An diesem Freitag wird der Vatikan das so genannte Postsynodale Schreiben des Papstes zum Thema Familie veröffentlichen, also den Text, mit dem Papst Franziskus die Debatten des synodalen Prozesses zusammen fassen und bewerten wird. Amoris Laetitia wird er heißen und es wird seine Sicht auf die Dinge sein, nachdem er während der Beratungen in der Aula geschwiegen hatte.
Trotzdem wird es nicht das erste Mal sein, dass der Papst sich zum Thema öffentlich äußert, ganz im Gegenteil. Bei der Synode hatte er nicht das Wort ergriffen, aber in 36 Katechesen auf dem Petersplatz hatte er 2015 zum Thema gesprochen. Alles zusammen fassen wäre zu viel, aber als Vorbereitung mag ich hier noch mal an einige zentrale Gedanken dazu erinnern.
Aus den Katechesen des Papstes:
„Die Menschwerdung des Sohnes Gottes eröffnet einen Neubeginn in der Universalgeschichte des Mannes und der Frau. Und dieser Neubeginn findet im Schoße einer Familie statt, in Nazareth. Jesus wurde in diese Familie hineingeboren. (…) Gott wollte in einer menschlichen Familie geboren werden, die er selbst gebildet hat.“ (17.12.2014)

„Tatsächlich besteht eine enge Verbindung zwischen der Hoffnung eines Volkes und der Harmonie zwischen den Generationen. Die Freude der Kinder lässt das Herz der Eltern erbeben und eröffnet neue Zukunft. Die Kinder sind die Freude der Familie und der Gesellschaft. Sie sind kein Problem der Reproduktionsbiologie und auch keiner der vielen Wege zur Selbstverwirklichung. Und sie sind erst recht kein Eigentum der Eltern… Nein. Kinder sind eine Gabe, sie sind ein Geschenk: verstanden? Kinder sind ein Geschenk. Jedes ist einzigartig und unwiederholbar – und gleichzeitig unverkennbar mit seinen Wurzeln verbunden.“ (11.2.2015)
„In der Familie, unter Geschwistern lernt man das menschliche Zusammenleben, wie man in der Gesellschaft miteinander leben soll. Vielleicht sind wir uns dessen nicht immer bewusst, aber gerade die Familie bringt die Geschwisterlichkeit in die Welt hinein!“ (18.2.2015) „Zunächst erinnern die Kinder uns daran, dass wir alle in den ersten Lebensjahren völlig von der Fürsorge und dem Wohlwollen der anderen abhängig waren. Und der Sohn Gottes hat es sich nicht erspart, diese Situation zu durchleben. Dieses Geheimnis betrachten wir jedes Jahr zu Weihnachten. Die Krippe ist das Bild, das uns diese Wirklichkeit ganz einfach und unmittelbar mitteilt.“ (18.3.2015)
„Mann und Frau sind das Abbild Gottes, ihm ähnlich. Dem entnehmen wir, dass nicht nur der Mann als Einzelner betrachtet das Abbild Gottes ist, dass nicht nur die Frau als Einzelne betrachtet das Abbild Gottes ist, sondern dass auch Mann und Frau als Paar Abbild Gottes sind.“ (15.4.2015) „Die Sünde erzeugt Misstrauen und Spaltung zwischen dem Mann und der Frau. Ihr Verhältnis wird getrübt durch zahlreiche Formen von Missbrauch und Unterwerfung, von trügerischer Verführung und demütigender Anmaßung, bis hin zu den dramatischsten und gewalttätigsten Formen. Die Geschichte zeigt die Spuren davon. Denken wir zum Beispiel an die negativen Auswüchse der patriarchalen Kulturen. Denken wir an die zahlreichen Formen des Chauvinismus, wo die Frau als zweitrangig betrachtet wurde. Denken wir an die Instrumentalisierung und Kommerzialisierung des weiblichen Körpers in der gegenwärtigen Medienkultur. Aber denken wir auch an die Seuche des Misstrauens, der Skepsis und sogar der Feindseligkeit, die sich in letzter Zeit in unserer Kultur verbreitet – insbesondere von einem verständlichen Argwohn der Frauen her –, bezüglich eines Bundes zwischen Mann und Frau, der die Vertrautheit der Gemeinschaft vertiefen und gleichzeitig die Würde des Unterschieds wahren kann.
