gesamte Volk Gottes einbinden? Und wer darf oder soll oder muss oder kann dabei sein? Oder bewegen wir uns sogar in eine Richtung wie Repräsentanz?

Es wird Streit geben

Das sind nur einige meiner Punkte, die mir ganz spontan dazu einfallen. Synodalität sei die Zukunft der Kirche, hat Papst Franziskus immer wieder formuliert. Es wird Streit geben, vor allem wenn es an die Autorität-Frage und hier vor allem an die Bischofs-Theologie geht. Aber der muss sein. Vielleicht war es ja gut, dass Papst Franziskus dieses Thema aufgeschoben hat. Auf jeden Fall gut ist es, dass er es nicht aufgehoben hat.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Bischofssynode, katholisch, Papst Franziskus, Synodalität, Vatikan, Weltkirche5 Kommentare zu Synodalitäts-Synode

Rufer in der Blase

Veröffentlicht am 22. November 201922. November 2019
Der neueste Star der Destruktiven Immer wieder im Fokus: die Deutschsprachigen. Hier die Teilnehmer an der Bischofssynode 2015 bei einer Pressekonferenz

So wird man ein Star: Der junge Österreicher, der während der Amazonassynode eine Holzstatue aus einer Kirche gestohlen hatte und sich dann per YouTube damit brüstete, ist auf Tournee. In den USA, wo sonst? Gesponsert von Life-Site News und anderen Organisationen der eher autoritär-aggressiven Sorte, wie Cruxnow berichtet. Der neueste Star der Destruktiven.

Die ganze absurde Geschichte habe ich eher aus der Ferne beobachtet, zu viel Aufmerksamkeit sollte man diesen destruktiven Kräften nicht schenken. Wer wissen will, ob es sich bei der Figur um eine Göttin handelt, soll einfach mal die Leute fragen, die sie mitgebracht haben. Habe ich gedacht.

Der neueste Star der Destruktiven

Die Aktion mit der Tournee jetzt erzählt aber eine weiter gehende Geschichte. Cruxnow verbindet das im Artikel mit dem Kreisen, in denen sich der junge Mann bewegt. Sie zeigen auch einen Tweet, in dem er sich mit Sturmgewehr auf einer texanischen Schießanlage fotografieren lässt. Da mag man den Kopf schütteln, oder denken dass man sich sowas schon gedacht hat, aber es sagt eben was aus über derlei Mechanismen.

Zum einen brauchen diese innerkirchlichen Bewegungen bestimmte Gesichter. Steve Bannon war so ein Gesicht, Kardinal Raymund Burke ist so eines oder auch Kardinal Robert Sarah, im deutschen Ableger wird gerne ein kasachischer Weihbischof vorgezeigt. Angebliche Querdenker werden auf den Schild gehoben, die können dann auch keinen Fehler machen und werden kritiklos gelobt.

Dann braucht es die Medienblase. In Rom habe ich es oft erlebt, wie etwa bei Pressekonferenzen im Vatikan dieselben Leute immer dieselben Fragen zu völlig unterschiedlichen Themen hatten. Damit kann man dann sagen, der Vatikan habe dies oder das zum Thema gesagt. Man schafft das Thema also erst, über das man dann berichtet. Das kreiert und füttert die Blase.

Die Blase wird gefüttert

Nicht dass das irgendwas mit Journalismus oder Information zu tun hätte, das ist Agitation. Siehe oben, man wollte gar nicht wissen, was diese Pachamama-Statue darstellt und was sie im Vatikan zu suchen hat, das Urteil stand fest: Götzendienst.

Und dann werden diese beiden Dinge zusammen gebracht. Die interessierten Kreise brauchen ihre „Querdenker“, um die Behauptungen aufzustellen. Autoritätshörig – natürlich nur selbst ausgesuchten Autoritäten – dient die Anführung eines Namens der Legitimierung der Vorwürfe.

Dummerweise fallen auch in Deutschland immer wieder Medien darauf herein und berichten fleißig, was dieser oder jener angeblich so einflussreiche Papst-Gegner so tue. Oder sehen Verschwörung und Gefahr. Gerne bei öffentlich debattierten Themen, etwa bei einer Synode.

Kleine aber laute Kreise

Dabei ist das vor allem das sich selbst Füttern der Blase kleiner aber lauter autoritär-aggressiver Kreise. Es gibt einen wunderbaren Artikel darüber, der die von Theodor Adorno entwickelte Idee der „autoritären Persönlichkeit“ auf diese Kreise anwendet. Die Lektüre lohnt sich.

Aber zurück zu unserem Österreicher. Der ist jetzt vorerst einmal Bestandteil des Arsenals dieser Kreise. Kreise, die auch wenn sie nichts mit unseren Kirchen hier zu tun haben gerne übergriffig werden und Entwicklungen bei uns über Kimme und Korn nehmen. Von Kardinal Burke wird der Satz zitiert, dass „jede mögliche Maßnahme ergriffen werden muss“, um den synodalen Weg zu verhindern, schließlich ginge es um das Heil der Seelen.

Das ist Teil auch unserer innerkirchlichen Debatten, daran müssen wir uns gewöhnen. Und an junge Männer oder alte Kardinäle, die in der Szene zu Stars werden, weil sie deren Argumentationsstruktur bedienen.

Auch hier lohnt einmal mehr ein Hinschauen, was da genau passiert. Und es lohnt die Warnung, sich auf derlei rein destruktive Wege nicht einzulassen.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und MedienSchlagwörter Bischofssynode, Blase, Gegner, Kirche, Medien, Papst, synodaler Weg12 Kommentare zu Rufer in der Blase

Auch du, Italien: Der Papst und die Synoden

Veröffentlicht am 2. November 20192. November 2019
Synodalität ist das Rückgrat Die Türen der Kirchen öffnen, um Jesus heraus zu lassen, sagt der Papst. Sankt Ansgar, Hamburg

Nach der Synode ist vor der nächsten: Wenn Papst Franziskus in seinem Pontifikat etwas geschafft hat dann ist das die Prominenz von Synoden in der Kirche. Das ist neu. Synodalität ist das Rückgrat dessen, wie Franziskus sich Kirche vorstellt. Auch wenn es hier und da hakt und wackelt und noch längst nicht alles ist, wie es sein soll: Das ist schon einmal ein guter Schritt.

Und nachdem nun die Bischofssynode in Rom zu Ende ist, richten sich die Blicke auf das nächste Kapitel: den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland.

Synodalität ist das Rückgrat

Auch was war ja wackelig und ruckelig, mit Gegenpositionen einiger Bischöfe, mit einem Papstbrief an die Gläubigen, mit einen Brief eines Kurienkardinals der zu intervenieren schien.

Aber bei all dem Blicken auf die Hierarchie, auf die Entscheider, und bei all den Bischöfen, die in Rom versammelt waren, so ist es doch eine andere Perspektive, die entscheidend ist.

