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Vatican News

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Monat: August 2019

Sprachverschiebungen

Veröffentlicht am 28. August 201927. August 2019
Die Sprache des Papstes Übersetzung, Stolperstein und Übergang: Stein im Straßenpflaster von Amsterdam

Es gab Klagen. Über den Brief des Papstes an die Gläubigen in Deutschland. Nicht zuletzt auch in der ZEIT, in der auch ich einen Beitrag hatte. Und zwar Klagen nicht über Inhalt oder Sinn, sondern über die Übersetzung. Die Sprache des Papstes sei schlecht wieder gegeben.

Ein Uraltes Problem: Ein frei gesprochener Text muss übersetzt werden, was ein Spezialistenjob ist. Die Nuancen, die kulturellen Anspielungen und die Zitate, das alles muss erkannt werden. Oder aber ein geschriebener Text muss in zu kurzer Zeit übersetzt werden. Dasselbe Problem nur leicht verschoben.

Die Sprache des Papstes

In den vergangenen Jahren war das fast mein täglich Brot. Sowohl in meiner Arbeit, als auch immer, wenn ich mich im Italienischen bewegt habe. Denn so gut jemand in einer zweiten Sprache auch ist, so richtig und ganz kommt man da nie rein, schon gar nicht wenn diese Sprache spät erlernt wurde.

Auch in der Bibel, in Gebet, Meditation und Liturgie begegnet einem das. Die Bibel ist nicht in unserer Sprache geschrieben und meistens sind die Texte sogar zu gut übersetzt. Paulus Griechisch ist zum Beispiel beileibe nicht so glatt und logisch wie uns die Übersetzungen glauben machen.

Besser als das Original

Zurück zu den Klagen über die Übersetzung des Papstbriefes. Professionelles arbeiten ist hier das eine. Zeitdruck und Entscheidungen des Absenders, das über sein persönliches Büro laufen zu lassen sind das andere. Nicht immer geht dabei alles so glatt, wie wir das wollen.

Neulich habe ich mich mit einem nigerianischen Jesuiten unterhalten. Nigeria – so klärte er mich auf – habe 250 anerkannte Sprachen. Sprachen, nicht Dialekte. Wie machen die das? Wenn es keine Minimalsprache gibt? So gut kann man gar nicht sein. Das Ergebnis ist oft genug, ob Nigeria oder Vatikan, eine nicht ordentliche Übersetzung.

250 Sprachen in einem Land

Oder das Gegenteil: Man übernimmt Sprachbilder, die so gar nicht passen. Denn die Sprache, in die hinein übersetzt wird, hat ja auch ihre Bilder. Und auch das kann die Aussage verzerren. Die Sprache des Papstes sagt dann etwas, was in der Intention gar nicht drin war.

Sprache verändert sich beim Übersetzen. Kulturen, Intentionen, Arbeitsumstände, Wortfelder, all das hat seinen Einfluss. Wir können schlicht gar nicht einen Text so übersetzen, dass er voll und ganz die Intention des Aussagers oder Schreibers wiedergibt.

Sprache des Papstes verändert sich beim Übersetzen

Wie schön wäre es, wenn wir nur eine Sprache hätten und diese Verwirrung und Verschiebung uns erspart bliebe. Im Vatikan glaube ich ist man oft der Überzeugung, Italienisch sei diese Sprache. Oder sei zumindest die Richtsprache. Dem ist aber nicht so.

Die Vielfalt der Sprachen und die Sprachverschiebungen trennen uns, machen uns Arbeit. Aber sind auch ein Segen. Nichts ist selbstverständlich. Nichts ist von sich aus verstehbar, verständlich. Und das hat Auswirkungen auf die Weltkirche, wenn ich bei meinem Beispiel bleibe. Eben weil übersetzt werden muss und wir wissen, dass in der Übersetzung die Bedeutung sich verschiebt, können wir nie sicher sein. Und müssen immer nachfragen. Und müssen in der Ambiguität leben, dass wir nicht alles verstanden haben und verstehen können.

In Babel einen Turm zu bauen war eine ziemlich dämliche Idee, wenn wir von den Konsequenzen drauf schauen. Aber es bewahrt uns heute davor – wenn wir uns das denn eingestehen wollen – dass wir meinen zu verstehen.

Das ist zumindest eine Lehre, die ich aus meinen zehn Jahren Vatikan und Papstübersetzungen mitnehme.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Kunst, Kultur und Können, Neulich im InternetSchlagwörter Papst Franziskus, Sprache, Übersetzung, Urtext.16 Kommentare zu Sprachverschiebungen

Papstbeobachter

Veröffentlicht am 25. August 20196. August 2019
Änderung der Perspektive Unter Beobachtung: Der Papst und wir

Lieber Blog-Leserinnen und -leser, nun vollzieht sich also der schon angekündigte Wandel. Ich packe meine Siebensachen und ziehe um, weg von Roma, weg vom Vatikan. Auf nach München. Und damit bekommt auch der Blog eine Änderung der Perspektive.

Ich hatte mich mal als Sportreporter in Sachen Religion bezeichnet. Das wird mir bleiben. Die Frage nach Religion und Glaube und Medien und so weiter verschwindet ja nicht einfach so aus meinem Kopf. Meine Anliegen bleiben mir.

Änderung der Perspektive

Hier wird es auch weiterhin Papst geben. Aber auch andere Dinge, der Blog wird sich anpassen. Es würde mich freuen, wenn sie mich dabei begleiten, gerne auch kritisch, damit es lesenswert bleibt und beitragen kann.

In den vergangenen Jahren hatte ich das Privileg, viel von der Weltkirche kennen lernen zu dürfen. Bei Papstreisen etwa, nach Korea und Großbritannien, Israel, Deutschland, in die USA und gleich zwei Mal nach Kuba. Oder bei Besuchen der Weltkirche hier, zu ad Limina Besuchen oder den insgesamt sechs Bischofssynoden, bei denen ich dabei sein durfte.

