Gedanken zur Fastenzeit, 2
„Wir haben uns um den Altar versammelt“, betet der Priester. Wir oft haben wir diese Worte schon gehört. Und jedes Mal möchte ich einwerfen „nein, haben wir nicht“. Nicht um den Altar, der Priester steht dahinter und die Gemeinde steht oder sitzt davor, in einer Anordnung, die auf eine nicht wirklich schöne Weise meistens an Klassenzimmer, nicht an Festgemeinschaft erinnert.
Vieles ist eine Frage von Geographie. Oder Innenarchitektur, wenn Sie so wollen. Wenn wir in unsere Kirchen kommen und Gottesdienst feiern, dann zeigt sich überall die Schwierigkeit, so eine Feier für uns heute „sprechend” zu machen.
Wer um Gottes Willen ist eigentlich jemals auf die Idee mit den Kirchenbänken gekommen? Dieses sich arrangieren, wenn man vom Kommunionempfang zurück kommt, warten bisher Nachbar vor einem in die Bank schlüpfen kann, oder durchrutschen und dann nicht mehr auf demselben Platz – meinem Platz! – sitzen?
Machen wir das auch sonst, wenn wir feiern? Ist das wirklich wie ein Fest? Ich meine damit nicht Feten und dergleichen, aber irgendeinen Anklang von Fest muss das doch haben.
Anderes Beispiel, nehmen wir die Kleidung: Wir sind zu einer Feier geladen. Wir sitzen aber – in unseren Breiten meistens mit Jacke und Mantel – alle nebeneinander und schauen in dieselbe Richtung. Da ist nichts von dem, was ein normaler Mensch mit normaler Sprache mit „Feier“ in Verbindung bringen würde, oder? Die Jacke bleibt an.
Sprache und Gestaltung übereins
Es gibt mittlerweile Gottseidank Kirchengebäude, welche Sprache und Gestaltung übereins bringen. Das löst immer noch nicht das Kleidungs-Problem, aber es ist ein richtiger Schritt. Es gibt auch alte Kirchen, in denen nach der Reform der Liturgie gute Lösungen gefunden wurden, um die Tradition weiterleben zu lassen, ohne die liturgische Sprache stumpf zu machen. Aber „um den Altar versammeln“ tun wir uns auch da nicht. Und die Jacke bleibt an.
Es geht mir nicht darum, alles schön angepasst zu gestalten. Es geht mir schlicht darum, dass die Art, wie wir leben und die Art, wie wir Gott verehren und gemeinsam unseren Glauben feiern, etwas miteinander zu tun haben müssen. Das muss überzeugend sein, zumindest glaubwürdig. Und hier sehe ich ein Manko.
Der andere Straßengraben
Es gibt ja auch die Gegenbeispiele, die mit Verve in den anderen Straßengraben fahren. Ich erinnere mich an Mess-Vorbereitungen, wo wir jungen Wilden (damals!) darauf bestanden, dass der Altar Altar sei und kein Ablageplatz für Brillenetuis, Taschentücher und Blumen. Das glaube ich übrigens bis heute: Eine Kirche oder Kapelle ist kein Wohnzimmer und ein Altar kein Tisch, dem das Doppelwesen von Opferstein und Mahltisch mit Blume und Decke irgendwie weggenommen werden sollte.
Das alles hat mit ernst nehmen zu tun. Liturgie muss man ernst nehmen. Und deswegen muss man auch liturgische Räume ernst nehmen. Sie sind keine Museen, nicht erhaltenswert weil es halt immer so war. Sie sind aber auch keine Modeliermasse, die wir gestalten, um möglichst im Leben keinen Anstoß zu erregen.
Luxusproblem? Bei all den Zusammenlegungen, Austrittszahlen, Finanz- und anderen Skandalen? Vielleicht. Aber ich glaube daran, dass wir auch Gottesdienst ernst nehmen müssen. Sonst werden wir selber nicht ernst genommen. Und nehmen selber uns und unsere Gemeinschaft nicht ernst.
guter Impuls, dnake Pater Hagenkord
“alle nebeneinander und schauen in dieselbe Richtung. Da ist nichts von dem, was ein normaler Mensch mit normaler Sprache mit „Feier“ in Verbindung bringen würde, oder?”
Insofern alle den Priester anschauen würden, richtig.
Wenn man jedoch bedenkt, dass da alle natürlich wen anders anschauen, den um den die Feier geht, ist es nicht mehr so unpassend. Wenn das Geburtstagkind oder das Hochzeitspaar den Raum betritt, werden doch auch alle in Richtung der Türe gedreht sein, und den oder die anschauen, um die es geht.
“Es geht mir schlicht darum, dass die Art, wie wir leben und die Art, wie wir Gott verehren und gemeinsam unseren Glauben feiern, etwas miteinander zu tun haben müssen.”
