„Ich rufe alle auf, großherzig und mutig die Anregungen dieses Dokuments aufzugreifen, ohne Beschränkungen und Ängste“: Das war der Appell des Papstes zu Beginn seines Schreibens Evangelii Gaudium vom Herbst 2013. Ohne Beschränkungen und Ängste: da kann ich gar nicht anders als an das anstehende Projekt des synodalen Weges denken. Das drängt sich sozusagen auf.
Für einen Vortrag habe ich das Schreiben des Papstes in den Weihnachtstagen noch einmal gelesen. Das ist immer noch sehr aktuell und bemerkenswert frisch, frischer vielleicht sogar als Ansprachen und Reden des Papstes jüngeren Datums. Da hat der damals neue Papst was vorgelegt, was immer noch gilt. Und das wir verstehen und nachvollziehen können.
Ohne Beschränkungen und Ängste
Es soll aber hier noch einmal um den synodalen Weg gehen. Ende kommender Woche – am 30. Januar – beginnt ja die erste Vollversammlung. Dazu könnte ich an dieser Stelle jede Menge Zitate aus Evangelii Gaudium anführen. In dem Papstschreiben steckt so einiges drin. Zum Beispiel bei der Zuordnung von Reform und Ziel der Reform:
„Die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des „Aufbruchs“ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet.” (EG 27)
Der ganze Streit darum, ob nun die Reformen oder die Verkündigung Sinn des synodalen Weges sein soll, wird damit hinfällig.
Reform der Strukturen
Oder seine immer und immer wieder vorkommenden Appelle, die Versuchungen in uns drin wahrzunehmen. Gerne karikiert der Papst Fehlformen des Christlichen, gerne auch in bunten Metaphern. Das ist aber nie eine Einladung, darin die Fehler der anderen zu erkennen. Man muss schon auf sich selber schauen, damit das wirksam wird.
Oder sein Verweis auf die Kernfrage bei allen anstehenden Reformen: Lösungen wird und kann es nur aus dem Glauben heraus geben. Funktionale Lösungen bringen nicht den gewünschten Erfolgt, sie machen die Struktur vielleicht effizienter und damit die Lösung auch notwendig, das Ganze ist aber nur ein Schritt, nicht die Lösung.
Und genau das ist es ja auch, was der Papst der deutschen Kirche in seinem Brief mitgegeben hat: die Betonung der Struktur, die Engführung von Reformdebatten auf Einzelentscheidungen, das ist irgendwie unser Umgang mit Problemen. Und der reicht eben nicht, die weltkirchliche Perspektive des synodalen Weges ist weniger im Verweis darauf zu suchen, dass einige Fragen nicht lokal zu lösen sind. Sie liegt eher darin, dass wir vielleicht davon lernen können und sollen, was woanders geschieht.
Lernen von den anderen
Ja, es gibt auch Einzelfragen, die bei uns debattiert werden, die aber in Evangelii Gaudium entschieden sind: „Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht, kann aber Anlass zu besonderen Konflikten geben, wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit der Macht verwechselt wird“ (EG 104). Da ist beides drin, sowohl die Antwort als auch die Notwendigkeit, über die Verwechslung zu sprechen.
Der mir im Augenblick wichtigste Punkt aber kreist um die Frage, wie mit Konflikten umzugehen ist. Denn von denen gibt es viele, berechtigte, mitunter zu scharf formulierte. „Der Konflikt darf nicht ignoriert oder beschönigt werden“, sagt der Papst. „Man muss sich ihm stellen. Aber wenn wir uns in ihn verstricken, verlieren wir die Perspektive, unsere Horizonte werden kleiner, und die Wirklichkeit selbst zerbröckelt. Wenn wir im Auf und Ab der Konflikte verharren, verlieren wir den Sinn für die tiefe Einheit der Wirklichkeit“ (EG 226).
Der Konflikt darf nicht beschönigt werden
Der Papstbrief zum synodalen Weg zitiert genau diese Stelle aus Evangelii Gaudium. Dem Papst ist also wichtig, dass die streitlustige deutsche Kirche das auf die Agenda nimmt. Und im Brief fügt er an: „Die synodale Sichtweise hebt weder Gegensätze oder Verwirrungen auf, noch werden durch sie Konflikte den Beschlüssen eines „guten Konsenses“ (…) untergeordnet“.
Und letztens darf auch nicht die Grundmelodie fehlen, die alles Denken und Sprechen von Papst Franziskus durchzieht und prägt: Die Aufforderung zur Bekehrung. Wer wirklich verändern will der kann das nur von Gott her tun, aus der Begegnung mit Jesus Christus. Und das heißt immer auch Bekehrung.
Und diese Begegnung hat dann eine Kraft, die wir selber nicht mehr kontrollieren können: „Der Sohn Gottes hat uns in seiner Inkarnation zur Revolution der zärtlichen Liebe eingeladen“ (EG 88). Hier liegt der Motor für all das, was der synodale Weg in der kommenden Woche anfangen möchte.