Im Oktober beginnt im Vatikan die große Bischofssynode zur Neuevangelisierung, ein Begriff, den wir im Deutschen gerne vermeiden, klingt er doch so sehr danach, dass einige versuchen, anderen etwas aufzudrücken und ihre Freiheit zu beschneiden. Da er aber in diesem Jahr und darüber hinaus nicht zu vermeiden sein wird, versuche ich mich einmal an einer Übertragung oder Erläuterung. Das macht ihn vielleicht nicht brauchbarer in der Diskussion – ich selber spreche auch gerne von missionarischer Seelsorge, was letztlich das gleiche bedeutet – aber da wir in einer weltweiten Kirche leben, müssen wir auch suchen zu verstehen, was die Anderen sagen.
Auf der Suche nach dem Verstehen schaue ich also nach, und zwar dieses mal bei Kardinal Joseph Ratzinger, der als Papst dieses Thema strukturell stark gemacht hat durch die Gründung eines eigenen päpstlichen Rates und durch das Thema der Bischofssynode, das er gesetzt hat.
Die Definition Kardinal Ratzingers ist denkbar einfach: Evangelisieren bedeutet: Den Weg zum Glück zeigen, die Kunst zu leben lehren. Das geht natürlich nicht ohne Verweis auf den, von dem wir glauben, dass er das Evangelium in Person ist, aber genau so einfach und klar müssen wir uns Evangelisierung vorstellen.
Sie ist außerdem etwas, was die Kirche immer tut. Wir können gar nicht anders als zu verkünden, wenn wir Messe feiern und das Wort hören, wenn wir uns aus unserem Glauben heraus in dieser Welt einsetzen.
Das Wort ‚Neuevangelisierung’ bedeute nun nicht etwas, was diese Evangelisierung ablöse, als ob es eine Methode sei, die heute nicht mehr aktuell sei. ‚Neuevangelisierung’ ist keine Ablösung, sondern Methode.
Erfolg kann nicht an Zahlen gemessen werden, so groß die Versuchung auch ist. „Neuevangelisierung kann nicht sagen wollen: Sogleich die großen von der Kirche entfremdeten Massen mit neuen raffinierten Methoden anziehen.“ Messen ist überhaupt keine gute Methode, weder der Mengen noch das sich selbst messen an vergangenen Zeiten. Die Dynamik entsteht nicht aus der Versuchung durch den Erfolg, sondern aus der Unruhe, dem sich nicht abgeben mit den Dingen, so wie sie sind.
Das ist aber nicht nur ein psychologischer und pädagogischer Hinweis, es ist in unserem Glauben und der Zusage Gottes selbst begründet: Das Kleine hat Gott sich erwählt (Dt 7: 7-8). Die „Struktur göttlichen Handelns“ ist auf das Kleine gerichtet, nicht auf Macht, Größe, Zahl oder Erfolg. Im Gegenteil, die Versuchungen Jesu zeigen uns, wie wir die Weitergabe verfehlen würden: Durch das Schielen auf „alle Reiche der Welt“ (Mt 4:9).
Der Begriff der ‚Versuchung’ ist auch der erste Hinweis auf die Methode der Neuevangelisierung selbst, am Anfang muss ein ‚Nein’ stehen. Es geht nicht um das Gehör verschaffen für sich selbst oder für die Institution, sondern „indem wir dem Raum geben, der das Leben ist.“ Der Handelnde bleibt immer Jesus Christus selbst. Neuevangelisierung kann keine Methode sein, die Kirche als Institution zu erhalten. Auch hier bemüht Joseph Ratzinger das Beispiel der Versuchungen: Satan spreche im eigenen Namen, Jesu immer im Namen Gottes. Neuevangelisierung müsse ein Verweis auf Gott sein, ein Gott den Raum überlassen, nicht das Sprechen in der Ich-Form.