Weltkirche in Rom

Das macht mich nicht zu einem Spezialisten für die Weltkirche. Aber es hat mich Geschmack finden lassen am Fragen und an der Neugierde. Es hat neue Horizonte gezeigt und mir beigebracht, das Fragen oft weiter bringen als Antworten. Oder dass man Fragen braucht, Fragen die man vorher vielleicht gar nicht hatte.

Diese Fragen bringe ich nun in die Kirche zurück, aus der ich komme. Und ich hoffe auch die Neugierde und die Einsicht, dass ohne Fragen die scheinbaren Selbstverständlichkeiten mich zu schnell wieder einholen. Eines hoffe ich mir zu erhalten: Die hart erworbene Einsicht, wie beschränkt notwendigerweise meine eigene lokale Perspektive bleibt. Selbst wenn ich unterwegs bin, dann füge ich vielleicht andere Perspektiven hinzu, lasse meine eigene auch in Frage stellen, wenn es wirklich gut geht. Aber es bleibt eine Herausforderung, die anderen zu hören und nicht die eigene kirchliche Erfahrung als Grundlinie zu setzen.

Ganz besonders war natürlich immer die Nähe zum Papst. Wobei Nähe nie hieß, dass ich dauernd mit ihnen Kaffee getrunken hätte. Sondern einfach, dass wir alles und auch wirklich alles verarbeitet haben, was von den zwei Päpsten, die ich hier erlebt habe, auf den Schreibtisch bekamen. Nicht nur das, was Agenturen für Nachrichtenwürdig halten. Sondern alles.

Bei beiden Päpsten war das aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht immer einfach, aber Päpste sind ja auch nicht da, uns das Leben einfach zu machen.

Das war wirklich ein ganz besonderes Privileg, das nun ein Ende findet. Mal sehen, was jetzt an diese Stelle rückt.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Rom, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Blog, Journalismus, Medien, Papst Franziskus, Papstbeobachter, Radio Vatikan30 Kommentare zu Papstbeobachter

Modernismus verkehrt herum

Veröffentlicht am 21. August 201921. August 2019
Anpassung an den Zeitgeist Und immer wieder geht es um Autorität in der Kirche: Petrusstatue im Petersdom

Es ist eine Verschwörung der Jesuiten! All die Neuerungen, Veränderungen, all das Abrücken von der Lehre der Kirche und die Anpassung an den Zeitgeist. Und die Jesuiten sind Schuld. Es war ruhig geworden um den ehemaligen Vatikandiplomaten Viganò, aber vor der Synode musste er sich noch einmal äußern.

Dahinter liegt die mittlerweile in vielen Variationen vorliegende Behauptung, es solle an der Lehre der Kirche herumgeschraubt werden. 2014 und 2015, bei den beiden Synoden zum Thema Familie, war das auch schon so. Eine kleine Elitäre Gruppe – Jesuiten, deutsche Bischöfe, Befreiungstheologen, suchen Sie sich was aus – sei dabei, die Lehre der Kirche zu untergraben.

Anpassung an den Zeitgeist

Nun kann und sollte man vielleicht auch über derlei Stuss einfach nur den Kopf schütteln. Was ich aber bemerkenswert finde ist die Tatsache, dass wir das mit uns machen lassen. Das Muster des Vorwurfs des Wandels, der Anpassung, der Zerstörung der Kirche wird laut in den Raum gerufen. Und wir lassen den Vorwurf einfach so stehen.

Es gibt ein ganzes Narrativ darum, dass es „progressiv“ genannte Kräfte in der Kirche gibt, welche (zur Familiensynode) die Familie zerstören und die Lehre der Kirche dazu aufgeben wollen. Dieselben wollten jetzt (zur Amazonassynode) häretische Ideen in die Lehre der Kirche aufnehmen.

Man lässt das mit sich machen

Und diejenigen, die an einer Inkulturierung von Kirche und Theologie ins Heute arbeiten, lassen das mit sich machen. Anpassung an den Zeitgeist? Das lässt man auf sich sitzen.

Tief in der kirchlichen Psyche drin scheint sich der Gedanke festgesetzt zu haben, dass es eine Änderung braucht, und dass man selber an einer Veränderung arbeitet. Man nimmt also irgendwie den Vorwurf auf, stimmt ihm sogar im Wesentlichen zu, schließlich kann es so nicht weiter gehen. Auf die Idee, dass das gesamte Narrativ nicht stimmt, kommen wenige.

Aber: es stimmt nicht. Es war immer schon Teil der Kirche, den empfangenen Glauben weiter zu geben. Zu tradieren. Und das geht nur dadurch, dass ich davon erzähle, in immer anderen Umständen, Kulturen, Sprachen. Natürlich gibt es immer eine Spannung zwischen dem übernommenen und Antworten auf neue Fragen, die in neuen Gewändern daher kommen, das spannende Buch von Michael Seewald „Dogma im Wandel“ erzählt die Geschichte dieser Spannung.

Geschichte einer Spannung

Um treu zu sein und in diesem Sinn zu bewahren, der muss auf veränderte Umstände inkulturierend reagieren. Und jegliche theologische Debatte kreist genau darum: was geht und was geht nicht, wo ist treue und was gibt die Bibel und die Tradition her. Und wo muss sich Kultur von Bibel und Lehre der Kirche kritisieren lassen? So geht Tradition und so geht Treue.

Wer hier im Gegenteil etwas an Kirche und Theologie verändert, das sind diejenigen, die laut ausrufen, für die Reinheit der Lehre und die Tradition der Kirche zu stehen. Das sind die wirklichen Neuerer, wenn wir so wollen die wirklichen Abweichler.

