Katjes ist also jetzt Vorkämpfer der Freiheit. Oder Leutturm des Rückschritts. Oder was auch immer. Wenn man von unserer Seite aus auf die Alpen schaut, bekommt man so manches nicht mit, die Debatte um die pink gekleidete Dame mit Kopftuch, die Katjes nascht, ist deswegen komplett an mir vorbei gerauscht.
Ein klug gemachter Werbespot – nein, es ist immer noch Werbung, das Bild dazu werde ich hier nicht posten – betont, dass die Süßigkeiten dieser Firma keine tierischen Produkte enthalten, von Muslimen also auch genascht werden können. Und er zeigt dazu die junge Frau, in pink – so viel Stereotyp muss sein – die zugreift. Eine Muslima mit – ja was nun? Hidschab sagen die einen, Kopftuch sagen die anderen.
Süßigkeit und Tatortkommissar
Die einen freuen sich jetzt, dass sie mit ihrem Kopftuch endlich auch in der Wirklichkeit angekommen sind. Und es gibt ja keine wirklichere Wirklichkeit als die Werbung. Außer Tatortkommissaren. Die anderen fordern einen Boykott der Firma, weil die dadurch ein frauenverachtendes Menschenbild verbreiten. Weil es das ja sonst in der Werbung nicht gibt (Achtung! Das war Ironie!).
Die Alpen helfen mir. Soviel kann ich schon mal sagen. Weder sehe ich den Beweis der Islamisierung Deutschlands, noch sehe ich ein Bollwerk gegen die Befreiung der Frauen errichtet. Gleichzeitig bedeutet die Abbildung von Realität noch nicht, dass diese auch gut ist. Zwangs-Bekleidung gehört dazu.
Die Alpen helfen, weil so vieles aus der Ferne etwas entspannter rüberkommt. Da sind so viele Debatten zu führen. Zum Beispiel darüber, wie Frauen in der Werbung dargestellt werden. Als ob die vom beworbenen Produkt völlig losgelöste fast-Nacktheit von Frauen nicht frauenverachtend wäre.
Körperlichkeit, Freiheit, Konsum
Auch braucht es eine Debatte über Zwang und Körperlichkeit, über Freiheit und Druck, vor allem auch darüber, was zur Anregung des Konsums geht und was nicht geht. Und als Ergebnis braucht es vielleicht gar keine Regeln, keine Gesetze, sondern einfach nur die Schärfung des gesunden Menschenverstandes.
Das wäre doch mal ein gutes Ergebnis einer Werbekampagne.
“Auch braucht es eine Debatte über Zwang und Körperlichkeit, über Freiheit und Druck, vor allem auch darüber, was zur Anregung des Konsums geht und was nicht geht. Und als Ergebnis braucht es vielleicht gar keine Regeln, keine Gesetze, sondern einfach nur die Schärfung des gesunden Menschenverstandes.”
Schärfung des gesunden Menschenverstandes halte ich für unzureichend, um eine nicht den Körper von Frauen ausnutzende Werbung sicherzustellen; denn gemacht wird, was legal ist und mehr Gewinn bringt; durch Frauenkörper gibt es – meist – mehr Gewinn, insofern macht mann/frau es, soweit legal.
Besonders krasses Beispiel sind viele Musikvideos, die den Gewinn mit der Musik ankurbeln sollen; da interessiert es teilweise keinen – nicht mal die Künstlerin selber – dass die Künstlerin als Sexobjekt erniedrigt wird; nur die Grenzen der Legalität werden vielleicht gerade so eingehalten.
Abgesehen davon ist natürlich jeglicher Aufregung über sexistische Werbung, die Frauen zu Sexobjekten degradiert irgendwo lächerlich, es sei denn man ist auch konsequent gegen das eingestellt, wo es auf die Spitze getrieben wird.
Z.b. auf meinem Weg zur nächsten S-Bahn Haltestelle in Steinwurfweite eines Supermarktes komme ich an einem Plakat vorbei, dass selbstverständlich sexistische Werbung darstellt mit Frauen als Sexobjekte; aber das Plakat ist natürlich eigentlich nur eine Kleinigkeit, denn das Plakat stellt ja nur dar, was in der dortigen Lokalität – gut besucht, wie ich dem Autoverkehr abends entnehme – angeboten wird.
Frage mich manchmal, wenn ich abends vorbeigehe, ob da juristisch streng genommen gerade eine Frau drin vergewaltigt wird, da keine echte Einwilligung für diese “Berufsausübung” vorliegt (womit es natürlich der Tatbestand erfüllt ist, wobei der “Kunde” es in nicht schuldhafter Weise ggf. nicht weiß); und ich und dutzende andere gehen da einfach vorbei und es ist uns und der restlichen Stadt letztlich egal.
Aber man regt sich darüber auf, wenn mal irgendwo eine Werbung gezeigt wird, mit zu viel, zu wenig oder falsch platziertem Stoff.
(Ausnehmen möchte ich Alice Schwarzer und ein paar ähnlich gesinnte; die schimpfen konsequent gegen alles genannte)