Mit seiner Lutherbiographie hat Heinz Schilling einiges an Aufsehen erregt. Vor einigen Monaten erschienen hat sie viele gute Kritiken bekommen. Nach einem Vortrag im Februar hier in Rom habe ich ihn interviewt und das in eine Sendung – durch Papstrücktritt und –wahl verschoben – gebracht.
Was auffällt ist die Leidenschaft und der Enthusiasmus, mit denen der Historiker auf die Aktualität eingeht. Ich würde sogar sagen: mit Vehement. Die Frage nach Ökumene, nach gemeinsamen Feiern oder Gedenken, all das gehört in seine Lutherstudien hinein. Auffällig ist auch, wie sehr sich Schilling dagegen wehrt, dass Luther vereinnahmt wird für heutige Ziele, den Zeitgeist, eine Kirche der Freiheit oder anderes: „Wir müssen – und da ist durchaus eine gewisse Leidenschaft in meiner Position – darauf achten, dass wir nicht die eigenen Gegenwartsprobleme auf Luther projizieren und dann nur das zurück bekommen, was wir sowieso wollen und was wir sowieso wissen.“
Das gesendete Interview kann man hier finden.
Was mich aber außerdem persönlich noch sehr interessiert hat, war die Frage nach der Trennung der Kirchen. Wir sehen mit Blick auf die Reformationszeit vor allem genau diese Trennung und die Gegensätz der Personen, Theologien, Mentalitäten und Interessen. Schilling macht das anders. Er hat in der Methode, mit der er ‚seinen’ Martin Luther betrachtet, ganz bewusst andere Menschen einbezogen. Und wo der Mythos Luther vor allem den Gegner sieht, etwa in Kaiser Karl V., betont Schilling die grundlegenden Gemeinsamkeiten, vor allem, was den Glauben und die Religion angeht. Und hier wird die Debatte dann aktuell. Diese Gemeinsamkeiten helfen, zu verstehen, worum es damals eigentlich ging und worum es heute nicht mehr gehen muss.
Grundsätzliche Gemeinsamkeiten
Wenn man auf die Spiritualität abhebt, muss man sich anschauen, wie beide sterben, so Schilling. Luther stirbt in seiner Christusfrömmigkeit, getröstet im Wissen an die Gnade Gottes. Aber auch sein Gegenspieler, Kaiser Karl V., stirbt mit der Tröstung eines einfachen Kruzifixes, das ihm sein Beichtvater gereicht habe. „In gewisser Weiser stirbt er in derselben Christusfrömmigkeit wie Luther“.
In dieser Weise dargestellt und reflektiert mache das deutlich, dass es einen gemeinsamen Urgrund für die Religiositäten Luthers und des Kaisers gebe in dieser Zeit gebe, die dann erst endgültig durch die bedauernswerte Polarisierung im Streit der Konfessionen zerrissen werde. Die Aufgabe des Historikers: „Es ist möglich, durch historische Analysen darüber hinaus zu gehen, wo deutlich wird, dass es ein gemeinsamer Glaubensgrund ist.“
Katholische Anstöße durch Luther
Die beiden Traditionen, die durch die Spaltungen entstanden seien, nennt Schilling die „beiden Varianten“, auch die katholische Kirche sieht der Historiker wie die protestantischen Kirchen in Kontinuität zur mittelalterlichen Kirche. Sie sei – historisch gesehen – eine in einer Reformbewegung entstandenen Konfessionskirche.
„Die Katholische Reform war aber kein Selbstläufer, sie wurde angestoßen und musste angestoßen werden behaupte ich durch das Auftreten des Augustinermönches jenseits der Alpen.“ Unter dieser einer solchen konfessionsneutralen Analyse könne man nun auch katholischerseits die Anstöße durch Luther 2017 würdigen. „Wohl nicht, wie es auch Kardinal Koch sagt, sie feiern, das verstehe ich, aber sie doch in dem Sinne würdigen (..), dass sie sich durch die Auseinandersetzung damit auch wieder der eigenen Wurzeln, die in der Reform des 16. Jahrhunderts liegen, vergewissert.“
Von dieser Position her könne man sicherlich noch weitere Akzente in Sachen Ökumene setzen.
Es mag sein, dass Luther keine Kirchenspaltung beabsichtigte, und es ist tragsich, dass es dann doch dazu gekommen ist. Aber seine Ansichten über Tradition, Priesteramt und Papsttum waren doch so konträr, dass eine Spaltung unvermeidlich war, auch wenn katholischerseits mehr Gesprächsbereitschaft vorhanden gewesen wäre. Im Grunde hat Luther das Band zum Fundament der Kirche, den Aposteln, und letztlich auch zu Christus,durchtrennt. Die große Tragik ist doch die, dass er damit Millionen und Millionen von gläubigen Menschen von dem wichtigsten Vermächtnis Jesu ausgesperrt hat, von Beichte und Eucharistie. Weshalb man das nun feiern soll, ist mir unbegreiflich.
