Es ist schwer, das Selbstverständliche als etwas Außergewöhnliches zu sehen. Die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland ist so eine Selbstverständlichkeit, und schon diese Selbstverständlichkeit ist außergewöhnlich. Keiner kann sich mehr an die Schlachten im Ersten, nur noch wenige an die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges erinnern. Dass es danach so schnell und so tiefgreifend zu einer Freundschaft gekommen ist, die bei aller Spannung diesen Namen auch verdient, das darf schon als ein kleines Wunder bezeichnet werden. Und dass es dabei nicht stehen geblieben ist, sondern dass darauf auch die europäische Einigung aufbaut, dass darf als der Erfolg nicht zuletzt dieser völligen Umkehrung des alten, ja uralten Feindbildes „der Franzos’“ und „le boche“ bezeichnet werden. In diesem Jahr werden die dazu gehörigen Verträge 50 Jahre alt, es ist also Zeit zu feiern.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist Ministerpräsidentin des Saarlandes und Bevollmächtigte für die Beziehungen zu Frankreich. Das ist der Bundesrepublik so wichtig, dass diese Bevollmächtigung einher geht mit einem Sitz in der Bundesregierung im Ministerrang. Sie war in Rom, um bei einer Veranstaltung diese Freundschaft zu feiern. Sie betonte uns Journalisten in einem Pressegespräch gegenüber, dass es ja schließlich auf dem deutschen Katholikentag 1913 in Metz (sic!) gewesen sei, dass Robert Schuhmann die Vereinigung Europas angeregt habe.
Vereintes Europa auf den Schultern der Freundschaft
Und hier liegt auch schon das Interessante: In Italien die deutsch-französische Freundschaft feiern heißt, über diese zwei hinaus zu blicken. Diese Beziehungen bleiben nicht stehen, das Ganze ist dynamisch. Das geht eben auch Italien an und die Kirche und die anderen europäischen Staaten. Und – so Kramp Karrenbauer – es geht um mehr als nur um die Ordnung des Finanzmarktes und eines wirtschaftlichen Marktes, es müsse immer auch verknüpft sein mit der Frage der Werte, für die Europa stehe, darüber habe sie bei ihrer Audienz auch mit dem Papst gesprochen. Dem Papst sei es ein besonderes Anliegen gewesen, darüber zu sprechen, dass es bei all den Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft Europas eben um Menschen gehe, die unter diesen Maßnahmen litten, zum Beispiel in Griechenland. Das dürfe man nicht vergessen. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Menschen würden in ihren Sorgen und Nöten nicht mitgenommen. Ihr Eindruck sei, dass der Papst vor allem diese menschliche Perspektive im Blick hat.
Dazu passe auch, dass Umfragen nach die meisten Menschen mit der deutsch-französischen Freundschaft nicht mehr die Vergangenheit verbinden, Krieg und so weiter, sondern die Frage nach der zukünftigen Gestaltung Europas.
Benedikt XVI. ruft die Europäische Union seinerseits dazu auf, „das gemeinsam Erreichte nicht durch neue Herausforderungen und kurzsichtige Eigeninteressen zu untergraben oder gar aufzugeben“. Er empfing nicht nur die Ministerpräsidentin, sondern schrieb für die Veranstaltung an der Gregoriana auch eine Botschaft. Der Friede sei „eine bleibende Aufgabe, die immer wieder neu erfüllt werden muss“. Auch das ist eine Selbstverständlichkeit, die so selbstverständlich gar nicht ist.