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PaterBerndHagenkord.blog

Vatican News

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Monat: April 2020

Funktioniert nicht

Veröffentlicht am 29. April 202028. April 2020
Der Beistand Gottes ist ihm versprochen Sieht aus wie eine Kirche, aber ists auch eine? Paulinum, Leipzig

Saul, König von Israel, hat ein Problem. Gegenüber stehen ihm und seinem Volk die Philister, keine wirklich freundliche Begegnung. Der Beistand Gottes ist ihm versprochen, scheint aber auszubleiben. Seine Leute laufen ihm deswegen weg. Und da Not am Mann ist, greift er zu Tier und Altar und bringt selber die Opfer dar. Was den Propheten Samuel, der gleich danach am Ort des Geschehens eintrifft, erwartbar erzürnt.

Saul möchte nicht ohne Gottes Beistand in den Krieg, und bringt deswegen die vorgeschrieben Opfer dar. Soweit die eigentlich gute Nachricht. Was er dabei aber auch noch macht und was ihm zum Verhängnis wird ist, dass für ihn die Opfer eben nicht Gotteslob, sondern Mittel gegen das Weglaufen der Leute ist. Er hat Angst und die vorgeschriebenen Opfer werden zum Mittel (1 Samuel 13). Sie bekommen eine Funktion.

Der Beistand Gottes ist ihm versprochen

Nun darf man dergleichen Geschichten nicht einfach auf eine heutige Situation übertragen, aber dahinter spricht die Schrift schon im Zusammenhang mit den ersten Königen über eine Dynamik, die auch uns nicht völlig fremd ist. Das Lob Gottes, der Gottesdienst, bekommt eine Funktion. Und zwar eine, welche nicht deckungsgleich ist mit Ursprung.

Diese Stelle war meine erste Assoziation, als ich gelesen habe, was der Magdeburger Bischof Feige zum Thema Gottesdienste unter Corona-Bedingungen gesagt hat. Zu Recht weist er darauf hin, dass das Ermöglichen von Messfeiern unter Hygienischen Bedingungen automatisch auch Abweisen von Menschen bedeutet.

Die Leute laufen weg

Wobei, meine Phantasie ist da sogar noch eine andere, ich vermute einmal dass etwa junge Familien die drei, vier oder fünf „Eintrittskarten“ nicht bekommen, weil die Zahl bereits voll ist, das Spiel zwei, drei Mal mitmachen und dann wegbleiben. Die dann nicht mehr nachfragen, weil das ja eh nichts bringt. Und die sich dann, wenn die Kirchen wieder normal öffnen, vielleicht fragen, warum sie jetzt wieder kommen sollen. In den Worten der oben nacherzählten Geschichte: die Leute werden weiter weglaufen.

Keine Messen halten zu können, ist das eine. Menschen abzuweisen, bewusst nicht zuzulassen, ist etwas anderes. Und das bringt mich eben zur Frage, was die Messfeier für uns ist. Was das Sakrament für uns sein will. Die Fortsetzung des normalen kirchlichen Lebens unter nicht normalen Bedingungen? Und damit Funktion? Oder ist der Preis zu hoch, den wir zahlen, wenn wir uns selber zwingen, Menschen an den Kirchentüren abzuweisen? Oder wenn wir dann irgendwann feststellen, dass gar nicht mehr alle „Eintrittskarten“ abgerufen werden, weil man das nicht mitmachen will?

Dank an Bischof Feige

Ich bin Bischof Feige dankbar für seinen Einwand, ich hoffe, dass die Debatte darüber, wie wir gottesdienstlich auf die Krise reagieren, jetzt nicht einfach einschläft. Die Frage ist doch, was wir einerseits erreichen wollen und was wir andererseits tatsächlich erreichen. Die beiden Dinge sind nicht identisch, die Konsequenten könnten den gegenteiligen Effekt von dem haben, was eigentlich gewollt ist. Eben weil wir übersehen, was Gottesdienst eigentlich ist und sein will.

Noch einmal zur Schrift: Schon zwei Kapitel nach der oben geschilderten Szene kommt es zu einem ähnlichen Konflikt zwischen Samuel und Saul, und wieder geht es um Opfer, und wieder geht es darum, dass Saul meint, das Richtige zu tun weil er ja die gebotenen Opfer darbringt. Dieses Mal aber ist der Prophet Samuel nicht nur erzürnt, er gibt auch eine Begründung: „Hat der HERR an Brandopfern und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber der Stimme des HERRN? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer, Hinhören besser als das Fett von Widdern.“ (1 Sam 15).

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Corona, Glaube, Gottesdienst, Hygiene, Israel, Kirche, Messe, Prophet, Saul88 Kommentare zu Funktioniert nicht

„Kerzen-Sakrament“

Veröffentlicht am 25. April 202029. April 2020
Kerzen gehören in die Kirche Offen für Besuch und Gebet

Émile Zola war erstaunt. Der französische Schriftsteller war nach Rom gekommen, um für ein Buch zu recherchieren, 1894 war das. Und bei einem Besuch im Petersdom macht er eine Entdeckung: es gibt keine Kerzen. Aber Kerzen gehören in die Kirche, unvorstellbar selbst für einen religiöser Sympathien nicht unbedingt Verdächtigen wie Zola, dass es keine gibt.

Und das hat nicht nur mit Romantik zu tun. Sondern mit ganz normalen Andachtshaltungen. Mit kurzen Besuchen, die sinnlich sein wollen. Wo man sozusagen sein Gebet hinterlässt, das brennt und vielleicht sogar raucht.

Kerzen gehören in die Kirche

Das Anzünden von Kerzen in Kirchen ist neu in Mode gekommen. „In diesen Zeiten“, möchte ich mal sagen. Ich mache das jedenfalls gerne, in die leeren Kirchen gehen wenn ich vorbei komme, ein Kerze anzünden, ein Gebet sprechen, etwas Stille halten, so in etwa.

