Der Exeget Thomas Söding hat zur gegenwärtigen Debatte um Missbrauch und dessen Aufklärung einen interessanten exegetischen Kommentar geschrieben. Hier ein Auszug:
Was es aufzuarbeiten gilt, ist eine menschliche Katastrophe: missbrauchte Macht, verratenes Vertrauen, ausgenutzte Schwäche. Was es aufzuarbeiten gilt, ist aber auch eine religiöse Katastrophe. Es geht um praktische Blasphemie: Gottes Heiligkeit wird angetastet; sein Wille wird pervertiert, seine Barmherzigkeit wird in den Dreck gezogen.
Das Markusevangelium hat aber (im Spruch vom Mühlstein) nicht nur die Warnung der Jünger vor Missbrauch aufbewahrt; es überliefert auch ein Jesuswort, das den Weg weist, die nötige Aufklärung zu treiben: „Nichts wird geheim gehalten, außer damit es an die Öffentlichkeit kommt“ (Mk 4,22). Es ist von genau derselben religiösen Radikalität und Klarheit wie das schreckliche Wort vom Mühlstein, das doch nur den Schrecken des Missbrauchs im Gewande der Frömmigkeit bannt.
Was offengelegt werden muss, sind die Untaten der Täter, ihre Zahl und Schwere, ihre Ursachen, Erscheinungen und Folgen. Es gibt die These, dass der Zölibat und die Seminarausbildung, die katholische Sexualmoral und der klerikale Korpsgeist die Ursache seien. Es gibt die Gegenthese, dass all dies keine Gründe, keine Motive, keine begünstigenden Umstände seien. Wer hat Recht? Die Antwort ist von ungeheurer Wichtigkeit. Sie kann nur durch unabhängige Forschung gegeben werden.
Soweit ein kurzer Auszug, den ganzen Text lesen Sie hier.
„Nichts wird geheim gehalten, außer damit es an die Öffentlichkeit kommt“ (Mk 4,22).
um nichts Geringeres geht es.
Freut mich, dass es doch in der Kirche Jemanden gibt‘, der die Bibel nicht vergessene hat.
Eine wissenschaftliche, unabhängige Studie ist unbedingt notwendig, auch wenn aus ihr unbequeme, schmerzhafte Fakten rauskommen. Ein Bereiningungsprozess braucht unsere Kirche, um Sie von einem Verein unterscheiden zu können.
Welch ein Unterschied! Diese Form der Wahrheitsverkündung wünsche ich mir öfter als die katholische Rabulistik, die man auf anderen katholischen Blogs antreffen kann.
Dank dafür!
So lange man Thesen und Gegenthesen aufstellt, was nützt da die ganze Forschung. Ich denke wichtig ist das alle sich um gegenseitige Versöhnung bemühen.
Eine Antwort auf die in dieser Exegese gestellte Frage, wer denn nun Schuld an dieser Fehlentwicklung hat, ist sicherlich für den “ klerikalen Korpsgeist“ von enormer Wichtigkeit, darin ich das Gefühl nicht los werde, dessen Unschuld ob dieses Debakels beweisen und somit dessen Hände in Unschuld (wieder einmal mehr) waschen zu wollen.
Und wer sollte eine solche „unabhängige Forschung“ betreiben? Würde ein solches, für den „klerikalen Korpsgeist“ negativ ausfallendes Forschungsergebnis anerkannt werden, darin jener Geist die Schuld eingestehen würde?….und das nicht hunderte von Jahren später, so wie es immer bisher immer der Fall gewesen ist?
Die Frage nach der Schuld erscheint mir zweitrangig zu sein, darin die erkannte Blasphemie weitaus wichtiger ist als zu wissen, wer nun daran Schuld hat.
Allein wichtig ist, dass die Kirche (in deren eigentlichem Verständnis) wieder die Versöhnung mit GOTT und den Opfern dieser Verbrechen sucht – und das nicht „nur“ mit Worten, sondern eben mit Taten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Kirche nicht verstehen will, sondern dass sie nicht verstehen k a n n.Die Fragen nach den Ursachen für den Mißbrauch sind alle lang beantwortet von denen, die mißbraucht wurden. Wenn es heißt, es gibt auch Gegenthesen, dann fehlen mir die Gegenthesen. Je mehr Zeit vergeht, desto weniger Menschen gibt es in den Kirchenämtern, die die alte Priestererziehung miterlebt haben.Also bestätigen könnten, dass diese alte Erziehung eher in Richtung Katastrophe ging. Diese war frauenfeindlich. Klar, dass einem dann Kinder und Jugendliche lieber sind. Aber es wurden auch Frauen bedrängt. In kirchlichen Arbeitsplätzen. Das wird offiziell nicht erwähnt. Man fragt und fragt kirchlicherseits immer wieder dasselbe. Bekommt immer wieder dieselben Antworten. Und befaßt sich aus zig Gründen nicht mit den Opfern. Sondern verplempert seine Zeit mit Sitzungen. Bischöfe haben einen vollen Terminkalender. Dieser Aufwand, der immer veranstaltet werden muss, bis dass sie sich überhaupt treffen. Die Kirche tut mir Leid. Mit ihrem missionarischen Eifer ist sie dialogunfähig. Meine Erfahrung. Ich bin aber nicht mehr darauf angewiesen, dass Kleriker auf mich zukommen. 🙂 Die meisten antworten nichtmals, wenn ich auf sie zugehe.Kommen mir eher vor wie verschreckte Hühner. G o t t sei Dank habe ich einen anderen Weg gefunden.. If you know, what I mean.
