Teil 1
So langsam schält sich heraus, was für einen Papst wir haben. Die ersten 100 Tage sind noch längst nicht um, aber trotzdem kann man schon sehen, wie Papst Franziskus ein Amt auszufüllen gedenkt. In den vergangenen Tagen und Wochen war ich viel unterwegs, um über den Papst zu Sprechen, den einen und den anderen Vortrag zu halten und mich mit Kollegen auszutauschen. Als ein vorläufiges Ergebnis möchte ich einige Gedanken zum Pontifikat vorstellen. Es ist „work in progress“, noch keinesfalls ein fertiger Gedanke, aber ich probiere mal eine erste vorsichtige Einschätzung.
Drei Punkte möchte ich nennen, dementsprechend kommen die Gedanken in drei Teilen. Teil 1 beginnt mit diesem Audio:
„Liebe Brüder uns Schwestern, guten Abend!“
Seit dem Auftritt auf dem Balkon am 13. März beginnt der Papst seine Ansprachen mit dieser Art Begrüßung: ,Guten Tag‘ oder ,Guten Abend‘. Es ist ein unspektakuläres Auftreten. Alle seine Gesten und Worte, seine liturgische Kleidung, seine Gestik und Mimik, sein Predigen im Stehen, all das will einfach sein.
Papst Franziskus zeigt damit, dass er mit uns auf Augenhöhe sprechen will. Seine Art der Kommunikation ist direkt und unvermittelt, er baut keine Rollen auf, keine Distanzen. Man sieht das auch an den langen Fahrten auf dem Petersplatz und den Begrüßungen am Ende der Generalaudienzen: Der Papst ist bis zu einer Stunde unter den Menschen, er umarmt, spricht, küsst, berührt und segnet.
Und auch, wenn da 70.000 Menschen auf dem Petersplatz sind, so ist er immer nur in Begleitung und Umgebung von Wenigen: Die direkte Umgebung hat seine volle Aufmerksamkeit. Er wendet sich denen ganz zu, die ihm gegenüber stehen oder sitzen. Er kommuniziert direkt und unmittelbar. In diesem Blog habe ich das den „direkten Papst“ genannt.
Mehr als eine Stilfrage
Das „guten Abend“ passt da hinein und ist so etwas wie der Eingangston, der uns alle an diese Kommunikationsweise erinnert. Es ist wie ein Radio-Jingle, eine Türglocke.
Das alles scheint mir aber mehr zu sein als Stilfrage. Am Anfang haben wir all die kleinen Symbole gesehen, die eine Änderung im Stil ankündigten. Ich sehe darin aber mittlerweile mehr als ,nur‘ Stil: Das ist Kommunikation und die Weise Papst Franziskus, sein Amt auszuüben. Das alles ist nicht nur die Vorbereitung, bis dann irgendwann mit anderen Entscheidungen ,wirklich‘ sein Pontifikat beginnt.
Wir sehen hier eine verkündende Kirche, die hinausgehende Kirche, von der der Papst am Anfang so häufig gesprochen hat. Wir müssen nicht erst auf wichtige Texte warten, er ist seine „Enzyklika auf zwei Beinen“, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten.
Er zeigt uns, wie das geht: Christus nachfolgen und auf die Schwächsten zugehen, weil in ihnen Christus zu erkennen ist. Er legt im besten Sinn des Wortes Zeugnis ab für seinen Glauben und lässt das sein Amt bestimmen.
Eben ein Papst des Volkes, aus dem Volk, mit dem Volk, für das Volk und vor allem für Gott und die wirkliche Wahrheit in unserem Glauben. Sein Auftreten wirkt so natürlich, volksnah, liebevoll, demütig, unbefangen und ohne Vorurteile und Erwartungen, manchmal sogar etwas naiv anmutend. Aber ich bin mir sicher, das letztere Aussage täuscht und Papst Franziskus auch anders kann, wenn es für die Sache Gottes und unseren Christlichen Glauben erforderlich sein wird. Ich würde es bestimmt nicht darauf ankommen lassen, sofern ich von der Kirche abhängig und begünstigt wäre. Er scheint nur für uns Menschen in seiner Kirche, der er vorsteht sowie für Gott und die Verkündigung dessen froher Botschaft in wahrer deutlicher, aber liebevoller und fürsorglicher Weise zu leben und zu handeln. Einen kleinen Wermutstropfen aber sehe ich in der Frage, ob er auch seine satt und müde gewordenen Brüder im Amt an der Basis erreichen wird, ob diese ihm folgen (vor allen Dingen die regionalen, mächtigen und satten Oberhirten mit ihren bürokratischen Mitbrüdern im Amt) und ob sich nicht sogar ein gewisser Widerstand aus dem Amt heraus bilden wird? Wer gibt schon gerne gewachsene, angenehme Pfründe, Annehmlichkeiten und ein bequemes Leben aus einer bisherigen „Stellung mit dem erhobenen Zeigefinger und Herrscherpose“, ohne weiteren Widerstand auf? Auch Geistliche sind nur Menschen mit Fehlern und Eigenheiten wie wir alle auch. Eine weiterer Unsicherheitsfaktor wird sein, wie die moderne, anspruchsdenkende, fordernde Kirche der gläubigen Christen, bestehend aus Menschen mit verschiedenen Charakteren, Ansichten, Begehrlichkeiten, Wünschen u. v. a. m., reagieren wird. Werden unsere Hirten vor Ort überhaupt bereit sein, dem neuen Maßstäben dieses Pontifikats zu folgen und den Aufbruch an die Basis weitertragen oder werden sie sich hart damit tun, wieder aktiver und im Auftrag des Dreifaltigen Gottes zu wirken und zu evangelisieren? Werden sie sich weiterhin verwehren, sich aktiv und mit vollem Einsatz bei den Familien um Priesternachwuchs bemühen. Hier sehe ich vor allem in Deutschland ein gewaltiges Defizit durch Versagen der Oberhirten und Hirten. Werden sie vielleicht mit noch mehr abgeschobener Bürokratie aus den Diözesanen Verwaltungen überflutet werden? Werden die gläubigen Christen an der Basis vielleicht noch mehr zu unfreiwilligen Arbeitsdrohnen für träge Geistliche stilisiert? Wie werden vor allem unsere ausländischen Priester, die sich oft als Missionare ( vor allem in deutschen Diözesen) sehen, diesen neuen Herausforderungen gegenüberstehen?