Da hilft es vielleicht auf eine weitere Synode zu schauen, die sich anzubahnen scheint. Neben Deutschland, neben wahrscheinlich auch der Schweiz, neben Australien das auch im kommenden Jahr so einen Prozess beginnen wird ist es das Papst-Land selber. Italien. Hier ist Franziskus selber Bischof, und hier scheint es auch Ideen zu einer Synode zu geben.

Das Gerücht einer Italien-Synode

Die Bischöfe Italiens – eine der größten Bischofskonferenzen der Welt – treffen sich regelmäßig im Vatikan, und im Mai diesen Jahres hat der Papst ihnen mit Bezug auf die Idee einer Synode der italienischen Kirche was mit auf den Weg gegeben:

„Was die Synodalität betrifft, auch im Zusammenhang einer eventuellen Synode über die italienische Kirche – ich habe darüber neulich ein ‚Gerücht‘ gehört, das bis nach Santa Marta vorgedrungen ist! –, so gibt es zwei Richtungen: die Synodalität von unten nach oben, also die Sorge um die Existenz und das gute Funktionieren der Diözesen: die Räte, die Pfarreien, die Beteiligung der Laien… (vgl. CIC, 469-494). Bei den Diözesen beginnen: Man kann keine große Synode abhalten, ohne an die Basis zu gehen. Das ist die Bewegung von unten nach oben – und die Wertschätzung der Rolle der Laien.

Und dann die Synodalität von oben nach unten, gemäß meiner Ansprache an die Kirche in Italien auf dem 5. Nationalen Kongress in Florenz am 10. November 2015, die immer noch gültig ist und uns auf diesem Weg begleiten muss. Wenn man daran denkt, eine Synode über die Kirche in Italien abzuhalten, dann muss man von unten nach oben beginnen, und von oben nach unten mit dem Dokument von Florenz. Und das wird Zeit brauchen, aber man wird auf sicherem Boden wandeln, nicht auf Ideen.“

Auf den zweiten Blick verwirrend

Das ist wie fast immer bei Papst Franziskus auf den ersten Blick einfach und auf einen zweiten verwirrend, aber es hilft vielleicht auch beim Verstehen dessen, was die Kirche in Deutschland vorhat. Machen wir uns nichts vor: die meisten Gläubigen im Land haben Null Erwartungen. Wir sind im Minusbereich, wenn es um Spannung geht. Man traut der Kirche vieles einfach nicht mehr zu. Also darf dieser Weg nicht im Sande verlaufen, sonst ergeht es uns wie ein Kollege richtig bemerkte wie der Kirche in den Niederlanden in den 70er Jahren: Absinken in die Bedeutungslosigkeit.

Also, von unten beginnen. Und von oben nach unten nach bestimmten Kriterien. An dieser Stelle hatte ich über die vom Papst selbst zitierte Ansprache ja schon einmal gesprochen, Stichwort „christlicher Humanismus“. Über Konflikte hinaus gibt es also noch eine ganze Menge zu entdecken im Spannungsfeld Deutschland – Rom. Möge es den Debatten helfen!

Nachwort: da ich von den Verantwortlichen für den Synodalen Weg gebeten wurde, einer von zwei geistlichen Begleitern zu sein, werde ich an dieser Stelle öfters auf dieses Thema zurück kommen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Kirche und Medien, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von Gott, VatikanSchlagwörter Bischöfe, Bischofssynode, Deutschland, Italien, Papst Franziskus, Reform, synodaler Weg, Synodalität9 Kommentare zu Auch du, Italien: Der Papst und die Synoden

Und was hat Amazonien nun davon?

Veröffentlicht am 27. Oktober 2019
indigene Kultur Kirche in einem indigenen Dorf in Amazonien, aufgenommen bei meinem Besuch im Mai

Der Uluru, der heilige Berg der Aborigines in Australien, darf nicht mehr bestiegen werden. Eine Nachricht, die Freitag in den Nachrichten und Samstag in den Zeitungen groß erschienen ist. Den Berg kennen wir alle, von Bildern her, ab jetzt ist er aber wieder ganz und gar der indigenen Kultur Australiens gegeben, den Aborigines.

Australien hat in unserem Fall auch mit Amazonien zu tun, indigene Kultur ist hier das Stichwort: An diesem Wochenende geht in Rom die Bischofssynode zum Thema Amazonien zu Ende, in den vergangenen Wochen hatte ich hier an dieser Stelle von meinen eigenen Begegnungen dort berichtet. Jetzt liegt das Abschlussdokument vor, abgestimmt und dem Papst vorgelegt und damit ist die Synode zu Ende. Eine gute Zusammenfassung finden Sie hier.

Indigene Kultur

Die gesammelten und beratenen und schließlich abgestimmten Ideen sollen einer klar umrissenen Weltgegend und auf klar bestimmte Probleme reagieren. Das „indigene Angesicht der Kirche“ findet sich deswegen immer wieder. Nicht eine Kirche, die dann auf eine lokale Wirklichkeit angewandt werden soll, das wäre die beklagte Kolonisierung. Sondern eine Kirche, die in der Kultur sichtbar wird – und zwar kritisch genau so wie bejahend.

Besonderen Ausdruck findet das in der Frage nach einem eigenen Ritus für die Liturgie. Von einem liturgischen Pluralismus ist dort die Rede (116) und davon, dass es ja bereits 23 Riten in der katholischen Kirche gebe. Das könne Vorbild sein. Mein erster Gedanke: so einfach ist das nicht, es gibt nicht 23 Riten in der einen Kirche, es gibt 23 Kirchen, die mit Rom uniert sind. Da geht es eben nicht nur um Riten. Aber nun gut, das wird dann das Thema der anschließenden Beratungen sein. Ob aber – wie der Papst in seinen Abschlussworten gesagt hat – ausgerechnet eine vatikanische Kongregation das richtige Mittel zur Entwicklung einer solchen Liturgie ist, das wage ich eher zu bezweifeln.

Liturgischer Pluralismus

Die Frage nach der Liturgie bzw. dem eigenen Ritus für Amazonien finde ich aber hoch spannend. Vor allem deswegen, weil es die meisten Punkte des Papiers bündelt. Hier geht es um indigene Kultur, um Wertschätzung, um Glaube und Kirche, letztlich im Wort „Kosmovision“ anklingend auch um Umwelt und Schöpfung. Liturgie und Gottesdienst sind eben keine Anhängsel an die wirklich wichtigen Themen, hier bündelt sich christlicher Glaube und kirchliches Leben.

Ein Wort noch zu einem anderen Thema: War die Debatte um verheiratete Priester nun eine Ablenkung von den wirklich wichtigen Themen? Vorausgesetzt, man legt selber fest, was wichtig ist und was nicht. Die erste KNA-Meldung nach der Abschlusspressekonferenz jedenfalls hatte nur das zum Thema, als ob es bei der Synode um ein Votum um die Frage zu verheirateten Priestern gegangen sei. Wenige Minuten später legte die NYTimes nach, und andere dann auch. Die Nachricht zum Ende der Synode war gefunden.