@Teresa_von_Avila: Ich weiss nicht, ob das mit Verstehen-Können, bzw.- Wollen etwas zu tun hat. Mir erscheint es vor allem wichtig, dass diese Schuld als solche und darin in deren Schwere erkannt wird, da „nur“ so Vergebung und Versöhnung stattfinden kann. Im ganz Besonderen muss dabei die Schuld gegenüber GOTT erkannt werden: und in dieser Erkenntnis sollten doch die Häupter, Lehrer und Hirten wohl besser auf-u. belehrt sein, wie der sog. Laie. Diese Schuld gerade gegenüber GOTT und SEINEM GEBOT wird leider, so habe ich den Eindruck, recht
wenig oder überhaupt nicht zu Gespräch geführt: GOTT irgendwie- und wo aussen vor gelassen, als beträfe es diese Beziehung GOTT/MENSCH nicht: es „nur“ eine zwischenmenschliche, bzw. gesellschaftliche Angelegengeit ist….
Ich glaube, dieses primäre Schuldigsein-bzw. Werden vor GOTT muss auch bei jenen Verantwortlichen wieder neu ins Gewissen gerufen werden, da es weit mehr als eine Straftat im Sinne geltenden (deutschen) Rechtes ist. Sonst wäre die Kirche ja wirklich nur ein Interessenverein…
Ansonsten ist Ihnen leider zuzustimmen, was nicht gerade ein positives und somit Vertrauen in die Institution Kirche setzt
für mich sind weder orden noch kirche ein gottersatz.ich bevorzuge eine bestimmte gemeinde in berlin ,oder sogar einige. mit weltkirche befasse ich mich nicht.ihre schuld erkennen zumindest die jesuiten. das ist für mich eindeutig.es kann keiner behaupten, dass der orden und einzelne gott aussen vorlassen. das weiß nur gott selber. der mißbrauch hat auch erstmal die betroffenen orden durcheinandergewirbelt.die täter an sich haben sich aus dem staub gemacht, sind ausgetreten oder gestorben. die allerwenigsten sind noch dingfest zu machen. dann die mitwisser..einfach ist das nicht und wie ich woanders bereits gesagt habe, mit generalverdacht und sippenhaft und anderen aktivitäten kommt man nicht weiter..ich gestehe kirche und orden den schock zu, den sie offensichtlich haben. man kann seine probleme als geschädigter auch täterunabhängig lösen.so habe ich es gemacht nach vielen jahren kirchenferne und hass. und ich bin zuversichtlich, was die präventionsprogramme angeht.
Die Hoffnung stirbt zuletzt…aber: sie stirbt…
@R.S. Bist A: Wissen Sie, wieviele Katholiken aus der Basis der Meinung sind, dass nun endlich Schluss sein muss mit dem Thema Mißbrauch?Man zu wichtigeren Dingen übergehen sollte?Meine Hoffnung was Amtskirche angeht, stirbt nicht. Es wird lange dauern.Bei den nötigen Erkenntnisprozessen an der Basis sehe ich dunkel bis schwarz.
Liebe Teresa von A, die Basis ist breit und nicht nur im erzkonservativen Lager angesiedelt.
Silvia, ich erlebe es auch von liberal, dass man nicht damit fertig wird. Die Opfer gehen in die Versenkung aus Selbsterhaltungstrieb. Die ganze Debatte ist grotteneinseitg, das stört mich. Solange diese Einseitigkeit kombiniert mit Mortalpredigten für Täternachfahren und Opfer besteht, wird man nichts erledigen.Was da alles auf einen einstrürmt, wenn man sich outet, kann niemand ermessen.Mit Hilfe hat das nichts zu tun.
Liebe Teresa von A, ich glaube, Hilfe können Betroffene nicht von Nichtbetroffenen erwarten sondern nur von kompetenten Fachleuten.
Dass man an der Basis wieder zur Normalität zurückkehren möchte, verstehe ich gut, geht mir nämlich auch so. Ich bezweifle auch, dass diese öffentliche Diskussion den Opfern wirklich hilft, es gibt ja auch den Begriff der Retraumatisierung.
@Teresa_von_Avila: ich denke, man soll das eine tun ohne das andere zu unterlassen. Die Wahrheit ist wichtig, um nicht zu sagen: der Schlüssel zu allem; verbunden mit der Liebe. Somit gehört dieses Thema weiter auf die Tagesordnung der Verantwortlichen ohne dass dies in der breiten Öffentlichkeit weiter breit getreten werden sollte. Das ist richtig. Die Verantwortlichen sind es aber der Wahrheit und der Liebe zu GOTT und SEINER HERDE schuldig, diese Vorfälle zu ahnden und eben die Wurzel dieses Übels zu beseitigen.