Wenn wir nicht einen großen Sprung nach vorn machen in der Liebe zu diesem Bund, der in der Lage ist, den neuen Generationen Schutz vor Misstrauen und Gleichgültigkeit zu bieten, dann werden die Kinder vom Mutterleib an immer mehr von diesem Bund entwurzelt zur Welt kommen. Die gesellschaftliche Abwertung des stabilen und fruchtbaren Bundes von Mann und Frau ist sicher ein Verlust für alle. Wir müssen Ehe und Familie wieder zu Ehren bringen!“ (22.4.2015)
„Die Familie steht ganz oben auf allen Wunschlisten der jungen Menschen. Aber aus Angst, einen Fehler zu machen, wollen viele nicht einmal daran denken. Obgleich sie Christen sind, denken sie nicht an die sakramentale Ehe, das einzigartige und unwiederholbare Zeichen des Bundes, das zum Glaubenszeugnis wird. Vielleicht ist gerade diese Angst vor dem Scheitern das größte Hindernis, das Wort Christi anzunehmen, der dem Ehebund und der Familie seine Gnade verheißt. (…) Der christliche Same der radikalen Gleichheit unter den Ehegatten muss heute neue Früchte tragen. Das Zeugnis der gesellschaftlichen Würde der Ehe wird eben auf diesem Weg, dem Weg des anziehenden Zeugnisses, dem Weg der Wechselseitigkeit zwischen ihnen, der gegenseitigen Ergänzung zwischen ihnen, überzeugend werden. Daher müssen wir als Christen in dieser Hinsicht anspruchsvoller werden. Zum Beispiel: das Recht auf gleiche Vergütung für gleiche Arbeit mit Entschlossenheit unterstützen. Warum gilt es als selbstverständlich, dass Frauen weniger verdienen als Männer? Nein! Sie haben dieselben Rechte. Die Ungleichheit ist ein reiner Skandal! Gleichzeitig muss die Mutterschaft der Frauen und die Vaterschaft der Männer als stets wertvoller Reichtum anerkannt werden, vor allem zum Wohl der Kinder.“ (29.4.2015)
„Das Sakrament der Ehe ist ein großer Akt des Glaubens und der Liebe: Es bezeugt den Mut, an die Schönheit des Schöpfungsaktes Gottes zu glauben und jene Liebe zu leben, die dazu anspornt, immer über alles hinauszugehen, über sich selbst und auch über die Familie hinaus. (…) Die Entscheidung, »im Herrn zu heiraten«, enthält auch eine missionarische Dimension, die bedeutet, im Herzen die Bereitschaft zu haben, zum Vermittler des Segens Gottes und der Gnade des Herrn für alle zu werden.“ (6.5.2015)
„Um uns herum begegnen wir einigen Familien in sogenannten irregulären Situationen – ich mag diesen Ausdruck nicht.“ (24.6.2015) „Die Kirche weiß gut, dass eine solche Situation dem christlichen Sakrament widerspricht. Ihr lehrender Blick schöpft jedoch stets aus einem mütterlichen Herzen, einem Herzen, das – vom Heiligen Geist beseelt – stets das Wohl und das Heil der Menschen sucht. Daher spürt sie, dass sie »um der Liebe willen zur Wahrheit verpflichtet [ist], die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden«. So drückte sich der heilige Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (Nr. 84) aus. (…) Denn diese Gläubigen sind keineswegs exkommuniziert: Sie sind nicht exkommuniziert! Und sie dürfen keinesfalls so behandelt werden: Sie bleiben stets Teil der Kirche. Papst Benedikt XVI. ist auf diese Frage eingegangen und hat zu einer aufmerksamen Entscheidungsfindung und einer weisen pastoralen Begleitung aufgefordert, im Wissen, dass es keine »Patentrezepte« gibt (Ansprache beim 7. Weltfamilientreffen, Mailand, 2. Juni 2012). Daher haben die Hirten die Gemeinden wiederholt aufgefordert, offen und konsequent ihre Bereitschaft zu zeigen, sie anzunehmen und zu ermutigen, damit sie ihre Zugehörigkeit zu Christus und zur Kirche leben und immer mehr entwickeln – durch das Gebet, das Hören des Wortes Gottes, die Teilnahme an der Liturgie, die christliche Erziehung der Kinder, die Nächstenliebe und den Dienst an den Armen, den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden.“ (5.8.2015)
„Jesus hört nicht auf, Menschen anzunehmen und mit allen zu sprechen, auch mit jenen, die nicht mehr erwarten, Gott in ihrem Leben zu begegnen. Das ist eine starke Lektion für die Kirche! Die Jünger selbst sind auserwählt, für diese Versammlung der Gemeinde, für diese Familie der Gäste Gottes zu sorgen. Damit diese Wirklichkeit der Gemeinde Jesu im Heute lebendig wird, ist es unverzichtbar, den Bund zwischen der Familie und der christlichen Gemeinschaft neu zu beleben. Die Familie und die Pfarrei sind die beiden Orte, so könnte man sagen, in denen jene Liebesgemeinschaft verwirklicht wird, die ihre letzte Quelle in Gott selbst findet. Eine Kirche, die wirklich dem Evangelium entspricht, muss die Form eines einladenden Hauses haben, mit offenen Türen, immer. Kirchen, Pfarreien, Institutionen mit geschlossenen Türen dürfen nicht als Kirchen bezeichnet werden, man muss sie als Museen bezeichnen!“ (9.9.2015)
