Wir hören vor dem Fest in den Lesungen während der Liturgie von Johannes dem Täufer. Was gut zur Vorweihnachtszeit passt, jedenfalls besser als die ganzen Märkte. Johannes der Täufer ist unsere Hilfe, Weihnachten zu verstehen. Und damit vielleicht zu verstehen, wie Gott immer wieder in unser Leben kommt.
Denn das ist ja nicht so ganz einfach zu verstehen. Nach so vielen Jahren und Jahrhunderten hat sich der Glaube, unsere Religion, die Kirche kulturell gesetzt.
Neue Perspektive im Glauben
Nehmen wir nur einfach mal das Wort ‚Kirche‘. Wir benutzen das Wort schnell dahin, als wäre das selbstverständlich. Und laden es auf, mit Kultur, mit Bedeutung, mit Ansprüchen. Gestern habe ich zum Beispiel von einem prominenten Kardinal gelesen, der behauptete, Jesus habe die Kirche so gegründet wie wir sie jetzt vorfinden, in Leitung, Lehre, Regeln.
Dabei ist selbst die Kirchensprache nicht eindeutig. Ein Theologe hat mal nachgezählt und allein in den Konzilsdokumenten zwölf verschiedene Bedeutungen des Wortes gezählt. Im Neuen Testament kommt das Wort mehr als 100 Mal vor.
Johannes hilft uns da, weil er den Schritt macht und heraus tritt. Die Wüste ist nicht der Ort, an dem sich normalerweise Religion organisiert, Johannes sucht einen Ort außerhalb, eine neue Perspektive, ein draußen. Und damit machen auch alle diejenigen, die zu ihm kommen – bis hin zu Jesus – diesen Schritt heraus. Er gewinnt eine neue Perspektive im Glauben.
Mit Johannes dem Täufer heraus da
Ich erinnere mich an eine Tagung, bei der es darum ging, als Journalisten Religion als Religion zu verstehen und zu berichten. Es trat eine Journalistin auf, die ihr ganzes Leben hat kämpfen müssen, gegen alle möglichen Vorurteile und Benachteiligungen, bis sie dahin gekommen war, wohin andere viel leichter kommen, also in Verantwortung. Sie übernahm die Debatte, berichtete von ihrem Kampf und drehte damit die Perspektive: Religion und das Berichten darüber müsse zu einer offeneren, inklusiveren, fördernden und toleranten Gesellschaft führen.
Das Problem damit: Damit wird Kirche und Religion zum Zweck. Wir alle sind für eine offene und inklusive Gesellschaft, wir alle wollen das. Und auch aus christlichem Geist, das ist ein Auftrag, der auch aus unserem Glauben kommt. Aber dieses Verständnis von Religion tötet Religion. Es macht sie zu einem Zweck. Es ist eine Reduktion.
Die Falle ist verlockend: Der Journalist weiß angeblich, was gut und was schlecht ist und in welche Richtung sich Gesellschaft entwickeln muss. Religion wird dann vor diesen Karren gespannt. Der Bricht wird dann zu einem Messen: passt das? Oder nicht? Dementsprechend kommt dann auch die Kritik.
Eine verlockende Falle
Aber auch außerhalb des journalistischen Betriebes ist das nicht anders. Wir verstehen Religion, Kirche, Glaube oft genug in unseren Vorverständnissen, wie sollte es auch anders sein. Und da kommt Johannes und macht den Schritt heraus, schafft die neue Perspektive.
Wir reden so leichthin über „Gott wird Mensch“ oder auch über kompliziertes wie, „Gnade“ und „Vergebung“. Leichthin, weil diese Wörter so tief verankert sind, dass die Sinnspitze oft verschütt gegangen ist. Die kirchliche Binnensprache ist voll von diesen Begriffen, die davon ausgehen, dass wir wissen, wovon wir reden, bei genauem Hinsehen aber eine Neuübersetzung oder einen „Umweg“ gebrauchen könnten. Einen Schritt heraus.
Die Worte entstehen und ändern ihre Bedeutung. Es treten Assoziationen hinzu. Die Worte nutzen sich ab weil sie zu oft einfach nur wiederholt werden. Da tut der Perspektivwechsel gut.
Das hat dann auch mit Bekehrung zu tun, man kann über Johannes nicht sprechen, ohne das Wort Umkehr zu benutzen.
Es geht aber auch um Hoffnung. Der Schritt mit Johannes hilft, Hoffnung wieder zu beleben, ein Warten, das vielleicht eingeschlafen ist, wie der Papst es zum Angelusgebet heute formuliert hat.
„Noch heute sind die Jünger Jesu berufen, seine demütigen, aber mutigen Zeugen zu sein, um die Hoffnung wiederzubeleben, um zu verstehen, dass das Reich Gottes trotz allem weiterhin Tag für Tag mit der Kraft des Heiligen Geistes aufgebaut wird.“
Dazu braucht es die neue Perspektive. Und dazu hilft uns die Perspektive des Täufers.