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Martin Walsers Jesusparabel

Veröffentlicht am 8. Oktober 2011

Eine Besprechung des Romans „Muttersohn“, von meinem Kollegen Stefan von Kempis (Warnung: Das Ende wird verraten)

Auch Martin Walser ist jetzt in die Jahre gekommen: in die Jahre, in denen große Autoren „allmählich komisch“ werden. Oder „g`spässig“, wie Walser das einmal nennt. In diesem Alter schrieb Thomas Mann seinen Schwank „Felix Krull“ und Goethe „Wilhelm Meisters Wanderjahre“. Und Walser? Er schreibt „Muttersohn“, eine tänzerische, die Genres wild mischende Jesus-Parabel, die in ihrer Unbeschwertheit auch stark an Eichendorffs „Taugenichts“ erinnert.

Walsers Jesus heißt Percy (Kurzform von Parcival) und ist Pfleger in einem Psychiatrischen Krankenhaus. Er glaubt – und viele Rezensenten haben sich auf diesen Punkt geradezu gestürzt – ohne Beteiligung eines Mannes gezeugt worden zu sein, eine von zahlreichen Anspielungen auf den Jesus der Evangelien. Der immer freundliche, zu spontanen Predigten aufgelegte Percy führt in deprimierender Umgebung eine Leichtigkeit des Glaubens vor, die fast bei Papst Benedikt entlehnt scheint: „Offenbar gibt es Menschen, die können nur mit Gleichungen leben, die aufgehen“, sagt er einmal in einer Talkshow. „Glauben, das ist eine Gleichung, die nie aufgeht. Manchmal möchte ich laut aufschreien aus nichts als Glaubensübermut.“ Im Glauben erfahre er, wer er sei, so Percy: „Es gibt keine zwei Menschen, die dasselbe glauben. Jeder hat nur seinen Glauben. Der Glaube, das ist die Handschrift der Seele.“

Percy hat immer Zeit – für jeden. Er geht gerne barfuß, und er dutzt grundsätzlich jeden. Einer Interviewerin, die das Duzen nervt, sagt er: „Dann verbiet es mir halt.“ Sein Motto: „Dem Leben zuliebe“. Zu einer Schlafsack-Therapie, die er erfunden hat (keine Angst, nichts Verfängliches), gehört das stundenlange Herumwandern mit dem Patienten, wobei große Texte der christlichen Mystik aufgesagt werden. Wunder wirkt Percy nicht, aber alle, mit denen er zu tun hat, fühlen sich wie verwandelt. Am Schluß des – ja, was eigentlich? Schwanks? Romans? – wird dieser Candide des 21. Jahrhunderts etwas unvermittelt von einer Motorradbande ermordet.

Martin Walser amüsiert sich sicher königlich über die Ratlosigkeit von Lesern und Rezensenten, die bisher anderes von ihm gewohnt waren. Doch wer sich auf diesen „Muttersohn“ erst einmal einläßt, der wird geradezu verzaubert. Was Walser hier leistet, ist ein vergnügtes Plädoyer für die Menschen, die es sonst selten in die Literatur schaffen: Menschen auf dem Land, die „g`spässig“ werden, die auf Wallfahrt gehen, die Reliquien stehlen. Ernste Töne fehlen nicht, aber der bleibende Eindruck ist die Leichtigkeit.
Nun sollte man sich hüten, es mit dem Jesus-Percy-Parallelismus zu übertreiben. Der Pfleger aus Scherblingen hält, anders als der Nazarener, keine Vorstellung vom Leben nach dem Tod bereit und verzichtet gänzlich auf Drohreden.

Die „Jünger“, die er um sich sammelt, sind allesamt „g`spässige“ Patienten, und das Verhältnis zu seinem Mentor (dem Leiter des Krankenhauses, der ihm Latein beibringt) läßt sich nicht auf die Beziehung Jesu zu Johannes dem Täufer übertragen. Und dennoch: Walser skizziert hier ganz offensichtlich eine Jesus-Figur, die das Hauptgebot der Liebe predigt und vorlebt. Eine Jesus-Figur, die am Ende dem Hass zum Opfer fällt, in einem hinterlassenen Gedicht aber von „einer Portion Unsterblichkeit“ spricht: „Die Zeit / hab ich eingesperrt in eine Streichholzschachtel“. „Morgenröte“ sei Percy gewesen, „ein reines Lichtversprechen“, so predigt ein Pfarrer auf seiner Beerdigung; „Fürst der Freundlichkeit“ nennt sich Percy selber, und so empfindet es auch der Leser. Ein unverhofftes, ein zauberhaftes Buch.

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Kategorien Allgemein, Kunst, Kultur und Können
Schlagwörter Jesusbuch, Literatur, Martin Walser, Muttersohn

Ein Gedanke zu “Martin Walsers Jesusparabel”

  1. A.Wachsmann sagt:
    8. Oktober 2011 um 16:51 Uhr

    so ein schönes wort zum sonntag! danke!

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