„Der Glaube schöpft aus der Weisheit der Schöpfung Gottes: Er hat der Familie nicht die Sorge um ein sich selbst genügendes »Zuhause« anvertraut, sondern das spannende Projekt, die Welt »heimisch« zu machen. Gerade die Familie steht am Anfang, ist die Grundlage dieser globalen Kultur und rettet uns; sie rettet uns von vielen, vielen Angriffen, vielen Zerstörungen, vielen Kolonisierungen – wie jener durch das Geld oder durch Ideologien, die die Welt so sehr bedrohen. Die Familie ist die Grundlage, um sich zu verteidigen!“ (16.9.2015) „Die Familie, also der fruchtbare Bund von Mann und Frau, ist die Antwort auf die große Herausforderung unserer Welt. Es ist eine zweifache Herausforderung: die Zersplitterung und die Vermassung, zwei Extreme, die nebeneinander bestehen, sich gegenseitig stützen und gemeinsam das konsumorientierte Wirtschaftsmodell stützen. Die Familie ist die Antwort, weil sie die Grundzelle einer Gesellschaft ist, die die persönliche und die gemeinschaftliche Dimension ins Gleichgewicht bringt. Gleichzeitig kann sie das Modell für eine nachhaltige Verwaltung der Güter und der Ressourcen der Schöpfung sein. Die Familie ist das wichtigste Subjekt einer ganzheitlichen Ökologie, weil sie das vorrangige soziale Subjekt ist, das in seinem Innern die beiden Grundprinzipien der menschlichen Zivilisation auf der Erde enthält: das Prinzip der Gemeinschaft und das Prinzip der Fruchtbarkeit.“ (30.9.2016)
„Mit dieser Reflexion sind wir an der Schwelle des Jubiläums angekommen, es steht unmittelbar bevor. Vor uns liegt die Tür, aber nicht nur die Heilige Pforte, sondern die andere: die große Tür der Barmherzigkeit Gottes – und das ist eine schöne Tür! (…) Eine ungastliche Kirche sowie eine in sich selbst verschlossene Familie lassen das Evangelium absterben und die Welt verdorren. Keine Panzertüren in der Kirche, keine! Alles muss offen sein! Der symbolische Umgang mit den »Türen« – mit den Schwellen, den Übergängen, den Grenzen – ist entscheidend geworden. Die Tür soll schützen, gewiss, aber sie darf nicht abweisend sein. Man darf die Tür nicht aufbrechen, sondern muss im Gegenteil um Einlass bitten, denn die Gastfreundschaft erstrahlt in der freien Aufnahme und verdunkelt sich in der anmaßenden Grenzüberschreitung. Die Tür wird häufig geöffnet, um zu sehen, ob draußen jemand wartet und vielleicht nicht den Mut, vielleicht auch nicht die Kraft hat anzuklopfen. Wie viele Menschen haben das Vertrauen verloren, haben nicht den Mut, an die Tür unseres christlichen Herzens, an die Türen unserer Kirchen zu klopfen… Und sie sind da, sie haben nicht den Mut, wir haben ihnen das Vertrauen genommen: Bitte, das darf niemals geschehen. Die Tür sagt viel über das Haus und auch über die Kirche. Der Türdienst verlangt aufmerksame Unterscheidungsgabe und muss gleichzeitig großes Vertrauen einflößen.“ (18.11.2015)
Leider sagt der Papst nichts über die Wiederverheirateten Christen, dass sie auch im „großen Jahr der Barmherzigkeit“ weder zur Beichte noch Kommunion gehen dürfen und auch keine Krankensalbung empfangen dürfen!
Wie ich lese, hat Papst Franziskus ein sehr berührendes Dokument über „die Liebe“ verfasst. An den Regeln hat er leider nichts verändert. Die Wiederverheirateten sind weiterhin von allen Sakramenten ausgeschlossen (nach der Regel). Durch die Blume kann man lesen, dass ein Priester, wenn er die Situation des Wiederverheiraten gut kennt, die Beichte abnehmen kann und ihn/sie trotzdem zur Kommunion zulassen kann.
Schade ist auch, dass der Priester nun schön über die körperliche bis geistige Liebe aufgeklärt wird, aber selber keusch bleiben soll, was wiederum für die konvertierten Priester nicht gilt und auch biblisch nicht verlangt wird.
@Peter Kirkorka, vielleicht steht ja was darüber im nachsynodalen Schreiben des Papstes über eine eventuelle Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten.
Zur Krankensalbung sind sie deswegen nicht zugelassen, weil auch diese ein Sakrament der Sündenvergebung ist und diese Vergebung wird – leider – wiederverheiratet Geschiedenen generell verweigert, auch für ganz andere Sünden, die rein gar nichts mit der Wiederheirat zu tun haben.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, ob das nachsynodale Schreiben hier die Tür wenigstens einen Spaltbreit öffnet.
Ich finde, man sollte sich viel mehr darüber unterhalten warum gerade das Eheversprechen eine substanzielle Bestätigung vor Gott für das Vertrauen in seine grenzenlose Liebe ist.
Wenn ein Versprechen schon zwischen Ehepartnern in Frage steht, wie soll Sprache jemals aus ihrem Alltagsgebrauch in die Wahrheit finden, die all ihre Kraft in die Liebe setzt?