Die verheirateten Priester

Ich hatte ja hier schon einmal gesagt, dass das nicht der böse Wille von Journalisten ist, sondern schlicht ein Thema, wo Kirche zeigen kann, dass sie selbst sich zu ändern bereit ist. Bei Umwelt-Themen etc. liegt es nicht allein an der Kirche. Es ist also eine berechtigte Frage. Im Abschlusstext findet man es in der Nr. 111, ein langes Stück über die Zentralist der Sakramente und das Recht der Gläubigen.

Trotzdem: Wenn ich das richtig lese, dann geht es nicht um einzelne abgegrenzte Themen. Man kann die Frage nach den Priestern und der Seelsorge insgesamt nicht losgelöst vom Kontext behandeln. Sonst debattiert man nur die eigenen Probleme unter dem Deckmantel Amazoniens. Es ist ein dünn besiedeltes Gebiet, und wie immer wieder betont wurde braucht auch die katholische Kirche Präsenz-Seelsorge, nicht Besuchs-Seelsorge, um ein Wort von Kardinal Schönborn aufzugreifen.

Präsenz-Seelsorge, nicht Besuchs-Seelsorge

Und hier kommt wieder die indigene Kultur ins Spiel. Die Synode hat versucht, auf lokale Fragen Antworten zu geben, bei den verheirateten Priestern geht es ausdrücklich um die „entlegensten Gebiete“, nicht um eine allgemeine Regelung. Und diese Antworten passen dann auch in genau diesem Kontext. Das es in unserer globalisierten Welt nicht mehr beschränkbar ist, versteht sich von selbst und damit hat so ein Votum natürlich auch eine weltkirchliche Bedeutung. Alles andere wäre ja auch naiv. Und ich bin mir sicher, dass interessierte Kreise ziemlich schnell auf diese Voten einschlagen werden.

Aber noch einmal: um zu verstehen, was die Synode da beraten und abgestimmt hat, muss man den Kontext mitdenken. Und fragen, was nun Amazonien und was die indigene Kultur von den Überlegungen hat. Die Frage hier lautet also, ob die gegebene Antwort Probleme vor Ort lösen kann oder helfen kann. Nicht, ob man das nicht auch für uns hier nutzen kann, indem man eine vom Kontext losgelöste Regelung heraus destilliert. Denn nur so erhalten wir uns auch das Recht, für unsere Probleme und Fragen eigene Lösungen zu finden.

Frauen und Ämter

Spannender finde ich hier sogar die Frage, die auch vom Dokument aufgeworfen wird (103): Da geht es um den Diakonat der Frau, also um Weihe. Man wolle mit der vom Papst eingerichteten Kommission sprechen – 2016 hatte Franziskus diese eingerichtet – und die Ergebnisse teilen. Hier wird eine Debatte aufgegriffen, die einige im Vatikan lieber vergessen wollen.

Ein weiteres Thema, das immer auch mit verhandelt wurde, ist die Synodalität. Nur halt nicht theoretisch, sondern in der Praxis, in der Übung, sozusagen. Das fünfte Kapitel des Abschlussdokuments behandelt es auch ausdrücklich, wie dieser Gedanke in der Kirche in Amazoniens gelebt und umgesetzt werden kann. Hier finden sich dann auch die Gedanken zu Frauen-Weihe und zu verheirateten Priestern. Es brauche eine „synodale Bekehrung“. Das meint aber nicht schlicht eine Macht-Umverteilung, sondern eine gemeinsame Suche nach dem Willen Gottes. Ganz kurz formuliert: Glaube und Verkündigung geschieht im Gemeinsamen, oder es geschieht gar nicht.

Hilft das nun Amazonien? Die Preisfrage. Das Dokument ist erst einmal genau das: ein Text. Es ist nun am Papst, diese Beratungen anzunehmen und selber etwas draus zu machen. Aber auch dann ist das Ganze, wie etwa Laudato Si‘ oder Evangelii Gaudium, auch nur Text. Und wie man an den genannten Texten sehen kann, helfen die alleine noch nicht viel. Text ist Text, mehr nicht. Wenn das dann nicht gelebt wird, und hier geht es um Haltungen mindestens so sehr wie um einzelne Aktionen, dann bringt so ein Text gar nichts.

In diesem Sinne hat die Amazonien-Synodalität einen wichtigen Schritt gemacht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das weiß auch die Synode, und formuliert einen ziemlich steilen Anspruch. Das Dokument beginnt mit einem Bibelzitat, aus der Offenbarung (21: 5):

„Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. Und er sagte: Schreib es auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr!“

Die Aborigines in Australien haben ihren heiligen Berg wieder, ein konkreter Schritt für sie und ihre Kultur. In der Kirche braucht es viele solcher Schritte, um die Ideen, Vorschläge und Forderungen wirklich werden und den Menschen in Amazonien zu Gute kommen zu lassen. Und nur so wird Kirche dort weiter leben können. Ein wichtiger Schritt, nicht mehr aber auch nicht weniger.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Amazonien, Bischofssynode, Gerechtigkeit, Indigene, Kultur, Papst Franziskus, Zölibat6 Kommentare zu Und was hat Amazonien nun davon?

Schlussakkorde der Synode

Veröffentlicht am 24. Oktober 201922. Oktober 2019
Die Synode schreibt So sehen wir von außen die Synode. Archivbild: Pressekonferenz mit Kardinal Reinhard Marx während der Synode 2014

Die Synode schreibt. Seit dem 6. Oktober wird in Rom getagt, in wenigen Tagen geht es zu Ende. Und den Abschluss bildet wie immer ein Text.

Plenarsitzungen, nach Sprachen gebildete Kleingruppen, Eingaben, die Ansprachen des Papstes, all das wird einfließen, wenn in diesen Tagen die zum Teil gewählte und zum Teil ernannte Redaktionsgruppe einen finalen Text für die Synode zusammen stellt. Paragraf nach Paragraf wird dann abgestimmt, als angenommen gilt, wenn ein solcher Textabschnitte zwei Drittel der anwesenden Stimmen bekommt. Wobei, selbst dann ist das Ganze „nur“ ein Vorschlag, ein Rat an den Papst, noch kein Beschluss oder Plan. Das meinte ich mit „den Abschluss bildet wie immer ein Text“.

Die Synode schreibt

Das Thema ist wichtig. Es geht um Zerstörung und Erhaltung. Es geht um unser christliches Verhältnis zu Schöpfung und zum Willen des Schöpfers. Und der Sommer hat uns mit den Bildern vom brennenden Urwald deutlich gemacht, wie massiv diese Aufgabe ist.

Aber was kann Kirche tun? Dies war ja seit zehn Jahren die erste Synode, bei der ich nicht mit drinnen gesessen habe. Und deswegen habe ich die Gelegenheit genutzt, von außen zu erraten, was die Themen und die Wichtigkeiten drinnen sind. Wie Sie ja auch. Und wenn ich die Berichte aus dem Vatikan bei VaticanNews oder katholisch.de oder sonstwo lese, oder einen der wenigen Artikel in anderen Medien, dann schält sich bei mir der Gedanke heraus, dass es dann doch die innerkirchlichen Themen sind, an denen die Synode gemessen werden wird.