Da würden ihnen die Traditionalisten voll zu stimmen. Der ihr Schlagwort ist ja schließlich:
Lex orandi, lex credendi
(für unfähige Lateiner wie mich: das Gesetz des Betens entspricht dem Gesetz des Glaubens; Tradionalisten berufen sich gerne darauf, da deren Ansicht nach die Änderungen der Liturgie nach Vatikan II, also die Änderungen des Betens, Änderungen des Glaubens nach sich zogen, deren negative Auswirkungen man heute vermeinlich sehe; diese sehen deshalb in einer schlüssigen und zum Glauben und zum Gesagten passenden Liturgie einen zentralen Baustein einer Erneuerung der Kirche.
So als Hintergrundinfo, da das Pater Hagenkord sicher alles bekannt ist)
Das ist doch Quatsch.
Oder haben Sie schon mal bei einer Messe Gott oder Christus gesehen?
Ich nicht.
“Oder haben Sie schon mal bei einer Messe Gott oder Christus gesehen?”
Uns mag es zwar beiden an Verstand mangeln die Transsubstantiation vollständig und restlos zu begreifen, aber das was der Priester da hochhält unterscheidet sich in relevanter (wenn auch nicht messbarer) Weise von einem Stück Brot.
Käme mir auch ziemlich blöde vor, vor einem reinen Stück Brot zu knien, noch dazu eines, das gar nicht so dolle schmeckt.
“Das ist doch Quatsch.”
Aber da Sie das natürlich alles wissen, wissen, dass ich es weiß, wissen, dass meine Aussagen sich darauf bezogen, ist ihr “Quatsch” ohne den hauch einer Begründung, die das einbezieht, was wir beide wissen, eigentlich ziemlich unverschämt.
Also, bitte Begründung, warum ist es Quatsch zu sagen, dass doch die Augen aller in der Messe sich versuchen auf den zu richten, der in Brot und Wein wirklich gegenwärtig ist und um den sich die Messfeier dreht?
Ganz schwach erinnere ich noch an die Frühschoppen nach dem Kirchgang bei meiner Oma, den die Männer immer wahrgenommen haben, um einen Dialog zu führen. Da wurde sicher auch über den Pfarrer gesprochen und wie er „seinen“ Gottesdienst verrichtet hat. Vielleicht ist das die Unterscheidung, die man für sich selbst treffen muss: „Diene ich mit dem Priester vor Gott und durch meine Anwesenheit in der Kirche, sei es im Gebet, durch tiefe Anteilnahme an der Predigt oder durch eigene Kommunikation beim Friedensgruß?“ Wie viel Anteil nehme ich am Gottesdienst und was oder wen sehe ich dabei in der Verantwortung des Dienens? Oft kommt es mir eher so vor, als würden die Kirchgänger dem Gottesdienst nur beiwohnen und nicht wirklich und leibhaftig daran teilnehmen, ganz im Bewusstsein Jesu und der Taufe, die sie mit seiner Auferstehung im Herrn empfangen dürfen.
Oft unterscheiden wir unsere Mitmenschen nach Kriterien, die uns gemäß unserer Würde in Person überhaupt nicht zustehen, denn Würde ist Mensch, gleich in der Annahme durch den Herrn und auch nicht durch Gott zu unterscheiden. Wodurch wir uns jedoch unterscheiden können, das sind unsere persönlichen „Berufungen“, die wir entsprechend ihrer Begabungen für das Leben wahrnehmen können, die es gilt unabhängig von den Eltern nicht in deren Willen sondern aus eigener Kraft zu verwirklichen.
Das Reden von “liturgischen Räumen” befremdet mich seit jeher. Man spricht ja auch nicht von “universitären Räumen”, “klinischen Räumen”, “militärischen Räumen” oder ähnlichem. Woher, bitte, stammt der Begriff “liturgischer Raum”? Handelt es sich womöglich um einen Euphemismus, der ausweichend die leere Luft beschreibt, wenn das eigentlich zu bezeichnende als Kirche kaum benannt werden mag?
Nein, aber diese Art Raum sind halt nur für einen Zweck bestimmt: die Liturgie. Und die sind dementsprechend “eingerichtet”. Zweitens kommt die Liturgie selbst dazu, durch die Bewegungen, die Prozession, die Blickrichtungen und die aufeinander-Bezogenheit von Bildern, Feier und Gemeinde entsteht ein Raum. Diese beiden Dinge zusammen bilden das, was wir “liturgischen Raum” nennen. Das ist eben nicht nur ein Kirchbau.
“Man spricht ja auch nicht von „universitären Räumen“”
Doch spricht man, z.b.:
https://www.uni-marburg.de/hrz/mm/leihe/ausleihe_faq
“Unsere Leihgeräte sind vorrangig für die Nutzung in universitären Räumen und häufiger universitär genutzten, externen Räumen vorgesehen.”