MfG
Erhard Schmidt
Der Beitrag spricht gerade nicht vom Feiern. Was Luther jedoch der Kirche indirekt gebracht hat seinerzeit waren dringende Reformen und was er anprangerte waren unchristliche Zustände in der Kirchenspitze. Dass es zur Kirchenspaltung kam, haben sicher beide Seiten zu verantworten. Hätte die Kirche sich rechtzeitig geläutert, hätte die Spaltung vielleicht vermieden werden können. Auf lutherischer Seite hatten sich allerdings die weltlichen Mächte entschieden, dass sie einen Teil der Macht der Kirche für sich beanspruchen wollen…
Geehrter Arnd
Zu der Zeit Luthers war die Kirche auch die alles bestimmende Weltliche Macht. Das was Sie hier als die Weltliche Mächte bezeichnen, waren im Vergleich zur Kirche kleinere Weltliche Mächte, denn die Kirche hat sich angemaßt diese zu legitimieren. Damit waren alle Weltlichen Mächte der Kirche untergeordnet. Wie Sie richtig bemerken, wollten sich diese geringeren Weltlichen Mächte etwas von der Weltlichen Macht der Kirche holen, wollten sich Weltlich von der Kirche emanzipieren. Und die Kirche ist immer noch auch eine starke Weltliche Macht. Man sollte nicht so tun, als würde sich die Kirche auf das Geistige beschränken/ jemals beschränkt haben.
Herr Erhard Schmidt
Jetz muss ich mir hier mal richtig Luft machen. Sie scheinen mir ein Mensch zu sein, der genau ins Muster passt, ich bin der Gute, die anderen sind schlecht (Katholik gut, Evangele böse) Und das schlimme ist, das die Evangelen umgekehrt genau dasselbe denken.
Ich will hier Versuchen zu erklären, warum auch Sie persönlich als Katholik Grund zum Dank an die lutherische Bewegung haben. Und Dabei geht es nicht darum wer recht hat oder dergleichen.
Zur Zeit Luthers ging es der allgemeinen Bevölkerung sehr schlecht. Und die katholische Kirche hat das Schicksal der Menschen nicht gemildert, sondern auch noch die Hand aufgehalten und das Elend damit verschlimmert. Von der Verbreitung des Evangeliums durch Handeln, wie es Franziskus nun will, war die katholische Kirche damals meilenweit entfernt. Und dann kommt jemand und sagt, ich will mich auch um Euch kümmern und stellt das vorhandene System in Frage. Was denken Sie denn warum der Mann so einen Zuspruch hatte? Weil die katholische Kirche so sozial war ? Ich bin kein Lutherfreund, aber das er die Massen anzog liegt auf der Hand. Und dann hatte auf einmal die katholische Kirche mit ihrem Modell ein Problem. Konkurenz belebt halt das Geschäft. Jetzt kann sie nicht mehr die Daumenschrauben noch enger drehen. Und somit haben Sie, ich, wir alle auch einen Grund Luther etwas dankbar zu sein. Ohne seine Konkurenz zur katholischen Kirche würde es meines Erachtens weit trauriger für die breite Masse aussehen. Möglicherweise würden wir sogar noch im Feudalismus mit Leibeigenschaft feststecken.
@ Erhard Schmidt
Von feiern kann ja auch gar keine Rede sein lieber Hr. E. Schmidt. Würdigen ist ein besserer Ausdruck, weshalb soll man Trennungen und gegenseitige Schuldzuweissungen feiern. Feiern sind freudige Ereignisse das ist aber meines erachtens kein Grund zum feiern geschweigeden ein freudiges Ereignis. Was soll denn die katholische Kirche da feiern, sich rühmen das sie “Millionen von Millionen” Gläubige Christen haben ziehen lassen und heute noch immer ziehen lassen. Weil man zu keinen rechten Kompromissen bereit ist. Die evangelischen Kirchenschriften lassen meines erachtens sehr viel mehr Freiraum für Überlegungen, Auslegungen so wie Jesus auch seine eigenen Auslegungen der Schrift gemacht hat. Ich denke nicht das Jesus einen wirklich gläubigen Menschen egal ob katholisch oder evangelisch auschließt oder aussperrt, da müsste ich die Bibel schon komplett falsch verstehen.