Was sind dann gute Mittel? Zuerst das Gebet. Wenn Gott wirklich der Handelnde ist und wir das auch Ernst nehmen, dass steht das Beten an erster Stelle. Die Mittel moderner Kommunikation sind richtig und wichtig, sind aber nicht Daseinszweck der Neuevangelisierung. Sie müssen sich nach den Inhalten richten:
Es geht darum, das eigene Leben in Frage zu stellen und nicht zu leben, wie alle leben, es geht darum „das eigene Leben mit den Augen Gottes zu sehen“, das „Ausbrechen aus der Selbstgenügsamkeit“, die uns an uns selber bindet. Dazu braucht es die Bekehrung, aber vor allem auch einen Ort der Gemeinschaft, einen „gemeinsamen Raum des neuen Lebensstils“. Es muss um die Wirklichkeit Gottes in unserem Leben gehen, also um das Gebet und die Liturgie. Es muss um Jesus Christus gehen und um seine Liebe, damit auch um sein Kreuz und Hingabe.
Ich beziehe mich auf die Gedanken Joseph Ratzingers, wie sie vor allem in den Gesammelten Werken, Band 8/2, Seiten 1231 ff zu finden sind.
Die Menschen haben die Mittel der Kommunikation, können Lesen, Zuhören, jederzeit Fragen stellen – es muss doch gehen! …es ist die Frage der Definition ….habe ich mal gedacht. Da habe ich mich geirrt. Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir die Streitereien (siehe u.a. die Kommentare unter https://blog.radiovatikan.de/%e2%80%9edas-fuer-euch-und-fuer-viele-vergossen-wird/#comments), keine Beleidigungen, hätten wir keine Kriege mehr, hätte man sich Alias nicht bedienen müssen…. Also – auch die Vorgabe der Definition ist „für viele“ leider keine Hilfe und keine Lösung ;(
Frage der Definition, Anna, in der Tat. Bereits beim Kreuz scheiden sich die Geister..Jesus als Wegweiser, auch da scheiden sich die Geister. Bei allem, was ich in P. Hagenkords Beitrag lese an wichtigen Stichworten, scheiden sich die Geister.Auch, wenn man das Wort Glaubenskrise nimmt, gibt es unterschiedliche Definitionen, was der Glaube für den Einzelnen ist.Die Probleme fangen da an, wenn man glaubt, alles auf einen Nenner bringen zu müssen.Religion als Zauberformel, die zum Donnerschlag wird, wenn man nicht alles auf einen Punkt bringt? Glaube hängt mit Menschenleben zusammen. Mit Menschenschicksal, Menschenverständnis.Lebensweg. Die Bibel ist 2000 Jahre alt zum Teil..Bibel teilen, Glaubenszeugnisse abgeben..Lebensgeschichten erzählen.
Ja, es geht darum im eigenen Leben anzufangen sich von Gott suchen und finden lassen und das beginnt mit dem Gebet und endet mit dem Gebet. Wenn Gott mich gefunden hat dann kann ich Zeugnis geben von seiner Liebe, von seinem Wirken. Ich kann nur glaubwürdig weitergeben was ich gefunden und erkannt habe. Ein lebenslanger Prozess das Stückwerk ist und für jede Generation immer wieder neu gilt zu suchen und finden, weil jede Generation anders ist. Und es braucht Orte der Gemeinschaft Orte an denen Christus mitten unter uns ist. Kirche ist wo Christus ist, alle sind gerufen, aber nicht alle finden weil es um ihr eigenes Wollen und ihren eigenen Willen geht. Jeder einzelne muss wollen, ohne meinen eigenen Willen geht es nicht.
Neuevangelisierung tut in der Tat not. Gerade in einer Zeit, in der sich Werte aufzulösen scheinen, die Familie bekämpft wird indem man ihre Strukturen zerstört, oder diese gar neu definiert und umdeutet. Denn Familie im Sinne der Kirche bedeutet das Fundament allen Tuns. Und sie schützt und unterstützt das Leben. Die Kirche selbst versteht sich im Glauben als Hüterin und Bewahrerin des Lebens.
Aber zur Neuevangelisierung gehört zwingend die Glaubwürdigkeit der Botschaft und das Handeln gemäß dieser Botschaft. Bevor wir also andere zum Handeln nach der Botschaft animieren wollen, sollten wir zuerst einmal bei uns und unseren Institutionen beginnen.
