Es gibt erstaunlich viele Menschen, die die Gebete der Laudes oder der Vesper oder beides täglich beten. Geweihten Priestern ist dies aufgegeben, aber darüber hinaus finden eine ganze Menge Christinnen und Christen dort eine Sprache für das Gebet, die ihnen entspricht.
Erstaunlich ist dies vielleicht deshalb, weil die Sprache der Psalmen und deren Bildwelt nicht mehr die unsere ist. Es geht um eine Agrargesellschaft und um mediterane Pflanzen, es geht um Könige und Feinde, um Krieg und Unterwerfung. Und doch überliefern sich in diesen Texten oder besser in diesen Gesängen Erfahrungen mit Gott, die weitergebbar sind.
Mache ich mir diese Worte zu eigen, kann ich lernen, mein Leben in ihnen auszudrücken. Das ist manchmal sperrig und geht nicht von heute auf morgen. Wie alle Dichtung brauchen auch die Psalmen Aufmerksamkeit und Wachheit des Betenden.
Papst Benedikt XVI. schloss an diesem Mittwoch seine Generalaudienz-Katechesen zu den Psalmen ab, und er fügte die Einladung an alle an, „noch mehr mit den Worten der Psalmen zu beten, vielleicht sogar die Laudes, die Vesper und die Komplet zu eurem regelmäßigen Gebet zu machen.“ Das könne eine Bereicherung werden.
Der Papst sprach heute über Psalm 110:
„Dieser Königspsalm wurde von der Kirche stets sehr geliebt. Die feierlichen Anfangsworte: „So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße“ (V. 1), wurden schon im Neuen Testament als messianische Prophetie aufgefasst und auf Christus bezogen. Er, der Herr, sitzt zur Rechten des Vaters und hat Teil an Gottes Allgegenwart und Herrlichkeit und ist durch die Auferstehung in seine Herrlichkeit mit eingegangen. Durch ihn werden alle Feinde – das Böse, der Tod – besiegt.
Die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta, die im 3. bis 2. Jh vor Christus entstanden ist, fährt fort: „Ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe“ (V. 3). Diese Worte ließen notwendigerweise die Christen an eine göttliche Herkunft denken, die diesem König zukommt, eine göttliche Herkunft Jesu Christi, die schön, unergründlich und geheimnisvoll ist.
Der König, von dem der Psalm redet, kommt von Gott. Er ist der Messias, der den Menschen das göttliche Leben bringen und Mittler von Heiligkeit und Erlösung ist.
Dann erwähnt der Psalm den Priester und König Melchisedek und macht ihn zum Vorausbild eines neuen Priestertums, das nicht aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm herrührt: Es ist ohne Anfang und Ende (vgl. Hebr 7,3) und nimmt im Opfer von Brot und Wein jene Gaben voraus, in denen sich Christus in der Eucharistie darbietet und Leben schenkt. Dieser Priester und dieses Priestertum rettet und tritt für die Menschen vor Gott ein (vgl. Hebr 7,25).
Wenn wir Psalm 110 beten, sehen wir, wir durch die Heilsgeschichte die große Erwartung, die geheimnisvolle Hoffnung hindurchgeht, nach einem König, der Mensch und doch Gott ist, in dem Gott und Mensch beieinander sind und wie diese Erwartung Gestalt annimmt und unerwartet Wirklichkeit wird in Jesus Christus.
Wenn wir den Psalm beten, beten wir mit den Jahrtausenden und beten zugleich mitten in der Gegenwart des Leibes Christi. Wir bitten wir den Herrn, der zur Rechten Gottes sitzt und der doch einer der Unsrigen ist, einer wie wir ist, dass er uns hinaufhebe in das Licht Gottes und dass er die Mächte des Bösen und den Tod besiege und uns das wahre Leben schenkt.“
Langsam und Stück für Stück können wir – wenn wir wollen und uns auf die Worte und die Bildwelt des Psalms einlassen – unseren Glauben dort entdecken. Es geht nicht nur um alte Könige und deren Erfahrungen, es geht um den Blick auf Christus. Und wer einen Blick auf diesen Christus sucht, der nicht verdeckt ist von Moden oder zu viel Alltäglichem, der findet ihn eben in den Psalmen. So verstehe ich die Worte des Papstes.
Psalm 110
1 [Ein Psalm Davids.] So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich mir zur Rechten und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße.
