Das Reich Gottes ist nicht fix, sondern es entsteht, täglich. Viel deutlicher kann der Papst den Grundzug seines Denkens gar nicht machen: Die Dynamik des Glaubens und Lebens. Der Satz oben stammt aus der Predigt vom Dienstag, aber die Idee dahinter hat er schon öfters formuliert. Sie findet sich in fast allen, was der Papst sagt. Vom Aufstehen, Losgehen, Aufbrechen und aus sich heraus Gehen über die Dynamik der Reform, über die Ökumene der Begegnung zu all den anderen Dimensionen, in denen Dynamik eine Rolle spielt. Ich habe das hier schon ausführlicher besprochen, ich belasse es deswegen mal mit einem Link.
Eine Geschichte möchte ich Ihnen aber nicht vorenthalten. Und zwar haben wir das auch beim Abendessen diskutiert und dabei hat ein Mitbruder eine witzige Geschichte erzählt.

Also: Die Firma Xerox will wissen, wie sie noch besser Fotokopierer herstellen kann, was die können müssen und wie sie eingesetzt werden. Also engagieren die einen Ethnologen, der sich in Büros umsehen soll, Bürokultur und –abläufe studieren und dann seine Einsichten unterbreiten soll. Ethnologie hieß früher mal Völkerkunde und vergleicht Kulturen, Verhaltensweisen und Gesellschaften der Menschen.
Der Ethnologe macht aber etwas anderes, als seine Auftraggeber zunächst dachten, etwas viel Spannenderes. Und zwar fährt er ein Jahr lang mit Menschen umher, die diese Groß-Kopierer reparieren. In großen Städten gibt es immer einen Pool dieser Mechaniker, wenn so ein Gerät streikt, legt es ja den Betrieb lahm und das muss schnellstens abgestellt werden. Ein Jahr also fährt er mit, beobachtet die Techniker bei der Arbeit und dann schreibt er darüber ein Buch. Diese Menschen sind alles keine Ingenieure, die meisten kommen von Farmen irgendwo in den USA, findet der Ethnologe heraus. Und Menschen vom Land wissen, dass man nichts wegwirft, sondern dass man kreativ reparieren kann.
Schäden richten sich nicht nach dem Manual
Also – so beschreibt es der Wissenschaftler – sitzen sie beim Kaffee zusammen, um auf den nächsten Ruf zur Reparatur zu warten, und erzählen sich derweil, was für Probleme sie neulich mit welchem Modell hatten und wie sie das gelöst haben. Es entsteht also ein Wissens-Pool auf Erzählbasis, mündlich tradiert. Gleichzeitig gibt es aber auch das mehrer hundert Seiten lange Manual, das genau vorschreibt, was wie zu machen ist. Nur richten sich die entstehenden Schäden meistens eher nicht nach den Vorgaben des Buches, die Maschinen gehen nicht nach Vorschrift kaputt, sozusagen. Und so entsteht eben das Wissen der Techniker vor Ort.
Und die Moral von der Geschicht’? Der die Geschichte erzählende Mitbruder meint, diese Dualität von Manual und Schraubenzieher entspreche in etwa dem, wie wir als Christen mit Leben und Text umgehen. Wir haben Vorschriften und Leitlinien, das Leben in seinen Brüchen und Freuden richtet sich aber selten danach, was im Buch steht und so entsteht eben auch gelebter Glaube, neben dem aufgeschriebenen. Das eine geht ohne das andere nicht, auch die Techniker brauchen die Grundlage. Weil das Leben aber komplexer ist, wird es halt so gelebt, wie es nun mal geht.
Und bevor jetzt wieder einige Menschen hyperventilieren und „Verrat an der Lehre“ oder dergleichen in die Tasten hauen: Die Geschichte dient nur dazu, humorvoll das aufzugreifen, was der Papst gesagt hat. Ich zitiere einmal unseren Bericht von der Predigt am Dienstag:
Das Reich Gottes macht man, täglich
Nichts ein für allemal Festgesetztes sei das Reich Gottes, sagte Franziskus dazu, sondern es befinde sich im Werden, im Wachsen, „auf dem Weg“. „Was ist das Reich Gottes? Nun ja – vielleicht eine richtig gut gemachte Struktur, wo alles geordnet ist, durchdachte Organigramme, und was da nicht hineinpasst, ist nicht Reich Gottes? Nein. Mit dem Reich Gottes verhält es sich vielmehr wie mit dem Gesetz… Es ist dafür da, es zu durchlaufen, das Reich Gottes ist unterwegs. Es steht nicht still. Mehr noch: Das Reich Gottes macht man, täglich.“
Das Gesetz ist dafür da, es zu durchlaufen. So habe ich das noch nie gehört und selber auch noch nie gesehen. Die beiden Dinge werden doch sonst eher als Gegensatz formuliert. Aber der Papst und die Erfahrungen der Firma Xerox zeigen, dass es ineinander gehört.
