„Die Opfer stören.“ Es ist ein Satz von vielen aus einem Kommentar von vielen zu den jüngsten Berichten vom Umgang mit Missbrauch: Aachen, Köln, McCarrick. „Die Opfer stören“, dieser Satz beschreibt eine Unruhe, die immer noch, auch nach all den Jahren, die Debatte um Missbrauch und den Umgang damit bezeichnet: auch jetzt noch geht es zu sehr um Täter, um System, um Ruhe.
Vor einigen Jahren habe ich mal davor gewarnt, dass Kirche sich nicht „in die Prävention“ flüchten darf. Die Aufarbeitung darf nicht zu kurz kommen, und dazu muss man, müssen wir zuhören. Auch und weil es stört. Das Gleiche gilt nun von den Berichten und Studien: wir müssen weiter die Haltung des Hörens üben. Üben, weil wir das offensichtlich noch nicht können.
Die Opfer stören
Vorsicht, das Ganze darf nun aber nicht – schon wieder – im Appell verhallen. Hören hat Folgen, das wissen wir mindestens aus der Bibel. Und denen zuhören, die von Macht und deren Missbrauch in der Kirche erzählen, muss für uns Folgen haben. Appelle reichen also nicht, ohne Konsequenzen wird das hohl.
„»Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit« (1 Kor 12,26). Diese Worte des heiligen Paulus hallen mit Macht in meinem Herzen wider, wenn ich mir wieder einmal das Leiden vergegenwärtige, das viele Minderjährige wegen sexuellem wie Macht- und Gewissensmissbrauch seitens einer beträchtlichen Zahl von Klerikern und Ordensleuten erfahren haben.“ Bei diesen Worten von Papst Franziskus frage ich mich unwillkürlich, ob das stimmt. Leiden wir mit? Nicht in dem Sinn, dass wir nun die Opfer und Überlebenden bevormunden, weil wir anderen ja auch leiden. Aber in dem Sinn, dass eben auch wir beteiligt sind. Jeder und jede von uns in der Kirche.
Dröhnende Ideologien
„Die Wunden „verjähren nie“.”, so der Papst weiter. „Der Schmerz dieser Opfer ist eine Klage, die zum Himmel aufsteigt und die Seele berührt, die aber für lange Zeit nicht beachtet, versteckt und zum Schweigen gebracht wurde.“ Mit Entsetzen habe ich deswegen die vielen Kommentare hier im Blog gelesen, die meinen, die Verbrechen ideologisch umdeuten zu müssen. Sie haben die Kommentare nicht gelesen, weil ich es als meine Aufgabe als Moderator betrachte, die Lautstärke dieser Stimmen herunter zu regeln. Die überdröhnt die Stimme der Opfer oder Überlebenden, oder versucht es zumindest. Zum Schweigen bringen, wie der Papst sagt.
Das Hören ist für uns als Glaubensgemeinschaft wesentlich: wir sind nicht alleine Christinnen und Christen, und wir werden auch nicht alleine erlöst. „Gott wollte in eine soziale Dynamik eintreten“, sagt der Papst, wir gehören dazu. Nicht hören zu wollen oder die Verantwortung an einige wenige zu delegieren, ist nicht zuletzt auch religiös und theologisch falsch.
Keine geistliche Verharmlosung
Der Papst empfiehlt deswegen auch genuin religiöse Rezepte: Buße und Gebet. Nicht, um die Debatte ins Fromme zu verlegen, nicht um das Ganze geistlich zu verharmlosen. Sondern weil „Buße und das Gebet helfen, unsere Augen und unser Herz für das Leiden der anderen zu schärfen und die Begierde des Herrschens und des Besitzens zu besiegen, die so oft die Wurzel dieser Übel sind.“ Herrschen und Besitzen, also die Kontrolle haben, das wird uns genommen, wenn wir im Geist der Buße und des Gebets hören.
Ärger, Wut und Frust über die Täter, das Vertuschung-System, über Päpste und Bischöfe, über den Klerikalismus und all das andere sind wichtig und haben ihren Ort. Aber weiter vorne muss das Hören stehen, das Hören auf die die stören. Weil nur von dort her die Perspektive stimmt.
Hand in Hand mit den perversen Missbrauchern gehen ja die leeren Worte! Nicht, dass es mit dem Reden vom Zuhören auch leer wird, pharisäerhaftes Zuhören quasi. Ich empfehle das Lied des Maleachi an Lichtmess, das ist echte Sehnsucht nach
Verheissung in einer Zeit des Verfalls. Würde die Kirche wahrhaftig diese Umkehr vollziehen, wären das nicht nur leere Worte sondern ein Zuhören, das durch die Worte der Opfer echt was zustande brächte!