Das haben Sie sehr treffend auf den Punkt gebracht!
Die gestrige Messe habe ich – wie so oft in letzter Zeit – über die Live-Schalte von Radio Vatikan verfolgt (auf diese Idee wäre ich früher nicht im Traum verfallen).
Was mich mit am meisten bewegte, war die Reaktion der vielen Geistlichen, die am Ende versuchten, Franziskus persönlich zu begrüßen: sie hätten ihn vor Euphorie und Freude fast zerdrückt. So viele strahlende Gesichter!
Die anschließende Jeep-„Audienz“ quer durch die Menge hat mir eine Gänsehaut beschert – nicht nur aufgrund der sichtlich an ihre Kapazitätsgrenzen stoßende Security.
Es war genau, wie Sie es hier so treffsicher beschrieben haben: Franziskus begegnet den Menschen auf Augenhöhe. Er ist äußerst wach und aufmerksam und – ungeachtet der Massen – dem Einzelnen freundlich zugewandt.
Es ist eine moderne „Übersetzung“ der Apostelgeschichte und dennoch im Kern unverkennbar. Und mein subjektiver Eindruck ist, dass von Woche zu Woche mehr der Schwächsten und Kleinsten kommen und um seinen Segen bitten.
Als Franziskus am Ende seiner Fahrt zu den Kranken ging und sich ihnen so individuell widmete, war auch mein spontanes Empfinden, dass es genau DAS ist, was er mit seinen Appellen an die Kirche einfordert: hinaus gehen, barmherzig sein, sich kümmern – und es mit fröhlichem Herzen GERN tun!
Zum Nachmachen dringend empfohlen.
@ Elisabeth
Das ist es eben, was ich hier in diesem Blog schon mehrmals erwähnt habe, dass m. E. die verantwortlichen Hirten im Röm. Kath. Kirchenamt, satt, bequem sowie träge geworden sind und als abgehoben erscheinen. Deshalb hat sich auch das Volk von seiner Kirche entfernt, weil es sich dort nicht mehr aufgehoben fühlte und hat in vielen Fällen auch die Nähe zu und den Glauben an Gott verloren..
Die Art von Papst Franziskus versteht das Volk, setzt neue Hoffnung in ihn sowie ihre Kirche und schöpft wieder neues Vertrauen. Deshalb wendet es sich auch wieder ihrer Kirche zu, in die es hineingeboren und in ihr getauft wurde. Wer nicht begeistern und mitreißen kann wird auch keinen Erfolg haben. Deshalb Verantwortliche im Kirchenamt, folgt Papst Franziskus in euerem Hirtenamt. Dann werden auch die Gläubigen wieder euch folgen und sich wieder zu Gott hinwenden.
Könnte da vielleicht doch etwas an meiner bereits vor einiger gemachten Einschätzung dran sein, dass Jesuiten Manager- und Karrieretypen sind ?
Müssen da nicht die kleinen unwichtigen Sachen, wie z.B. der Blog, zurückstehen können? Ein Schelmoder gar ein Querolant, wer solches denken oder sogar schreiben würde. Erst die Publicity und das außenwirksame Show-Bussines, dann eben erst die lästigen Anhängsel? Kleiner Denkanstoss zum neuen Tag, aber nicht böse gemeint. Eben nur die Meinung eines Bloggers.
Mit Verlaub, ich verstehe diesen Beitrag nicht. Was soll das aussagen? Was hat das mit den Blog zu tun?