An denen die Synode gemessen wird

Kirche kann Einsicht zeigen. Die Bischöfe können zuhören und eine gemeinsame Sicht formulieren auf das, was nötig ist. Und doch: machen können die Synoden-Teilnehmer nur dort etwas, wo Kirche wirklich kompetent ist. Bei den Eigen-Themen. Der in Rom lebende Journalist und Vaticanista John Allen hat das in seiner unnachahmlich direkten Art so formuliert:

„Perhaps one difficulty in getting those of us in the media to focus on those subjects is that while they’re undeniably important, it’s hard to know what the Catholic Church can really do about them. In concrete terms, the pope could permit married priests tomorrow; he cannot, at least by himself, reverse climate change or solve income inequalities.“

Es werden also die berühmten viri probati sein, der Zölibat und so weiter, an denen die Kirche und die Synode gemessen wird. Die Forderungen nach Änderung, nach Wandel, nach Bekehrung, das alles braucht eben auch den Beweis, dass man selber dazu auch bereit ist.

Wie das Schlussdokument lesen

Nun kommt also das Schlussdokument, und wir dürfen annehmen, dass der Papst es unmittelbar zur Veröffentlichung frei geben wird. Für diejenigen unter Ihnen, die den Text – den es wahrscheinlich wieder erst einmal auf Italienisch und/oder Spanisch geben wird – lesen wollen, habe ich einige Vorschläge zur Perspektive:

Erstens: Was kann ich tun? Ist da drin etwas, was ich und mein Umfeld-Wir gleich tun kann? Dass nicht gleich die Komplett-Rettung oder die Umkehr aller verlangt? Helfen mir Teile oder Absätze des Textes, selber zum Auftrag Gottes zu Bewahrung der Schöpfung und zum Respekt für den Nächsten etwas beizutragen?

Zweitens: Was sind Teile, die auch Menschen verstehen, die nicht ‚katholisch‘ sprechen? Ist das Ganze vorzeigbar? In Teilen? Kann man da auch mit Leuten drüber reden, die nicht kirchlich engagiert sind, aber das Thema spannend finden?

Drittens: Hilft mir das beim Beten? Ich meine das nicht spiritualisierend, aber wenn es wichtig und relevant sein will, muss solch ein Vorhaben das gesamte christliche Leben erfassen, also auch das Gebet. Geht das? Ist da was drin?

So habe ich mir selber jedenfalls die Lektüre vorgenommen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und MedienSchlagwörter Amazonien, Bischofssynode, Papst Franziskus, Rom, Schöpfung, Synode, Umwelt, Vatikan, Viri probati, Zölibat1 Kommentar zu Schlussakkorde der Synode

Überlappende Konflikte: Die Option ist immer für die Indigenen

Veröffentlicht am 15. Oktober 201913. August 2019
Priester und Anwalt P Jose Boeing SVD

Er ist Priester und Anwalt: Eine Kombination, wie geschaffen für die an Konflikten reiche Amazonaswelt. Pater José Boeing ist Steyler Missionar und seit 28 Jahren in Amazonien tätig. Und er lebt in mitten all der sich überlappenden und gegenseitig verschärfenden Konflikte. Die Kommission für Landpastoral der Kirche ist seine Arbeitsbasis.

Im Gespräch mit uns Besuchern versucht er all die Konfliktlinien zu erklären. Nicht einfach. Indigene und Kleinbauern, Holz, Extraktivisten, also Leute die von den Früchten des Waldes lebten ohne diesen zu bewirtschaften: Alles reibt sich aneinander. Und weil es klare ökonomische Interessen gäbe, stünden auch Indigene gegen Indigene und Kleinbauern gegen Kleinbauern. „Es gibt keine homogene Gruppe, für die wir eintreten, die Interessen werden gegeneinander ausgespielt.“

Priester und Anwalt

Sein Jurastudium ist die Grundlage seiner Arbeit, auch wenn man sich auf den Staat hier nicht wirklich verlassen könne, das sei schwer. Weil der Staat auf der Seite der Stärkeren sei, weil internationale Interessen lokale Auswirkungen hätten gegen die man nur schwer ankäme, aber auch weil die eigene Regierung die Konflikte einseitig verschärfe.

Die Kirche dagegen setze auf Dialog. Auf Gesprächsgruppen, zwischen Indigenen und Kleinbauern, zwischen Goldsuchern und allen anderen. „Es gibt aber eine klare Option der Kirche“, darauf besteht er sehr deutlich. „Diese Option ist die Verteidigung der Rechte der Indigenen und die Verteidigung der Menschen, die hier schon lange und im Einklang mit der Natur leben.“ Ganz in der Tradition der Kirche Lateinamerikas.

Dialog gewünscht

Priester und Rechtsanwalt: Pater José erzählt von Gewalt und von finanzstarken Interessen etwa um den Soja-Anbau. Nach Recht und Ordnung hört sich das nicht an. Aber er klingt auch nicht wirklich verzweifelt, trotz der Allgegenwart von Gewalt und Verleumdungen.

Die Konflikte überlagern sich, die Kleinen werden gegeneinander ausgespielt und die Großen holen sich, was sie brauchen. Genau das richtige Arbeitsfeld also für einen Rechtsanwalt. Und für einen Priester.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #s, #SinodoAmazonico, Amazonien, Anwalt, Bischofssynode, Konflikte, Priester, Rechte, Steyler2 Kommentare zu Überlappende Konflikte: Die Option ist immer für die Indigenen

Bischof in Amazonien sein: „Wir müssen lernen!“

Veröffentlicht am 9. Oktober 201913. August 2019
Ein reisender Bischof Dom Wilmar Santin OCD, Bischof der Apostolischen Prälatur Itaituba in Brasilien

Sein Bistum ist halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Wald, Fluss, wenige Straßen und nur eine Stadt: Itaituba. Und deswegen ist Wilmar Santin OCD dauernd unterwegs. Ein reisender Bischof in Boot, Flugzeug und Wagen. Immer möglichst umweltschonend, darauf besteht er, schließlich geht es auch ihm um den Schutz Amazoniens, des Waldes wie der Kulturen.

Also sitzt Dom Wilmar bei uns im Boot zum Besuch bei den Munduruku, dem Volk das die Mehrheit der Indigenen im Bistum (eigentlich: in der apostolischen Prälatur) Itaituba stellt. Er teilt den Traum von Papst Franziskus, sagt er uns, eigentlich hätte er gerne einen indigenen Priester für jedes indigene Dorf. Bislang hat er keinen einzigen. Einundzwanzig Priester hat er für die ganze Fläche, zwanzig davon seien Ordensleute. Also von außen, meistens aus dem Süden Brasiliens.

Ein reisender Bischof

Das habe ganz merkwürdige Auswirkungen, sagt Dom Wilmar. So seien Heiligenfeste im Ort wichtiger als Weihnachten oder Ostern. Der Grund: zu Patronatsfesten komme der Priester, dann wird geheiratet, getauft, gefirmt, Messe gefeiert. Ostern und Weihnachten kommt niemand, da hätten die Priester in den größeren Dörfern zu tun, in den sieben Pfarreizentren. Was das bei einer solchen Fläche an Abständen bedeutet, kann man sich ausmalen.

