Immer wieder eine Überraschung: man macht den Rechner an und schaut in den Posteingang, man liest die Kommentare bei Facebook oder hier im Blog, man schaut ins Fax oder am besten noch öffnet einen Briefumschlag – immer und immer wieder schlagen einem da kleine Kunstwerke entgegen.
Meist wie ich annehmen muss verwirrte Menschen schicken uns Meinungen, Aufforderungen, Texte deren Sinn und Zweck sich nicht sofort erschließen, wenn überhaupt. Sie schicken überhaupt alles, was einem in den Sinn kommen kann. Oder was einem selber nie in den Sinn kommen würde. Jedenfalls hoffentlich nicht.
Das Leben ist zu kurz, sich mit all dem zu beschäftigen, aber einiges davon kommt in meinen Lieblingsordner im Büro, „Best of Zuschriften“ genannt. Den pflege ich jetzt seit ich hier bin, also seit 2009. Sehr voll ist der nicht, man muss sich also schon was einfallen lassen, um da hinein zu kommen.
Die Aufforderung zum Beispiel, doch zu kontrollieren, ob der Papst wirklich Papst ist und ob er „korrekt die Personen aus der Bibel mit Vor- und Nachname in den Fußnoten genannt hat.“ Ist ja wirklich ein wichtiges Kriterium.
„Best of Zuschriften“
Oder der Mensch, den man nicht in Rom hat studieren lassen, weil das die Wahl Joseph Ratzingers zum Papst verhindert hätte. Da waren wohl finstere Kräfte am Werk.
Oder die Interpretation des Namens Franziskus: „Fran: lehm-glück der rhani, ran, komponente f contra Zahl: 6,9 / Zis: c# musik aus zisterne lehm und wasser nach ignatius Vitaminsäuren zur Wasserreinigung Zahl 7 / Kus: kosen, küssen, Küste, alteuropäisch für Tangente Zahl 28″. Dankenswerterweise hat der Schreiber uns die Rechte zur Nutzung zugestanden. Puh, wäre das also auch gelöst.
Oder es schreibt uns Jesus Christus, der endlich zur Kenntnis genommen werden will. Der Erlöser ruft auch manchmal an, aber das ist ein anderer. Wie ignorant wir doch sind. Oder einfach nur verwirrt von so viel Jesus. Also muss dieser Jesus Christus nun eine neue Kirche gründen.
Oder da sind die Kreativlinge im Beschimpfen. Eigentlich mag ich so was ja gar nicht, aber wenn man uns „Irrationalismusheiten“ nennt, dann kann man nicht anders als schmunzeln. Mindestens.
„bin jetzt frei … Grüße an Papa“
Oder es ist etwas leicht und locker Geschlagenes: „Spielt ihr was für uns … Jazz aus den 30er Jahren … bin jetzt frei … Grüße an Papa.“ Das ist alles. Es reicht aber irgendwie auch.
Oder es kommt etwas in Kopie an uns – immer sehr beliebt – wie etwa das Entlassungsschreiben des Päpstlichen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic. Die Kirche habe sich sakralisiert und hört auf, zu existieren. Klar, dann hat der gute Erzbischof keinen Job mehr. Also entlässt der Schreiber ihn. Aber der anstehenden Arbeitslosigkeit kann abgeholfen werden, fügt der gute Mann im Anschreiben hinzu (jawohl, die Entlassung kam mit einem Anschreiben): „Ab jetzt haben Sie keine andere Verpflichtung, als um mein Wohlbefinden zu sorgen“. Die Grammatik ist originell, auch ein interessantes Thema für einen Beitrag im Blog, die Grammatik von Briefeschreibern, aber das führt hier zu weit.
Oder, ganz ohne Kommentar: „Das ist natürlich ein Glaube der besonderen Art, faszinationsverloren in ganze Kühlfluchten voller Champagner zu streamen in der Greifahnung, der eigenen Ausprägungszustand möge von dem Zugeführten dann in die Sphäre des Fühlerlauchten wegdriften, um dort zu bleiben…“. Ist das Kunst?