Die wirklichen Neuerer

Warum? Weil sie die Grunddynamik unseres Glaubens, die Menschwerdung, nicht einbeziehen. Gott wendet sich den Menschen zu. Wenn wir nicht dasselbe tun, dann verlieren wir den Bezug zum Zentrum unseres Glaubens.

Und ich würde sogar sagen: wenn man das Bewahren des Buchstabens als Haltung der Kirche einfordert, dann wird es destruktiv.

Und noch etwas: dieses Verhalten ist nicht etwa konservativ, es ist innovativ. Denn es gibt seinerseits Antwort auf Fragen, die drängen. Die Frage der Angst vor Veränderung, die Antwort auf Überforderung. Kurz: eine Reduktion von Komplexität und Kontingenz auf ein erträgliches – auch wenn verzerrendes – Maß.

Reduktion auf ein erträgliches Maß

In dem Sinn ist das hochmodern, und muss es ja auch sein, sonst würde sich kaum jemand dafür interessieren. Ich nenne das mal einen „verkehrten Modernismus“.

Das Modell ist eindeutig: der so genannte Anti-Modernismus, in der Lesart der selbsternannten Bewahrer die Verteidigung der Kirche und der Lehre gegen Sozialismus, Anpassung an den Zeitgeist und so weiter. Ein Kampf gegen finstere Mächte also, abgeschaut im Vatikan vor 100 Jahren.

Bewahren heißt pflegen

Deswegen: Diese Kräfte sind nicht konservativ. Wer etwas bewahren will, muss es pflegen, gegenwartsfähig machen.

Kirche war niemals in ihrer Geschichte – und auch dem Auftrag des Herrn nach – fixierend. Sondern immer sich wandelnd. Dem Auftrag Jesu treu bleiben heißt eben, die Botschaft von Menschwerdung Gottes und Erlösung in immer neue Zusammenhänge hinein zu verkünden. Es hieß niemals, eine Sozialform und eine Textform absolut zu setzen.

Das nächste Mal, wenn wieder einmal ein Kollege oder eine Kollegin in journalistischer Hilflosigkeit meint, von „liberal“ und „konservativ“ schreiben zu müssen, wo in wirklich kein „gut“ und „böse“ gemeint sind, bitte innerlich protestieren. So geht das nicht.

In journalistischer Hilflosigkeit

Nur ein Beispiel, eines das den selbsterklärten Bewahrern lieb und teuer ist: Autorität. Die lässt sich heute nicht mehr genauso legitimieren und erklären, wie noch vor 100 oder 50 Jahren. Die Verschiedenheit der Welt hat ihre Sprache gefunden und lässt sich nicht mehr von einer europäischen dominieren. Darauf muss auch die Kirche reagieren, der Papst nennt das Synodalität.

Jeder Versuch, darauf mit Zentralisierung zu reagieren, zerstört. Das ist eben nicht Bewahrung. Im Gegenteil. Der Autoritarismus der selbsterklärten Bewahrer ist eine Innovation, ist die wirkliche Veränderung, weil er die natürliche Bewegung der Kirche und des Glaubens nicht mitmacht. Die Grunddynamik des Glaubens ist Gottes Hinwendung zum Menschen, sichtbar in Jesu Hinwendung zum Nächsten, bis zu Tod und Erlösung in der Auferstehung.

Gottes Hinwendung, Jesu Hinwendung

Diese Hinwendung muss sich ins Kirchliche übersetzen. Das ist Bewahrung dessen, was der Auftrag der Kirche ist. Wer glaubt, alles schon zu wissen und sich auf diese seine Überzeugung zurück zieht, den nennt der Papst „in sich selber eingeschlossen“.

Die Beton-Form dieses Selbst-Einschlusses sind die Regeln und Normen, die einen gegen derlei Überraschungen absichern und im Fall eines Eintritts verteidigen sollen: „Die Norm gibt (…) die Sicherheit, sich überlegen zu fühlen, eine genaue Orientierung zu besitzen. Darin findet er seine Kraft, nicht im sanften Hauch des Geistes,“ sagt der Papst.

Bewahrung – das geht nur im Geist Gottes. Hier passiert die Weitergabe des Glaubensgutes. Wer das mit dem Verweis auf Autorität und Lehre der Kirche zu verhindern sucht, ist eben kein Bewahrer. Und nicht konservativ.

Das nächste Mal also bitte genau hinhören, wenn wieder jemand die Veränderung der Lehre der Kirche beklagt. Denn in der Klage und der dahinter liegenden Forderung nach Einheitlichkeit und Starre liegt die eigentliche Veränderung.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Dogma, Innovation, Jesuiten, Kirche, konservativ, Lehre, Papst Franziskus, Reform, Wandel62 Kommentare zu Modernismus verkehrt herum

Nein, wir sind nicht um den Altar versammelt!

Veröffentlicht am 18. August 201918. August 2019
Wie man nicht Messe feiert Messfeier

Wer ernst genommen werden will, der muss selber ernst nehmen. Alte Regel, weise Regel. Nur haben wir in der Kirche den Wert dieser Regel leider etwas verhüllt. Das Zentrum unseres Glaubens soll ja die Liturgie sein, das Lob und der Dank und die Feier. Allzu oft nehmen wir die aber nicht ernst. Und dann wundern wir uns, dass wir selber nicht mehr ernst genommen werden. Wir müssen wieder lernen, wie man nicht die Messe feiert, scheint mir.

Wie man die Messe nicht feiert

Ich gebe ja gerne zu, dass die Lücke zwischen Lebenswelt und liturgischen Zeichen und liturgischer Sprache oft klafft. Priester oder die Liturgie gestaltende Laien entfalten oft pädagogischen Eifer, um diese Lücke zu schließen. Aber damit muss man vorsichtig sein, denn das Ernstnehmen darf dabei nicht verschütt gehen.

