„Im Vatikan gibt es Korruption“: So ein Satz aus dem Mund von Papst Franziskus wird immer gerne genommen. Irgendwo äußert der Papst das, vielleicht nur in einem Nebensatz, aber von da aus wandert das in den Titel des Artikels dazu. Man klebt die Ansprache an die Kurie 2014 daran – die ‚scharfe Kritik’ – und andere Zitate, in denen das Wort Korruption vor kommt und schon hat man die Geschichte vom ‚Kämpfer im Vatikan’, der sich gegen Gegner durchsetzen muss. Gegen korrupte Gegner, wohlgemerkt.

Erst in der vergangenen Woche war das wieder Thema, aber es ist ja nicht so, dass man Papstzitate groß suchen müsste, in denen das Wort vorkommt. Die gibt es nun wirklich viele.
Aber was meint er? Wirklich das, was wir in unserer Sprache darunter verstehen? Manchmal bedeuten ja dieselben Worte in verschiedenen Sprachen andere Dinge. „Falsche Freunde“ nennen das die Angelsachsen, man meint, jemanden – oder hier ein Wort – zu kennen, geht aber von falschen Voraussetzungen aus.
Ist das auch hier der Fall?
Toleriert und akzeptiert
Nehmen wir den Papst selbst zur Hand. Auf deutsch ist ein Text von ihm aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires erschienen, unter dem Titel „Korruption und Sünde“. Das sollte uns helfen.
Das erste: es geht hier nicht um Individualmoral, sondern um die soziale Dimension des Handelns. Was mir mit „korrupt“ bezeichnen, hat immer Auswirkungen auf andere und auf das Gemeinsame, auf Gesellschaft oder Familie oder Institution. Es geht um die Gemeinschaftswirkung des Handelns.
Zweitens: es geht dem Papst immer auch darum, dass hier etwas gesellschaftlich akzeptiert, toleriert, geduldet oder ignoriert wird, eine „zwar verurteilte, aber gleichzeitig akzeptierte Dimension des bürgerlichen Zusammenlebens“, wie er schreibt.
Drittens: Das Wort ist weiter als das engere strafrechtliche Verständnis, das sich sofort bei uns im Kopf einstellt. Es geht nicht um Leistung für Geld, es geht nicht um Vorteilsnahme und so weiter. Korrupt bedeutet verdorben, kaputt, verbogen, korrodiert, all diese Dinge. Damit will ich die Schärfe nicht herunter spielen, die bleibt auch im Spanischen erhalten. Aber man darf das ruhig weiter sehen.
Keine Hoffnung
Viertens: Sünde ist der erste Schritt zur Korruption, aber letztere geht weiter. Von Korruption ist dann zu sprechen, wenn „die Fähigkeit zur Liebe“ abgemindert und begrenzt wird, wenn also wirklich etwas verdorben wird. „Man könnte sagen, dass die Sünde verziehen wird, während es für die Korruption keine Vergebung gibt“, um noch einmal das Büchlein zu zitieren. Also braucht die Korruption nicht die Vergebung, wie Jorge Mario Bergoglio schreibt, sondern die Heilung.
Man kann auch sagen, dass bei Korruption die innere Funktion des Menschen, die „über die Wahrheit wacht“, abgeschaltet wird: die Scham. Und das braucht dann die Heilung.
Fünftens: „Der Korrupte hat keine Hoffnung. Der Sünder hofft auf Vergebung … der Korrupte dagegen nicht, weil er sich nicht in Sünde sieht.“ Auch Freundschaft kennt er nicht, nur Komplizenschaft. Und so weiter.
Kritikunfähig
Papst Franziskus wäre nicht Papst Franziskus, wenn er nicht seelsorgerische Einsichten, die fast wie Psychologie rüber kommen, mit seinen Reflexionen verbinden würde. Korrupte vertragen keine Kritik: das ist die erste Einsicht. Der korrumpierte weiß um sich selbst, kann sich das aber nicht zugeben, „und die Irritation, die diese Selbstverfolgung auslöst, projiziert er auf die anderen“, und so weiter (Vorwort). So wendet sich die Korruption aggressiv gegen andere. Wenn ich keine Prinzipien habe, dann sind Leute die das anders sehen halt nicht auf der Höhe der Zeit, mittelalterlich, etc.
