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Vatican News

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Schlagwort: Aufklärung

Glaubwürdig angeklagt

Veröffentlicht am 2. Februar 20191. Februar 2019
Statistik von Tätern: Verwirrend wie ein Cy Twombly Bild Umgang mit Zahlen und Statistiken kann verwirrend sein, mich erinnert das irgendwie an ein Bild von Cy Twombly (München).

Nun also Texas. Die fünfzehn Bistümer des US-Staates haben fast 300 Namen veröffentlicht: von glaubwürdig angeklagten Missbrauchstätern. So berichtet die NYT an diesem Freitag. Vor Texas hat Illinois das schon getan, auch der Jesuitenorden als bistumsübergreifende Institution. Und andere auch. Zahlen und Statistik von Tätern, von „glaubwürdig angeklagten”, „credibly accused”.

Bei der Lektüre heute Morgen haben sich mir da mal wieder einige Fragen aufgetan. Zum einen kam mir reflexhaft sofort der Gedanke, dass jedes einzelne Schicksal wichtig ist und bleibt, gleich wie die Statistik aussieht. Und das halte ich auch für richtig. Nur ist eine Zahl auch ein Text, nie nur neutral. Nun stehen da also die Namen von Menschen nebeneinander, deren Geschichten ganz verschieden sind. Und alles ist durch die Statistik gleich gemacht.

Durch Statistik gleich gemacht?

Es mag ja sein, dass die Entscheidung, jetzt die Statistik von Tätern und deren Namen zu veröffentlichen, die richtige ist, das mag ich von hier aus über den US-amerikanischen Kontext nicht beurteilen. Nur kenne ich einige Fälle, sie in solchen Statistiken nebeneinander stehen, die also gleich gesetzt werden, die aber völlig verschieden sind. Ich möchte die Zahlen nicht runter reden, im Gegenteil, nur möchte ich für Sorgfalt werben und dafür, jeden Fall einzeln zu sehen. Auch wenn es schwer fällt.

Mit Hilfe von Statistiken zu urteilen kann dazu verführen, die Einzelfälle nicht mehr zu sehen. Das muss auf jeden Fall vermieden werden.

Mein zweiter Gedanke kreist um „credibly accused”. Das ist ja das Kriterium dafür, dass sich ein Name auf einer Liste findet. Mal ganz bösartig gefragt: löst Glaubwürdigkeit nun die Unschuldsvermutung ab? Ich nehme es den Verantwortlichen in den USA ab, nicht leichtfertig zu handeln, nur lesen sich die Listen halt wie Urteile. In vielen Fällen wird es keine Klarstellung mehr geben und geben können, weil die mutmaßlichen Täter verstorben sind, das Urteil bleibt also das per Namensliste veröffentlichte.

Statistik von Tätern

Während meines Studiums in Großbritannien habe ich aber erlebt, wie Zeitungen „naming and shaming” betrieben haben, also mutmaßliche Täter mit Foto und Klarnamen veröffentlicht haben. Noch einmal: das zu wollen unterstelle ich hier niemandem, nur bleibt bei mir ein Beigeschmack.

Dritter Gedanke, gegen gegensätzlich: es ist schon schlimm, dass die Institution Kirche solche Schocks braucht, um in Bewegung zu kommen. Solche Veröffentlichungen oder auch Durchsuchungen. Auch jetzt hagelt es noch Kritik, dass die Kirche das in Eigenregie tue und keine externe Kontrolle stattfinde, aber auch das Nennen dieser Namen ist schon ein mächtiger Schritt (wenn auch nicht der letzte).

Diese Form nicht ganz freiwilliger Transparenz hilft eben den Opfern, weil sie die Dimension des Problems öffentlich macht. Danach kann keiner mehr sagen, dass seinen Einzelfälle (Sie sehen, meine Gedanken sind widersprüchlich, aber das bringt das Thema vielleicht mit sich).

Die Dimension des Problems

Diese Statistik von Tätern und deren Namensnennung hilft aber letztlich auch der Institution, wenn sie es denn ernst meint mit Aufklärung und Transparenz. Die Kirche muss sich ihren systemischen Problemen stellen, daran führt kein Weg vorbei.

Das alles sind die USA. Eine anders gelagerte aber nicht ganz unterschiedliche Situation haben wir hier. Da hat die Kirche eine Studie veröffentlicht, die erste überhaupt aber natürlich nur ein Anfang. Es gibt auch andere Statistiken, die wir nicht ignorieren dürfen, wenn wir das Problem Missbrauch angehen wollen. 250 Kinder pro Woche werden laut Deutscher Kinderhilfe pro Woche (!) Opfer von Gewalt. „Die Zahl der Misshandlungen stagniert seit Jahren auf hohem Niveau“.

