Die italienische Form der Kirchensteuer wird in Deutschland gerne als Alternative genannt: Ottopermille, acht Promille heißt das System nach der Höhe des Beitrages. Neben der anderen Höhe als in Deutschland etwa oder Österreich ist vor allem anders, dass jeder zahlen muss, aber dann entscheiden kann, wer das Geld bekommen soll: Kirche, Hilfsorganisation etc. Es gibt eine Liste von Institutionen, die Geld bekommen können.
An der Bushaltestelle in Richtung Bahnhof habe ich vor einigen Tagen dieses Plakat gesehen: Die Waldenserkirche – die evangelische Kirche in Italien – wirbt dafür, doch ihr das Geld aus der Steuer zukommen zu lassen. Und sie wirbt mit den guten und wichtigen Dingen, die sie tut, von Frauenrechten angefangen, gegen Missbrauch, für Bildung und so weiter. Alles gute Dinge, für die man guten Gewissens auch Werbung machen darf.
Was mich etwas ratlos gemacht hat war der letzte Satz auf dem Plakat: Kein Geld werde für die Kosten von Gottesdiensten aufgewendet. Nun ist das verständlich, will man doch vor allem auch Menschen zu Beitragsleistung ermuntern, die mit Glauben recht wenig am Hut haben. Die würde der Verweis auf Gottesdienste vielleicht verschrecken.
Trotzdem frage ich mich, ob die Selbstreduktion einer Kirche (und das ist nicht gegen die Waldenser gerichtet, es gebe viele Beispiele auch aus anderen Kirchen) auf gesellschaftliche Nützlichkeit der richtige Weg ist. Die unausgesprochene andere Botschaft des Plakates lautet doch: Gottesdienst ist uns nicht so wichtig. Und dasselbe höre ich aus vielerlei Mündern, die mir sagen, wie wichtig Kirche doch für Gesellschaft sei.
Das hinterlässt vielleicht den Eindruck, dass es das Wichtigste sei für die Kirchen, nützlich zu sein für das Funktioniern und das Verbessern der Gesellschaft. Dabei droht dann Gott auf der Strecke zu bleiben. Und mit Gott dann auch jede Kirche, selbst wenn sie die Spenden bekommt.
https://blog.radiovatikan.de/kein-geld-fur-gottesdienst/
»Von Philosophie verstehe ich nicht viel«, lässt Anker Larsen den Atheisten und Zirkusartisten Alberto in »Olsens Torheit« sagen, »und du hast Recht, ich denke nicht mehr als unbedingt notwendig. Aber ich lebe und ich sehe, und ich sehe, dass ein Kind zwei Augen hat. Mit dem einen sieht es die Wirklichkeit, in die es hineingeraten ist, so, wie sie ist, mit dem anderen Auge lernt es zu sehen, wozu diese Wirklichkeit gebraucht werden kann. Wenn es heranwächst, wird es so davon in Beschlag genommen, das Nutzauge zu gebrauchen, dass es vergisst, mit dem Auge zu sehen, das die Dinge auffasst, wie sie — sagen wir: aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen sind. Sie sind nicht nur dazu da, um von Nutzen zu sein. Sie haben — wie es der Mensch haben müsste — ihr eigenes Dasein und ihren eigenen Zweck. Aber der Erwachsene braucht allein das Nutzauge, und von dem ausgehend, was er sieht, schafft er sich seine einäugige Kultur.«
Man darf hier in diesem Sinne ergänzen – Kirchen- und Gotteskultur.
