Papst Franziskus hat einen ganz eigenen Stil, wenn er spricht. Vielfach wird es wahlweise als direkt, als weniger intellektuell als Benedikt, als pastoral, als lateinamerikanisch oder sonstwie bezeichnet. So ganz kann ich mir noch keinen Reim drauf machen, irgendwie passen die Attribute nicht ganz auf das, was ich täglich höre oder lese. Also versuche ich mich mal an meinen Notizen und Wahrnehmungen. Beginnen will ich Aber mit der klugen Beobachtung eines Mitbruders.
Pater Antonio Spadaro SJ hatte als Chef der Zeitschrift Civiltà Cattolica schon mehrfach Gelegenheit, dem Papst in formloser Atmosphäre zuzuhören. Er hat ihn auch interviewt. Als gelernter Literaturwissenschaftler hat Spadaro auch ein Gespür für Sprache. „Wenn der Papst frei spricht, dann hat seine Sprache einen gewissen Rhythmus, der wellenförmig zunimmt; man muss ihm sorgfältig zuhören, weil er von der lebendigen Beziehung mit seinen Gesprächspartnern lebt. Wer aufmerksam ist, der sollte nicht nur aufmerksam auf den Inhalt hören, sondern auf die Dynamik der Beziehung, die dadurch entsteht,“ so Spadaro in seinem Artikel.
Zirkulär und in Wellenbewegung
Später in seinem Artikel kommt Spadaro immer wieder auf den Stil der Kommunikation zurück, er nennt es die „zirkuläre“ Weise, immer wieder auf Themen zurück zu kommen. Ein Gedanke, der in einer Predigt auftaucht, sagen wir in einer Morgenpredigt, wird in der folgenden öffentlichen Predigt oder Ansprache aufgegriffen, kommt dann nach Wochen noch einmal vor, vielleicht etwas gewandelt und tritt dann zurück.
Man muss diese Linie nicht kennen, um die einzelnen Predigten zu verstehen, aber wenn man den Linien folgt, dann bekommen die einzelnen Gedanken zusätzlich Gestalt. Ein Beispiel? In der Predigt an die Jesuiten sprach er von der Unruhe des Herzens, einige Tage später dann in der Predigt zum Fest Epifanie davon, sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden zu geben, eine Abwandlung desselben Themas.
Das offensichtlichste Beispiel ist natürlich das Wort Peripherie. Revolutionen entstehen immer dann, wenn man die Welt von der Peripherie aus betrachtet, sagt der Papst. Bethlehem ist die Hütte an der Peripherie Israels, und so weiter. Dieser einzelne Begriff zieht sich durch das gesamte bisherige Pontifikat und er bekommt seinen Inhalt immer von den Orten und Gelegenheiten her, wohin der Papst ihn spricht. Und das färbt dann auch die übrigen Male, die er davon spricht.
Mich erinnert das an das Johannesevangelium, bzw. an mein Studium. Ein Jahr lang haben wir Johannes-Texte übersetzt und da begegnet einem dasselbe Phänomen. Der Evangelist hat einige Worte, die als Anker dienen oder als Wegmarken, von denen man aber genauso nach vorne wie zurück blicken muss. Johanneische Texte sind nicht linear, erst eins dann zwei dann drei, sondern leben von den Beziehungen, die die Worte untereinander haben.
Wir haben damals Listen geführt mit diesen Worten, „Bleiben” zum Beispiel (19 x), „Wahrheit” (26 x), „Glaube(n)” (45 x), „Stunde” (15 x), „ich bin” (19 x). Und so weiter. Das sind Worte, die in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder auftauchen, die aber nicht einfach nur da stehen, sondern aufeinander Bezug nehmen.
Innere Bezüge
Nun ist der Papst kein Evangelist, aber ich fühle mich ermutigt, auch mal kreuz und quer zu lesen, die eine neben die andere Predigt zu halten, „Barmherzigkeit” nicht einfach nur so zu verstehen, sondern immer in Bezug auf das, was er vorher darüber gesagt hat und was er vielleicht später einmal sagen wird.
