Viel ist während des Papstbesuches auf Kuba über das Engagement der Kirche in der Gesellschaft gesprochen worden und über die relative und wachsende Unabhängigkeit der Kirche. Ein Beispiel dafür ist eine Zeitschrift, die die katholische Kirche unterhält. Ich habe mich mit Orlando Marquez Hidalgo unterhalten, dem Direktor des Monatsmagazins Palabra Nueva, dem ‚Neue Wort’, einer Zeitschrif, die in wenigen Monaten ihren 20. Geburtstag feiern wird. Vor unserer Ankunft hier wurde uns gesagt, es sei eine offene Stimme, respektiert und gelesen. Warum ist das so? Und: Wie kann man in Kuba gesellschaftliche und politische Debatten führen?
Auf den ersten – westlichen – Blick sieht Ihre Zeitschrift nach wenig aus. Aber Sie haben mir aber gesagt, dass es das hauptsächliche Medium der Kirche sei, die Situation der Gesellschaft Kubas zum Thema zu machen. Was bedeutet es für die Kirche, solch ein Magazin zu unterhalten?
„Es ist eine gute Weise, in der die Kirche den Kontakt zur Gesellschaft halten kann, vor allem mit den Katholiken, dann aber auch mit der außerkirchlichen Welt. Seit der Gründung haben wir immer Themen aufgegriffen, die nicht nur religiös waren, sondern sozial, kulturell, wirtschaftlich oder politisch, eben alle Themen, die für die Kirche von Interesse sind. Die Katholiken können hier Fragen und Antworten finden, die man in den offiziellen Medien nicht findet.“
Wenn ich hier in der Vorbereitunsausgabe zum Papstbesuch blättere, finde ich unter anderem einen Artikel über Angela Merkel und die Euro-Krise, Betrachtungen zu Heiligen und zu bürgerlichen Tugenden, aber auch ein Vergleich der Fußballvereine Real Madrid und FC Barcelona und ein Artikel über einen in Lateinamerika berühmten katalanischen Komponisten. Was wollen Sie damit erreichen?
„Das erlaubt uns, dass die Kirche einen weiteren, ernsteren und direkten Kontakt mit der Gesellschaft hat, auch außerhalb der Kirche. Ich erinnere mich daran, als wir im April 1992 damit begannen, vor fast genau 20 Jahren. Unsere Motivation kam damals von der Idee Johannes Paul II. zu einer neuen Evangelisierung: Neu im Eifer, neu in den Methoden, neu in seiner Form. Die Kirche hatte bis dahin keinen Zugang zu Medien. Ich glaube, dass das „Neue Wort“ mit mehr oder weniger Erfolg diese Aufgabe, die uns der Papst und die Kirche Kubas gegeben hat, erfüllt.“
Neuevangelisierung braucht neue Mittel, warum haben Sie sich damals für eine Zeitschrift entschieden und sind dabei geblieben, wo es doch auch noch andere Mittel gibt?
„Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und einige sagen, dass wir ein Medium nutzen, das bereits der Vergangenheit angehört, nämlich das des Drucks, wo doch das Internet alles ablöst. In Kuba ist das aber noch sehr wichtig. Das Internet und die sozialen Netzwerke sind immer noch weit weg von der sozialen Realität des Landes. Wenige haben Zugang dazu, und deswegen ist unser Magazin so wichtig.“
Wie wichtig ist das Magazin genau für die Gesellschaft Kubas?
„Wenn das Magazin einen Wert hat, dann zeigt sich der darin, dass es gelesen und nachgefragt wird von Menschen aus allen Teilen der kubanischen Gesellschaft. Wir haben hier eine Art Brücke gebaut, wo sich über die Lektüre Menschen treffen können, die verschieden denken. Wenn wir etwas kritisieren, dann gibt es auch immer einen Gegenvorschlag. Das ist ein Kompromiss, den wir eingehen, damit wir Teil der Lösung sein können. Und deswegen wertschätzen und respektieren uns die Leute.“