„Die ersten 100 Tage sind noch längst nicht um, aber trotzdem kann man schon sehen, wie Papst Franziskus ein Amt auszufüllen gedenkt.“…“er ist seine „Enzyklika auf zwei Beinen“…
„Er zeigt uns, wie das geht: Christus nachfolgen und auf die Schwächsten zugehen, weil in ihnen Christus zu erkennen ist.“
Der Artikel hat mich heute noch im Eindruck der gestrigen Übertragung „erwischt“ – und reflektiert, was mich (wie ich mehrfach auch hier geschrieben habe) seit dem 13.3. immer wieder bewegt. Und das ist die Art, in der Franziskus sein Amt versteht und ausfüllt (erste Zwischenschau nach 100 Tagen).
Weder bin ich Theologin, noch habe ich das Glück, in Rom vor Ort zu sein oder einen engen Austausch mit Mitarbeitern des Vatikan pflegen zu können, um das Pontifikat des neuen Papstes einordnen zu können.
Ich kann nur das zum Maßstab nehmen, was mich – als „normale“ Gläubige daheim, via neue Medien erreicht. Und was mich erreicht, sind vor allem Bilder (Das letzte Angelus-Gebet mit der „Zwiesprache“ zwischen Franziskus und den Menschen auf dem Platz war für mich, die ich nicht italienisch spreche, zum Beispiel nur intuitiv zu erfassen.).
Das, was Franziskus – hier bei mir in Deutschland – hervorruft, sind nun einmal Emotionen: (Vor)Freude, Neugier, Erstaunen. Und das intuitive „JA“, den Weg, den der Papst hier beschreitet, genau auf diese Art mitgehen zu wollen.
Die Gesichter der Menschen auf dem Petersplatz drücken für mich dasselbe aus. Und ich erfreue mich an dieser Lebendigkeit.
Es tut mir leid, wenn das naiv klingt oder wenn das, was bei mir „hängenbleibt“, zu wenig theologische Tiefe berührt. Mir ist auch bewusst, dass andere die aktuellen Entwicklungen wesentlich kritischer sehen oder sie mit Skepsis wahrnehmen.
Ich persönlich bin momentan einfach eins: beeindruckt. Mehr wollte ich ich nicht zum Ausdruck bringen.
Ich stimme zu, Papst Franziskus ist in seiner Art, seinem Wesen, Charakter herzlich einfach und verständlich, für das, sag ich mal normale einfache Volk. Das ist unbestritten, ohne Zweifel und wie man sich Evangelisierung vorstellt.
Ich sehe die Übertragungen regelmäßig und nicht erst seit dem letzten Konklave sondern schon seit dem vorletzten.
Predigten im Stehen, lange Fahrten durch die Menge das gab es auch beim Vorgänger schon nur in der letzten Zeit saß Benedikt während der Predigten und genauso waren bei den Papstaudienzen lange Schlagen von Menschen auch Behinderte die er begrüßte das alles ist für mich nicht neu. Das hat Papst Benedikt auch schon gemacht mit einer anderen Mentalität, deutscher Mentalität, deutsche Erziehung, deutsche Distanz doch so große Unterschiede sehe ich da nicht.
Wer die Predigten, Katechesen von Benedikt Aufmerksam verfolgt hat und nun die von Franziskus Aufmerksam verfolgt der wird merken und auch wissen das es keine großen Unterschiede gibt denn jeder spricht von der „Liebe“, von Jesus der die Liebe ist. Papst Franziskus legt Zeugnis ab für die einfachen Menschen für die Menschen die die Sprache des Intellektuellen Papstes nicht verstanden haben und bis heute nicht verstehen.
Klar sind Gesten gut, dass auf die Menschen zugehen ohne Zweifel doch finde ich gerade in so einem Gottesdienst wie den Firmgottesdienst vom 28.4. wo so viele unterschiedliche Menschen der verschiedenen Kontinente dabei waren, die Weltkirche präsent war hat mir doch und ich spreche jetzt vom Gottesdienst und nicht den Gesten danach, die Vielfalt der einzelnen Sprachen gefehlt die Lesungen und Gebete die es oft in mehren Sprachen gab.
Wenn schon Weltkirche dann auch richtig die Gebete hätten doch die Firmlinge in den Sprachen ihrer Herkunft sprechen können das ist für mich Geste, Vielfalt und habe ich sehr stark vermisst. Liegt sicher nicht an Papst Franziskus ich denke an denen die mit der Gestaltung der Gottesdienste beauftragt sind.
Auf Augenhöhe will uns der Papst freundlich begegnen. Bemühen wir uns doch, dies in unserer Haltung auch zu tun und auszudrücken! „Wir haben einen Papst“, klingt zumindest in deutscher Sprache und Kulturation besitzergreifend für jemanden, der eine gewisse Zeit bei uns ist, uns seine Auferksamkeit schenkt und schlicht und segensreich wirkt. Erst in der reflektierten Distanz von „Haben“ und „Bei-uns-sein“ zeigt sich die innere Nähe eines Papstes, den wir nie haben und unser eigen nennen können.