Wir Katholiken und die Bibel – das ist so eine Sache. Das gängige Vorurteil hat es ja, dass wir eher in den Katechismus schauen, während unsere evangelischen Schwestern und Brüder die Heilige Schrift lesen.
Große Freude hat mir gemacht, wie oft während der Bischofssynode die Bibel ins Gespräch kam. Genauer: wie versucht wurde, die Bibel, und hier vor allem das Neue Testament, als Schlüssel für die Sichtweise auf die Welt zu nutzen.
Das ist immer mit einem Perspektivwechsel verbunden, die Logik der Schrift verlangt von mir, dass ich meine eigenen Logiken verlasse oder zumindestens in Frage stelle. Die alterwührdige Sitte, einfach Bibelsprüche aus dem Zusammenhang zu reißen – und hier sind wir und unsere Geschwister der Reformationskirchen gleich schlimm – und irgendwo einzufügen oder aufzuhängen, das passt nicht.
Seit ich in Hamburg gelebt habe fallen mir dort auf der Straße und vor allem um unsere Kirche in der Neustadt immer wieder diese Schriftzüge auf, die eine sehr hartnäckige Person da seit mehr als zehn Jahren abringt. Immer derselbe Satz.
„Märchen“, das steht wohl dafür, dass das alles nicht wahr ist. Sondern „nur“ erzählt. Dass es Regeln und Weisheiten vergangener Tage enthält, die heute nicht mehr gelten. Dass es vielleicht unterhaltsam ist, aber mehr nicht. Das es Moral enthält wie die von den Grimm-Brüdern gesammelten Märchen. Was auch immer die Intention des Satzes von Hamburg ist, es geht vor allem um die Negierung des zentralen Satzes: Die Bibel ist eben nicht das „Wort Gottes“.
Eben nicht Wort Gottes?
Mir gibt das immer und immer wieder zu denken. Sonst würde ich ja auch hier nicht darüber schreiben. Was denken wir über die Bibel? Wie lese ich sie? Wie versuche ich, meinen Blick auf die Welt durch die Logik Jesu, die Logik der Schrift prägen zu lassen.
Denn das ist es ja schließlich, worum es geht. Lasse ich zu, dass mich das prägt, meinen Glauben, mein Leben, meine Entscheidungen, meine Perspektiven. Und wenn wir sagen und liturgisch bekennen dass das, was wir lesen und hören „Wort Gottes“ ist, dann muss das ja Folgen haben. Dann ist das nicht nur einfach so ein Satz, den man halt sagt.
Nicht einfach nur ein Satz, den man sagt
Gott ist eben nicht nur Objekt der Erzählungen, sondern auch Subjekt. Die Bücher der Bibel haben „echte Verfasser“, wie das Konzil es nennt, sie sind nicht von Gott irgendwie diktiert worden. Deswegen sprechen wir von Inspiration. Trotz der menschlichen Verfasserschaft ist da Gott, ist da Heiliger Geist zu entdecken.
Wie genau, das geht nur durch das Lesen, oder besser noch das Hören. Die Kirche sei der Ort der Schriftauslegung, also die Gemeinschaft, lautet eine theologische Regel. Die Bibel „gibt“ es nicht für mich, sondern nur für „uns“. Ich lese das so: je mehr man in Gemeinschaft – in kleinen Gruppen, Familie, Pfarrei, Bewegung, unter Freunden – darüber spricht, umso mehr erschließt sich, was Göttlich ist in der Schrift.
Vertrautheit
Das Wort, dass im Umgang mit der Bibel immer wieder fällt, ist „Vertrautheit“. Wir müssen vertraut werden. Das findet sich in Evangelii Gaudium genauso wie im Synodendokument und in unendlich vielen spirituellen Büchern.
Das entsteht, wenn ich die Schrift immer wieder zur Hand nehme. Nicht auswendig lernen ist das Ziel, nicht möglichst viel wissen, sondern sich prägen lassen.
Papst Franziskus verschenkt immer mal wieder Bibel, 2014 – beim ersten Mal – waren es 1.200 Stück an Gefangene in Rom. Andere gehen an Pilger auf dem Petersplatz. Und immer wieder sagt er, dass wir die Schrift täglich in die Hand nehmen sollen. Und lesen. Und darüber sprechen. Dann entsteht diese Vertrautheit.
Und wenn der Glaube Wurzeln schlagen soll und wenn sich Kirche erneuern will, dann geht das nur mit der Bibel in der Hand.
Was ist mit gemäß den Evangelien Jesus wörtlich zugeschriebenen Aussagen?
Ist da nicht der Schluss aus „Wort Gottes“ naheliegend, dass es sich wirklich um Wörter Gottes handelt?
Aber gut die Anregung, mehr Bibel zu lesen. Sollte ich auch wieder mehr machen. Irgendwo hinter dem Ende der babylonischen Gefangenschaft verließ mich letztens die Motivation.
Wir können uns nicht sicher sein, was die berühmten „ipsissima verba“ sind, wörtlich von Jesus so gesagte Worte. Zumal alles in jedem Fall Übersetzung ist. Ohne Auslegung kommen wir also nicht aus.