Wenn es z.B. mit Duldung der Bischöfe von Katholiken geleitete Vereine und Institute gibt, die unverdrossen in der Schwangerschaftskonfliktberatung mit Vereinigungen zusammenarbeiten, deren „Beratungsscheine“ den Weg zu „legaler“ Abtreibung öffnen, dann stimmt etwas nicht. Deshalb, weil sich dergleichen schlicht unmittelbar gegen den Glauben richtet und ihn erkennbar desavouiert.
Wer sich in dieser Frage locker und „modern“ gibt, wird als Beispiel nicht für seinen Glauben wirken können. Es ist die Konsequenz, welche überzeugt und mindestens Achtung hervorruft. Anderes wird – gerade von Abseitsstehenden – als Lüge enttarnt. Welchem Lügner sollte man glauben?
Finde ich im Großen und Ganzen gut, was Sie gepostet haben, quer. Von den “abtreibungsfreundlichen” Stellen weiß ich nichts. Haben Sie da was Konkretes? Das darf für einen religiösen Menschen kein Thema sein.
Was Konkretes hätt’ ich schon. Ich darf’s hier nur nicht sagen.
guten morgen, herr quer. wir sollten erkennen, dass der kleine, aber feine unterschied zum nichtreligiösen menschen in unserem längeren atem besteht. bei euthanasie und abtreibung und überhaupt aussteigen aus den ereignissen des lebens hat ein gläubiger mensch den längeren atem.der geht bis in den himmel. :-)siehe jesus am ölberg. der wäre auch gerne ausgestiegen.ist es aber nicht.die christusnachfolge sieht für mich so aus, dass wir uns etwas einfallen lassen. dafür ist das andere thema hier: gebet..eine unverzichtbare hilfe.
Irrtum. Der Unterschied besteht in der Wahrheit und Selbsterkenntnis. Wo die Wahrheit unterdrückt wird, kann Selbsterkenntnis nicht reifen. Das Erkennen und Beseitigen der eigenen Sünden und Fehler ermöglicht erst die Glaubwürdigkeit der eigenen Überzeugung, was wiederum Voraussetzung einer jeden Neuevangelisation ist. Findet das alles nicht statt, kann man jede Neuevangelisation vergessen.
Geht es aber um die Glaubwürdigkeit der Botschaft, dann können nur jene überzeugen, die auch danach leben und nicht darüber diskutieren. Alles, was “hinterfragt” wird, scheint (beim Fragenden) nicht sicher und gefestigt. Er bedarf selbst der Neuevangelisierung. Davon betroffen erscheinen mir 80% derer, die sich lt. Taufschein Katholiken nennen.
Zu Ihrem unterdrücken von Wahrheit möchte ich einfügen das zu allererst die Selbsterkenntnis jedes einzelnen stehen muss oder sollte, hat man diese nicht wird es wahrscheinlich zu keiner echten Wahrheit kommen, wie sie sagen erst die eigenen Fehler. Die Selbsterkenntnis die sollte jeder selber finden. Ich stimme ihnen auch zu erst danach zuleben, was aber nicht ausschließt sich damit auseinanderzusetzen und etwas zu hinterfragen. Und ich meine damit auseinandersetzen, sich damit befassen und nicht diskutieren, diskutieren da gebe ich ihnen recht bringt nichts. Aber einfach alles nur hinnehmen wie es irgendwann mal vorgeben wurde bestimmt auch nicht.
“Aber einfach alles nur hinnehmen wie es irgendwann mal vorgeben wurde bestimmt auch nicht.”
@KRP
Wenn Sie nicht hinnehmen (können) was Sie als Glaubenssätze und Glaubensgrundsätze vorfinden, dann gehören Sie exakt zu jenen, die der Neuevangelisierung bedürfen. Die Bereitschaft zu glauben setzt allemal die Demut voraus.
All reden über Neuevangelisierung aber keiner tut es! Da kann doch nix dabei rauskommen.
Am besten geht das aber nicht durch beten, das findet im stillen Kämmerlein statt (wenn man’s richtig, nach Anleitung von Jesus macht), auch nicht durch Bibel- oder Koran verteilen, das geht deswegen schief, weil beide Bücher extrem erklärungsbedürftig sind. Es geht auch nicht durch predigen, weil man da die Menschen, die es am nötigsten haben, überhaupt nicht erreicht und weil die allermeisten Prediger der Versuchung nicht widerstehen können, Abwesende und Anwesende auszuschimpfen. Und Kundenbeschimpfung hat noch nie zum Erfolg geführt.