A propos Kunst: Mein Lieblingsstück ist ein Brief, zwei Seiten in 9-Punkt Schrift ohne Abstand, einfach aneinander gehängte Sätze, die aber so wirr sind und so kunstvoll nix miteinander zu tun haben, dass ich Dadaismus dahinter vermute. Ganz im Ernst, ich könnte so unzusammenhängend gar nicht schreiben, schon gar nicht zwei Seiten. Sätze wie „Darf man in Deutschland nackte Kleider tragen?“ Wer kommt auf so was? „Haben die Leute, die Killerspiele … verbieten möchten, jemanden umgebracht?“ Da hänge ich doch gleich mal einige Fragezeichen an und möchte vor allem wissen, was die Punkte da im Satz sollen. Aber nun gut. Was aus diesem Stück mein Lieblingsstück macht ist der erste Satz, der drüber steht: „Nicht als Leserbrief veröffentlichen. Für die Veröffentlichung möchte ich Geld erhalten!“ Es ist also definitiv Kunst.
PS: Da ich in diesen Tagen unterwegs bin und nicht ständig Zugang zum Netz habe, kann es mit dem Freischalten von Kommentaren etwas länger dauern. Ich bitte um Nachsicht.
Lieber Pater Hagenkord, solange Sie diesen Nonsens trotz allem noch mit etwas Humor nehmen.. die „Franziskus Definition“ stammt bestimmt von einem verkorksten „Mathematiker..
ganz spannend ist doch die Anfrage, ob man in Deutschland „nackte Kleider“ tragen darf, vielleicht ist das ja eine interessante Variation zum Thema Mono-Kini ,Bi-Kini, Bur-Kini ??
in meinem bayrischen Asyl-wo ich trotz CSU seit 1972 lebe, beschäftigen sich die Bayern-nach dem Auffinden eines Briefes aus dem Nachlass von Ludwig II- wieder verstärkt mit der ewigen Schicksalsfrage wie der KINI denn nun wirklich das Zeitige beendet hat..
Und herrlich, dass Ihnen „Jesus Christus“ persönlich schreibt und der „Erlöser“ mit ihnen telefoniert: Also Pater Hagenkord Ihr Seelenheil ist jetzt in trockenen Tüchern….
und trotzdem könnten Sie doch diese „Reservate“ jungen Psychologie Erstsemestern zur praktischen Weiterbildung übergeben. Grins..
im ZDF gibt’s ein Gutes Format: „die Anstalt“ vielleicht können die das für deren gesellschaftliches Kabarett verwenden..
Pater Hagenkord ,gut dass diese „Geistesblitze“ keine Auswirkungen
auf Ihr gutes Wirken bei RV haben..
Mindestens für Kölsche – und Kinder – ist das kein Problem:
Gott ist doch auch das Lachen? Mitlachen?
Würde „Er“ gerne öfter – mit uns – lachen?
Ich weiß gar nicht, was Sie haben. Wir in Köln nennen das Karneval. Sowas kommt im Streichelzoo des Herrn gerne mal vor. Aber schön
„Das Leben ist zu kurz, sich mit all dem zu beschäftigen, aber einiges davon kommt in meinen Lieblingsordner im Büro, „Best of Zuschriften“ genannt. Den pflege ich jetzt seit ich hier bin, also seit 2009. Sehr voll ist der nicht, man muss sich also schon was einfallen lassen, um da hinein zu kommen.“
Lieber Herr Hagenkord,
ich durfte schmunzeln, als ich das las. Pflege ich doch auch so einen Ordner. Allerdings befindet der sich auf meinem Rechner und trägt den Namen „Unheilig“. Im Gegensatz zu Ihrem ist er ziemlich voll, dabei habe ich ihn erst vor drei Jahren angelegt. Aber nicht weil ich dort wahllos Dokumente und Artikel ablege, sondern weil es so viele „unheilige“ gibt.
Eine gute und erfolgreiche Reise wünscht Ihnen,
Angelika Oetken