Aber die Kerze ist wichtig. Wie andere Dinge auch. Es gibt so viele kleine spirituelle Dinge, die uns in Kontakt mit Gott bringen oder diesen Kontakt begleiten können, es ist erfreulich, die alle neu zu entdecken. Und wenn ich mit Freunden telefoniere, dann höre ich im Augenblick viele Geschichten von diesen kleinen Entdeckungen.

Neu entdecken

Es ist eine Art Kerzen-Sakrament, das wichtig ist. Bevor nun wieder einige hier in Schnappatmung verfallen: damit will ich weder Sakramentalität klein reden noch als Label auf alles Mögliche drauf kleben. Aber wie wir auch die Heiligen auf Säulen gestellt und schön unerreichbar gemacht haben, so ist es auch mit Sakramenten. Die Verbindung mit Gott ist viel zu überhöht.

Die Kerze in der Kirche zeigt uns aber, dass das mit Gott und uns manchmal auch gar nicht so schwer ist. Es muss nicht alles immer ausgefeilt sein. Es braucht noch nicht mal immer Worte. Das Durcheinander im Kopf, unsere Sorgen und Fragen werden nicht sofort geklärt. Aber eine Kerze bringt Gott mit ins Spiel.

Das ist etwas, was wir im Augenblick lernen. Oder neu lernen. Oder wieder entdecken. Zugänge zu Gott und Glauben, die ganz einfach sind und gut und hilfreich. Das sollten wir uns auch danach, wenn Gottesdienste wieder stattfinden, nicht nehmen lassen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Corona, Feier, Gebet, Glaube, Kerze, Kirche, Sakrament11 Kommentare zu „Kerzen-Sakrament“

„In diesen Zeiten“

Veröffentlicht am 21. April 202021. April 2020
Ressource Solidarität Raus aus der Isolation: und wohin geht es jetzt? Bild: Rolltreppe U-Bahn Leipzig

Je mehr wir auf uns selbst beschränkt sind, je weniger Kontakt wir miteinander haben, desto stärker zeigt sich Solidarität. Alle machen mit, auch wenn wir alleine oder nur in Familie sind. Ein scheinbarer Widerspruch, aber auch nur ein scheinbarer. Wir leben „in diesen Zeiten“ von der Ressource Solidarität und es hilft. Das eigene Zurückhalten, das nicht Bestehen auf eigenen Rechten auf Kosten vielleicht der Gesundheit anderer, die Selbstbeschränkung oder der Einkauf für die Nachbarn, in all dem drückt sich diese Ressource aus.

Mich hat das ehrlich gesagt erstaunt. Ich hätte mir mehr Durcheinander erwartet, dass trotz all der Einschränkungen und der Ungewissheit der Zukunft, für viele vor allem der beruflichen Zukunft, so lange und so selbstverständlich Solidarität geübt wird, zeigt gesellschaftliche Reife.

Ressource Solidarität

Erstaunt hat es mich wohl vor allem deshalb, weil der Trend in eine andere Richtung ging: die Trennung, das Wahrnehmen des Anderen und Fremden als Gefahr, der Rückzug in ein vermeintlich ‚Nationales‘ wurde stark. Solidarität sei ein Schimpfwort geworden, hatte Papst Franziskus das genannt.

Hat sich in der Krise nun das Gegenteil gezeigt? Ja und Nein. Ja, weil es eben viel Solidarität gibt. Aber diese Solidarität ist eine begrenzte, sozusagen eine geschützte Solidarität. Die damit verbundene Selbstlosigkeit sei verbunden mit der fest erwarteten Befristung des Zustandes, analysiert John Schellnhuber (Potsdam-Institut für Klimaforschung).

Die erwartete Befristung

Wenn es um die nächste Krise ginge, die Klima-Krise, sei es schon schwieriger mit der Ressource Solidarität, schreibt er. Da gibt es nämlich keine Befristung und Begrenzung, nicht zeitlich, nicht räumlich. Da geht es um kommende Generationen und um Menschen, die weit weg und außerhalb des Sichtfeldes leben. Hier würde sich zeigen, ob wir aus der jetzt geübten Solidarität gelernt hätten oder zurück fielen in die alten Muster des kurzfristigen und kurzsichtigen Gewinns.

Aber das gibt es ja auch heute schon: die Krankenhäuser sind auch wegen der Disziplin vieler Menschen hier bei uns nicht überfordert. Aber es dauerte grausam lange, um 50 unbegleitete junge Menschen aus einem völlig überfüllten Flüchtlingslager zu holen. 50 von 40.000 Menschen! Die Solidarität ist begrenzt, weil sie Nachbarn und noch einigermaßen verstehbare Größenordnungen von Menschen umfasst. Rio de Janeiro? Ostafrika? Dehli? Kairo? Dorthin schicken wir keine der hier nicht gebrauchten Betten, sozusagen.

Für den eigenen Staat ist das normal, dessen Verantwortlichkeiten sind klar umschrieben. Aber schon bei der EU hört es auf, wie wir in den vergangenen Wochen auch erleben mussten.

Schon bei der EU hört es auf

Zurück zur Solidaritäts-Frage: Solidarität bedeutet schlicht sich etwas, was nicht das eigene Problem ist, zu Eigen zu machen. Das Andere also, das mir gegenüber tritt, wird durch Solidarität seines Charakters als „anders“ nicht beraubt, aber anstatt gefährlich zu sein, tritt Hilfe oder Akzeptanz oder was auch immer dazu. Auf jeden Fall etwas Positives. Solidarität ist der Widerstand gegen alle Trennungen, gegen all diese Versuche, das Eigene auf Kosten des Anderen zu schützen. In diesem Sinne betont es der Papst ja auch immer wieder.

Konkret kann das Beschränkung bedeuten. Wobei die zum Beispiel in Sachen Klima nur kurzfristig wären, wie Schellnhuber in dem bereits zitierten Artikel sagt. Aber uns fällt es schwer, das zu glauben. Er nennt es ein „beispielloses zivilisatorisches Meisterstück“, was möglich wäre, wenn wir diese „beharrliche Empathie über Jahrzehnte hinweg“ leisten. Wobei das nicht nur menschlich wäre, sondern auch zutiefst christlich.

