Papst Franziskus fährt in den Irak. Die erste Papstreise seit Corona, aber nicht allein deshalb ist das ein spannendes Projekt. Warum tut der Papst das? Warum fährt Franziskus in den Irak? Weil dort viele Dinge zusammen kommen, die dem Papst in der Ausübung seines Amts am Herzen liegen.
Natürlich geht es auch um die Ursprünge unseres Glaubens, der Papst besucht „Ur in Chaldea“, die Heimat Abrahams. Das ist symbolisch der Auftakt der Reise. Aber da sind noch mehr Gründe:
Warum fährt Franziskus in den Irak?
Die Vorliebe für Reiseziele, die Menschen Sichtbarkeit geben: mit seiner Reise nach Lampedusa hat Papst Franziskus den Takt vorgegeben, Auffanglager auf Lesbos, Gefängnisse in Italien und viele andere Orte folgten. Der Papst richtet seine Aufmerksamkeit und damit auch die Aufmerksamkeit der Medien auf Menschen, die sonst im Schatten stehen. Er behandelt so nicht nur Themen, sondern trifft die Menschen, um die es geht.
Die Vorliebe für Reiseziele, die Themen sichtbar machen: Vertreibung der Christen durch den IS, Dialog, Frieden, Opfer der Kriege, Zusammenarbeit, all das kommt dort zusammen. Ein Thema möchte ich hier betonen: den Dialog mit dem Islam.
„Man kann keine Brücken zwischen den Menschen bauen, wenn man Gott vergisst. Doch es gilt auch das Gegenteil: Man kann keine wahre Verbindung zu Gott haben, wenn man die anderen ignoriert. Darum ist es wichtig, den Dialog zwischen den verschiedenen Religionen zu verstärken – ich denke besonders an den mit dem Islam“.
Worte von Papst Franziskus aus einer seiner allerersten Ansprachen, der Grundsatzrede vor dem diplomatischen Corps direkt nach seiner Wahl im März 2013. Immer wieder hat er diesen Dialog gesucht, über das gemeinsame Gebet in den Vatikanischen Gärten bis zur Erklärung von Abu Dhabi vor knapp über einem Jahr. Besuche in der Türkei, in Ägypten, in Jordanien und Israel und so weiter kamen dazu. Das ist ein bleibender und wenig beachteter roter Faden im Pontifikat Franziskus.
Keine Brücken zwischen den Menschen ohne Gott
Die Vorliebe für Reiseziele des Dialogs: Diese ist mir der vorhergehenden verwandt, aber nicht identisch. In Abu Dhabi zitierte er sich selbst, und zwar die Stelle, die ich oben bereigents Anna habe. Er sagte:
„Es gibt keine Alternative: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft. Vor allem die Religionen können nicht auf die dringende Aufgabe verzichten, Brücken zwischen Völkern und Kulturen zu bauen.”
Das Stichwort hier ist „bauen“. Es bricht nicht überall sofort Frieden aus, sobald sich Leute an einen Tisch setzen. Das ist mühsam. Dialog ist mühsam. Weswegen diese Reiseziele auch immer und immer wieder bei Papst Franziskus auftauchen. Es sind die Mühen der Ebene, denen sich die Religionen nicht entziehen dürfen.
Die Vorliebe für Reiseziele, die über den Ort selbst hinaus weisen. Der Irak gehört zu dem, was Christen „heiliges Land“ nennen, Ur und andere Orte sind biblisch. Damit ist der Radius viel weiter gezogen als der politische Irak. Und auch die dort sichtbaren Themen sind untrennbar mit der gesamten Region verbunden: Türkei und Syrien, Iran und Saudi Arabien, Israel und der „Westen“, alle sind beteiligt und betroffen. Und alle sind auf genau diese Weise einbezogen in die Reise, auch wenn es nur wenige Orte sind, an die der Papst konkret kommt.
Paradoxe Intervention
Die Vorliebe für paradoxe Interventionen: das große Thema weltweit ist ist die Pandemie und deren Folgen. Daneben verschwinden andere Themen schnell wieder. Papst Franziskus spricht nun einige dieser Folgen auf eine Art an, wie wir es schon in seinem Buch lesen konnten.