Schon merkwürdig, dass sich zu so einem Thema all die eifrigen Kommentatoren des Blogs in Schweigen hüllen. Dabei geht es doch um etwas, das seit mehr als einer Dekade viel Aufregung und Misstrauen auch bei völlig Aussenstehenden erregt hat. Sollte da nicht intern einmal etwas in Bewegung gesetzt werden? Nur als Beispiel: Köln könnte doch über seinen Schatten springen und das Gutachten der Öffentlichkeit zugänglich machen. Oder enthalten solche Schriftstücke wirklich so viel Potential, um noch mehr Unruhe, gepaart mit endgültiger Resignation zu bewirken?
“Schon merkwürdig, dass sich zu so einem Thema all die eifrigen Kommentatoren des Blogs in Schweigen hüllen.”
Nein, nicht merkwürdig.
Ich persönlich gehe einfach davon aus, dass das Erzbistum Köln sehr gute Gründe hat, die Studie nicht zu veröffentlichen. Da muss schon viel passieren, damit sich das ändert … Und ein Kommentar hier an dieser Stelle bewirkt da nichts, wenn selbst die Stellungnahmen des ZdK etc. hierzu nichts bewirkt haben …
Jetzt nur einen kurzen Film Tipp:
Kammerspiel: Ferdinand von Schirach : GOTT
Themen: 1,Freitod
2. aktive Sterbehilfe
Hervorragende Schauspieler
Lars Eidinger RA- Ulrich Matthes – Bischof, Matthias Habich- Betroffener 78 J.
Der „Fall“ wird demnächst im dt Ethikrat besprochen.
Anschließend an den Film Voting und “Prominente” Runde bei Plassberg.
Ferdinand von Schirach ein erfolgreicher und wesentlicher Autor ist auch RA
Er muss selbst mit 2 Traumata leben;
9jähriges kath.Internat..
sein Onkel Baldur von Schirach war extremer Nazi und wurde im 1. Nürnberger Prozess verurteilt
Enkel. Nicht Neffe von Baldur v.S. Und woher nehmen sie das Trauma des Internats? Das hat er mir mal anders erzählt.
@Pater Hagenkord;
Ja Sogar 2 zFehlet
1.Internat das hab ich mit einem A- Schriftsteller verwechselt
2. Aktive Sterbehilfe:
Gemeint ist : selbstständig ohne Assistenz mit pharmazeutischen oä den Freitod zu vollziehen!!
Enkel? Das ist ja noch schlimmer auszuhalten…
@ Hopfener Ullrich
anstelle über todunglückliche Nazinachkommen zu referieren:
1.) Säuberung offiziell – dringend benötigt sehr viel erbetene Hilfe vom Heiligen Geist!
wie, wenn nicht nur die Kölner Studie sondern alle weitere Studien und Untersuchungen nun gemäß den neuesten päpstlichen Vorschriften zur Aufklärung des Missbrauchs durchgeführt werden und so nicht nur verstorbene und noch lebende Kardinäle und Bischöfe für deren sträfliches systemimanentes Verhalten in aller Öffentlichkeit kirchlich und weltlich der Justiz anheimfallen – wie wenn auch der heilig- gesprochene Papst JPII und der noch lebende zurückgetretenen Papst Benedikt XVI mit kirchlichen und weltlichen Strafen zu belegen sind – in aller Öffentlichkeit wie z.B. jetzt in Polen?? Danach könnte es den neuen Verordnungen folgend aussehen, darüber ist schon nachzudenken. – Hält das die römisch kath. Kirche aus – auch mit dem Glauben an die unendliche Barmherzigkeit und Liebe Gottes????? Gibt es dann noch Gläubige? – in welcher Kirche? Sind denn die in Rom seit Benedikt XVI vollständig verwahrten Akten endlich alle für die kirchliche und weltliche Justiz offen ??? Oder doch erst nach dem Tod des früheren Benedikt XVI.?
Die beiden Vorgänger von Papst Franziskus stehen da doch selbst in schwerstem Gewitter mit der allumfassenden Sammlung dieser Taten! Es ist anzunehmen, dass mit den Folgen der Bekanntgabe der betreffenden Schuldigen ein wirklich so gewaltiges Beben das ganze schwankende Kirchenschiff zugrunde gehen lässt. Das ist jedenfalls meine Vorstellung. Oder ist die „Säuberung“ auch ohne Namensnennung mit dem plötzlichen Verschwinden vieler Eminenzen aus vielen Ämtern und Ländern unauffällig durchzuführen ?? Kaum! Das würde doch zum allerheftigsten Aufstand der Betroffenen gegen die sich erneuernde Kirche führen. ALLGEMEINE ABSOLUTION mit OPFERENTSCHÄDIGUNG und AMTSNIEDERLEGUNGEN – Endlich?