Beharrliche Empathie über Jahrzehnte

Viele wollen das nicht wagen. Trotz all der Solidarität, die wir – in ihrer räumlichen und zeitlichen – Perspektive im Augenblick erleben. Strategien gegen Solidarität gibt es viele.

Hier im Blog begegnen mir zum Beispiel immer wieder versuche der De-Legitimation. Vieles davon können Sie gar nicht lesen, das hat in einer von mir moderierten Debatte nichts zu suchen, aber mir selber fällt es auf, wie die Kompetenz derjenigen unterlaufen wird, die mit wissenschaftlichen Methoden Wirklichkeit verstehbar machen wollen. Da gleichen sich die Muster: „Das-ist-Meins“ wird mit Händen und Klauen verteidigt, gegen jede wahrgenommene Zumutung, die als ungerechtfertigter Anspruch formuliert wird.

Deswegen ist die Solidarität „in diesen Zeiten“ nur ein kleiner Schritt, eben weil sie begrenzt ist. Wir vertrauen dem Kontrollierbaren, dem Regierbaren. Aber all den Flüchtlingen auf der Welt, denen eben auch das Virus droht und die nicht mal ein Mindestmaß an Schutz haben, denen gilt sie nicht in gleichem Maße.

Solidaritäts-Projekte

In seiner Osteransprache hat der Papst auf das Solidaritäts-Projekt Europa verwiesen. Wo er aber eine Herausforderung sieht, also eine grundsätzlich offene Frage, ist Kardinal Jean-Claude Hollerich, Vorsitzender der Bischöfe in der EU, schon skeptischer: „Wir sehen die Schwierigkeiten europäischer Solidarität“, schreibt er in einem Artikel. Das würde zu einer Ernüchterung gegenüber dem Projekt Europa führen.

Zwei mögliche Wege: Herausforderung und Lernen aus der Solidarität für die nächsten Schritte, oder eben ein Einschränken. Betone ich die Selbstlosigkeit, oder betone ich die Beschränkungen, unter denen ich bereit bin, selbstlos zu sein?

Das wird die Zukunftsfrage sein, wenn es darum geht, Antworten auf all die anderen Fragen zu finden, die uns in den kommenden Jahren begegnen werden. Wenn „diese Zeiten“ vorbei sind und neue Zeiten neue Fragen an uns stellen.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und MedienSchlagwörter Corona, Gesellschaft, Klima, Krise, Solidarität56 Kommentare zu „In diesen Zeiten“

Titel, Esel und das leere Grab

Veröffentlicht am 18. April 202015. April 2020
Ostern zu Coronazeiten Ist diese Architektur Auferstehungssymbolik? Oder Machtsymbolik?

Was für eine Auferstehung war das jetzt? Ich meine dieses Jahr, dieses Osterfest, unter diesen Umständen? Ostern zu Coronazeiten ist ja ein anderes Ostern als sonst. Und dieser Jesus, der als Auferstandener Menschen begegnet, begegnet uns anders als sonst.

Mehr noch als sonst ist mir an diesem Fest aufgefallen, wie stark der Gegensatz zwischen Allmacht und Demut ist. Der Tot kann Christus nicht halten, aber trotzdem kommt er nicht wieder in Macht und Glorie, sondern zuerst unerkannt – obwohl seine Jüngerinnen und Jünger ihn doch kennen müssten – und werbend. Nicht Überwältigend.

Ostern zu Coronazeiten

Das ist ein Bruch, der schon das gesamte Leben Jesu über erzählt wurde, angefangen von Betlehem. Aber nirgendwo wird der Gegensatz so krass wie zum Osterfest. Die Allmacht die stärker ist als alle Negation des Lebens agiert nicht in größerer Stärke. Sondern bleibt dem treu, wie sie sich zuvor gezeigt hat und was Jesus gelehrt hat: Barmherzigkeit. Gemeinschaft. Verkündigung.

Mir ist das besonders aufgefallen, weil es vor dem Fest eine kleine Debatte gab, auf den üblichen Debattenplattformen. Vor Ostern noch, wenige Tage vor dem Evangelium des Einzugs Jesu in Jerusalem auf einem Esel, kam es zu einem der üblichen Bergoglio-Skandälchen.

Da war im Annuario, also im Namen und Positionen in der katholischen Kirche angebenden dicken roten Jahrbuch auf der wichtigen ersten Seite auf einmal „Jorge Mario Bergoglio“ zu lesen. Nicht mehr die Titel, die wie Banner vor der Person hergetragen wurden und einer nach dem anderen Amt und theologische Macht verkündeten. Sondern der Name der Person. Da stand nicht mehr „Stellvertreter Christi“ und so weiter, sondern der bürgerliche Name des Inhabers des Amtes ganz oben.

Kein Titel, sondern der Name

Was umgehend von den üblichen Verdächtigen zur „theologischen Barbarei“ erklärt und dadurch zum „Skandälchen“ geadelt wurde.

Die Sache mit dem Esel und Jesus spielt dabei eine Rolle. Ist doch der Esel das vierbeinige Symbol dafür, eben nicht mit klirrenden Waffen in eine Stadt einzuziehen, nicht mit darstellerischem Pomp. Nicht mit Banner-Titeln. Er gehört zu Till Eulenspiegel mehr als zum Fürsten. Was Napoleon genau wusste, der sich einem Esel bei der Überquerung des Großen Sankt Bernhard anvertraute, sich dann aber von J.L. David auf einem schwarzen Kraft strotzenden Hengst malen ließ.

Symbole der Auferstehung

Die Symbole der Macht verschwinden immer mehr in der Selbstdarstellung des Papstes. Was auch während der Osterliturgien mehr als nur deutlich wurde, finde ich. Da ist immer noch viel dran, wo wir aus der Ferne Hofstaat sehen, aber der Papst setzt da seinen Weg konsequent fort.

Zurück zum Osterfest: da ist ja auch eine Menge Symbolik. Und auch Symbolik der Macht, schauen wir alleine auf unsere Kirchen. Gebaut als Verehrung einer Wirklichkeit, die größer ist als all unsere, wirken sie manchmal dann doch wie die Verherrlichung derer, die sie gebaut haben. Jedenfalls uns heute.