Es ist schwer zu fassen und vielleicht auch etwas abstrakt, aber wenn Pater Spadaro von der zirkulären Weise des Themensetzens Franziskus’ spricht, dann ist genau das gemeint. Die Dinge lassen sich nicht eins zu eins verstehen, sondern nur in Bezug, also in einer „Begegnung der Worte”.
Finde ich ja hochspannend! Auch zu sehen, wie sich weitere Argumentationskreise ziehen, denn mir war in der letzten Woche schon aufgefallen, wie spannend zentrale Begriffe und Themen von Papst Franziskus (Stichwort: Kirche lässt sich nicht als menschliche Organisation verstehen) nicht nur von ihm immer wieder auf unterschiedlichste Bezüge angewendet werden, sondern darüberhinaus auch noch z.B. von Kardinal Müller auf seine die Glaubenskongregation betreffenden Themen hin diskutiert und entwickelt wurden.
http://de.radiovaticana.va/news/2014/01/27/papstpredigt:_priester_und_bischöfe_-_gesalbte_des_herrn/ted-767665
http://de.radiovaticana.va/news/2014/01/31/erzbischof_müller:_„kirche_sollte_sich_keine_machtkämpfe_leisten“/ted-769027
Danke, Pater Hagenkord, und danke, Frau O Donnell-Michael! Ich hatte die
Anschlussidee, ob man diese Papst-Begriffs-“Clouds” nicht mal optisch 3-D zusammenstellen könnte. Jenseits von Predigt-Lektüren könnte dies eigenständige Denk- und Meditationsanstöße geben: privat, in Schulen, Meditationsgruppen, Bildungshäusern, bei Predigten…vielleicht sogar mit Fotos kontrastieren? Auf jeden Fall digital abrufbar, damit sie ergänzbar bleiben?
Ein gutes Thema, finde ich auch, und täglich wieder hochaktuell, weil P. Franziskus’ Worte und Mahnungen unüberhörbar und eingängig sind. Es ist mir auch aufgefallen, dass er wichtige Themen einige Male anspricht. Sie sind auch alle in “Evangelii gaudium” enthalten. Sie setzen sich im Kopf fest und fordern einen heraus, was Konkretes zu tun, wenn man noch Kapazitäten hat.
Vergangene Woche äußerte eine Schreiberin, sie wisse nicht, wie sie auch noch z.B. an die Peripherie gehen solle, die Zeit ist beschränkt. Auch mit dem Lesen des Wort Gottes kann man doch mitunter Jemanden “treffen”, der sich an irgendeinem Rand befindet. Ich glaube, dass nicht jeder dort arbeiten kann, manchmal tut es ja auch bei Gelegenheit schon ein freundliches Wort oder ein offener Blick in die Runde am “Brunnen” oder vor dem Einkaufsmarkt. Aber wer den Wunsch in sich wachsen spürt, an einer der vielen Peripherien andere zu stützen, der wird “SEINEN” Randbewohner finden.
So klar und eindeutig und für Jeden verstehbar hat wohl selten ein Papst ausgesprochen, was christliches Handeln ist. Ein Segen für die Welt!
Wie der Papst spricht ob nun zirkulär, wellenförmig oder ob es wie ein roter Faden ist der sich durch seine Botschaften zieht, ist nicht wichtig. Wichtig ist Wie es ankommt. Ich denke mal es sollte so sein das es verstanden wird und aus diesem verstehen dann ein umsetzen im eigenen Leben wird jeder Mensch für sich. Das aus dem begegnen der Worte Taten werden für mein eigenes Leben und nicht nur ein hören bleibt und vorbei zieht und vorbei rauscht für den Augenblick oder den Moment. Nein die Botschaft sollte sich fest einprägen, nicht in Momentaufnahmen vorbeihasten.