Da wird keine Statistik von Tätern genannt, da kommen auch keine Namenslisten vor, das Ganze ist medial weniger aufregend, sollte uns aber mindestens so unruhig machen wie die großen Zahlen und die vielen Täternamen.

Gerechtigkeit?

Ein abschließender Gedanke: ohne selber Richter sein zu wollen finde ich es irgendwie auch richtig, dass Namen genannt werden. Es gibt eben nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Und die kommen ans Licht und werden nicht geschützt. Ist das schon Gerechtigkeit? Nein, noch nicht. Aber es ist hoffentlich ein Schritt dorthin.

Ein abschließendes Wort zur Bildauswahl. Cy Twomblys Bilder sind gerne verwirrend, Statistiken können es auch sein, die Namensliste ist es bei mir sicherlich. Die Bilder werden Kunst dadurch, dass man den gemalten Linien folgt. Die leiten und begleiten und führen. Das wünsche ich mir von den Namen und den Zahlen auch: dabei nicht stehen lassen, die Verwirrung nicht als letztes Wort akzeptieren, weiter machen, aufklären, nachdenken.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Rom, VatikanSchlagwörter Aufklärung, katholische Kirche, Kinderschutz, Missbrauch, Opfer, Statistik, Täterzahlen, Transparenz, USA52 Kommentare zu Glaubwürdig angeklagt

Was demnächst passiert: Die Missbrauchskonferenz im Vatikan

Veröffentlicht am 2. Januar 20194. Januar 2019
Missbrauchskonferenz im Vatikan - Rote Ampel für Vertuschung Es geht nicht weiter so!

Papst Franziskus hat viel vor. Zum Beispiel wird er ein Land besuchen, das noch nie vorher einen Papstbesuch gesehen hat: Die Vereinigten Arabischen Emirate, Anfang Februar wird das sein. Davor ist Weltjugendtag in Panamá, auch mit Papst Franziskus. Großereignisse, das zweite von den Zahlen her, das erste in der Bedeutung. Aber alles wird in den kommenden Monaten in den Schatten gestellt, weil im Februar alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen hier im Vatikan über Missbrauch sprechen werden. Missbrauchskonferenz im Vatikan, das ist das Thema.

Und schon seit Wochen wird darüber gesprochen, was so eine Konferenz leisten kann. Papst Franziskus hatte im September angekündigt, alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zu versammeln. Es wird aber nicht die eine Konferenz, die alles löst. Das „Yalta“ der Missbrauchs-Debatte, wie es der kluge Vatikanist John Allen formuliert hat. Aber was wird es dann

Was wird das sein?

Schauen wir uns genauer an, was von der Konferenz geleistet werden muss. Oder soll. Erst einmal muss ein gemeinsamer Wissensstand hergestellt werden. Spezialisten braucht es, vor allem auch weil der Wissensstand nicht in allen Teilen der Kirche derselbe ist. Was daran liegt, das nicht alle Teile der Kirche eine Debatte im eigenen Land haben führen müssen oder geführt haben. Von Pater Hans Zollner, der das im Hauptberuf macht, weiß ich dass er durch die Welt fährt und Bischöfen und Kircheninstitutionen davon berichtet. Von ihm weiß ich aber auch, wie schwer das ist.

Dann muss zweitens bei der Missbrauchskonfernez im Vatikan die Vielgestaltigkeit des Phänomens zu Wort kommen. Eine Vielgestaltigkeit, wie sie auch in der Verschiedenheit der dann versammelten Kirchenvertreter ausgedrückt wird. Sexuelle Gewalt ist nicht gleich sexuelle Gewalt, auch ist Missbrauch weiter zu sehen. Der Papst nennt immer auch den Machtmissbrauch, er nennt ihn sogar in Chile an erster Stelle, wo die Situation besonders dramatisch ist. Auch in seiner Weihnachtsansprache an die Chefs der Abteilungen im Vatikan war der Papst hier sehr deutlich: Missbrauch hat verschiedene Dynamiken, verschiedene Elemente, die zusammen kommen. Das will ausbuchstabiert werden.

Formen des Missbrauchs

Drittens ist das eher ein Treffen von „Klassensprechern“, wenn mir der Kommentar erlaubt ist. Die Vorsitzenden haben keine Autorität über andere Bischöfe. Das prägt den Charakter der Missbrauchskonferenz im Februar, das ist kein Parlament. Die Erwartungshaltung ist hoch, hier müssen wir glaube ich ein wenig nachjustieren.

Viertens blickt nicht die ganze Welt mit dem europäischen oder gar US-amerikanischen Blick auf Missbrauch und sexuelle Gewalt. In Indien etwa gibt es verbreitete Gewalt gegen Frauen. Aus Afrika haben wir von sexueller Gewalt gegen Ordensfrauen gehört. Das sind ganz andere Debatten. Vieles findet auch nicht unter den gleichen rechtsstaatlichen Bedingungen wie hier bei uns statt, da gibt es Ängste und da gibt es Druck.