Die Uni Marburg scheint sogar zu unterscheiden zwischen universitären Räumen und solchen Räumen, die häufig universitär genutzt werden.
Auch klinische Räume gibt es:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/172276/Aktionstag-Demonstrieren-warum-Hygiene-wichtig-ist
“Wie eine hygienische Händedesinfektion auszuführen ist, können die Besucher ebenfalls selbst ausprobieren und in einer Art Schwarzlichtbox anschließend kontrollieren. Darüber hinaus wird gezeigt, wie sich klinische Räume mit einem fluoreszierenden Markierungsgel und einer UV-Lampe wirksam auf vorhandene Erreger scannen, die Ergebnisse per iPod schnell und einfach dokumentieren und direkt am Rechner auswerten lassen.”
“klinischer Raum” dürfte sogar ein Fachbegriff sein bzw. als quasi Fachbegriff verwendet werden und kennzeichnet einen Raum mit bestimmten hygienischen Anforderungen.
Deshalb kann man liturgischer Raum eigentlich schon verwenden, um eben einen Raum zu bezeichnen, der bestimmte liturgische Anforderungen erfüllt.
Nun ja. Mit meinen Beispielen wollte ich darauf hinaus, dass niemand “universitärer Raum” statt “Hörsaal” sagt, “klinischer Raum” statt “Krankenhaus”, “militärischer Raum” statt “Schlachtfeld”. Trotzdem gibt es den seltsam abstrakten Ausdruck “liturgischer Raum” statt “Kirche”. Um den Begriff zu rechtfertigen, müßte man ihn schon vom Begriff “Kirche” abgrenzen.
Pater Hagenkords Erklärung, daß zum liturgischen Raum mehr dazugehört als nur der Kirchbau, überzeugt mich auch nicht so ganz. Kirchen baut man eben zu dem Zweck, daß man dort Messen feiern usw. kann. Daß darüber hinaus in der Kirche irgendwelche Räume entstehen sollen, macht auf mich einen etwas künsterlisch-esoterischen Eindruck.
Ist es nicht gerade in der Kirche so, dass diese Gemeinschaft einen geistigen Raum bildet in dem man sich zusammenfindet, um mit Gott in Kontakt zu treten, weil man durch Jesus mit ihm zu sprechen vermag. Dazu ist es nötig die Kirche als eine Möglichkeit der Stille in großer oder auch kleiner Gesellschaft anzunehmen, die im Wunsch mit Gott zu kommunizieren ihre Einheit findet, um sich darin vor Gott zu stellen und in sich selbst einzukehren, was das Gehör vor Gott finden kann, der jedem Einzelnen mit seinem Sohn antwortet.
Es gilt auch in der Kirche die richtigen Fragen an die richtige Stelle zu richten, die dafür Antworten gibt, die für selbstbestimmte Lösungen aus dem Leben gerüstet sind. Vielleicht ist Würde das Leben selbst, das immer und überall einen Konsens findet, weil es Gott entnommen ist, dem durch Jesus auch wirklich jeder Mensch dienen will.
Es ist schon ein rein praktisches Problem: In den Dorfkirchen unserer PG ist es in den Wintermonaten so kalt, dass ohne (sehr dicke) Jacke nichts geht. Letztes Jahr war es in einer Abendmesse so kalt, dass der Atem i n n e r h a l b der Kirche kondensiert ist. Leider ist es dann logisch, dass die Messe dann u. a. wegen eiskalter Hände nur schwer mit allen Sinnen mitgefeiert werden kann.
Die Kirche des Sitzes unserer PG ist über 300 Jahre alt. Ich hätte Bauchweh, im Gremium einen Beschluss über eine Änderung bzw. Entfernung der Kirchenbänke zu fassen. Im Dorf wäre ein Shitstorm gewiss.
Ich kenne allerdings neuere Kapellen und Gebetsräume in Krankenhäusern, wo Ihr Gedanke verwirklicht ist. Dort kann man die Jacke tatsächlich draußen lassen, ist nicht wie das Michelinmännchen angezogen, und es herrscht deswegen meistens eine angenehme Atmosphäre im Halbrund. So kann ich mich auf das Wesentliche konzentrieren.
Ich werde es langsam müde mich mit alt “eingesessenen” Kirchen Besuchern daran abzuarbeiten, dass Liturgie auch eine Entsprechung im Raum und in der Art sie zu feiern braucht.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn wir uns nicht die Mühe machen uns zu fragen wie stimmig unsere Feierform ist. Werden unsere Feiern zu toten Ritualen.die niemanden mehr erreichen.
Diese Überzeugung speist sich aus meiner Erfahrung h hier in Köln, wo eine kleine Gemeinde sich die Mühe gemacht hat genau die Weg zu gehen. Und was kam raus …. Eine lebendige und stimmige Feier … und was mich zutiefst beeindruckt und bestätigt. … so rite et recte, wie ich es noch nicht mal im Dom erlebt habe.