Die Auferstehungs-Sprache

Auch die Sprache die wir nutzen, wenn wir vom Auferstandenen sprechen, ist symbolisch aufgeladen. Schon in der Bibel selber ist es so.

Ostern sagt uns aber auch – und sagt uns in diesem Jahr in einer ganz besonderen Färbung – dass wir uns von dieser Symbolik nicht verwirren lassen dürfen. Auch wenn es schwer fällt, auch wenn es überfordert, aber der Gott der Macht begegnet eben nicht in Macht-Gesten, sondern im Unbekannten, überhaupt in Begegnungen.

Zeit, den Auferstandenen neu zu entdecken.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Auferstehung, Corona, Glaube, Kirche, Macht, Symbolik11 Kommentare zu Titel, Esel und das leere Grab

Kein Zurück

Veröffentlicht am 15. April 202010. April 2020
home-churching Leere Kirche: aber wo ist dann die Feier?

„Kommt jetzt nach dem home-schooling auch das home-churching?“ Eine Frage, die mir am vergangenen Freitag in einem Interview gestellt wurde. Home-churching, parallel zum virtuellen Schulbetrieb also das Verlegen des kirchlichen Lebens in die Familie, nach Hause. Vielleicht mit Internet als Hilfe für die Liturgie, vielleicht aber auch nicht.

War es das? Zu Ostern? Ich nehme mal an, dass die Erfahrungen da recht weit gestreut sind.

home-churching

Vor dem Fest habe ich mit vielen Freunden gesprochen, die sich auf Ostern mit ihren Kindern vorbereiten. Also auf das liturgische Ostern, nicht nur auf die Eiersuche. Und alle sind auf Familie oder auf die eigenen vier Wände zurück geworfen.

Aber allen gemeinsam war, dass sie sich was ausgedacht haben. Dass sie irgendwie kreativ wurden.

In den innerkirchlichen Debatten schwirrte in den vergangenen Jahren immer wieder mal der Begriff der ‚Hauskirche‘ herum. Also die Idee, dass die Entwicklung der Kirche in der Frühzeit sich in Häusern, nicht in Kult- und Feierstätten, abspielte. Dass Glaube und gelebter Glaube vor allem in der Familie, oder heute müssten wir vielleicht sagen in kleineren und vertrauten Gruppen, lebt.

Es ist kein zurück zu den Wurzeln

Die Krise zwingt uns sozusagen zurück zu den Wurzeln. Nein, halte ich dagegen. Und freue mich über den Begriff des home-churching. Denn es ist eben kein Zurück, sondern eine neue Situation. Wir versuchen, das was wir als normal erleben, in den Familienzusammenhang zu verlegen. Mit allen Schwierigkeiten, die das mit sich bringt, da unterscheidet sich das wenig vom home-schooling.

Seit Jahren greife ich immer wieder zu einem Text, den ich hier auch schon verschiedentlich zitiert und besprochen habe. Johann Baptist Metz spricht von einer Initiativkirche als Zukunft, und für diese müssten die vom klerikalen und seelsorglichen Personal Betreuten aufhören, sich wie betreute zu benehmen. Und selber initiativ werden.

Selber initiativ werden

Bislang klang das bei mir immer wie eine Vision, wie ein Ziel, wie eine Idee. Unter den Bedingungen des home-churching merken aber viele, dass das gar nicht so einfach ist. Und dass eben auch Ideen aus der Vergangenheit wie die Hauskirche nicht helfen.

Wenn meine These stimmt, dass wir gerade so etwas wie eine ‚Entkirchlichung auf Probe‘ erleben, dass wir also verdichtet das durchleben, was uns in zehn Jahren oder so eh blühen wird, dann sollten wir auf dieses home-churching sehr acht geben. Es hegen und pflegen und Hilfestellungen geben. Und Motivation für Familien und Gruppen, wie sie ihren Glauben in Zukunft werden leben können. Und wollen.

Nicht die Kilometerzahl zur nächsten Messe wird das entscheidende sein. Sondern der Wille, selber Verantwortung zu übernehmen für die Feier des Glaubens.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Glaube, Hauskirche, Kirche, Liturgie35 Kommentare zu Kein Zurück

Ostern vor dem Schirm, aber es ist Ostern!

Veröffentlicht am 12. April 20204. April 2020
Ostern in Distanz Distanz ist dieses Jahr die Grundierung des Osterfestes: Blick auf den Apennin, Zentralitalien

So skurril das klingt: Für mich ist es in diesem Jahr ein Osterfest wie in den vergangenen Jahren auch. Zehn Jahre lang habe ich Ostern – wie auch Weihnachten – nicht am Altar verbracht, sondern in der Übertragungskabine. Vor dem Mikrophon. Gründonnerstag, zwei Messen. Karfreitag die ganze Papstliturgie. Ostern die Osternacht und dann der Sonntag mit Urbi et Orbi. Alles aus der Kabine. Ostern in Distanz.

Es waren also zehn Osterfeste vor dem Schirm, nicht direkt beteiligt. Und ich habe mich auch nie beklagt. Das gehörte zu meinem Beruf. Aber gefreut hatte ich mich schon, dass es dieses Jahr anders wird. Anders werden sollte.

Ostern in Distanz

Stattdessen nun wieder der Bildschirm. Zwar ohne Mikrophon, aber die Trennung vom Geschehen bleibt mir erhalten. Ja, ich bin Priester, ich könnte das auch alleine feiern. Und dich im Augenblick wirklich alleine lebe, hieße alleine auch alleine, nicht in Gemeinschaft mit anderen Jesuiten unter Vorsichtsmaßnahmen.

Aber Ostern alleine? Nach langer Überlegung habe ich mich für das Fern-Mitfeiern entschieden. Also wieder Bildschirm-Ostern. Wie in den vergangenen Jahren auch: vom Gründonnerstag bis in die Osternacht.