Fallbeispiel gefällig? Nehmen wir das Äquivalent zur Text-Bild-Schere: Eine Messe in einer Kirche in Berlin, es ist heiß, die Türen sind offen. Der Priester lädt die Leute ein, sich zu setzen, betet dann aber: „Herr, wir stehen vor dir …“.

„Herr, wir stehen vor dir …“

Als Text-Bild-Schere bezeichnet man das Phänomen, dass ein Foto in einer Zeitung oder auf einer Webseite etwas von der Aussage des Textes völlig verschiedenes illustriert. Der Leser ist verwirrt. Genauso wie der Messbesucher. Ich saß in dieser Messe ziemlich weit vorne und hörte es kichern: offenbar wusste der Priester nicht, was er da sagte oder las nur Gebetsworte vor, die aber mit der Realität um ihn herum nichts zu tun hatten.

Worte und Realität müssen aber überein stimmen, das gilt auch und vielleicht gerade für Gebete. Ähnliches gilt auch für „wir haben uns um deinen Altar versammelt …“. Nein, haben wir nicht. Der Priester steht hinter dem Altar und die Gemeinde in Klassenzimmer-Atmosphäre davor, in Reih und Glied gesessen. Da ist nichts mit „um den Altar“.

Freestyle-Hochgebet

Ein anderes Beispiel: Freestyle-Hochgebet. Einschübe in diesen Teil der Messe sind fast schon normal geworden, man ändert hier was, oder da was. Nur leider knirscht es da immer mal wieder. Als Messbesucher möchte ich Messe feiern, nicht die Privatdevotion des Priesters. Und als Priester muss ich das ernst nehmen.

Unter Ordensleuten sehr beliebt zum Beispiel ist es, nach dem Gebet für den Papst, die Bischöfe und Priester die Ordensleute einzuschieben. Die da nichts zu suchen haben. Hier geht es nicht um Wichtigkeit oder Respekt, hier geht es theologisch um Ämter. Und Ordenschrist zu sein ist kein Amt. Ordensleute hier einzuschieben ist ein krasses Beispiel von Klerikalismus, der zwar unschuldig daher kommt, aber um so spaltender wirkt. Und Leute in die Hierarchie hinein nimmt, die da vielleicht gar nicht hinein wollen.

Gitarren haben am Altar nichts zu suchen

Die Spannung besteht wie oben angemerkt zwischen Vermittlung und Näherbringen auf der einen und Ernstnehmen auf der anderen Seite. Wenn ich möchte, dass das, was ich als Priester tue, ernst genommen wird, dann muss ich der erste sein, der genau das tut.

Gitarren haben am Altar nichts zu suchen. Versammlungen von Brillenetuis, Taschentuch-Packungen und Blumengestecken auch nicht. 

Dadurch schaffe ich nur eins: eine Schere. Die Dinge passen nicht mehr zusammen. Und ich erwarte – Stichwort „um den Altar versammelt“ – dass die Leute etwas anderes glauben als das, was sie sehen und wahrnehmen.

„Heruntergefeierten Liturgie“

Viele Klagen gehen derzeit in Richtung der „heruntergefeierten Liturgie“. Zu Recht. Das zu vermeiden bedeutet aber, Liturgie ernst zu nehmen und zu füllen. Und die mitfeiernden Gläubigen ernst zu nehmen.

In meinen frühen Ordensjahren hatte ich mal einen Oberen, der uns jung-Ordensleuten auf dem Weg zum Priestertum beibrachte: „wer nicht gemeinsam Essen kann, der kann auch nicht Eucharistie feiern“. Da ist was dran. Gemeinschaft, Stil, Rituale, Wertschätzung, sich Zeit lassen: wenn ich das beim gemeinsamen Essen nicht kann, dann fehlt das auch in der Messe.

Und wer sich keine Mühe gibt, darf sich nicht wundern, wenn Gäste nicht mehr kommen.

Zugegeben, wie man die Messe nicht feiert ist einfach zu sagen. Schwierig wird es, das Ganze positiv zu formulieren. Meckern kann jeder. Deswegen mein Hinweis auf das gemeinsame Essen. Nicht nur, weil Eucharistie ja von einem gemeinsamen Mahl ausgeht, damals in Jerusalem. Sondern auch, weil es eine Form von sinnstiftender Gemeinschaft ist, wie eine Liturgie sie auch sein soll. Und will.

Ernst nehmen, sich selber, die Liturgie, die Mitfeiernden, das alles ist da ein guter Anfang.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Gesten, Glaubwürdigkeit, katholische Kirche, Liturgie, Messe16 Kommentare zu Nein, wir sind nicht um den Altar versammelt!

Denken in Wellen

Veröffentlicht am 14. August 20199. August 2019
Immer wieder neu Kunst von Jean Tinguely in Fribourg in der Schweiz, in seinem Museum voll von klappernden und sich bewegenden Dingen

Nichts Neues, aber immer wieder neu: Es ist merkwürdig, wenn man eines dieser längeren Papstinterviews liest. Vergangene Woche war es wieder soweit, La Stampa hatte den Papst interviewt. Hauptthemen waren Europa und der Dialog, und die Amazonassynode. Wobei beide Themen weit umkreist wurden, es ging um Politik, Flüchtlinge, Nationalismus, Proteste, Umweltschutz, Schöpfung und vieles mehr.

Aber Hauptpunkte waren eben der Dialog und die Schöpfung anhand der Synode. Insgesamt alles Ideen, die wir alle irgendwie schon einmal gehört oder gelesen haben. Aber die in der Zusammenstellung dann doch wieder ein genuiner Beitrag des Papstes zur Debatte sind.

