Fünf Jahre ist es nun her, dass Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt wurde. An diesem Dienstag ist der Jahrestag. Sehr viel ist seitdem geschehen, sehr viel Text ist geschrieben, gesprochen und gesendet worden.
Auch in diesen Tagen erscheinen wieder Bilanzstücke, einige skeptisch, die meisten nicht wirklich wissend, wo der Papst mit seinem Projekt eigentlich hin will.
Es gibt aber einen Text, auf den ich immer noch gerne zurückgreife, er ist etwas über fünf Jahre alt, der damalige Kardinal Bergoglio hat ihn beim Vorkonklave, also vor der eigentlichen Wahl, gehalten. Der damalige Kardinalerzbischof von Havanna hat ihn um den Text gebeten, er selber hat ihn dann noch einmal ausgeschrieben – selber hatte er nur Notizen – und denn Kardinal Ortega erlaubt, das zu veröffentlichen.
Als Erinnerung stelle ich ihn hier noch einmal ein.
Christus selber treibt uns von innen an
Ich spreche über die Evangelisierung. Sie ist der Daseinsgrund der Kirche. Es ist die „süße, tröstende Freude, das Evangelium zu verkünden“ (Paul VI.). Es ist Jesus Christus selbst, der uns von innen her dazu antreibt.
Evangelisierung setzt apostolischen Eifer voraus. Sie setzt in der Kirche kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht. Sie ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends.
Die Kirche wird krank
Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium). Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.
In der Offenbarung sagt Jesus, dass er an der Tür steht und anklopft. In dem Bibeltext geht es offensichtlich darum, dass er von außen klopft, um hereinzukommen … Aber ich denke an die Male, wenn Jesus von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen. Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten.
Zwei Kirchenbilder
Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre – dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das „Geheimnis des Mondlichts“ zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der „geistlichen Weltlichkeit“ Raum (nach Worten de Lubacs das schlimmste Übel, was der Kirche passieren kann). Diese (Kirche) lebt, damit die einen die anderen beweihräuchern. Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das „Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet“; und die weltliche Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.
Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die notwendig sind für die Rettung der Seelen.
Eine bescheidene Anmerkung: Im handschriftlichen Originaltext steht ‘mysterium lunae’, was u.a. nach einer ausführlichen Studie von Hugo Rahner (Zeitschrift für katholische Theologie) bedeutet: Nicht die Kirche ist die Sonne, sondern Christus, aber die Kirche ist wie der Mond. Er empfängt das Licht der Sonne und gibt es weiter. Das ist etwas anderes als “Geheimnis des Mondlichts zu sein’, was eine romantische Konnotation hat. (Man denkt unweigerlich an Caspar David Friedrichs ‘Zwei Männer in Betrachtung des Mondes’.) Möge Papst Franziskus beim kommenden Ostervollmond gutes Wetter und die Gelegenheit finden, sich das ‘mysterium lunae’ anzuschauen!
(vgl. auch die Frühmesse “Von woher kommt das Licht?”)
Interessant was Sie da schreiben: Könnten Sie da noch etwas mehr dazu schreiben? Diese Mond- und Sonnensymbolik: woher stammt das? Klar ist mir, dass Christus oft als “Licht der Welt” bzw. eben “Sonne” bezeichnet wurde, was ja auch in der Bibel so steht. Und nicht umsonst hat die Monstranz diese weiße Kreisform, nicht?
Aber das mit dem Mond, woher kommt dieses sehr schöne Sprachbild, dass die Kirche wie der Mond ist, eben nicht selbst strahlt, nur Licht empfängt? Der ist doch sicherlich schon sehr alt, oder?
Auch schön: es heißt ja allgemein auch, die Kirche sei “weiblich”. Der Mond wird ja auch seit Alters her mit der Frau (ihrem Zyklus) in Verbindung gebracht.
Es gibt zudem diese wunderbaren mittelalterlichen Codices, wo bei der Kreuzigungsdarstellungen immer Sonne und Mond über dem Gekreuzigten zu sehen sind. Also: Gibt es eine Stelle in der Bibel, wo explizit die Kirche und der Mond in Bezug zueinander gesetzt werden? In der Apokalypse eventuell (ich denk da wiederum an die mittelalterliche Darstellungen: Mondsichelmadonnen)? Und: Welcher Autor hat daraus dann eben als erster Ihr oben genanntes Sprachbild so formuliert? Hugo Rahner war es wohl nicht, oder? Das muss älter sein, denke ich. Freundliche Grüße!
“Hostie” nicht “Monstranz” – sorry.
Der Begriff und seine Deutungssymbolik geht auf die Zeit der Kirchenväter zurück. Mit Hilfe der beiden Verweise werden Sie vielleicht einige brauchbare Antworten auf Ihre Fragen finden:
1) http://www.30giorni.it/articoli_id_21793_l5.htm
2) https://de.zenit.org/articles/der-gekreuzigte-als-sonnen-brautigam/ Ich wünsche Ihnen viele neue Erkenntnisse!
Vielen Dank, super.
Mir ist grad eingefallen, dass die Monstranz ja sogar diese Halterung besitzt, die man “Möndchen” nennt (lunula).
Sicherlich geht da die Bedeutung auch in Ihre Richtung: Die Lunula, die die (sonnenförmige) Hostie “empfängt” bzw. trägt, in sich trägt.
Diese ganze ausgeklügelte Symbolik in der Kirche ist schon wirklich spannend.
Was bedeutet “Mysterium der Sünde”?