Bildschirm-Ostern

Dabei geht natürlich was verloren. Ostern ist das Fest der Gemeinschaft und der Begegnung, und das meine ich nicht soziologisch oder liturgisch, sondern theologisch. Wir werden erlöst, nicht nur ein Ich. Und dass die Begegnung mit dem Auferstandenen der Kern der Botschaft sind, ist offensichtlich. Das kommt zu kurz.

Aber wenn diese Dimension zu kurz kommt, dann gibt es vielleicht den Weg frei für anderes. In unserem Fall für Distanz. Nicht nur auf die soziale Distanz, ich meine vielmehr die Distanz des Osterfestes.

Distanz der Erfahrung: Wir wissen ja eigentlich gar nicht, was das war oder ist, eine Auferstehung. Zwischen dieser Wirklichkeit und unserer Erfahrungswelt liegt eine Distanz, die auch nicht zu überbrücken ist.

Distanz zum Auferstandenen: Mit dem Fest Himmelfahrt markieren wir den Moment, der uns von der Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen trennt. Die erste Generation war Christus noch begegnet, wir können das so nicht mehr. Da ist Distanz.

Distanz untereinander: Wie wir hier feiern ist zu tiefst kulturell geprägt. Das ist es woanders auch. Die Feier ist dieselbe und der Herr auch, aber kulturelle Einfärbungen prägen das Fest. Da entstehen Distanzen.

Distanz zu Gott, die nur Gott von sich aus überwinden kann und überwunden hat. Oder auch Distanz des Verstehens. In den Worten des Credo von Papst Paul VI.: „Sein und Liebe bezeichnen in unaussprechlicher Weise die gleiche göttliche Wirklichkeit dessen, der sich uns zu erkennen geben wollte und der, da Er „in einem unzugänglichen Lichte wohnt”, in sich selbst jenseits jeglicher Bezeichnung, über allen Dingen steht und alles geschaffene Denken übersteigt. Gott allein kann uns von sich eine angemessene und volle Erkenntnis mitteilen, indem Er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart.“

Oster-Distanzen

Distanz gehört zum Osterfest dazu, auch wenn diese Dimensionen vielleicht bei der normalen Feier etwas hintenan stehen. Und da wir dieses Jahr nicht so feiern können, wie es richtig und angemessen wäre, ist es vielleicht Gelegenheit, das neu zu entdecken.

In diesem Sinn darf ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest wünschen.

Der Herr ist auferstanden, wahrhaft auferstanden, Halleluja!

 

 

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Corona, Feier, Glaube, Krise, Ostern, Radio Vatikan, TV, Übertragung5 Kommentare zu Ostern vor dem Schirm, aber es ist Ostern!

Plage, Sünde und das Kreuz: Wie Gott handelt

Veröffentlicht am 10. April 202010. April 2020
Gott wirkt Gesundheit Symbol unseres Glaubens: Kreuze im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg

Mit Krankheiten war es mal einfacher: Moses richtet in der Wüste eine Schlange auf, eine bronzene mitten im Lager. Und die Menschen, getroffen von einer Plage, wurden gesund, sobald sie diese Schlange anschauten. Gott wirkt Gesundheit. Diese Schlange hat es bis heute ins Logo der Ärzte und Apotheker geschafft, in Verschmelzung mit dem Stab des Äskulap.

Immer wieder meckert Israel und wendet sich gegen Gott, auf dem Zug durch die Wüste muss Mose immer wieder einschreiten, oder Gott selbst ist es, der straft. Unter anderem mit einer Plage. Die von Gott befohlene Schlange wird zur Hilfe gegen eine von Gott geschickte Plage. Die Plage bleibt, nur gibt Gott auch die Rettung dazu.

Gott wirkt Gesundheit

Es ist nicht das einzige Mal, dass der Abfall des Volkes von Gott mit Krankheit bestraft wird. Die Bibel kennt da noch mehrere Erzählungen. Aber die Schlage im Lager Israels ist deswegen so spannend, weil sie es bis in unsere christliche Theologie geschafft hat. Die Textstelle aus dem Buch Numeri hat es in die Leseordnung zum Fest Kreuzerhöhung geschafft.

Die im biblischen Bericht durchscheinende naive Vorstellung von Krankheit als Strafe ist leider so weit weg nicht. Corona zeigt uns, dass diese Vorstellungswelt bis heute wirkt, und das in allen Religionen. Auch in der Kirche gibt es solche Stimmen, die angesichts der Angst und Sorge lieber von Sünde und Umkehr reden. „Die Coronavirus-Pandemie ist wie alle Krankheiten und der Tod selbst eine Folge der Erbsünde“, sagt Erzbischof Carlo Viganò. Nicht die erste wirre Aussage aus seinem Mund.

Straf-Pädagogik Gottes?

Kardinal Raymond Burke geht noch weiter: „Es steht außer Frage, dass große Übel wie die Pest eine Auswirkung der Erbsünde und unserer tatsächlichen Sünden sind. Gott muss in Seiner Gerechtigkeit die Unordnung, die die Sünde in unser Leben und in unsere Welt bringt, reparieren. In der Tat erfüllt Er die Anforderungen der Gerechtigkeit durch Seine überreiche Barmherzigkeit.“ Barmherzigkeit?

Nun ist auch das Neue Testament voller Verweise darauf, dass jemand wegen seiner Sünden krank wird oder nach deren Vergebung geheilt. Deswegen meint auch der deutsche Kardinal Paul Josef Cordes, eine Verbindung der Corona-Pandemie mit Sünde und Gott könne nicht ausgeschlossen werden. 

„Gott will das Gute!”

Und Cordes wendet sich ausdrücklich gegen eine Aussage seines Kardinals-Kollegen Angelo Scola, dieser würde „Gott das Strafen verbieten“, so Cordes über Scola.