Immer wieder neu

Kennen Sie die Kunst von Jean Tinguely? Wie die auf dem Foto oben. Wobei, Fotos passen nicht mal annähernd. Bei Tinguely klappert es, es bewegt sich, es ist laut und lustig, aber produziert wird nichts. Das ist Bewegung um der Bewegung willen, zwar gibt es immer Neues zu entdecken, je nach Perspektive ergibt sich ein ganz neues Kunstwerk, aber eben nichts Neues.

Nicht wenige denken von Papst Franziskus, dass er genau so sei wie ein Kunstwerk von Tinguely. Viel Aktivität, aber nichts kommt dabei heraus. Faszinierend, interessant, spannend gar wenn man sieht was da alles ineinander greift und wie auf was einwirkt. Aber es werde eben nichts verändert. Und so spräche – so übertrage ich das einmal – Papst Franziskus mal wieder im Appell-Charakter über Dialog und so weiter, aber wirklich produziert würde nichts.

Verändert sich eigentlich was?

Nein, das ist kein Tinguely-Papst. Aber er ist eben auch kein Umwerfer. Er entzieht sich dem Effizienz-Denken. Und ist auch niemand, der erst mal in Strukturen denkt (was ihn vor allem den Deutschen ineffizient erscheinen lässt).

Nehmen wir das Interview in La Stampa: die Themen sind nicht neu, aber in der Zusammenstellung wird eine Konversation daraus. Wer sich Neuheit erwartet, News, wer nur auf den skandalträchtigen Nebensatz wartet, der wird enttäuscht. Oder nein, dann doch nicht, als Lateinamerikaner nicht unbedingt mit deutschen Sensibilitäten ausgestattet wagt er, sich an Hitler erinnern zu lassen.

Aufgeregtheiten beiseite

Aber lassen wir die kleinen Aufgeregtheiten beiseite, dann bieten sich einige Themen an. Europa und der Dialog zum Beispiel. Es gebe zu viel Monolog, zu wenig Offenheit für andere Kulturen. Identität dürfe nicht abschließen, sondern brauche die Offenheit für andere Identitäten. Nationalismus – die organisierte Form des Abgeschlossenseins – führe letztlich zum Krieg. An dieser Stelle muss man den „Dritten Weltkrieg in Stücken“ mitdenken. Populismus? „Dasselbe“

Thema Zwei ist Migration und Flucht: Sein Aufruf zur Kreativität im Umgang ist auch ein Abweisen der schnellen und vermeintlich klaren Lösungen, geschlossene Häfen und so. Die von ihm konkret genannten Ideen lassen sich nicht ohne weiteres auf unsere Länder übertragen, aber hier in Italien gibt es da schon einige Beispiele.

„Das Kind von Laudato Si‘“

Und das dritte Thema: Die Synode, „das Kind von Laudato Si‘“, wie er es nennt. Keine „grüne“ Enzyklika habe er geschrieben, sondern eine Sozialenzyklika, und auch bei der Synode gehörten Armutsfragen und Umweltfragen zusammen. Die Schöpfung Gottes lässt sich eben nur als Gesamt betrachten, wie auch die Umweltfrage Auswirkungen habe auf die sozialen Fragen.

„Absolut nicht“: seine Antwort auf die Frage nach den Viri Probati bei der Synode. Er will seine Synode nicht auf wenige Aufreger-Themen beschränkt sehen, eine Taktik die Freund und Feind gerne bemüht um das Projekt Synode zu unterlaufen und in die eigene Richtung zu drehen.

Keine News für die Kollegen

Das wären sie also, die Themen des Interviews. Keine News für die Kollegen. Aber etwas Anderes. Nämlich eine Konversation. Und deswegen immer wieder neu. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann geht das nur über Änderungen von Haltungen. Und das geht nur über Dialog, über Gespräch, über Konversation.

Die bietet der Papst an. Seine Ideen kommen in Wellen, etwas ist wichtig und wird über einige Wochen immer wieder genannt, dann flaut die Intensität ab, um danach wieder in neuen Zusammenhängen genannt zu werden. So setzt der Papst seine Themen und so pflegt er sie.

Wer das Spektakuläre sucht oder nur auf Kontrast setzt, wird mit ihm nicht glücklich. Wer den Machtgestus will, auch nicht. Der Papst hat seine Ideen, wie gesagt in Wellen. Nachhaltigkeit im Wandel – so scheint er uns sagen zu wollen – gelingt nur über tiefgreifenden Wandel, eben über die haltung. Oder religiös gesagt (immer wieder auch vom Papst): über Bekehrung.

Steter Tropfen hingegen bringt was. Konversation, Dialog, immer wieder vorbringen. Der Mensch lernt halt nicht durch Variation, sondern durch Wiederholung. Eine Pädagogik, die Papst Franziskus beherrscht. Wenn wir denn mitmachen wollen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Amazonien, Denken, Dialog, Europa, Kunst, Papst Franziskus, Papstinterview, Schöpfung, Synode, Themen, Tinguely5 Kommentare zu Denken in Wellen

Die Götter strafen nicht

Veröffentlicht am 11. August 20198. August 2019
Eine neue Religion Das Alte und das Neue: Galleria Nazionale dell'Arte Moderna, Roma

Eine neue Religion? Hier im Blog ist zu einem Artikel die Rede von Peter Sellars in Salzburg diskutiert worden, was mich neugierig gemacht hat. Da sei die neue, säkulare Religion greifbar geworden und ähnliche Kommentare waren zu lesen. Das hat mich neugierig gemacht. Also habe ich die Rede – mit Verspätung – etwas intensiver gelesen.