Möglich: Selbst ein höchst notwendiger UMBAU der Kirchenstruktur führt schnell in die Bedeutungslosigkeit wenn niemand mehr übrig ist…Wann gibt es eine Einsicht und Umkehr der Kurie? und wer bringt sie dazu, diesen Untergang zu vermeiden? Wer könnte das bewirken?? Vermutlich hilft wirklich nur ein neues Konzil……mit nachhaltiger Erneuerung aller kirchlichen Vorschriften und Gesetze.? oder doch eine nationale kath. Kirche?? Bei mir schwindet die Hoffnung diesbezüglich immer mehr. Bin ja auch nur laienhaftes Fußvolk und schon fortgeschrittenen Alters.
2.) WER soll all das bezahlen?? Vatikanbank am Ende durch Auszahlungen an Opfer?
3.) WER wird das aushalten ? Doch eine neue Kirche!!??
Eine vollständige Erneuerung der Kirche tut not, wahrscheinlich wäre dazu ein neues Konzil notwendig. Ich hatte bei der Wahl von Papst Franziskus darauf gehofft, dass er wie seinerzeit Johannes XXIII (ich, Jg 1951) kann mich noch gut erinnern, zügig ein solches vorbereiten und einberufen wird. Für dieses Pontifikat scheint es jetzt zu spät zu sein.
Diese unsägliche Bürokratie mit ihren Eminenzen und Exzellenzen, die sich im Laufe der Kirchengeschichte entwickelt hat, scheint mir auch nicht im Sinne Jesu zu sein.
Und eine Frage beschäftigt mich schon länger: Was ist die Priesterweihe eigentlich wert, wenn sie so viele Männer nicht davon abhält, solche Verbrechen zu begehen?
Oder anders herum gefragt, weshalb zieht das katholische Priesteramt offenbar so viele sexuell schwer gestörte Männer an?
Vielleicht muss die rk Kirche in ihrer jetzigen Form sogar untergehen, damit (wieder) ein authentisches Christentum entstehen kann.
@Frau Brückner
Danke für Ihren Beitrag!
Gestern Abend im TV „Gott“ +Gespräch gesehen..
Mir ist vieles klarer geworden. Vor allem die
Arroganz der kath, Kirchenführung!
Wir leben in einem Staat wo das Grundgesetz gilt!
Und das steht ÜBER. kirchlichen Gesetz Büchern.!!
Und nicht in einem Gottesstaat wie im Iran aber auch im aktuellen Polen!
Die Argumentation der kirchlichen Vertreter – übrigens Laien wie Bischöfe – dreht sich doch ums Grundgesetz und das Argument, wie Rechte zu verstehen sind. Die Beiträge sind alle Teil einer demokratischen Kultur, ich verstehe nicht, warum sie so ätzend formulieren.
Es gibt eine Kirche, in der jeden Tag weltweit unglaublich viel Gutes getan wird, allerdings nicht im Rampenlicht der Institution und ihrer Funktionsträger. Diese Kirche in der Nachfolge Jesu geht nicht unter, sie wird allerdings ein völlig neues Gesicht bekommen. Noch versucht das Amt mit Dogma, Moral, Kult und Kirchenrecht zu steuern. Nur finden sich immer weniger Menschen, die das überzeugt. Ich bin sicher, dass sich Franziskus dessen bewusst ist. Wie er sich Kirche vorstellt, hat er in Evangelii gaudium ganz klar gesagt. Er hat die Alternative schon beschrieben. Aber es gibt in der Kurie und unter den Amtsträgern noch zu viele, die sich ins 19. Jahrhundert zurücksehnen. Es wäre traurig, wenn Franziskus durch sie zu einer tragischen Figur würde. Im Augenblick sieht das fast so aus.
Mir ist das etwas zu einfach, wenn Sie erlauben. So bin ich zum Beispiel ein Freund des Rechts, dass auch die Kirche einen rechtlichen Rahmen braucht, finde ich wichtig. Institutionen sind wichtig, das sagt uns jeder Religionssoziologe. Dogmen sind wichtig, Tradition ist wichtig. Es kommt nur immer darauf an, wie man damit umgeht.
Genau, der Umgang damit ist das Problem. Wir haben eine Dogmatik, die Denkverbote errichtet, z.B. bei der Rolle der Frau. Ein Kirchenrecht, mit dem Rom neue Strukturen ausbremst, siehe Trier. Eine Liturgie, die in Sprache und Zeichen für viele nicht mehr nachvollziehbar ist, besonders das „eucharistische Opfer“. Und eine Moral, die durch eine monströse Doppelmoral entwertet wird, das Thema sexueller/geistlicher Missbrauch. Das ist für mich „die Krise“. An diesen Stellen bewegt sich viel zu wenig. Aber ich will Kirche darauf auch nicht reduzieren. Mir geht es um die, die ganz unspektakulär jeden Tag ihren Job machen, in Gemeinden, Einrichtungen, Schulen usw. Sie sind zwar nur Laien … Aber sie sind Kirche.