Mit einem Beitrag über Bilder habe ich mich hier in den Urlaub verabschiedet, mit einem Beitrag über Bilder melde ich mich auch wieder zurück. Bevor nun der Anlauf zur Bischofssynode im Oktober beginnt, der mich sicherlich beschäftigen wird, ein Museumsbesuch: Marlene Dumas – The Image As Burden. Eine Ausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam.
Vorweg: sehr sehenswert. Eine südafrikanische Künstlerin die in den Niederlanden lebt und auf dem Kunstmarkt sehr gefragt ist. Und in diesem Fall weiß der Markt, was er tut.
Gleich im Eingang schaut einen das Gesicht eines bärtigen glatzköpfigen Terroristen an – ein bekanntes Pressebild – mit der Unterschrift „Nachbar“. Es hat etwas von Typen, was auf den Bildern zu sehen ist. Und es ist immer etwas irritierend, spätestens beim Blick auf die Titel.
Dumas malt von Fotografien aus, aber vom Anspruch eines abbildenden Realismus bleibt wenig übrig. Wie auch bei Francis Bacon sind die Fotos nur Vorlagen, in ihren Bildern ist anderes zu sehen als eine Erkennbarkeit.
In einer Serie von Bildern zeigt sie eine „Typoskopie“, Bilder von Fotos weiblicher „verrückter“ Menschen, wie sie im 19. Jahrhundert klassifiziert wurden. Sie zeigt in der Serie „Modelle“ ganz und gar nicht die hochglanz-Vorstellungen der Modewelt.
Es geht Dumas immer um den menschlichen Körper, abgebildet fast immer ohne Umgebung, es geht um Bedeutung und Schwere, und vor allem geht es um das Betrachten, das Betrachtete und den Betrachter. Dieses Dreieck bildet sich geradezu physisch, wenn man vor einem ihrer Bilder steht.
Und natürlich geht es auch immer wieder um Apartheid, das biographische Thema bleibt nicht außen vor. Aber auch hier wird sichtbar, wie sehr Klassifizierungen in „weiß“ und „schwarz“ vom Betrachten abhängen, Dumas kann das wunderbar auflösen und die für die Unterdrückung wichtige Unterscheidung ad absurdum führen.
Aus der deutschen Geschichte nimmt sie ein Foto von Ulrike Meinhoff, vom Titelbild des Stern. Schon Gerhard Richter hat dasselbe Bild zum Vorbild genommen. Man sieht noch die Wunden, die der Hals vom Selbstmord davon getragen hat. Hier begegnen sich Terror und Menschlichkeit, das Bild stellt Fragen und entzieht sich den Antworten, man kennt die Geschichte und dennoch hat das etwas fast magisches. Die Bilder von Marlene Dumas „zeigen“ nichts im herkömmlichen Sinn, sie legen kein Bild auf eine Geschichte, um diese zu deuten. Eher sind sie so etwas wie eine Konfrontation.
Zu einem Bild der Sängerin Amy Winehouse – gemalt direkt nach ihrem Tod im vergangenen Jahr – findet sich der Kommentar „Masken des Erkennens“. Masken sind ja eigentlich zum verbergen da, liefern gleichzeitig aber auch ein Erkennen etwa einer Rolle. In dieser Ambivalenz bewegen sich die Malerei Marlene Dumas.
Die Ausstellung ist noch bis zum 4. Januar zu sehen.