Der Hauptpunkt war schnell identifiziert: keinerlei Rekurs auf das christliche Erbe. Stattdessen Rückgriff auf die antiken Mythen und deren Verarbeitung durch die Aufklärer, in Sellars Fall ist es Mozart. Und das wird dann auf unsere Zeit und da vor allem auf die Umweltzerstörung angewandt, in ganz großem Stil. Habe ich das in aller ürze so richtig erfasst?

Eine neue Religion?

„Die Stimmen der Vorfahren hören“: Das ist das Programm der Rede von Peter Sellars zu Beginn der 99. Salzburger Festspiele. „Die Stimmen der noch ungeborenen Kinder hören, unsere eigenen inneren Stimmen hören“.

Was mir dabei auffällt ist zuerst die atemberaubende Sicherheit, mit der er festzustellen scheint, dass es das Böse nicht gibt. Klassische Tragödie, Buddhismus und Hinduismus seien die Zeugen. Und hier ist tatsächlich eine klare Bruchlinie zu allem, was wir christlich nennen können. Gibt es das Böse, gibt es Sünde? Wenn nein – und das scheint mir Sellars Ansatz zu sein – dann hängt alles von uns selber ab. Dann ist Erlösung von all dem Schlimmen bei uns und nur bei uns zu suchen.

Erlösung selbstgemacht?

Nun ist das was Sellars da macht alles andere als neu. Und so eindeutig auch nicht. Es tut schon etwas weh, wie er Klassiker, Mozart und Plastik im Ozean in einen Gedankengang zwingt. Es ist nicht neu, weil es die Geistesgeschichte Europas immer begleitet hat. Wir nennen es die Gnosis, die Selbsterlösung durch Wissen. Oder eine andere Variante: Der Pelagianismus, die Selbsterlösung durch das Tun. Auch ich überzeichne hier, aber um den Kern zu erfassen darf ich das an dieser Stelle mal.

Beides übrigens –ismen, die sich immer auch in christlichen Varianten gefunden haben, bis heute streitet der Papst immer und immer wieder gehen ihre neo-Formen.

Vieles was Sellars da sagt kann ich selber unterschreiben. Vielleicht nicht genau so, aber die Richtung stimmt. Mir entspricht zwar die Weise, wie unser Papst darüber spricht, eher, aber das wird nicht wirklich verwundern. Aber die mahnenden Worte weisen – wie ich finde – schon in die richtige Richtung.

Gibt es Sünde?

Aber spannend wird es eben bei der oben angedeuteten Frage, ob es Sünde und Böses gibt oder nicht. Davon hängt auch die Frage ab, ob es Vergebung, Gnade, Erlösung geben kann oder nicht. Sellars sagt ausdrücklich, dass das klassische griechische Theater erfunden wurde, um den Bürgern von Athen zu zeigen, dass das Böse („evil“) nicht existiert.

Da lese ich viel von Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“ heraus. Sellars geht aber weiter und legt seine These vor, dass es das Böse nicht gebe, sondern nur Unwissenheit.

Wissen ist also Überwindung des Schlimmen. Dem widerspricht die Praxis: wie wissen eigentlich alles, was wir brauchen, trotzdem tun wir nicht das nötige. Deswegen muss sein Anliegen letztlich in moralischen Apellen stecken bleiben. Und auch seine Idomeneo-Deutung bleibt so moralisch, ein Apell.

Es bleibt bei der Moral

Der christliche Gedanke läuft dazu parallel. Wir lesen bei Paulus: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der es bewirkt, sondern die in mir wohnende Sünde“ (Römer 7). Aber Paulus spricht explizit von Sünde, es gibt es also, das Böse. Die Sünde.

Sellars These entnimmt der dem Buddha: Die Wahrheit des Leidens führt zur Erkenntnis und zum Such nach dem Weg zur Besserung. Christen setzen dagegen: „Das wahre Heil des Menschen besteht nicht in Dingen, die er von sich aus erlangen könnte”.

Sind Christen besser?

Die Rede selber habe ich nicht gehört, ich kann also nichts über die rhetorische Leistung sagen. Aber als gelesener Text finde ich sie so spektakulär nicht. Hier spricht ein Künstler, der Transparenz nicht kennt. Das ist sein gutes Recht und seine Entscheidung.

Ist das dann schon eine neue Religion, die Religion von heute? Eher eine schon etwas ältere Religion. Oder Weltanschauung. Gnosis eben.

„Der Gnostizismus ist nicht fähig zur Transzendenz. Der Unterschied zwischen der christlichen Transzendenz und jeder Form eines gnostischen Spiritualismus liegt im Geheimnis der Menschwerdung,“ sagt der Papst. Macht das dann schon Christen zu besseren Menschen? Auf keinen Fall. Wir sind genauso an der Zerstörung der Welt beteiligt wie alle anderen auch. Weswegen wir die Synode zu Amazonien brauchen, weswegen es sich immer noch lohnt, Laudato Si‘ zu lesen und so weiter.

Sellars sagt, dass die Tragödie uns erzählt dass die Götter nicht strafen, sondern dass wir uns das alles selber einbrocken. Wir Christen nennen das Sünde. Und deswegen ist unser Weg nicht der des Ansammelns von Wissen, auch wenn das nötig ist. Aber es bleibt nur Mittel. Unser Weg ist der der Umkehr. Und der braucht Gott und Gottes Gnade. Von selbst aus können wir das alles nämlich nicht schaffen.

 

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Unharmonische Stimmen auf dem Weg zur Synode

Veröffentlicht am 7. August 20197. August 2019
Widerspruch gehört zur Debatte Bischofskirche von Itaituba, Amazonien

Framing nennt man es, wenn vor einem Ereignis die Wahrnehmung und damit Deutung desselben beeinflusst oder bestimmt werden soll. Und Framing erleben wir gerade, in Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober in Rom. Widerspruch gehört zur Debatte, und das ist auch gut so. Hier passiert aber gerade mehr.