Erst in der vergangenen Woche hat er in einer Predigt so von Korruption gesprochen: „Es gibt so viele Korrupte, so viele dicke Fische in der Welt, deren Leben wir aus der Zeitung kennen – die haben vielleicht mit irgendeiner Lappalie angefangen, ich weiß nicht, ein kleines Mogeln mit der Waage: So, machen wir doch, dass 900 Gramm als ein Kilo angezeigt werden. Die Korruption beginnt mit etwas ganz Kleinem, so wie diesem. Mit dem Dialog: Aber nein, es ist nicht wahr, dass diese Frucht dir übel bekommen wird, iss, sie ist gut! Das ist doch fast nichts, keiner wird das merken. Mach nur, mach! Und hier ein bisschen, und da ein bisschen, so fällt man in die Sünde, in die Korruption.“
Ich muss sagen, umso länger Franziskus Papst ist, um so mehr schätze ich ihn. Am Anfang hatte ich so meine Probleme mit ihm, besonders was seine Sprache anbelangt (seine sehr farbigen Metaphern waren sehr gewöhnungsbedürftig und sind es manchmal noch), aber ich bin sehr angetan von seiner (positiven!) Radikalität im Denken und im Handeln. Man merkt, dass er in Argentinien durch eine harte Schule gegangen ist, was ihm jetzt als Papst zugute kommt. Es wird ja in konservativen Kreisen seit Anfang an Zeter und Mordeo geschrien, er geht aber unbeirrt seinen Weg, davor ziehe ich den Hut! Ich bin nicht mit allem einverstanden was er macht, und eine kleine Kritik hie und da muss auch mal sein, aber im Grossen und Ganzen ist er ein herausragender Papst.
Und als bekennender Bewunderer des emeritierten Papstes (ich weiss, es gibt hier ein oder zwei Kommentatoren, die ihn nicht ausstehen können, aber sei’s drum), ist mir eines auch sehr wichtig und es erfüllt mich mit grosser Freue, nämlich, dass Franziskus und Benedikt ein gutes Verhältnis haben und beide sich gegenseitig sehr schätzen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und ich denke, auch Franziskus weiss die jetzige Situation zu schätzen, ist es doch auch für ihn eine grosse Stütze, zu wissen, im Hintergrund ist jemand, der für mich betet und der mir auch mal mit einem guten Rat zur Seite stehen kann.
Ich finde es schön, dass die Beiden gut miteinander auskommen. Und so mancher Kritiker Benedikts XVI. sollte sich mal eine Scheibe von Franziskus abschneiden. Von ihm hört man keine bösen Worten über den Papa emeritus, sondern Wertschätzung. Man muss nicht alles mögen, was Benedikt XVI. in seinem Pontifikat gemacht hat, aber es gibt keinen Grund ihn als leibhaftigen Teufel zu stilisieren, dessen Bann endlich gebrochen ist.
So unterschiedlich sind die Menschen. Je länger Franziskus Papst ist, desto skeptischer sehe ich ihn, desto größer werden meine Sorgen um die ihm anvertraute Kirche.
Der Hl. Geist ist kein Skeptiker.
Ich hoffe nur, daß sich da niemand dem Willen des Heiligen Geistes widersetzt (hat).
@Skeptiker
Ich weiss, worauf Sie anspielen und ich kann Ihnen sagen, auch ich mache mir meine Gedanken und habe gewisse Sorgen, aber der Papst ist derjenige der entscheidet und er hat entschieden. Das haben wir anzunehmen, ob es uns gefällt oder nicht. Man muss sein Urteil akzeptieren, er ist der Papst. Machen Sie sich keine Sorgen sondern vertrauen Sie dem Nachfolger Petri.
Und an Sie, verehrter Suarez, gehen Sie doch mal auf die Sorgen und Ängste anderer ein, versuchen Sie sie zu verstehen und schmettern Sie nicht nimmer gleich jeden ab.
🙂
Was sagen eigentlich die Engel, wenn Menschen ihnen begegnen? Richtig, ganz einfach: „Fürchtet euch nicht.“ Angst ist der schlechteste Ratgeber im Leben, Angst ist eine der Sorgen, die man als Christ nun wirklich nicht haben braucht. Nicht mal unter Benedikt, als die Kirche sich m.E. auf einem falschen Kurs befand, hatte ich Angst. Und daher schmettere ich fröhlich Ängste und Sorgen ab. Denn aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.
Wollen wir es mit Luther mal nicht übertreiben.
„aber es gibt keinen Grund ihn als leibhaftigen Teufel zu stilisieren“
– einmal davon abgesehen, dass die Menschen im Mittelalter – wiewohl vielleicht christlich imprägnierter – absolut keine Hemmungen hatten, den Papst als Teufel zu bezeichnen: bitte, wer tut das in diesem blog? Ich glaube kaum, dass Pater Hagenkord solcherlei freischalten würde.
Wieso fühlen Sie sich angesprochen?
Tue ich gar nicht. Ich finde nur Ihre Wahrnehmung falsch. Die kann und darf man nicht so stehen lassen.
Nun, meine Wahrnehmung ist durchaus nicht falsch. Ich hatte nicht den RV-blog mit meiner Kritik im Auge. Aber wenn man sich in den verschiedenen blogs umsieht, so fällt doch auf, dass Benedikt, gerade von denjenigen, die unter Franziskus bedingungslosen Gehorsam einfordern, über jedes vernünftige Maß hinaus mit Kritik konfrontiert wird, bis hin zur Unterstellung, er sei ein atheistischer Götzendiener gewesen. Alles schon vorgekommen. Nichts gegen eine vernünftige Kritik (Fürbitte für die Juden, Williamson, Vatileaks), aber sie muss maßvoll und gerecht sein.