Weil die katholische Kirche aber immer auf Missionare gesetzt habe, gebe es keine Kultur der Beteiligung. Laien seien nie ermutigt worden, selber die Dinge in die Hand zu nehmen. Die neuen christlichen Kirchen, die Evangelikalen und Pentekostalen machten das anders, da sei alles in Laienhand und die Pastoren seien auch immer präsent. Deswegen liefen sehr viele Indigene zu denen.

Die katholische Kirche muss reagieren

Darauf müsse die katholische Kirche dringend reagieren, sagt Dom Wilmar. Die katholische Kirche müsse lernen. Nicht übernehmen, aber von dem lernen, was sie wahrnähmen.

Lernen könne die Kirche durch eine erneuerte Betonung des Wortes Gottes. Messe und Sakramente sind wichtig, der Erfolg und die Methoden des Evangelikalen zeigten aber, dass die Bibel und die eigene Beschäftigung damit attraktiv seien. Das müsse auch die katholische Kirche wieder betonen.

Aber das sei nicht nur eine Reaktion auf die Evangelikalen, „sondern ich lerne da auch aus meiner persönlichen Erfahrung im Umgang mit den Menschen. Ich spüre, dass sie einen großen Hunger haben, das Wort Gottes kennen zu lernen. Wir arbeiten seit einiger Zeit vermehrt mit Bibelkreisen in Dörfern und Pfarreien.“

Hunger nach dem Wort Gottes

Lernen könne die Kirche zweitens, dass ein indigener Klerus eine Frage des Zölibats ist. Ehelosigkeit sei kulturell nicht zu vermitteln. Deswegen setzt er auf ein Ausbildungsprogramm für ständige Diakone, und auch für liturgische Dienste wie das Taufen oder das Verheiraten. 48 Munduruku habe er schon offiziell zu „Dienern des Wortes Gottes“ ausgebildet und ernannt, das umfasse Katechese aber auch Liturgien und Austausch und Bibelkreise.

Viri Probati? Ja, auch darüber müsse die Kirche sprechen, aber das sei nicht nur eine Frage Amazoniens. Das ginge alle an, weltweit. Aber auch hier könne man lernen, von anderen.

Dom Wilmar spricht ruhig und entspannt. In seiner Zweck-Kleidung würde unsereiner nie auf den Gedanken kommen, er sei ein Bischof. Nicht einmal den Ring trägt er, das tut er nur zu liturgischen Zwecken. Er spricht mit den Munduruku, übersetzt für uns, erklärt, und man merkt wie sehr ihm diese Völker ans Herz gewachsen sind.

Lernen, und zwar auch in Rom

Jetzt zur Synode ist auch Dom Wilmar in Rom. Im Bischofsgewand wird er kaum wiederzuerkennen sein, aber das gehört zur Synode dazu. Seine Erfahrungen will er einbringen. Und auch wenn er nicht glaubt, dass es zu einer Debatte um den Zölibat kommen werde – dafür seien die Widerstände zu stark – hofft er doch auf Spielraum, um neue Wege gehen zu können.

Er spricht von einer Revolution, die es braucht. Wie ein Umstürzler wirkt er aber so ganz und gar nicht. Sondern wie einer, der für seine Leute das Beste will.

Lernen will er auch hier in Rom. Das sagte er mir im Gespräch bei meinem Besuch auf den Flüssen seines Bistums. „Es wird bei der Synode viele Vorschläge geben“, sagte er mir im vergangenen Mai. „Viele gute Dinge passieren ja schon, von denen andere nichts wissen. Nicht nur hier in Brasilien, sondern auch in den anderen Amazonas-Ländern. Erfahrungen aller Art, die uns helfen können aufzuwachen und ähnliche Dinge zu probieren.“

„Revolution“

Der Papst wolle ja ausdrücklich „Neue Wege für die Kirche“, das steht ja auch im Titel über der Synode. Deswegen werde es viele Vorschläge geben, welche die Pastoral und die Kirche in Amazonien revolutionieren werden. Da ist es wieder, das Wort „Revolution“. Es können Dinge entstehen, die dann auch über das hinausgingen, was die Synode vorschlagen werden.

Er will eine „Weitung der positiven Erfahrungen für ganz Amazonien“, nicht nur auf ein Bistum oder eine Region beschränkt. Bischof Wilmar Santin will lernen, dafür fährt er mit dem Boot über die Flüsse seines Bistums, und auch deswegen ist er nach Rom gekommen.

Eine neue Sorte Bischof, möchte man meinen. Nicht lehren, sondern erst einmal lernen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischof, Bischofssynode, Brasilien, Diakon, Indigene, Lernen, Liturgie, Papst Franziskus, Zölibat3 Kommentare zu Bischof in Amazonien sein: „Wir müssen lernen!“

„Früher waren wir Helden …“

Veröffentlicht am 7. Oktober 20196. Oktober 2019
Held oder Verbrecher Paolo Ghizoni, Viehbauer in Amazonien

Er hat es zu was gebracht: Paolo Ghizoni kam vor Jahrzehnten ins Amazonasgebiet, weil es hier Land gab und es immer schon sein Traum war, eigenes Land zu bebauen. Die Regierung habe damals gefördert, Pionier sei er gewesen, mit wenig Land und viel harter Arbeit habe er angefangen. Und es zu etwas gebracht. Aber heute sähen viele das anders, ob er Held oder Verbrecher sei, sei nicht mehr so klar.

Ghizoni ist wohlhabend, er hat sich durch harte Arbeit eine Existenz aufgebaut. Ja, er habe von dem Land das er gekauft hat mehr abgeholzt als er durfte, aber sonst hätte er gar nicht überleben können. Und Land und Wald gäbe es schließlich genug hier, sagt er.

Held oder Verbrecher

„Früher waren wir Helden, heute sind wir Verbrecher“, sagt Ghizoni, aber ihm ist klar, wer ihm das alles vorwirft: „Das sind Leute, die nicht wissen was Arbeit ist. Wir haben Staub gefressen und gearbeitet und mussten abholzen, um überleben zu können“. No nonsense, so würde man ihn beschreiben können. Ein freundlicher Mann, mit der Selbstsicherheit dessen, der sich alles selber aufgebaut hat.

Landwirtschaft hat ihre eigenen Regeln, meistens geschrieben von der Notwendigkeit harter Arbeit. Rauh geht es auch schon mal zu, Diebe müsse er auch schon mal mit einer Ladung Schrot vertreiben, sagt Ghizoni lachend. Er wirkt wie einer, der sich nichts vorzuwerfen hat weil er mit eigenen Händen und viel Schweiß aufgebaut hat.

Mit eigenen Händen aufgebaut

Genauso wie Manuel Maia. Auch er ist ein Viehbauer, in Autazes, und ganz modern hat er mit 38 weiteren Bauern eine Kooperative gegründet. Die große Gefahr, sagt er, seien die Zwischenhändler, die machten ihnen das Leben schwer. Dagegen helfe Solidarität untereinander. Wirtschaftlich klug gedacht. Er hat Büffel, deren Milch sei besser für Käse, und er empfängt uns in der Milchverarbeitung der Kooperative. Modern, sauber, solidarisch. Eigentlich ein Erfolgsmodell. Wären wir nicht in Amazonien, wo Land und Wald Konfliktstoff sind.