Nicht das Haben des Buches in der Hand zählt, sondern das Leben des Glaubens, täglich neu und meistens anders, als man sich selbst das so gedacht hat. Glauben ist halt spannend.
Das finde ich witzig, denn mein Mann liest die technischen Anleitungen immer erst dann, wenn er sich selbst nicht mehr zu helfen weiß. Mir geht es mit Rezepten so, ich koche nach dem was ich zu Hause habe und lese Rezepte nur, um mir Anregungen zu holen. Dafür backe ich zum Leidwesen meiner Familie kaum, da ich mir da diese Freiräume nicht nehmen kann, denn Backen gehört nicht zu den Tätigkeiten, die ich ohne Anleitung verstehe. Ich persönlich finde es einfach spannender sich Dinge zu erarbeiten und dabei manchmal auch versteckte Leidenschaften zu entdecken, die unter Anleitung vielleicht gar nicht aufgetreten wären. Es ist auch die Freude an den täglichen kleinen Herausforderungen des Lebens, die mir durch eigene Kreativität die Freude daran erhalten, statt sie in Anleitungen zu suchen. Früher, als ich noch zur Arbeit gehen konnte, da liebte ich die Herausforderungen auf Neuland, die mich oft so beanspruchten, dass ich darüber sogar die Zeit vergessen habe. Für mich bedeutet diese Art zu arbeiten etwas sehr Fruchtbares, denn man wächst an seinen Aufgaben und nimmt bewusst Anteil an dem, was man sich dadurch erarbeiten kann. Dadurch wächst auch die Freude am Leben, denn man kann sie mit so vielen Mitmenschen teilen.
Ich finde in diesem Zusammenhang sollte man auch erwähnen, das Glauben etwas mit dem Vertrauen in sich selbst zu tun hat, denn das Leben stellt einen nicht vor vollendete Tatsachen, es bietet einem, gerade als Mensch, unendliche Möglichkeiten.
Danke P Hagenkord für die gute Darstellung über die “ Methode“ mit der uns Papst Franziskus auf unseren Lebens-Pfaden begleitet..
zu den“ Hypoventilatoren“: manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mich mit sog „ungläubigen“ Geschwistern besser verstehe und mich unkomplizierter beispielsweise über die Bergpredigt austauschen kann…
Sehr geehrter Herr Hagedorn,
Jesus sagt sinngemäß, dass keiner zu seinem Vater gelangt (also auch in das Reich des Vaters), außer durch ihn. Ich finde diese Aussage ziemlich „festgefahren“ ohne Spielraum für Interpretationen. Würden sie mir zustimmen, dass selbst Fotokopierer nach einem festen Bauplan entstehen müssen, um zumindest die Grundfunktionen zu garantieren? Dass man sich an diesem Bauplan „streng“ halten muss, um die Kunden nicht von Anfang an zu verprellen oder gar zu betrügen?
Die Natur ist für mich nach einem festen Bauplan (Gesetzmäßigkeiten) entstanden und der Mensch (Jesus) wurde in das vollendete Bauwerk hineingesetzt, um es mit Hilfe der Zeit zu entschlüsseln, die durch ihn bereits erfüllt wurde. Jeder Mensch sollte sich Aufgaben so annehmen, dass das Leben durch ihn menschliche Würde erhält, die sich durch die Menschheit im Dialog zwischen Vater und Sohn als Gedächtnis offenbart. Mir ist bewusst, dass meine Annahmen oft nur schwer nachzuvollziehen sind, das mag daran liegen, dass sie von Menschen ausgehen, die sich im Menschenbild Jesus wiederspiegeln und nicht aus eigenem Ermessen entstanden sind. Daraus entwickelt sich automatisch ein Weltbild, das sich durch die eigene Gewissheit trägt, die sich in offenen Fragen ergießt, die eben durch diese Menschheit bereits gelöst worden sind. Es geht darum die Arbeit, die aus diesen Lösungen entstehen so zu verteilen, dass jeder! den Anteil davon erhält, dem er auch tatsächlich gewachsen ist, ohne dafür mehr als die Zeit zu brauchen, die ihm zur Verfügung steht. Damit will ich sagen, man sollte nicht andere Menschen mit Problemen belasten, die aus der eigenen Existenz entstehen sondern vielmehr die eigene Existenz dazu nutzen, die Probleme der Menschheit so aufzudecken, dass sie dann gemeinsam in Angriff genommen werden können.