„(ich weiss, es gibt hier ein oder zwei Kommentatoren, die ihn nicht ausstehen können, aber sei’s drum)“ – „Ich hatte nicht den RV-blog mit meiner Kritik im Auge.“
Sie widersprechen sich. Und daher kann ich dabei ruhigen Gewissens bleiben: Ihre Wirklichkeitswahrnehmung ist problematisch.
Eine Reaktion auf alle Beteiligten: vielleicht hilft es, weniger einander zu bewerten, dann wird auch die Sprache versöhnlicher und die Debatte für Außenstehende interessanter. Hören Sie auf, einander zu beurteilen. Das bringt niemandem etwas.
Ich widerspreche mich keineswegs. Sie schrieben, ein Kommentar in dem der Papst als Teufel dargestellt wird, würde hier im RV-blog nicht freigeschalten. Diese Kritik richtet sich nicht gegen diesen blog. Allerdings gibt es hier Kommentatoren, die ihre Abneigung klar zum Ausdruck bringen. Versuchen Sie wenigstens mal, andere zu verstehen, und versteigen Sie sich nicht in Fundamentalopposition.
Sie haben Recht, Pater Hagenkord. Deswegen diskutiere ich jetzt auch nicht weiter. Suarez ist ein Mensch, dem nur seine eigene Meinung etwas gilt, jeder andere wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Deswegen bringt es nichts, mit ihm zu diskutieren. Nur leider mache ich immer wieder den selben Fehler, mich auf eine Diskussion mit ihm einzulassen. Aber die Hoffnung besteht, dass auch ich es eines Tages kapiere und es sein lasse. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
LiebeR AR,
„vielleicht hilft es, weniger einander zu bewerten“ (P. Hagenkord).
„Suarez ist ein Mensch, dem nur seine eigene Meinung etwas gilt, jeder andere wird der Lächerlichkeit preisgegeben“ (AR 35).
Das muss man nicht weiter kommentieren.
Wie Recht Sie haben, verehrter Suarez. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf dem Weg der Besserung.
Der Papst bewegt mich, weil er mich aus seiner Menschlichkeit heraus anspricht, was mich mit ihm eint. Er lebt was er ausspricht, um auch mir damit die geistige Tiefe zu verleihen, die sich als Leben fassen lässt. Dabei geht es gar nicht darum mit ihm einig zu sein sondern vielmehr darum die Gedanken im Sinne der Menschheit zu fördern, deren Menschlichkeit an den Tag gelegt ist, um ihm abzuverlangen, was das Leben im Stande ist durch jede Person wirklich zu leisten. Nicht jeder muss perfekt sein, gemeinsam sollten wir jedoch unser Wort in seiner ganzen Weisheit für die Wahrheit einsetzen, die uns das Weltbild abverlangt, das aus wahrer Menschlichkeit schafft, was wir verursachen. Menschlichkeit unterliegt nicht einzelnen Menschen, sie fördert die Menschheit durch ihr geistiges Potential. Im Guten zu leben, was bedeutet all seine Lebensenergie in das Wort hineinzulegen, dessen Allmacht sich dadurch in Liebe wandelt, diese Art zu leben bringt uns meiner Ansicht nach Gott näher.
Der Papst
Ein Mensch wie Du und Ich,
im Einklang mit seinem Wesen,
dessen Wort aus Schrift wir lesen.
Das Wort erfasst sich selbst in den Gedanken,
die jeden führen in seinen Schranken.
Mensch zu sein ist gar nicht schwer,
das Gute läuft ihm förmlich hinterher,
will ihn fassen und begreifen,
aus seinem Wesen reifen.
Böse ist wer Böses denkt und damit die Geschichte lenkt.
Wer jedoch Böses als das Gut benennen kann,
indem er sich selbst erkennen kann,
der hat entdeckt was Kraft ihm gibt,
weil einzig sich daraus ein wahres Wort ergibt.
Wahrheit ist des Menschen Glut,
sie verbreitet sich durch ihren Mut.
Nicht mit dem Strom zu schwimmen
ihn in Demut für sich zu gewinnen,
das lässt die wahre Kraft am Horizont erscheinen,
der die Menschheit wird in Liebe einen.
Damit will ich näher bringen, dass die Menschheit ist, was Gott erschaffen im Heiligen Geist verwirklicht, um sich durch ihn, mit ihm und in ihm als das Wesen zu erkennen, das aus dem Nichts angenommen mit ganzer Kraft das Leben erfüllt. Die Liebe in Gott ist die Verbindung zum Nächsten, dem Wesen das als Mensch die Zeit befreit, die sich wahrnehmbar aussprechen lässt, um aus ihrer Einheit zu erschließen, was sich im Gedankengut daraus ergibt. Das Leben selbst ist die Wahrheit, die sich durch uns wahrnehmbar, als Zeit trägt, um aus ihrer Gegenwart heraus die Güte zu schöpfen, derer wir tatsächlich fähig sind.