Invasives Verhalten? Wegnahme von Land? Drohungen? Illegales Abholzen? Das stimme alles nicht, sagt er. Ja, es gebe Konflikte mit Indigenen, aber die seien geschürt, von außen. „Wir brauchen die und die brauchen uns“, sagt er. Auch er ist wie Paolo Ghizoni einige hundert Kilometer weiter jemand, der weiß was Arbeit ist. Und er hat das Selbstbewusstsein, wie es nur Arbeit bringt.

Selbstbewusstsein, wie es nur Arbeit bringt

Dass Amazonien aber nicht Land wie jedes andere ist, dass indigene Kultur nicht ohne weiteres kompatibel ist, davon ist bei beiden nicht die Rede. Sie sehen die Welt aus der Sicht derer, die Land erschlossen haben. Da ist kein Platz für eine andere Sicht.

Beide haben kein Verständnis dafür, dass sie heute als für ihr eigenes Land gefährlich gesehen würden, als Verbrecher, wie Ghizoni es gesagt hat. Was haben sie denn falsch gemacht? Sie haben Land gekauft und es bestellt. Man muss Menschen wie Paolo Ghizoni und Manuel Maia zuhören, um das Land verstehen zu können.

1.000 Argumente fallen sofort ein, man will sofort widersprechen, argumentieren. Von Zerstörung sprechen, vom Klima, von unwiederbringlichen Kulturen. Aber wenn man die Geschichte der beiden Viehbauern hört, dann wird klar, dass auch die beiden zu Amazonien gehören. Wie alle anderen auch. Ein zurück zur Zeit davor kann es nicht geben. Wer Amazonien zuhören will, wie es die Synode sagt, der muss auch Paolo Ghizoni und Manuel Maia und all die anderen hören. Und auch ihnen eine Perspektive bieten.

Verbrecher sind sie nicht, auch wenn das die einfache Lösung wäre sie einfach als solche abzutun. Sie sind Teil des Problems. Jetzt kommt es darauf an, die zum Teil der Lösung zu machen.

 

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Der Widerständige

Veröffentlicht am 5. Oktober 201913. August 2019
Landwirtschaft bedroht das Leben Francisco und ein Teil seiner Familie

Er sieht nicht aus wie ein Großvater: Francisco Paraibo da Silva ist ja auch erst 43 Jahre alt, da vermutet man das auch nicht. Wir besuchen ihn und seine Familie vom Volk der Mura am Fluss Madeirinha. Aber Francisco sieht auch nicht aus wie einer, der eingeschüchtert wird. Das wird er aber, Landwirtschaft bedroht das Leben der Mura.

Landwirtschaft, das bedeutet vor allem Viehwirtschaft durch Weiße. „Eindringlinge“ nennt sie Francisco, der auch der gewählte Kazike der Dorfgemeinschaft von Taquara ist. „Invasoren“ seien das. Als wir ankommen, wird gerade ein Jubiläum in der Schule gefeiert. Der Kazike ist nicht gekommen, er will nicht auf die Vertreter der Regierung treffen, das gäbe zu viele Spannungen. Und das passe nicht zum Fest, sagt er.

Weiße Landwirtschaft bedroht das Leben

Die Familie lebt in einer Doppelhütte am Fluss, einfache Holzbohlen, drei Wände, ein einziger großer Raum für alles, was es im Leben so gibt. Seine junge Tochter kümmert sich um ihr eigenes Kind, andere Töchter kochen Hühnchen, Fisch, Reis und Bohnen, das Essen was wir hier überall bekommen. Und bringen Obst herbei, diese unglaublich schmeckenden Früchte Amazoniens.

Und Francisco erzählt, von den Drohungen, von den Vorladungen die er erhält und die er schon wegen der Distanz nicht wird einhalten können. Und wer soll in den Tagen der Reise dann das Essen herbei schaffen?

Einschüchterungen

Einer seiner Söhne ist verletzt. Eine Machete hat ihm beim Holzhacken getroffen, am Abend nehmen wir ihn dann mit zum nächsten Arzt. Da kann er jetzt nicht weg. Das sei alles Schikane, sagt er.

Aber er weicht nicht. Die Weißen mit ihren Büffeln kommen und trampeln seine Pflanzen weg. Die lokale Regierung sei auf deren Seite oder gar mit ihnen verwandt, da stünden die Indigenen schwer unter Druck.

Er weicht nicht

Aber er weicht nicht. Er kommt eher sanft rüber, aber von sich selber sagt er, dass er Mut habe und auch deswegen nun schon seit zehn Jahren Kazike des Dorfes, immer wieder gewählt. Seine Leute schätzen seine Hartnäckigkeit. Eben weil sie menschlich rüber kommt.

Francisco weicht nicht. Einige aus dem Volk und auch aus dem Dorf machen es wie die Weißen und schaffen sich Büffel an. Andere arbeiten sogar auf den kleinen Rinderfarmen, die Konfliktlinie ist also gar nicht so klar und deutlich. Aber er will sein Volk, sein Dorf, seine Kultur erhalten.

Smartphone und eine Angel

Einen Tag verbringe ich mit der Familie, und mit Gästen, man ist selten allein. Sprachlich geht das fast gar nicht, da müssen die sprichwörtlichen Hände und Füßer her. Aber das ist auch nicht wichtig. Seine Kinder haben Smartphones in den Händen, was merkwürdig aussieht in der sehr schlichten Hütte. Sie tragen Fußballer-Shirts, im Raum steht ein Fernseher, auch wenn die Satelliten-Schüssel gerade nicht funktioniert.

Francisco und ein Teil seiner Familie
Zwei Hütten, eine Familie

Aber wenige Minuten später sitzen sie unten am Fluss, fischen oder nehmen ein Huhn aus, das gehört so selbstverständlich dazu wie das Smartphone.

Abgeschnitten ist er nicht von der Welt, zurück gezogen lebt seine Familie nicht. Nur weichen wollen sie auch nicht. Nicht dem Büffel, nicht den Einschüchterungen, nicht den Weißen. Sie wollen ihr eigenes Leben leben, sagt mir Francisco.

 

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Die indigene Identität entdeckt sich selbst

Veröffentlicht am 3. Oktober 201913. August 2019
beste Hilfe ist die Selbsthilfe Mit Edina Margarida Pitarelli unterwegs auf den Flüssen Amazoniens

Hilfe ist immer konkret. Oder sie ist keine Hilfe. Und die beste Hilfe ist die Selbsthilfe. Wenn Edina Margarida Pitarelli unterwegs ist, dann will sie genau das. Während unserer Reise in Amazonien begleitet sie uns ein Stück, und erzählt von der Arbeit des Cimi, für den sie tätig ist. Also der kirchlichen Organisation, die sich für die Rechte der Indigenen einsetzt.