Die Natur ist nicht entstanden, weil es Gesetzmäßigkeiten gibt, sondern ihre Entstehung und ihre Prozesse lassen sich anhand von Gesetzmäßigkeiten, die man in einer mathematischen Sprache formulieren kann, beschreiben und begreifen. Naturgesetze sind keine Bauplananweisungen oder Dekrete! http://www.wissenschaft.de/archiv/-/journal_content/56/12054/1603154/%E2%80%9ENaturgesetze-schufen-die-Welt%22/ Den Gesetzmäßigkeiten selber liegen, soweit man erkennt, einfache Prinzipien zugrunde, in deren Rahmen sich die Natur selbst organisiert. Warum diese Selbstorganisation schon vor 2000 Jahren, wie behauptet, ein ‚vollendetes (fertig abgenommenes) Bauwerk‘ gewesen sein soll, erschließt sich mir nicht.
Mit Jesus ist die Natur ein abgeschlossenes Bauwerk, denn in ihm, durch ihn und mit ihm hat die Natur sich ihrem Sinn als Mensch erschlossen. Welchen Sinn sollte die Menschheit haben, wenn nicht den, etwas Gutes auf der Erde zu bewirken, die ihren Lebensraum zur Verfügung stellt, um alle Lebewesen die diese Erde bewohnen dadurch am Leben zu erhalten, dass sie friedlich und frei miteinander leben wollen, weil sie dies auch können? Natur hat den Einfluss den sie braucht, um auf diese Gesetzmäßigkeit zu bauen, die die Menschheit mit dem Prinzip der Zeit durch ihre Würde trägt, die sie selbst durch ihren Lebenssinn erfahren kann. Ich könnte Ihnen noch viel über meine Gedanken erzählen, doch ich denke, das würde an dieser Stelle zu weit führen. Gedankengut liegt in den Händen der Menschheit und sollte, wie der Name bereits sagt, als Gut entgegengenommen werden, aus dem jeder Mensch das formen kann, was seine Menschlichkeit zulässt. Unser aller Menschlichkeit ist durch Jesus Christus an Gott offenbart, denn in seiner Menschheit liegt die Kraft, die Zeit braucht, um zu neuem Leben zu finden. Die Natur baut sich nicht auf die Logik der Menschheit, vielmehr baut sich die Logik der Menschheit aus der Natur das Gerüst für ein Bewusstsein, dessen Inhalt sich durch Vernunft vermitteln lässt. Jeder Mitmensch ist in der Lage sich so in einem Wesen wiederzufinden, das sich durch ihn zwar unterscheidet, sich jedoch in ihm zum Ausdruck bringen kann, um mit ihm zu kommunizieren. In unser aller Interesse sollte es also liegen, für den Frieden zu arbeiten, um unsere Freiheit auch sinnvoll zu nutzen und verantwortungsbewusst dort einzusetzen, wo wir sie durch Menschen vermissen.
Wie kann Jesus der ‚Schlussstein‘ im erbauten Haus der Natur sein, wenn er selber auf unnatürlichem Wege in sein Menschsein eintritt (empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria) und es übernatürlich wieder verlässt (auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel)? Werden da nicht subjektive Gewissheiten, so edel und lebensorientierend sie auch sein mögen, mit den für alle Menschen nachvollziehbaren objektiven Wahrheiten verwechselt oder vermischt? Nach dem Sinn der ganzen Menschheit als großes soziales System zu fragen führt letztlich nicht weiter, denn Sinn kann sich nur jeder einzeln geben. Dass die Natur keiner menschlichen Logik bedarf, um zu funktionieren, stimmt; wir sind samt unsrer logischen Fähigkeiten selber nur winziger Teil des Ganzen und das dank der Evolution ursächlich von Anfang an. Klein ist der Mensch und groß, weil er es weiß!
Indem die Natur Jesus Christus als ihre Leitfigur annimmt, der sie Zeit zur Verfügung stellt um ihr gemäß göttliche Vorgaben weiter zu entwickeln. Zeit sehe ich als das menschliche Potential, dessen Substanz nicht dienen kann ohne globale Lösungen anzubieten, die im Frieden suchen, was keine individuellen Schäden anrichtet, indem sie aus dem Einsatz von Menschlichkeit (Nächstenliebe) einen gerechten Ausgleich schaffen können.
Die Erde war kein fertiges Produkt, sie ist aus Zeit entstanden die erst ihrem Schöpfer unterworfen sein wahres Potential zu Tage führt, um es als Mensch anzunehmen und in Person umzusetzen.
Jesus ist nicht unnatürlich in sein Menschsein eingetreten, nur Gott gab uns mit Jesus eine Herausforderung im Evangelium weiter, die es zu lösen galt.
„Im Anfang(ἀρχή)war das Wort(λόγος)und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott … Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“-
Ist der Mensch vielleicht deswegen eigentlich auch 1 „Erzählwesen“? 🙂
„Das Gesetz ist dafür da, es zu durchlaufen. So habe ich das noch nie gehört und selber auch noch nie gesehen.“ Das sieht man doch bei jeder Autofahrt, bei der man das Straßenverkehrsgesetz stets aufs Neue ‚durchläuft‘.