Es geht eben nicht nur um die Frage nach der Impfung bei uns, sondern um eine globale Krise, die in der Pandemie sichtbarer wird als jemals zuvor. Und die wird eben auch in Vertreibung und Not, im Ringen um Frieden, in interreligiösen und interkulturellen Konflikten sichtbar. Sich dem zuzuwenden heißt auch, sich der globalen Krise insgesamt zuzuwenden.
So passt die am 5. März beginnende Reise perfekt in das Pontifikat Franziskus.
In Ur in Chaldäa beginnt die gemeinsame Glaubensgeschichte von Juden, Christen und Muslimen. Es gibt keinen Frieden unter diesen drei Religionen ohne die „Rückkehr“ an diesen Ort. Das ist für mich die großartige Botschaft dieser Papstreise. Aber sie wirft auch die Frage auf, wo bewegen wir Christen uns auf Juden und Muslime zu? Welche Rolle spielt der Interreligiöser Dialog in unseren Kirchengemeinden, Schulen und Kitas? Warum gibt es (fast) keine muslimischen Erzieherinnen in katholischen Kitas? Wovor haben wir eigentlich Angst? Ohne eine andere Praxis an der Basis ist der Besuch von Franziskus weniger als eine reine Symbolhandlung.
Darf ich was anmerken und fragen? Steht nicht Abraham für Bindung und Lösung durch Einführung des Symbolischen? Und für den Blick nach innen und die Wahrnehmung des Anderen? Also die Verschiedenheit? Wer ist denn „die Basis“ in Ihrer Anmerkung? Ist das eine Partei und ihre Basis, wo Unterschiede und unterschiedliche Identitäten aufgehoben werden sollen?
Binde- und Lösegewalt verbinde ich eher mit dem Päpstlichen Primat und damit mit dem Wahrheitsanspruch der Katholischen Kirche. Abraham dagegen steht für eine geschichtlich-legendarische Person, auf die sich alle drei Weltreligionen beziehen. Er kann eine Bezugsgröße sein für die Frage, was uns verbindet und was uns trennt. Die Ansprache des Papstes beim gemeinsamen Gebet in Ur (zu sehen auf Youtube) und das von ihm verfasste Gebet sind dafür eine wunderbare Inspiration. – Mit Basis meine ich das „Volk Gottes“, die Basis der Hierarchie-Pyramide, von der Franziskus so gern sagt, dass man sie auf die Spitze stellen müsste. Er gibt ständig Impulse, wie in der Kirche mit dem Thema Vielfalt und Unterschiedlichkeit umzugehen wäre. Ich erlebe allerdings davon wenig im Alltag der Kirchengemeinden. Und auch kirchliche Einrichtungen erreichen eher die „bundesdeutsche Normalbevölkerung“. Ich denke, wir haben viele Möglichkeiten für Begegnung und Dialog, und das heißt nicht, die Unterschiede einfach zu ignorieren (dann bräuchte es keinen Dialog mehr), aber er findet zu wenig statt, er ist nicht selbstverständlich. Christen und Muslime leben bei uns aneinander vorbei. Sind uns die sogenannten „Parallelgesellschaften“ gleichgültig? Wir sehen in anderen Ländern, wie schnell ein scheinbar friedlichen Nebeneinander kippen kann. Katholische Schulen und KItas sind für mich Lernorte für ein Miteinander als „Kinder Abrahams“. Aber leider blockiert ein Beschluss der DBK von 2014 die Möglichkeit, dass Musliminnen in katholischen Kitas Erzieherinnen werden können. Der Weg ist also noch weit. Inzwischen wächst bei uns die dritte Generation von Menschen mit türkischen Wurzeln heran. Was geben wir ihnen mit auf ihren Lebensweg? Hier wird eine wertvolle Chance vertan. Das macht micht traurig und besorgt mich.