Dass die evangelisch protestantische Kirche und die Katholische Kirche zwei von einander unabhängige Glaubensgemeinschaften mit sehr vielen konträren Ansichten und Auslegungen der Hl. Schrift geworden sind, ist, so meine ich, eine nicht mehr wegzuleugnende und bedauernswerte Tatsache. Für eine Tatsache halte ich aber auch, dass beide Glaubensgemeinschaften mit christlichen Wurzeln im Glaubensgründer “Jesus der Christus” und dem Dreifaltigen Gott verankert und positioniert sind. Dass sich beide Institutionen voneinander getrennt haben, liegt sicherlich in ihren damaligen starren und uneinsichtig konträren und unversöhnlichen Haltungen und Ansichten in der im Katholizismus gewachsenen Glaubenslehre, geprägt von weltlichen Macht- und Herrschaftsansprüchen der Kirchenverantwortlichen der damaligen Zeit. Dabei sollte man den damaligen Einfluss durch weltlich eigennützige Begehrlichkeiten, sowohl der weltlichen, als auch der kirchlichen Herrscher mit einbeziehend betrachten. Dass man wieder miteinander spricht, werte ich als erfreuliche Tatsache und positive göttliche Fügung und freue mich mit meinen Mitchristen sehr darüber. Leider können, die Verantwortlichen, vor allem meiner Röm. Kath. Kirche, bisher immer noch nicht über ihren ach so menschlichen Schatten springen und der Gegenseite in christlicher Nächstenliebe die Hand zur Versöhnung im Sinne unseres Christlichen Glaubens reichen. Dabei sind die Sinne der Verantwortlichen aller Kirchen christlichen Ursprungs scheinbar immer noch so sehr von bösen und negativen Mächten verwirrt, dass sie nicht erkennen, dass uns sicherlich mehr vereint als uns trennt. Die bremsenden Kriterien scheinen dabei auf allen Seiten noch immer von sehr menschlich bestimmten Ursachen negativ geprägt zu sein. Hat nicht unser aller „Jesus der Christus“ von Nächsten- und Feindesliebe im Sinne von wahrer christlicher, gegenseitiger Achtung zur Verherrlichung Gottes gesprochen. Er hat auch gesagt: Wer von Euch ohne Sünde, und ich füge hinzu, ohne Menschen eigene Fehler und Irrtümer ist, der werfe den ersten Stein.
Deshalb bitte ich alle beteiligten Verantwortlichen im Sinne unseres gemeinsamen Glaubens: Reicht Euch die Hand zur Versöhnung, wenn Ihr überhaupt dazu fähig seid, und macht uns wieder zu einer weltweit geschlossenen Glaubensgemeinschaft, begründet aber nur auf wahrer, unverfälschter Lehre unseres „Jesus der Christus“!!
Die 4 Evangelien sind das “Grundgesetz” des Glaubens an unseren HERRN und Schöpfer Jesus Christus. Ergänzend dazu kann man die Apostelbriefe, vor allem die des Apostels Paulus (Hebräer-, Judas- und Jakobsbrief nehme ich wegen einiger irreführender Behauptungen in diesen Schreiben aus), als wahre und hilfreiche Kommentare zu diesem verbindlichen Grundgesetz bezeichnen. Jede Verfassung hat auch Verfassungsrichter welche die Regierenden danach richten und zurechtweisen sollen. Martin Luther hat dies getan und nachdem er als Priester und Mönch ein Teil der kirchlichen Nachfolge war, hatte er auch ein Recht dazu. Bereits Franz von Assisi hat durch seinen Weg der Papstkirche ein Zeichen der indirekten Mahnung Gottes gegeben. Aber der war kein Priester, sondern Laie, weswegen er sich einer direkten Kritik dem Papst gegenüber zurückhielt. Jeder der sich Christ nennen will muß sich in seinem Handeln und Tun am Evangelium unseres HERRN messen. Egal ob Katholik, Protestant, Freikirchler und was auch immer. Wer sich wirklich daran mißt und dies aus ganzem Herzen in Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus tut wird unweigerlich auf Martin Luther zurückkommen. Nicht Wiedertäufer, nicht Calvin, oder Zwingli – sondern Luther!
Martin Luther ist für mich der Moses der Christenheit!
Mit freundlichen Grüßen
Josef Spann
Erstens muss ich Ihnen natürlich widersprechende was die “irreführenden Behauptungen” angeht; zweitens sind die Briefe weitgehend vor den Evangelien entstanden, wie können die dann Kommentare sein?
Es freut natürlich, wenn jemand einen so klaren Zugang zu Christus gefunden hat wie Sie, aber ist der Titel “Moses” nicht etwas zu hoch gegriffen?