Als sie am Rio Maderinha, auf dem wir unterwegs sind, angefangen hat wollten viele indigene gar nicht mehr kämpfen, sagt sie. Das sei gar nicht so lange her, vor vier Jahren erst. Sie hätten nicht gesehen, wie sie gegen die Viehbauern, den Bau von Staudämmen, den Staat, die Zerstörung von Wald und Kultur ankommen könnten. Sie hatten mit nichts Erfolg. Und das entmutige.

Beste Hilfe ist die Selbsthilfe

Jetzt sei die Situation anders, auch dank der Cimi-Hilfe. Der erste Schritt: Gemeinsamkeiten herstellen. „In dem Moment, in dem wir anfangen, vor Ort für die Rechte der indigenen Bevölkerung zu arbeiten, beginnen diese zu erkennen, dass sie sich mit anderen Dörfern zusammenschließen müssen, dass sie sich am gleichen Kampf beteiligen müssen, denn das Problem des einen ist praktisch das Problem aller. Und so war es auch: sie haben sich vereint und eine Bewegung geschaffen.“

Der zweite Schritt: informieren. „Sie haben zum Beispiel den Abbau von Mineralien einfach so hingenommen, bis sie wussten, was ihre Rechte waren.“ Erst dann hätten sie sich begonnen zu wehren. Indigene wüssten oft nicht, was ihre Rechte seien, weil niemand ein Interesse hätte, ihnen das zu sagen.

„Zuerst versuchen wir, einem Dorf zuzuhören: Sehen, was die Menschen denken, was sie fühlen, welche Probleme sie haben. Und von dem Moment an, in dem sie beginnen, die Probleme zu erzählen, beginnen wir mit der Information darüber was das Gesetz ihnen garantiert, den indigenen Rechten – wie wir sie nennen. Wir erklären ihnen auch, wie der brasilianische Staat arbeitet, damit sie wissen, wo sie ihre Rechte geltend machen können.“

Workshops in Sachen Recht und Gesetz

Also sind sie unterwegs, die Leute vom Cimi, in wackeligen kleine Booten oder auch mit dem Wagen, und schulen, informieren, ermutigen, helfen. Sie machen Workshops zu Rechten und zu den Instanzenwegen. Und das stärke dann wiederum den ersten Schritt: „Und von dem Moment an, in dem sie sich ihrer Rechte bewusst werden, beginnen sie, sich untereinander zu stärken, sich zu vereinen und Dinge zu sehen, die sie vorher nicht gesehen haben.“

Immer wieder taucht bei der Reise die Frage auf, ob sich die Kultur der Indigenen nicht ohnehin ändern würde, sie gehen zur Schule, haben Berufe, wollen sie wirklich so weiter leben, wie sie es im Augenblick tun? Zum Beispiel die Mura, bei denen wir zu Gast sind und denen Edina Pitarelli hilft?

Der Volk der Mura entdeckt sich erst

„Ich denke schon, denn sie entdecken, dass sie ohne das Land, ohne die Sprache und ohne die Kultur als Volk aufhören zu existieren“, erklärt sie.

Sie bemerke, dass im Einsatz für die eigenen Rechte sich auch die Identität als Indigene stärke und die Wertschätzung der eigenen Kultur als etwas Wertvolles wachse. Man lerne sich als Volk erst richtig kennen, wenn man gemeinsam für die Rechte kämpfe.

„So haben sie uns beispielsweise bereits um einen Workshop gebeten, der ihnen hilft, das gemeinsame Gebiet zu kartieren, nicht mehr nur das individuelle Gebiet jedes Dorfes. Deshalb glaube ich, dass sie anfangen, mehr als Volk zu leben“. In diesem Jahr gebe es auch bereits die dritte Versammlung aller Mura, auch das etwas Neues. Und sie zeigen sich: am vergangenen Karfreitag hätten sie einen Protestmarsch in Autazes organisiert, als Indigene, um für sich und ihre Rechte einzutreten.

Die beste Hilfe ist halt die Selbsthilfe.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und VernunftSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischofssynode, Cimi, Indigene, Rechte, SelbsthilfeSchreiben Sie einen Kommentar zu Die indigene Identität entdeckt sich selbst

„Auf beiden Seiten der Brücke“

Veröffentlicht am 19. September 201919. September 2019
für die Rechte der Indigenen einsetzen Unterwegs mit Sr. Irma Luzinete de Arauso Silva

Sich für die Rechte der Indigenen einsetzen ist wirkliche Evangelisierung: Luzinete de Araujo Silva ist Ordensfrau und arbeitet sowohl in der Seelsorge, als auch beim Cimi mit. Cimi: das ist der Einsatz für die Rechte der Indigenen. Seelsorge vor Ort, das sind vor allem die nicht-Indigenen. Damit ist sie auf allen Seiten der Konflikte, bei den Weißen und den Bauern, und bei den Indigenen. „Auf beiden Seiten der Brücke arbeiten“ nennt sie das.

Das Evangelium komme so in die Welt, sagt sie im Gespräch, „inkarniert“ werde es. Der Einsatz für die Menschen, die niemanden auf ihrer Seite hätten oder denen nur mit Vorurteilen begegnet würde, das sei echter Einsatz für die Frohe Botschaft.

Sich für die Rechte der Indigenen einsetzen

„Ich sehe, dass Cimi wirklich ein Evangelisierungswerk im wahrsten Sinne des Wortes vollbringt“, sagt Sr. Lucinete. „Denn zu evangelisieren bedeutet, sich um das Leben zu kümmern, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen. Und die Aktivitäten, obwohl sie nicht direkt verkündend, sakramental oder pastoral sind, haben in ihrem Zentrum die Sorge um das bedrohte Leben.“ Jeder solle das Leben haben, und es in Fülle haben.

Die Seelsorge in der Gemeinde in dem kleinen Dorf, das sich ihre Gemeinschaft als Ort ausgesucht habe, bringe sie hingegen in Kontakt mit den Weißen, den Holz- und Viehwirten. Auch die gehörten zur Realität Amazoniens hinzu.

Amazonisierung der Welt

Wir fahren auf einem der vielen Flüsse, unterwegs zu einem Dorf um dort das Volk der Mura zu treffen. Das mache sie täglich, drei verschiedene Völker gebe es hier, mit Gruppen sei sie unterwege, diese zu besuchen, zuzuhören, zu helfen und Glauben und indigene Kultur zusammen zu führen.

Die Kultur in Amazonien sei besonders, Amazonien sei besonders, sagt Sr. Lucinete. „Wir hoffen von der Synode, dass die Kirche diese Besonderheit anerkennt und dass sie die Kultur hier akzeptiert. Die Kirche muss die Art und Weise der Kultur annehmen, wir brauchen sozusagen die Amazonisierung der Welt, nicht umgekehrt“, sagt sie lachend.

Aber die Synode finde ja schon statt, fügt sie an, hier in Amazonien, an den Orten an denen sie Gespräche führe, sei es mit Indigenen, sie es in den Gemeinden. In den Studiengruppen, den Diskussionen. „Neue Wege der Kirche, das passiert bereits“. Dass sich jetzt durch diese Synode in Rom alles auf einmal ändern würde, glaube sie hingegen nicht.