Was hat Scola denn angeblich so schlimmes gesagt? Dies hier:

„Gott will das Gute! So sehr will er das Gute, dass er unser Übel, unsere Sünde, auf sich genommen und ans Kreuz genagelt hat. Er benutzt sie nicht als ein Element der Rache. Die Vorstellung von einer göttlichen Bestrafung gehört nicht zur christlichen Vision – auch nicht in so einer dramatischen Situation, wie wir sie gerade erleben. Natürlich ist das ein komplexes Thema, aber Gott greift nicht zur Bestrafung, um uns zu bekehren!“

Und hier sind wir beim Kern: dass die Geschichte von der Schlange auf dem Stab zum Fest Kreuzerhöhung gelesen wird, hat ja seinen Sinn. Denn Jesus hat eben nicht Plage gebracht, Sodom vernichtet, er hat nicht mit Macht gehandelt um Umkehr zu erzwingen.

Keine Macht, kein Zwang

Sondern er ist ans Kreuz gegangen. Das genaue Gegenteil von Macht. Er ist für uns von Gott zur Sünde gemacht geworden, formuliert es auf seine ganz eigene prägnante Art der Apostel Paulus (2 Kor 5).

Die Schlange am Stab weist also nicht auf den Tun-Ergehens-Zusammenhang hin, auf das quasi-erzieherische Strafen Gottes, sondern auf das Kreuz. Auf die bedingungslose Liebe Gottes.

Wir müssen aufpassen, wie wir in diesen Zeiten über Gott und Gottes Handeln sprechen, sagt Erzbischof Vincenzo Paglia (das letzte Zitat eines Bischofs in diesem Text, versprochen). Und sein Beispiel ist einleuchtend: Weil die Pandemie gerade auch diejenigen treffe, die eh schon am Rande seien, die Armen und Schwachen, wäre das zynisch, so von Gott zu denken.

Gott gibt sich am Kreuz zu erkennen

Wenn wir gerade heute an Gott denken, dann so, wie Gott selber sich zu Erkennen gegeben hat. Über das Kreuz. Das lässt die uns so sperrig erscheinenden Stellen der Bibel nicht verschwinden, auch das Sprechen über Sünde bleibt. Aber die Perspektive wird eine andere.

Und: das Kreuz erlaubt etwas nicht, was es leider in der Geschichte der Kirche bis heute – siehe oben – immer wieder gegeben hat, nämlich in seinem Namen Macht ausüben. Menschen zu zwingen, indem man dieses oder jenes zur Ursache erklärt. So geht Kreuz nicht. So geht Erlösung nicht.

So geht Erlösung

Heute, am Karfreitag, lesen wir vom Tode Jesu am Kreuz. Hier ist das Heilshandeln Gottes fokussiert. Nicht in einer Straf-Pädagogik, die letztlich vom Kreuz doch nur ablenken will. Wer angesichts menschlicher Not von Strafe und nötiger Bekehrung spricht, will letztlich das Kreuz nicht wahrhaben.

Sagt uns deswegen das Kreuz etwas über unsere Not? Ja. Gott zeigt sich uns in der Hingabe. Es gibt eben keine größere Liebe, als wenn jemand sein Leben hingibt für andere, heißt es im Johannesevangelium. Das macht Gott in uns möglich. Und das Kreuz erinnert uns daran, dass Gott selbst diesen Weg zuerst gegangen ist: „Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat“ (Joh 3).

Ich wünsche Ihnen gesegnete Kar-Tage, auch und gerade weil sie in diesem Jahr so ungewöhnlich sind. Vielleicht wird ja etwas sichtbar, was sonst eher verdeckt bleibt.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Neulich im Internet, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Barmherzigkeit, Corona, Glaube, Jesus, Karfreitag, Kirche, Kreuz, Kreuzigung, Ostern33 Kommentare zu Plage, Sünde und das Kreuz: Wie Gott handelt

Nach 400 Tagen im Gefängnis

Veröffentlicht am 8. April 20208. April 2020
Missbrauch und Kirchenführung Kardinal Pell beim Weltjugendtag in Madrid. Foto: flickr.com

Kardinal George Pell ist frei. Nach einem langen und komplexen Gerichtsverfahren in allen Stufen steht fest, dass das gefällte Urteil „schuldig“ keinen Bestand hat. So hat es einstimmig das höchste Gericht des Landes entschieden. Das Ganze lässt viele Fragezeichen zurück. Der Prozess ist nun beendet. Von einem Rechtsstaat, bei allen Komplikationen. Aber das Thema Missbrauch und Kirchenführung bleibt uns erhalten.

Das missliche an der Causa Pell war und bleibt, dass es neben allem anderen auch ein symbolischer Prozess war und ist. Alle Seiten haben es so betrachtet. Die Betroffenen schreien auf, weil sie einen Missbrauchstäter frei aus dem Saal gehen sehen. Die Pell-Verteidiger sprechen davon, dass hier ein Mann für eine ganze Kirche verfolgt worden sei.

Missbrauch und Kirchenführung

Was Schuld und Unschuld angeht, habe ich in dieser Causa immer noch keine Meinung. Es gilt, den Rechtsstaat zu respektieren, aber persönlich hätte ich kein Urteil fällen wollen. Nicht nur, weil ich nicht alle Umstände genau kenne. Sondern einfach, weil es wahnsinnig schwer ist, aus der Ferne genau sagen zu können, was passiert sein könnte oder passiert ist. Aber trotzdem finde ich können wir einige Fragen auch hier stellen, im Anschluss an das Verfahren Pell.

Erstens: Der Missbrauch hat tiefe Furchen der Zerstörung gezogen in den Leben derer, die damit zu tun bekommen haben. Bei den Betroffenen, den Überlebenden zu allererst. Bei deren Familien, Freunden. Und er war und ist für viele immer noch unaussprechlich. Nicht alle können darüber reden, und das gilt es zu respektieren. Um so wichtiger ist es, den Betroffenen und Überlebenden zuzuhören, vor allem weil sie es immer noch schwer haben, Gehör zu finden.

Der Gerichtsprozess in Australien hat einmal mehr vor Augen geführt, wie schwer das ist. War das plausibel? Überhaupt möglich? Verbirgt sich dahinter eine Geschichte? Wann ist Zweifel angebracht und erlaubt? Wie gesagt, aus der Ferne kann und sollte man das nicht beurteilen. Sondern vor Ort zuhören und hinschauen.