Framing, das ist sozusagen ein „Sprechen als ob“, als ob schon entschieden wäre, was das Ergebnis ist. Debatten werden entschieden, noch bevor sie begonnen sind.

Widerspruch gehört zur Debatte

An dieser Stelle habe ich einen Einspruch gegen das, was Papst Franziskus vorhat, ja schon kommentiert. Die Rückmeldung war, dass mein Text ziemlich hart gewesen sei, aber nach wie vor stehe ich dazu. Wer für etwas eintritt und argumentiert, ist herzlich willkommen. Wer aber erst mal dem anderen Unehrlichkeit unterstellt, der nicht.

Aber wie mit diesen Einwürfen umgehen? Das ist schwierig, denn sie verlegen ja die Debatte über die Themen auf die Debatte über die Deutungshoheit über Kirche und Themen, sie machen daraus also eine Autoritätsfrage. Indem man da mitmacht, gibt man bereits den ersten Punkt auf, nämlich die Forderung erst einmal zuzuhören bevor man Urteile fällt.

An dieser Stelle mag ich trotzdem diese Debatte aufgreifen, denn es gibt sie ja, wegschauen ist auch keine Lösung. REPAM – das Amazonas-Netzwerk der katholischen Kirche – hat dazu einen spannenden und an Deutlichkeit nichts vermissen lassenden Artikel von Pater Victor Codina veröffentlicht,

Wegschauen ist auch keine Lösung

Es darf nicht überraschen, dass es „unharmonische“ Stimmen gibt, denn das war schon immer so, sagt Codina. Die Einsicht eines historisch Gebildeten macht den Anfang. Von Galater 2:14 bis zu den Auseinandersetzungen um die beiden Vatikanischen Konzilien, die Kirchengeschichte ist voll von Widerspruch und Auseinandersetzung.

Widerspruch sei aber nicht gleich Widerspruch, es gebe prophetische stimmen, aber auch reaktionäre. Da müsse man genau hinschauen, nicht alles führe weiter. „Gegenwärtig gibt es eine starke Oppositionsgruppe gegen die Kirche des Franziskus“, Codina geht es aber nicht um Namen, ihm geht es um die theologischen Hintergründe.

Zwei Kritiken am Papst sieht Codina: „Die theologische Kritik geht von der Überzeugung aus, dass Franziskus kein Theologe ist, sondern aus dem Süden, aus dem Ende der Welt kommt und dass dieser Mangel an theologischer Professionalität seine Ungenauigkeiten und sogar seine Lehrfehler erklärt.“ Implizit werden deswegen Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gegen ihn in Stellung gebracht.

Theologie, die von Realität ausgeht

Seine Vermutung: „Was seine Kritiker wirklich stört ist, dass seine Theologie von der Realität ausgeht, von der Realität der Ungerechtigkeit, der Armut und der Zerstörung der Natur und der Realität des kirchlichen Klerikalismus.“

Codina hat eine lange Liste der „Ärgernisse“ an diesem Papst. Dieser sehe die Armen als einen „locus theologicus“, also als Quelle theologischer Erkenntnis. „Offensichtlich ist es nicht so, dass er kein Theologe ist, sondern dass seine Theologie pastoral ist“, schließt Codina daraus.

Seine Theologie sei außerdem nicht kolonial, sondern aus dem Süden. Dieser kurze Satz verdient eigentlich etwas mehr Raum, denn er berührt eine wunde Stelle. Mir sind bei meinen beiden Aufenthalten in Lateinamerika – sieben Monate in Chile, zwei Wochen Journalistenreise in Amazonien – immer wieder die Vorwürfe an den Westen begegnen, zu kolonisieren. Westliche Denkmodelle würden Unterwerfung verlangen, und das sei Kolonisierung. Das Dokument von Aparecida der Bischöfe des Kontinents spricht ausdrücklich davon.

Koloniale Theologie

Codina sieht sehr richtig dass die Kritik an der Synode und deren Themen eigentlich dem Papst gilt, direkt von Anfang des Artikels an macht er das sehr klar. Oder vielleicht besser: Die Kritik, die ihn beschäftigt, ist die welche unter dem Mantel der Synoden-Kritik den Papst treffen will.

Dabei sei das wofür er stehe „in vollkommener Übereinstimmung mit der prophetischen und biblischen Tradition sowie der Soziallehre der Kirche“. Das gelte vor allem für das Projekt der Synode zum Amazonasgebiet, sagt der Theologe in seinem Artikel.

„Einige hohe kirchliche Würdenträger haben gesagt, dass das Vorbereitungsdokument der Synode ketzerisch und pantheistisch ist und die Notwendigkeit der Erlösung in Christus leugnet“, zitiert Codina. Andere konzentrierten sich auf die Zölibatsfrage, bringen damit aber die Realität der Zerstörung, der Ausgrenzung und Bedrohung von indigenen Völkern zum Schweigen.

Für den Norden geschrieben

Die Kritik habe Adressaten, sagt Codina schließlich, sie richte sich an Gruppen im Norden. Was implizit wahrscheinlich die wichtigste Einsicht ist: die Kirche des Nordens kann sich nicht zurücknehmen, kann nicht zuhören um vielleicht etwas zu lernen. Sie kann die Hoheit über die Definition, was nun theologische Erkenntnisquelle sei, nicht aufgeben. Das sei die Quelle all der Kritik.