Liebe Silvia, die öffentliche Diskussion besteht darin, uns Vorschriften zu machen, wie wir das Problem zu lösen haben. Das 2. Problem ist die Einseitigkeit. Das 3. Problem, helfen ist eine Sache von Menschlichkeit, von Zuhören. Das überläßt man gerne den Fachleuten. Die Fachleute sind ebenso eng oft und kennen nur ihre Sicht der Dinge. Die Opfer untereinander sind auch gespalten. Das ist Gesellschaft, das ist Kirche.Ausser Aufruhr auf unsere Kosten findet nichts statt. Ich stelle mir immer wieder vor, ich hätte meinen individuellen Weg der Versöhnung, an dem sich so mancher stößt, n i c h t gefunden. Ich darf mir das nicht vorstellen.Die Frage ist auch, was ist Kirche? Heile Welt? Fluchtpunkt?Für einen riesigen Teil war er die Hölle. Dank ebenso mieser gesellschaftlicher Strukturen.
Liebe Teresa von A, die Mitmenschen/- christen hören schon bei weit weniger brisanten Themen weg, einfach weil sie überfordert sind, siehe mein Unfall und dessen Folgen, weshalb ich immer noch in Therapie bin, das interessiert schon lange niemanden mehr, weder inner-noch außerhalb der Kirche.
Doch, Silvia, ich habe mir große Sorgen um Sie gemacht die ganze Zeit. Und freue mich, dass Sie hier wieder mit reduziertem Namen 🙂 erscheinen. Ich lamentiere nicht rum, mein Nachbar hat seine Luxuswohnung mit Tannenbaum in Brand gesteckt und ich habe gesagt, ich weiß, wie das ist..bitte anrufen. Und er ruft an und wir kümmern uns.Man muss keine weisen Ratschläge geben. Müll wegbringen, beim Anziehen helfen nach der Brandverletzung. Die Wohnung lüften, wenn er in der Klinik ist. Nach seiner Frau fragen, die in der Klinik ist noch. Muss man kein Fachmann zu sein. Einkaufen gehen. Ne Haushaltshilfe hat er.Kirche ist kein Ort der heiligen Ruhe, wo man zur Belohnung hingeht, damit die Sonntagsgefühle kommen. Kirche ist Gemeinde. Die Mißbrauchsdebatte ist einseitig und also hängt sie allen zum Hals heraus.Es sind a l l e verantwortlich, wenn es um Prävention und Zuhören geht. Nicht nur Fachleute.
Es gab neulich eine Predigt zum Thema „Helfen“. Und wenn man einfach nur wortlos zuhört, sagte der Jesuit.Ich weiß das von diversen Caritasbesuchsdiensten: die schaffen das nicht, wortlos am Bett eines Alzheimerpatienten oder Sterbenden zu sitzen.Programm ist angesagt? Nein.
Danke, dass Sie sich Sorgen um mich gemacht haben, ich habe nur nicht zu jedem Thema hier was zu sagen
Bei Söding geht es um Täter und Opfer, wie bei nahezu allen Kommentaren auf dieser Seite und auch sonst in weiten Bereichen der kirchlichen Öffentlichkeit. Die Beteiligung Dritter an diesen Verbrechen wird hingegen weitgehend ausgeblendet. Es geht um die Rolle, die unser kirchlicher Apparat hatte. In anderen Ländern (zum Beispiel Irland, USA) wurde diese Rolle in der Öffentlichkeit hinreichend beleuchtet und mit riesigen Schadenersatzsummen geahndet, bis hin zum Bankrott von Diözesen.
Wie konnte es dazu kommen, dass Täter gedeckt, von einer Gemeinde zur nächsten, von einer Diözese zur anderen, von einer Funktion in eine andere verschoben wurde? Mit „klerikalem Korpsgeist“ (Söding) allein ist das nicht zu erklären.
Jedes Verbrechen fordert nicht zuletzt aus sozialhygienischen Gründen ÖFFENTLICHE Aufklärung und Ahndung (Buße), denn es geht nicht nur allein um die Individuen Opfer und Täter, sondern auch um den Schaden den die Gemeinschaft erleidet. Warum funktionierte die Matthäus-Regel nicht (Mt 18, 15-20) – in der Einheitsübersetzung mit der Überschrift: „Von der Verantwortung für den Bruder“ versehen.
Die Frechheit mancher Täter machte ganze Gemeinden buchstäblich sprachlos. Das war in den seltensten Fällen Feigheit, vielmehr eine schreckliche Fassungslosigkeit vor den Tatsachen, wie kann solches geschehen, bei uns, und durch den?
Dass eine rückhaltlose Aufklärung dieses Aspektes der Taten Angst macht, ist verständlich. Die Konsequenz wäre das Eingeständnis einer Mittäterschaft.