Nicht warten auf ein Dokument

Das Neue sei nicht so sehr von einem Dokument zu erwarten, dass die Synode im Oktober produziert. Das Neue, das komme in den Gesprächen vor Ort. „Das Neue wird geboren, wenn die Gemeinden vor Ort dieses Neue annehmen und nicht erwarten, dass dieses Dokument kommt.“ Die Synode könne eher sowas sein wie ein Schlusspunkt oder wie die Zusammenfassung dessen, was hier in Amazonien alles passiert.

Beide Seiten der Brücke – das heißt, dass nicht nur die Indigenen diesen neuen Weg gehen. Das gelte für die gesamte Kirche. Weiße und Indigene, am Fluss oder im Dorf.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischofssynode, Dokument, Indigene, Kultur, Verkündigung1 Kommentar zu „Auf beiden Seiten der Brücke“

Unharmonische Stimmen auf dem Weg zur Synode

Veröffentlicht am 7. August 20197. August 2019
Widerspruch gehört zur Debatte Bischofskirche von Itaituba, Amazonien

Framing nennt man es, wenn vor einem Ereignis die Wahrnehmung und damit Deutung desselben beeinflusst oder bestimmt werden soll. Und Framing erleben wir gerade, in Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober in Rom. Widerspruch gehört zur Debatte, und das ist auch gut so. Hier passiert aber gerade mehr.

Framing, das ist sozusagen ein „Sprechen als ob“, als ob schon entschieden wäre, was das Ergebnis ist. Debatten werden entschieden, noch bevor sie begonnen sind.

Widerspruch gehört zur Debatte

An dieser Stelle habe ich einen Einspruch gegen das, was Papst Franziskus vorhat, ja schon kommentiert. Die Rückmeldung war, dass mein Text ziemlich hart gewesen sei, aber nach wie vor stehe ich dazu. Wer für etwas eintritt und argumentiert, ist herzlich willkommen. Wer aber erst mal dem anderen Unehrlichkeit unterstellt, der nicht.

Aber wie mit diesen Einwürfen umgehen? Das ist schwierig, denn sie verlegen ja die Debatte über die Themen auf die Debatte über die Deutungshoheit über Kirche und Themen, sie machen daraus also eine Autoritätsfrage. Indem man da mitmacht, gibt man bereits den ersten Punkt auf, nämlich die Forderung erst einmal zuzuhören bevor man Urteile fällt.

An dieser Stelle mag ich trotzdem diese Debatte aufgreifen, denn es gibt sie ja, wegschauen ist auch keine Lösung. REPAM – das Amazonas-Netzwerk der katholischen Kirche – hat dazu einen spannenden und an Deutlichkeit nichts vermissen lassenden Artikel von Pater Victor Codina veröffentlicht,

Wegschauen ist auch keine Lösung

Es darf nicht überraschen, dass es „unharmonische“ Stimmen gibt, denn das war schon immer so, sagt Codina. Die Einsicht eines historisch Gebildeten macht den Anfang. Von Galater 2:14 bis zu den Auseinandersetzungen um die beiden Vatikanischen Konzilien, die Kirchengeschichte ist voll von Widerspruch und Auseinandersetzung.

Widerspruch sei aber nicht gleich Widerspruch, es gebe prophetische stimmen, aber auch reaktionäre. Da müsse man genau hinschauen, nicht alles führe weiter. „Gegenwärtig gibt es eine starke Oppositionsgruppe gegen die Kirche des Franziskus“, Codina geht es aber nicht um Namen, ihm geht es um die theologischen Hintergründe.

Zwei Kritiken am Papst sieht Codina: „Die theologische Kritik geht von der Überzeugung aus, dass Franziskus kein Theologe ist, sondern aus dem Süden, aus dem Ende der Welt kommt und dass dieser Mangel an theologischer Professionalität seine Ungenauigkeiten und sogar seine Lehrfehler erklärt.“ Implizit werden deswegen Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gegen ihn in Stellung gebracht.

Theologie, die von Realität ausgeht

Seine Vermutung: „Was seine Kritiker wirklich stört ist, dass seine Theologie von der Realität ausgeht, von der Realität der Ungerechtigkeit, der Armut und der Zerstörung der Natur und der Realität des kirchlichen Klerikalismus.“

Codina hat eine lange Liste der „Ärgernisse“ an diesem Papst. Dieser sehe die Armen als einen „locus theologicus“, also als Quelle theologischer Erkenntnis. „Offensichtlich ist es nicht so, dass er kein Theologe ist, sondern dass seine Theologie pastoral ist“, schließt Codina daraus.

Seine Theologie sei außerdem nicht kolonial, sondern aus dem Süden. Dieser kurze Satz verdient eigentlich etwas mehr Raum, denn er berührt eine wunde Stelle. Mir sind bei meinen beiden Aufenthalten in Lateinamerika – sieben Monate in Chile, zwei Wochen Journalistenreise in Amazonien – immer wieder die Vorwürfe an den Westen begegnen, zu kolonisieren. Westliche Denkmodelle würden Unterwerfung verlangen, und das sei Kolonisierung. Das Dokument von Aparecida der Bischöfe des Kontinents spricht ausdrücklich davon.

Koloniale Theologie

Codina sieht sehr richtig dass die Kritik an der Synode und deren Themen eigentlich dem Papst gilt, direkt von Anfang des Artikels an macht er das sehr klar. Oder vielleicht besser: Die Kritik, die ihn beschäftigt, ist die welche unter dem Mantel der Synoden-Kritik den Papst treffen will.

Dabei sei das wofür er stehe „in vollkommener Übereinstimmung mit der prophetischen und biblischen Tradition sowie der Soziallehre der Kirche“. Das gelte vor allem für das Projekt der Synode zum Amazonasgebiet, sagt der Theologe in seinem Artikel.

„Einige hohe kirchliche Würdenträger haben gesagt, dass das Vorbereitungsdokument der Synode ketzerisch und pantheistisch ist und die Notwendigkeit der Erlösung in Christus leugnet“, zitiert Codina. Andere konzentrierten sich auf die Zölibatsfrage, bringen damit aber die Realität der Zerstörung, der Ausgrenzung und Bedrohung von indigenen Völkern zum Schweigen.

Für den Norden geschrieben

Die Kritik habe Adressaten, sagt Codina schließlich, sie richte sich an Gruppen im Norden. Was implizit wahrscheinlich die wichtigste Einsicht ist: die Kirche des Nordens kann sich nicht zurücknehmen, kann nicht zuhören um vielleicht etwas zu lernen. Sie kann die Hoheit über die Definition, was nun theologische Erkenntnisquelle sei, nicht aufgeben. Das sei die Quelle all der Kritik.

Und genau hier tut der Text von Codina gut. Oder weh, je nachdem.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Amazonien, Bischofssynode, Debatte, Kirche, Papst Franziskus, Synodalität27 Kommentare zu Unharmonische Stimmen auf dem Weg zur Synode

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