Ja, ich finde auch, dass sich diese Begriffe und ihre Umsetzung im Handeln des Papstes einprägen und nicht nur zum Nachdenken, sondern zum Selber-Handeln herausfordern. Papst Franziskus erster Besuch war “am Rande”, auf Lampedusa. Und hier haben jetzt immer mehr Gemeinden Unterstützerkreise für Flüchtlinge gebildet. Und zwar keine, die erstmal lange pseudo-aktig und aufschieberisch tagen und tagen, sondern sofort nach Gründung wurden und werden Flüchtlinge aufgenommen und unterstützt im Alltag. Dass das alles so durchwirkt, da ist der Heilige Geist spürbar, wunder-bar!
Auch, dass die zentralen Begriffe und Themen von Papst Franziskus eindringlich so dargestellt werden, dass seine Person dahinter zurücktritt wie auch dies dann von Kardinal Müller (in meinem Beispiel s.o.) weitergetragen wurde, da dachte ich noch: “Sowas ist dann wirklich anders als bei einer rein menschlichen Organisation, wo jeder sein individuelles Profil in den Vordergrund stellt.” Das ist dienend.
Multidimensionalität ist eine Grundeigenschaft des GEISTES!
Thora Peter – Stahl
Em. Papst Benedikt und jetzt Papst Franziskus predigen immer wieder den Lebensschutz.
Papst Franziskus zählt explizit die Alten, Kranken, Schwachen auf und dass diese, auch wenn sie nicht mehr produktiv sind, ein einzigartiges Leben haben, das geschützt, geschätzt und geehrt werden muss, weil Gott gerade diese Menschen besonders liebt.
Mein Herz war unruhig und ich wusste nicht, warum. Ich bewunderte Mutter Teresa immer wieder für ihren Dienst an den Sterbenden. Ich sagte mir, dass ich das auch gerne täte, aber ich ja nicht nach Kalkutta komme….
Ich betete für die Arbeit der Schwestern in Kalkutta. Bis ich eines Tages eine “Antwort” für mein unruhiges Herz bekam:
“Wozu habe ich Dich geschaffen, warum betest Du “nur” für die Sterbenden in Kalkutta – Du kannst es genauso tun – für die alten, schwachen, allein gelassenen Sterbenden im Altenheim.”
Ich denke durch die regelmäßige Eucharistie wurde mein Herz unruhig und ich konnte mich nicht mehr nur mit dem Kirchgang zufrieden geben, ich musste die Liebe, und das was ich im Gottesdienst (Evangelium) erfahre umsetzen, sonst wäre ich heute noch unruhig. Seit 2 Jahren bin ich ehrenamtlich in der Hospizarbeit tätig – und mein Herz ist nicht mehr unruhig, sondern ruht in sich. Ich habe meinen Frieden gefunden….
Ihr Beitrag regt – wie so häufig – an. Ich bin kein Sprach- oder Literaturwissenschaftler, mich hat aber immer ein wichtiger Grundsatz von Kommunikation sehr überzeugt, sinngemäß: “Entscheidend ist nicht, was eine/r gesagt/gesendet hat, sondern was bei den Angesprochenen tatsächlich wirklich ankommt”. Und hier erscheint Papst Franziskus, auch wenn wir nur die Übersetzungen hören/lesen, doch immer erfrischend bildhaft und in allem sichtbar bemüht, verstanden zu werden. Hierher gehört auch zwingend die Redundanz, wie anders sollten wir Älteren und häufig Unaufmerksamen noch dazulernen? Dazu kommt dann das starke Bauchgefühl fast aller Menschen, dass hier jemand ganz bei sich ist, authentisch und glaubhaft agiert. Das nun unterscheidet ihn so erfrischend von nicht wenigen anderen Vertretern unserer Kirche, die konstitutiv weltfern, recht finster und verkniffen, hartleibig und rechthaberisch, verklemmt, befangen und überhaupt nicht glaubhaft ‘rüberkommen. Es ist also deutlich mehr als nur die Sprache….
Was mich vor allem freut, meine Kinder 18j und 13j geistig behindert, verstehen was Papst Franziskus sagt.