Fernurteile verbieten sich

Zweitens: Symbolische Debatten und juristische Entscheidungen bzw. Prozesse passen nicht zusammen. Jemand kann noch nicht schuldig gesprochen werden, nur weil er angeklagt wird. Das ist oft schwer auszuhalten, siehe Pell, siehe aber auch andere Fälle. Die Zerstörung im Leben der Betroffenen ist real, die Feststellung der Schuld aber von vielen Hürden geschützt, so scheint es. Da ist ein Ungleichgewicht, das nicht einfach auszuräumen ist. Und das nicht durch Symboldebatten aufgelöst wird, so hart das klingt.

Drittens: Kardinal Pell steht für das Thema Verantwortung. Deswegen war und ist er auch eine symbolisch aufgeladene Figur. Es ging nie nur um die konkreten Geschichten – ich korrigiere: im Prozess schon, aber in der Beobachtung nicht – sondern es ging immer auch um die Verantwortungsträger in der Kirche, die es nicht gewesen sein wollen. Und den Zorn und das Unverständnis darüber.

Das dürfen wir nicht herunter spielen. Das ist da und bleibt. Spektakuläre Fälle wie Kardinal Theodore McCarrick in den USA oder jetzt Kardinal George Pell sind aber nicht die Regel, Wegschauen, Vertuschen und Herunterspielen gab es und – leider – gibt es auf allen Ebenen. Der Wunsch, endlich auch einen Großen und Mächtigen „dran“ zu kriegen ist verständlich, es bleibt aber trotz alledem ein Weg der kleinen Schritte.

Das Thema Verantwortung

Der Frust bei vielen über den Freispruch bzw. die Aufhebung des Urteils ist verständlich. Aber es ist ein rechtsstaatlich gefallenes Urteil. Es bleibt die Aufgabe der Kirche, das letzte Thema – das Thema der Verantwortung – dabei nicht an die Seite zu legen. Es sind nämlich nicht nur die gerichtlich zu entscheidenden konkreten Geschichten, es sind vor allem die systemische Ermöglichung und die Vertuschung und das Herunterspielen, die uns als Aufgabe bleiben. Die oft nicht gerichtlich zu klären sind. An denen Kirche aber gemessen wird und weiter werden wird.

Ich würde mich sogar vorsichtig zu der Aussage tendieren, dass die Missbrauchsdebatte überhaupt nicht über Prozesse zu klären ist. Einzelne Geschichten sehr wohl, wo es möglich ist muss Recht gesprochen werden. Aber das hat halt auch seine Grenzen.

Aber die Debatte ist weiter. Über Justiziables hinaus. Die australische Kirche hat ja auch sofort in diesem Sinne reagiert: Das Ende des Prozesses gegen Kardinal Pell bedeute nicht ein Nachlassen und so weiter. Der Missbrauch wächst auf einer Kultur, die es aufzudecken gilt. Und die es abzuschaffen gilt. Verantwortliche müssen Verantwortung tragen, aber auch wir alle müssen uns eingestehen, dass wir eigentlich auch nicht genau hinsehen wollen. Einige spektakuläre – und ferne – Fälle wären uns lieber. Dem ist aber nicht so. Missbrauch ist um uns herum, dem müssen wir ins Auge sehen.

Immer noch und immer weiter.

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  • Nachtrag am 8. April, 19.40 Uhr: ich lasse zu diesem Text keine Kommentare mehr zu.

 

Kategorien Allgemein, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Kirche und Medien, Neulich im Internet, VatikanSchlagwörter Australien, Freispruch, George Pell, Kardinal, Kirche, Missbrauch, Verantwortung16 Kommentare zu Nach 400 Tagen im Gefängnis

Pfingsten ist das neue Ostern

Veröffentlicht am 5. April 20202. April 2020
Der Kern des christlichen Lebens fällt aus Eine Perspektive braucht es für das christliche Feiern. Kümmern wir uns jetzt drum!

Aus Ostern wird in diesem Jahr wohl nichts. Jedenfalls nicht als kirchliche Feier, als Karfreitagsgottesdienst und Osternacht. Von Gründonnerstag und Fußwaschung mal ganz zu schweigen. Der Kern des christlichen Lebens fällt aus, Tod und Auferstehung müssen in diesem Jahr halb privat gefeiert werden.

Deswegen wird es Zeit, darüber hinaus zu denken. Ohne dass wir wissen und wissen können, was nach der Krise passieren wird und wann sie zu Ende geht, braucht es eine Perspektive. Und diese Perspektive heißt Pfingsten.

Der Kern des christlichen Lebens fällt aus

Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir Pfingsten feiern wollen. Immer unter der Wolke, dass die Krise bis dahin noch nicht zu Ende ist. Aber wir haben ja jetzt Zeit, uns etwas zu überlegen. Gründe dafür gäbe es genug.

  • Pfingsten ist der Abschluss der Osterzeit, gehört zu Ostern hinzu.
  • Pfingsten ist als Heilig-Geist-Fest das Fest des Beistandes, der uns nie verlässt
  • Pfingsten ist der Auftrag Gottes an uns, unser Gedenken daran, dass die Kirche nicht unsere eigene Veranstaltung ist, sondern Gottes Wille und Werk
  • Pfingsten sagt, dass wir niemals losgelöst von Gott handeln, sozusagen als Gottes Gegenüber.

Die Theologinnen und Theologen hier mögen da gerne noch etwas hinzu fügen.

Pfingst-Ostern

Nun geht der Spruch unter Predigern, man kann gar nicht über das Pfingstfest predigen ohne mindestens eine Häresie zu begehen. Soll heißen: einfach zu verstehen ist die Sache mit dem Heiligen Geist und uns nicht. Und ins Wort zu heben schon gleich gar nicht.

Auch hieraus folgt: Habt Ideen! All die liturgischen Institute und Pastoraltheologinnen und -theologen, all ihr Praktiker und Kreativen, Mönche und Schwestern, geistliche Bewegungen: habt Ideen. Lasst uns Pfingsten feiern und damit den Zuspruch Gottes und den Beistand Gottes, lasst es uns kreativ tun, offen für die Hoffnung.