Danke für Ihre Antwort. Uff, das ist sicher sehr beschwerlich, uns zu verständigen, denn Ihre Position erscheint mir sehr entfernt und ich kann beschwerlich erkennen, ob Sie mir etwas anbieten, wo Sie auf mich zugehen. Ich meinte mit Abraham ist es doch mit seinem Sohn so, daß sich eine Lösung auftut, anstatt ihn zu quälen und zu vernichten, kommt das Böcklein daher und die beiden verspeisen es gemütlich und genüsslich miteinander und Isaak soll leben! Das Böcklein steht doch in der Geschichte für etwas dazukommendes, symbolisches, was Freiheit, Beweglichkeit, Generativität, Lösung ermöglicht. Da verstehe ich überhaupt nicht, was der Papst für Sie da zu sagen hat. Nach meiner Ansicht hat der Papst doch gar keine Gewalt, jedenfalls nicht über mich. Er kommt mir auch eher gar nicht gewalttätig sondern ziemlich friedlich, ja geradezu poetisch, zärtlich vor. Würden alle Menschen diesen Freiheitsgrad erreichen, von dem bei Abraham die Rede ist, die Freiheit des Symbolischen, der Liebe, des Verstandes, gäbe es nicht Krieg, nicht Kindesmissbrauch, noch müssten Sie dem Papst oder irgendjemand Gewalt zuschreiben oder Gewalt über sich zugestehen.
Aber dann sind wir uns ja im Hinblick auf Abraham und auf Franziskus einig. Nur die Frage, ob und welchen Dialog wir wollen, ist noch offen. Und gibt es dazu eine Alternative?
„Aber sie wirft auch die Frage auf, wo bewegen wir Christen uns auf Juden und Muslime zu?“
Soll das ein schlechter Witz sein?
Der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Youssef III. sprach vor paar Tagen von einem „meist geführten Monolog der guten Absichten vonseiten der Christen“ gegenüber den Moslems / dem Islam.
Und der muss es ja wissen!
Es deckt sich zudem mit meinen persönlichen Erfahrungen in einer deutschen Großstadt mit großem islamischen Bevölkerungsanteil.
Vor Abraham war Melchisedek. Auch ein Gerechter, ein Priester.
Er ging auf Abraham zu und segnete ihn.
Symbole, Abstraktion. Vielleicht hilft der LOGOS. Also das Wort aus dem Prolog bei Johannes.
Am Anfang war er (der logos) bei Gott, wie alle Worte etc.
Das wusste wohl auch Abraham oder Melchisedek. Den kann man sich ggf. als Schamanen tief aus Zentralasien oder gar aus der sibirischen Steppe vorstellen.
AW für Quadragesima: Also mit dem Dialog ist es ein sehr weites Feld meine ich. Manche Menschen sind eher konservativ und bleiben unter sich, andere finden Fremdes und Andersartiges auch ganz interessant oder noch interessanter. Für alle soll Platz sein. Türkischstämmigen Leuten ist oft der familiäre Zusammenhalt, bis hin zur Großfamilie, was wir dann abfällig Clan nennen, wichtig, oder sie sind fähig dazu, Deutsche leben gerne als Singles, manche wollen eine Familie, andere gar keine Kinder. Warum soll man nicht dieses oder jenes ermöglichen? „Ein jeder soll nach seiner eigenen facon selig werden“. Alles ist in Gefahr, etwas exzessiv zu werden, auch die Religion. Deshalb finde ich Maßhalten eine gute Idee. Über Kinder meine ich, vor allem muss man Kinder liebhaben. Man sollte vielleicht nicht schon im Kindergartenalter sie mit Sachen beladen von den Erwachsenen, die sie gar nicht verstehen. Sonst werden sie nämlich unglücklich. Kindern liegt der Frieden noch nahe und Dialog entsteht in der Familie. Dieses schöne Lied passt vielleicht eher für Kinder:
Weißt du, wie viel Kinder frühe
Stehen aus ihrem Bettlein auf
Dass sie ohne Sorg und Mühe
Fröhlich sind im Tageslauf
Gott im Himmel hat an allen
Seine Lust, Sein Wohlgefallen
Kennt auch dich und hat dich lieb
Kennt auch dich und hat dich lieb
Lieber Stephan, genau darum geht es, dass sich auch andersgläubige Kinder in katholischen Kitas einfach willkommen fühlen und nicht das Gefühl haben müssen, dass ihre Religion „zweitklassig“ ist. Muslimische Erzieherinnen wären daher ein starkes Zeichen der Gemeinschaft, zumal die Mehrzahl der muslimischen Eltern ein großes Vertrauen in die katholischen Kitas mitbringt. Wir haben uns so sehr an Schreckensnachrichten gewöhnt. Es geht auch heute schon ganz anders.
Und das ist, lieber Lorenzo, kein schlechter Witz, sondern wissenschaftlich erforscht und bewiesen. Wir haben unter Muslimen eben beides, Abschottung und Ablehnung der christlichen Kultur, aber auch Offenheit. Als Christen hoffen wir …