Die einzig vernünftige und Erfolg versprechende Methode hat Frère Roger Schutz von der Communauté de Taizé genannt:
Sprich nicht über deinen Glauben, wenn du nicht gefragt wirst. Aber lebe so, DASS du gefragt wirst.
Praktiziere ich mit Erfolg, seit ich in Berufsleben eingestiegen bin.
quer, sie haben einen teil des glaubenswegs gezeigt und ich einen anderen. glaube ist eine berg- und talwanderung.man betrachte jesus am kreuz, nichts beschauliches hat er an sich. würdeloses sterben in der öffentlichkeit, angespuckt werden und ausgelacht. pilatus fand keine schuld an ihm, aber das volk war gerade anders drauf. verraten wurde er von seinen freunden.und fühlte sich von gott verlassen und hat ihn doch noch angerufen..wenn man sich diese art von tod ansieht, durch die jesus gegangen ist, dürften eigentlich abtreibung und euthanasie und leid vermeiden kein thema sein.weggucken auch nicht.jesus hat den glauben vorgelebt.von romantik keine spur. und wohlbefinden.
Ich glaube nicht, daß Sie den Eingangsartikel und meinen ergänzenden Kommentar wirklich verstanden haben.
denke schon, quer…
Der Spruch ist gut. Aber im stillen Kämmerlein beten wir nicht nur, sondern auch in der Kirchen und in Gruppen.Eine gescheite Predigt ist eine gute Evangelisation.
Völlig d’accord! Eine GESCHEITE Predigt; aber die besteht eben gerade nicht aus Kundenbeschimpfung, wie ich das immer wieder erlebe. Und beten geht am allerbesten alleine mit Gott. Wusste schon Jesus und hat es uns so beigebracht. Mach ich auch so. Singen dagegen, geht an besten im Chor. Bis auf Damrau und Quasthoff natürlich. Aber wann treffe ich die schon in meiner Kirche. Obwohl ich in Damraus Heimatstadt geheiratet habe. Lange vorbei….
Herr Miskar müßte in Berlin wohnen, da hätte er Herrn Quasthoff öfters vor sich. Beten in der Gemeinschaft machen wir in der Charismatischen Erneuerung. 7 mal im Monat und das sind unvergessliche Ereignisse. Wir sind die gemäßigte Version der Charismatischen Bewegung. Es betet da auch einer für den anderen.Lobpreis, Fürbitte..Rosenkranz auch.Ebenso haben wir Einkehrtage bei einem Jesuiten, die können nur gut strukturiert und handfest sein..und jeder macht seine täglichen Meditationen zu Hause. Anbetung freitags ist eine Mischung aus alleine und gemeinsam beten. Was die Predigten angeht: ich habe die Wahl. Gestern und Samstag habe ich eine Predigt gehört, hab sie mir also 2 mal angehört, da ging es unter anderem um das Kreuz der Gegenwart, Demenz und wie wir damit umgehen..wenn ich mal in einen anderen Gottesdienst gehe und der Herr dort predigt uns ausser Moral nichts, gehe ich zu ihm und frage ihn..und siehe: so übel ist der Mann nicht. Der läßt mit sich reden.Man muss natürlich ausser “fand ich doof” etwas als Alternative zu bieten haben.
Ich fürchte auch in Berlin zu wohnen, würde bezüglich des Kunstgenusses live bei Thoma sQuasthoff wenig helfen.
Was beten angeht fällt mir nur der treffende Spruch des fröhlichen, rheinischen Katholizismus ein: Jeder Jeck, pardon Katholik is anners. Ich bevorzuge eben leere gotische Kathedralen und wo sind die heute noch zu finden. In Ulm manchmal …
Und zu “doofen” Predigten, selten habe ich erlebt, dass Vorschläge wie man die Sache besser an die Katholikn bringt, willkommen waren. Aber in den Fällen, in denen der Rat angenommen wurde (meist ging’s um Körpersprache) war der Erfolg sehr, sehr schön.
Die Herde ist eben, wie die Hirten auch, höchst individuell und das ist auch gut so. Vale.