Offen für die Hoffnung

Bisher sind die Klagen groß, Kirche reagiere bloß, vollziehe nur staatliche und gesellschaftliche Vorgaben und stelle das Eigene, das Liturgische, hintenan. Es wird Zeit, eine Antwort zu finden. Eine Antwort aus Heiligem Geist. Eine pfingstliche.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Corona, Feier, Krise, Liturgie, Ostern, Pfingsten81 Kommentare zu Pfingsten ist das neue Ostern

Sakrament? Was soll das sein?

Veröffentlicht am 2. April 20201. April 2020
Corona hat uns kirchlich tief verunsichert Als die Messe noch eine Messe war: Sankt Ludwig, München

Ein Trend in der Krise: Die „Messe ohne Volk“. Eine Brücke, ein Ersatz für die Messfeiern, die im Augenblick nicht stattfinden. Corona hat uns kirchlich tief verunsichert, auch was unser Selbstverständnis angeht. Kann es eine Messe ohne Volk überhaupt geben? Ist die nicht auch von der Communio aller Glaubenden getragen? Oder schon Retrokatholizismus? Wie debattieren wir Alternativen?

Corona hat uns kirchlich tief verunsichert

Dass wir in einer Krise sind, ist nicht neu, das debattieren wir seit Jahren. Dass es wenn es konkret wird aber ausgerechnet am Thema Sakramente ausbuchstabiert wird, hat dann doch einige überrascht. Und so wird die Frage nach der Messe deswegen auch gerne in alten Mustern analysiert.

Mir zeigen sich da aber jenseits der Konzils-Debatten und der Forderung, sich den staatlichen Vorgaben nicht zu unterwerfen, noch eine andere Dimension: Wir haben ein Sakraments-Problem.

Das Konzilsdokument „Lumen Gentium“ (Nr. 11) wird dann hervorgezogen und daraus – meistens verkürzend – der Satz zitiert: „In der Teilnahme am eucharistischen Opfer, der Quelle und dem Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens, bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm“. Die Rede ist von den Gläubigen, die „priesterliche Gemeinschaft“ der Kirche.

Sakrament, was soll das sein?

Nun stellen wir erstaunt bis entsetzt fest, dass wir nicht wissen, was das genau heißt.

Johannes Paul II. konnte in seiner Enzyklika zum Thema noch vertrauensvoll schreiben „Die Kirche lebt von der Eucharistie“. Das sind die Anfangsworte von Ecclesia de Eucharistia von 2003. Aber stimmt das denn noch? Wissen wir, was das ist, so ein Sakrament, erweitert gefragt?

Wenn die Rede zum Beispiel auf die Eucharistie fällt, dann begegnet mir in Gesprächen eher eine große Verunsicherung. „Messe“ als Wort geht, aber wichtiger sind Predigt, Musik, Atmosphäre, Gemeinschaft und so weiter. Und das nicht aus Bosheit, sondern wie ich meine auch aus Verunsicherung. Dass Eucharistie wichtig ist, das erleben wir ja gerade sehr deutlich. Nur können wir uns nicht sagen, was das denn sein soll.

Theologen-Sprech

Ein Ausweg ist der Theologen-Sprech. Ich bin sehr für eine präzise wissenschaftliche Sprache, auch in der Theologie, und die darf sich auch gerne mal den Nicht-Fachleuten entziehen. Aber wenn sie sich im Kreis dreht und das, was sie zeigen will, schon als Voraussetzung einbaut, dann hört es auf, sinnvoll zu sein. Das gibt es leider immer wieder.

Und woran liegt das? Wie ist uns das abhanden gekommen?

Fangen wir an einer anderen Stelle an: In Rom habe ich jahrelang erlebt, wie die Bischofsweihe Amt und Rang verwechselt. Da bekamen und bekommen Männer das Sakrament der Weihe nicht zur Leitung eines Bistums, sondern als Rang. Weil sie Abteilungsleiter werden, und noch dazu die absurde Hinzufügung „Erzbischof“, als ob das außerhalb einer Metropolie Sinn hätte. Und gleichzeitig wird uns von gleicher Stelle die Wichtigkeit und Zentralität von Sakramenten für das kirchliche Leben verkündet.

Inkonsequente Kirche

Das ist nur ein einziges Beispiel, aber damit will ich ausdrücken, dass es wir selber sind, die Kirche, die zu der großen Verunklarung beigetragen haben. Dazu gehören auch die Traditions-Debatten, die immer wieder passieren, Handkommunion und außerordentliche Form des Ritus (vulgo: tridentinischer Ritus), oder auch die Kommunion für konfessionsverbindende Ehen oder die Interkommunion.

Aber dieses Mal ist das gar nicht das Zentrum der Debatte, sondern wirklich die Verunsicherung, was das ist, so ein Sakrament. Und das kirchliche Verhalten ganz oben macht es nicht einfacher.

Nun schauen wir auf die Bildschirme, entweder professionell gemacht über die Messübertragungen im TV oder die eher handgestrickten Internet-Übertragungen, dafür aber vom vertrauten Ort und Priester, und fragen uns, wie wichtig das eigentlich ist. Und was das eigentlich ist.

Was ist das eigentlich?

Vielleicht war es ja mal an der Zeit. Nicht die Feier eines Gedächtnisses, nicht dass wir zusammen kommen um den Altar steht in Frage, sondern der Charakter. Darüber müssen wir uns wieder unterhalten lernen. Und zwar so, dass wir uns selber und andere uns ernst nehmen können. So, dass verständlich wird was wir meinen.

Das Wiederholen das früher Gesagten reicht nicht aus. Und wenn uns das neue Reden über Sakrament und Sakramente gelingt, dann ist die Debatte alleine ja schon wieder das, was das Konzil von der Eucharistie sagt: Quelle kirchlichen Lebens.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Corona, Eucharistie, Kirche, Messe, Priester, Sakrament, Vatikan61 Kommentare zu Sakrament? Was soll das sein?

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