Und genau hier tut der Text von Codina gut. Oder weh, je nachdem.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im InternetSchlagwörter Amazonien, Bischofssynode, Debatte, Kirche, Papst Franziskus, Synodalität27 Kommentare zu Unharmonische Stimmen auf dem Weg zur Synode

Wider die lähmende Traurigkeit: Papst Franziskus schreibt Priestern

Veröffentlicht am 4. August 20194. August 2019
Priester und Missbrauch Abschluss des Priesterjahres, Mein Blick auf den Petersplatz Juni 2010

Es ist zehn Jahre her, dass im Vatikan das „Jahr des Priesters“ begangen wurde. Benedikt XVI. hatte es einberufen und damals von einem „neuen Frühling“ gesprochen. Wir alle haben nicht geahnt, dass es gerade in diesem Jahr zur Aufdeckung von so viel Missbrauch und dem Beginn einer immer noch andauernden Debatte um Macht in der Kirche kommen würde. Priester und Missbrauch, das wurde das Thema.

Papst Franziskus schreibt zehn Jahre nach diesem Priesterjahr allen Priestern einen Brief. Und er spricht den Missbrauch direkt und als erstes an. So verliebt unsere kirchliche Öffentlichkeit auch in die Zölibatsdebatte ist, es ist der Missbrauch, der das Leben von so vielen Priestern prägt. Selbst wer sich nie etwas zu Schulden hat kommen lassen, wer treu und hingebungsvoll arbeitet, der muss sich damit auseinandersetzen. Und nicht selten wird er mit den Tätern und den Wegschauern in einen Topf geworfen.

Priester und Missbrauch

Papst Franziskus tut in seinem Brief zwei Dinge. Erstens dankt er ausführlich und ausgiebig. Das ist der Beginn und das Ende und auch mit einer kleinen Dank-Litanei das Mittelstück des Briefes. Viele Priester sagen ja, dass sie vom Papst immer nur Kritik hören, Kritik am Klerikalismus und so weiter (ein Wort, dass in dem Brief nicht fällt). Dank ist wichtig, Wertschätzung ist wichtig, und das tut Franziskus ausführlich.

Zweitens aber zieht sich durch den Brief auch der Schmerz und die damit verbundene lähmende Traurigkeit. Vorsichtig spricht der Papst über das wieder gewinnen von Mut und Lebensfreude, von den Herausforderungen der Traurigkeit und von Gebet und Nähe zur Gemeinde.

Keine fertigen Rezepte

Er geht von Schwierigkeiten aus, vor allem von der Lähmung, bietet aber keine fertigen Lösungen an, wie mit dieser „Traurigkeit“ umzugehen ist, nur Wege dahin.

Anders beim Missbrauch selber, hier sind die Worte deutlich: „Wenn in der Vergangenheit die Unterlassung zu einer Form der Antwort werden konnte, so wollen wir heute, dass die Umkehr, die Transparenz, die Aufrichtigkeit und die Solidarität mit den Opfern zu unserer Art und Weise werden, Geschichte zu schreiben, und uns helfen, aufmerksamer zu sein gegenüber allem menschlichen Leiden.“ Die „Kultur des Missbrauchs“ dürfe keinen Platz haben, dafür arbeite er an der „Umsetzung der notwendigen Reformen“.

Geistliche Aussage

Die Aussagerichtung des Papstes ist und bleibt aber geistlich. Der Einsatz gegen Missbrauch gehört hier hinein, genauso wie das Überwinden der Lähmung, die einen bei der Debatte überfallen kann.

Papst Franziskus legt keinen Entwurf fürs Priestersein vor, keine Vision, kein Projekt. Er leitet geistlich, er hilft auf dem Weg, er ermutigt. Einfacher werden Priester, davon ist der Papst überzeugt. Die Krise, der Schmerz und die Scham werden zu einer Erneuerung führen. Aber nicht durch ein Hauruck, sondern geistlich, allmählich. Durch Umkehr, Gebet und Gemeinschaft.

Papst Franziskus bietet keinen Beitrag zur Zölibatsdebatte oder zur Weihe von Frauen, das ist überhaupt nicht sein Thema. Er will denen schreiben, die Priester sind ihnen geistlich helfen. Als Bischof, weswegen der Brief als Ortsmarke auch seine Bischofskirche trägt, nicht den Vatikan. Hier wird nichts festgelegt, hier wird ermutigt und vor allem gedankt.

Einen „neuen Frühling“ haben wir noch nicht. Aber Papst Franziskus erinnert (uns Priester aber dann auch alle) daran, dass aller Umgang mit den schwierigen Themen auch immer geistlich sein muss.

 

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Auf allen Kanälen

Veröffentlicht am 3. August 20192. August 2019
Instagram Kanal der deutschsprachigen Jesuiten Erster Tag des #takeover: Messe der Jesuiten zum Ignatius-Fest

Für einige Wochen bei Instagram: Außer meinem normalen Kanal mit Bildern #aufdemwegzurarbeit bin ich in diesen Tagen auf einem zweiten Kanal unterwegs, bei einem so genannten Takeover. Der Instagram Kanal der deutschsprachigen Jesuiten ist meiner. Für einige Wochen.

Die Idee dahinter ist einfach: ein wenig Einblick schaffen in den Alltag eines Jesuiten, per Foto. Den Beginn habe ich ausgerechnet am Fest des Ordensgründers machen können, wir römischen Jesuiten feiern an dem Tag gemeinsam in der Kirche Messe, in der Ignatius auch begraben liegt.

Instagram Kanal der deutschsprachigen Jesuiten

2013 hat Papst Franziskus mit uns gefeiert, das hatte was ganz besonderes, aber auch in diesem Jahr ist es sowas wie der Höhepunkt des Jesuitenjahres. Jedenfalls für diejenigen, die in der Sommerzeit in Rom geblieben sind.

Und dann geht es weiter: Wohnen, arbeiten, Mitarbeiter, Wege, all das was den Alltag so ausmacht. Zu besichtigen bei Instagram auf dem „Jesuiten“ Kanal. Wenn Sie Lust haben, schauen Sie doch mal vorbei.

 

 

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