Aber es macht ja schon einen Unterschied, ob der von Gott inspierierte Autor schildert,
wie die Bauarbeiten beim Wiederaufbau der Stadtmauer von Jerusalem nach der babylonischen Gefangenschaft von statten gegangen sein soll (Buch Nehemia) oder
wie der menschgewordene Gott bezüglich einer Art Beschreibung des jüngsten Gerichts gesagt haben soll: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ und „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ (Mt 25, 31-46) und wörtlich eine „ewige Strafe“ erwähnt haben soll.
Zwar mag es sein, dass inspirierte Berichte über das Leben Jesu hier und da Fehler enthalten; aber wenn das inspieriert ist, dann wäre wohl anzunehmen, dass „ewige Strafe“ und „Was ihr dem geringsten …“ zumindest keine sinnentstellende Wiedergabe von Jesu Worten ist.
Auslegen muss man trotzdem; aber eine gewisse Vorgabe ist es schon.
Wie kommen Sie auf einmal auf das Wort „Fehler“? Auch das inspirierte Wort ist und bleibt Wort Gottes. Es auszulegen bedeutet doch nicht, auf Fehlersuche zu gehen.
Und natürlich ist es eine Vorgabe, ganz klar. Aber allein die Tatsache, dass wir keinen Text haben, der als der eine Referenztext gelten kann zeigt doch schon, dass das Weitergeben und Auslegen und Erzählen mit dem Buch selber verbunden ist.
Die Bibel fasziniert und begeistert mich und sie macht mich zornig, wegen ihrer schlimmen „Nebenwirkungen“ in der Kirchengeschichte und auch noch in der Gegenwart. Für mich ist sie Glaubensnahrung und Wegweisung, für manche anderen ist sie glaubenszerstörend und ich sehe, wie viele Menschen durch sie in die Irre geführt werden: z.B. manche Freikirchen und die von ihnen unterstützten Politiker in Brasilien.
Deshalb habe ich einige grundlegende Überlegungen dazu angestellt – mit einigen Bitten an die Kirchenleitung.
Aber dieser Text hat fast sieben Seiten. Deshalb nur ein Link dafür (wenn das erlaubt ist?):
http://hanglberger-manfred.de/bibel-zeitgemaesses-verstaendnis.htm
Dort habe ich auch zwei Links, warum ich so von der Bibel fasziniert bin: Über die Botschaft der Bergpredigt und über den grundsätzlichen Sinn der Gebote Jesu.
Noch ein Zitat von Bischof Kohlgraf von Mainz (aus katholisch.de):
… wenn jede Bibelstelle „direkt wörtlich geoffenbarte unveränderliche Wahrheit wäre, müssten wir aktuell Ehebrecher, Gotteslästerer, Wahrsager, ungehorsame Söhne und Töchter und Menschen, die am Sabbat ihr Auto waschen, steinigen“.
Religiöse Bildung und theologische Forschung seien notwendig, „um das Verständnis der Heiligen Schrift zu retten und sie gegebenenfalls nicht der Lächerlichkeit preiszugeben“
Herzliche Segenswünsche an alle Leser
Manfred Hanglberger
Als ich auf der Suche nach Halt war, riet mit in einem Nebensatz ein Priester doch mal die Bibel zu lesen. Und welche ich zumeiner Schande gestehen musste nicht eines der Evangelien mal am Stück gelesen zu haben, kauften ich mir eine kleine, handliche Bibel für unterwegsund seither lese ich.
Das lesen alleine reicht natürlich nicht. Es ist der Anfang. ICH versuche jetzt zu verstehen was ich lese und der Austausch darüber was ich lese ist mir sehr kostbar geworden.
Ich bin sehr froh, dass in meiner Gemeinde die Schriftlesungen im Gottesdienst wertgeschätzt werden. Der Vortrag ist gut. Die Predigt legt den Text aus und es gibt einen Austausch über den Text. Wir versuchen im Kreis der Brüder und Schwestern zu verstehen was an dem Text denn genau Gottes Wort für uns jetzt ist.
Das ist mir und vielen anderen sehr kostbar geworden und es verändert die Gemeine unser Miteinander, unsere Art zugeben und zu leben.
Der kritische Umgang mit der Schrift ist mir sehr wichtig, weil er mich demütig macht und mich existentiell berührt.
Letztlich wird mir immer klar, dass essen keine Beweise gibt. Wir haben keinen Beweis für die Göttlichkeit Jesu. Wir haben keinen Beweis für seine Auferstehung und wir haben keinen Beweis dass es Gott überhaupt gibt. Wenn ich die Bibel ehrlich lese ist das so.
Ich begegne da Zeugnissen von Menschen, die aber genau das für sich behaupten. Und ich muss mir die Frage stellen: Willst Du das auch für Dich annehmen?
In den letzten Wochen sind wir in unserer Gemeinde den Weg des Markusevangeliums gegangen gen von Cäsarea Philippi bis nach Jericho. Und wir haben uns immer konfrontieren lassen von seinen Aussagen wie wir uns verhalten sollen, wenn wir Jesus nachgehen wollen …. harter Toback. Aber es tat gut von den anderen zu hören, dass es Ihnen auch schwer fällt das zu hören und warum sie sich trotzdem darauf einlassen und welche Erfahrungen sie machen auf diesem Weg.
Die Beschäftigung mit der Schrift macht mich nackelig aber bringt mich meinen Brüdern und Schwestern sehr nahe.