2 Vom Zion strecke der Herr das Zepter deiner Macht aus: „Herrsche inmitten deiner Feinde!“
3 Dein ist die Herrschaft am Tage deiner Macht (wenn du erscheinst) in heiligem Schmuck; ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe.
4 Der Herr hat geschworen und nie wird’s ihn reuen: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.“
5 Der Herr steht dir zur Seite; er zerschmettert Könige am Tage seines Zornes.
6 Er hält Gericht unter den Völkern, er häuft die Toten, die Häupter zerschmettert er weithin auf Erden.
7 Er trinkt aus dem Bach am Weg; so kann er (von neuem) das Haupt erheben.
erstaunlich finde ich das nicht so sehr. Im Grunde sehnt mn sich, vielleicht heute wieder mehr als zu anderen Zeiten nach Echtem, Ursprünglichem. Gerade die urige und ungeschminkte – sperrige- Sprache der Psalmen kommt diesem Bedürfnis wesentlich mehr entgegen als fromme Betrachtungen und zeitgenössische- oft sehr moralistisch daherkommende Texte
Auf NDR-Info und NDR-Kultur haben in dieser Woche die Morgenandachten ebenfalls Psalmworte zum Thema. Ich bin davon sehr angetan. Das Manuskript zur Sendung steht auf http://www.radiokirche.de und kann dort als pdf. gelesen und heruntergeladen werden.
“Mache ich mir diese Worte zu eigen, kann ich lernen, mein Leben in ihnen auszudrücken. Das ist manchmal sperrig und geht nicht von heute auf morgen. Wie alle Dichtung brauchen auch die Psalmen Aufmerksamkeit und Wachheit des Betenden.”, schreibt P. Hagenkord im dritten Absatz.
Das erfahre ich gerade von daher kann ich wie an anderer Stelle angekündigt als Antwort auf Novalis hier an dieser Stelle nur Anfänge auf diesem Weg teilen.
Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit Psalm 110 war folgende Stelle (Dritter Band, 1. Teil) im Buch Krieg und Frieden von Leo Tolstoi (Aus dem Russischen von Hermann Röhl):
„In dem Zustand seelischer Empfänglichkeit, in welchem sich Natascha befand, wirkte dieses Gebet sehr stark auf sie. Sie hörte jedes Wort von dem Sieg Moses über Amalek und Gideons über Midian und Davids über Goliath und von der Zerstörung „Deines Jerusalems“ und betete zu Gott in jener innigen Rührung, von der ihr Herz voll war; aber sie verstand nicht recht, um was sie eigentlich Gott in diesem Gebet anflehte. Von ganzer Seele nahm sie teil an der Bitte um den rechten Geist und um die Befestigung des Herzens im Glauben und in der Hoffnung und um die Entzündung der Liebe im Herzen. Aber sie vermochte nicht darum zu beten, dass ihr ihre Feinde unter die Füße gelegt werden möchten, da sie erst wenige Minuten vorher gewünscht hatte, recht viele Feinde zu haben, um für sie beten zu können. Aber andrerseits konnte sie auch nicht an der Gerechtigkeit des Gebetes zweifeln, das der Geistliche in so feierlicher Form auf seinen Knien gesprochen hatte.“
Es gibt verschiedene Übersetzungen. In der Lutherübersetzung 2017 des Psalm 110, Vers 1 sprechen mich die Wörter „setzen“ und „bis“ an. Was meint „setzen… bis“? Was ist/geschieht nach „bis“?
Da mein Blogname Verunsicherung auszulösen scheint, werde ich ihn zukünftig ändern in: Im Reifungsprozess
Lutherbibel 2017 Psalm 110
Der ewige König und Priester
1 Ein Psalm Davids. Der HERR sprach zu meinem Herrn: / »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel unter deine Füße lege.«
2 Der HERR wird das Zepter deiner Macht ausstrecken aus Zion. Herrsche inmitten deiner Feinde!
3 Wenn du dein Heer aufbietest, wird dir dein Volk willig folgen in heiligem Schmuck. Aus dem Schoß der Morgenröte habe ich dich geboren wie den Tau.
4 Der HERR hat geschworen und es wird ihn nicht gereuen: »Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.«
5 Der Herr zu deiner Rechten wird zerschmettern die Könige am Tage seines Zorns.
6 Er wird richten unter den Völkern, / aufhäufen Erschlagene, wird Häupter zerschmettern weithin auf der Erde. 7 Er wird trinken vom Bach auf dem Wege, darum wird er das Haupt emporheben.
Danke, P. Hagenkord!