Die Pflicht des Bürgers solidarisch sein zu müssen mit einem angemessenen Obulus, das finde ich korrekt und gerecht, nicht weniger die Freiheit entscheiden zu dürfen, an welche Hilfsorganisation dieser Beitrag gehen soll. Was die Kirchen angeht, so darf daran erinnert werden, dass der Herr versprochen hat, dass niemanden etwas fehlt, wenn man(n) oder Frau eben das erfüllt, was Er aufgetragen hat zu tun, darin es uns allen zuerst um Sein Reich und um Seine Gerechtigkeit geht….! Auch und gerade hier kann sich der Glaube in Sein Wort beweisen. Eine „arme Kirche“ kann es unter einem automatischen Zufluß von Geldern eigentlich gar nicht geben, ebenso nicht, wenn sich die Kirche auf Seine Sendung einlässt und diese nach Seinem Willen erfüllt. Es wird sich aber eines vom anderen unterscheiden: das Vertrauen in einen automatischen „Geldhahn“ zeugt nicht unbedingt von einem Vertrauen und Glauben in das Wort Gottes…
Seit der „Aufklärung“ und dem „aufgeklärten Absolutismus“ dominiert bei Verteidigern und Gegnern der Kirche die Frage nach ihrer gesellschaftlichen Nützlichkeit. Die frz. Nationalversammlung verbot die „unnützen“ Orden und schuf den quasi beamteten Priester, der im Dienste der Republik und der Gesellschaft stand. Auch heute verteidigen viele Konservative die Kirche mit ihrer realen oder vermeintlichen gesellschaftlichen Nützlichkeit, während sich die negative Kritik vor allem an ihrer gesellschaftlichen Schädlichkeit entfacht. Ein Beitrag zur „Entweltlichung“ der Kirche könnte darin bestehen, sich von diesen vordergründigen Nützlichkeitserwägungen zu befreien, denn man ist entweder „Communio Sanctorum“, die Kirche der Heiligen zu allen Zeiten und an allen Orten, oder man ist eine Art religiös inspirierter NGO. Man ist aber nie beides gleichzeitig.
Bernardo, ich glaube, die Kirche muss sich vor allem von den Erwartungshaltungen ihrer Befürworter und Kritiker befreien und autentisch auf dem Wege Jesu gehen, d.h., sie muss Gott loben und verkünden (altmodisch gesagt missionieren), nicht nur durch Worte sondern auch durch ihre Lebensführung (Werke der Nächstenliebe). Sie sollte sich also nicht aus dem caritativen Bereich zurückziehen, sondern sie muss überlegen, ob sie nicht das Lob und die Verkündigung der Liebe Gottes zu sehr in den Hintergrund gestellt hat. Vielleicht muss sie sich dann von Einrichtungen trennen, die sie nicht mehr in diesem Sinne führen kann, weil die Orden schrumpfen. Dies soll im Krankenhausbereich der Fall sein, obwohl ich gerade die Aufgabe dieses Bereiches (Krankenhäuser gibt es erst seit es Christen gibt) für ausgesprochen schade empfände. Aber vielleicht ist es besser, weniger aber wirklich vom Christlichen durchdrungene Hospitäler zu haben als Häuser, die sich von staatlichen Krankenhäusern nicht mehr wesentlich unterscheiden.
Kein Dissens, Arndt. Entweltlichung bedeutet für mich nicht Weltflucht, Rückzug in eine (vermeintlich) heile Welt, sondern Rückzug von Scheinrealitäten, Durchdringung der Welt, aber, wie Sie sagen, aus und im Geist Jesu. Ich sehe es wie Sie: Lieber einige wenige, wirklich in diesem Geist geführte Einrichtungen als eine Unzahl, die sich aber nicht mehr von anderen, nicht-christlichen Einrichtungen unterscheiden. „Pflegeminuten“ haben mit Caritas bzw. Agape nichts zu tun. Ein vordergründiges Effizienz- und Nützlichkeitsdenken wiederum zählt für mich zu den Scheinrealitäten, von denen man sich befreien sollte, wenn sie im Widerspruch zur jesuanischen Lehre stehen.
Geht man(n) wie auch Frau von den Worten des Herrn und dessen Sendung Seiner Apostel aus (was wohl auch für deren Nachfolger gilt?!), dann sind jene doch sehr weit davon entfernt diese Sendung zu erfüllen….was ja einen ungebrochenen Glauben in diese vorraus setzt. Vielleicht ist das mit den Worten eines Benedikt XVI. erem. gemeint, wenn er schreibt, „dass wir erst noch in Ihn hineinkommen müssen….“…..wieder in die Erfüllung Seiner Sendung? Würde das aber nicht zuerst den Klerus/ die Kurie selbst betreffen?…..Ein Anfang wäre natürlich gemacht, Bernardo, würde an entsprechenden Stellen dahingehend Überlegungen angestellt wie dann auch umgesetzt werden. Vielleicht stehen die Chancen mit Franziskus nicht schlecht…