Christen leben unter ganz verschiedenen Voraussetzungen, in ganz verschiedenen Umgebungen. Und deswegen kann es keine „one-size-fits-all“ Lösung geben, also eine Vorgehensweise, die überall gilt. Es gibt zum Beispiel die Angst, die wir schon während der Jugendsynode gehört haben, dass die im Westen deutlich wahrgenommene Krise in anderen Teilen der Welt Probleme verdeckt, Gewalt gegen Christen etwa, Verfolgung, Neo-Kolonialismus und dergleichen. Ganz gleich wie man das bewertet, die Angst ist da und muss ernst genommen werden. Wer das ignoriert, verfehlt die Möglichkeiten, die eine solche Konferenz hat oder nicht hat.

Vatikan wird Ort der Debatten um Missbrauch

Fünftens dürfen wir uns nicht „in die Prävention flüchten“. Also das nicht sehen wollen, was passiert ist. Aufarbeitung ist wichtig, bleibt wichtig, und dazu muss man zuhören. Gleichzeitig aber muss man auch auf die Vergangenheit schauen und Verantwortung wahrnehmen. Auf dem Titel des österreichischen Magazins „Profil” fand sich im November die Unterzeile „In Österreich gibt es nur Opfer und keine Täter”, ironisch gemeint weist das darauf hin, dass die Täter nicht unbehelligt bleiben dürfen.

Wichtig bei der Missbrauchskonferenz im Vatikan ist sechstens auch der Blick auf die Strukturen. Wie konnte es zum Schutz der Täter kommen? Zur Vertuschung? Was hat die religiöse und sakramentale Bemäntelung des Missbrauchs für eine Rolle gespielt? Was sagt das über das Verständnis von Autorität – Macht – in der Kirche? Beliebt ist die Aussage, es ginge hier immer nur um Einzelne, während die Kirche als solche nicht sündigen könne. Das ist eine theologische Aussage, welche in der Gefahr steht, Vertuschungs-Strukturen zu decken und damit zu ermöglichen. Und es gibt auch bereits einige, die deutlich an dieser Aussage, es seien nur einige, rütteln. Wenn es bei der Konferenz in diesem Sinn zu theologischen Anstößen kommt, dann um so besser. Wir müssen neu und anders über Kirche sprechen.

Genau zuhören

Siebtens müssen wir den Opfern oder Überlebenden genau zuhören. Nicht alle sprechen so, wie der Rest der Kirche und der Gesellschaft sich das vorstellt. Manche wollen oder können auch gar nicht sprechen, auch das erfordert Respekt. Immer wenn ich höre, wie jemand die Opfer oder Überlebenden auffordert endlich zu sprechen, damit die Institution aufarbeiten könne, wird mir leicht anders. Da fordert schon wieder die Institution etwas. Das geht so nicht. Zuhören ist viel subtiler und darf nicht mit Erwartung und schon gar nicht mit Vorverständnis einher gehen.

Kann die Missbrauchskonferenz im Vatikan dann überhaupt ein Erfolg sein? Oder anders gefragt, was wäre ein Erfolg des Treffens im Februar? Meine sieben Punkte kann man vielleicht noch ergänzen oder verringern, das ist keine Anspruchs-Liste, sondern einfach nur eine Aufzählung, was alles im Blick sein muss. Aber was wäre dann ein Erfolg?

Was wäre der Erfolg der Missbrauchs-Konferenz?

Ich versuche mich mal an einer Voraussage: Es wird keine Liste mit umzusetzenden Regelungen geben. Die Kirche beginnt nun aber, kulturübergreifend über das Thema zu sprechen. In den Worten des Papstes, vom 21. Dezember des vergangenen Jahres:

„Es muss klar sein, dass angesichts dieser Abscheulichkeiten die Kirche keine Mühen scheuen wird, alles Notwendige zu tun, um jeden, der solche Verbrechen begangen hat, vor Gericht zu bringen.”

Der Wille der Gesamtkirche wird ausgedrückt, der Papst wird sicherlich sehr klar sagen, dass Missbrauch durch Kirchenvertreter, durch Priester und Ordensleute oder durch irgendwen sonst in der Kirche, ein Problem ist, das es überall gibt, gleich ob es gesehen wird oder nicht. Keiner wird mehr sagen können, er habe es nicht gewusst. Und der Papst wird sicherlich auch um Verzeihung bitten, nicht zum ersten Mal, aber jetzt vor allen anderen Verantwortungsträgern.

Die Aufarbeitung, die Strukturdebatten, die Übernahme von Verantwortung, das alles muss konkret passiert. Die Konferenz bietet dazu das moralische, kirchliche und wenn es gut geht auch theologische Rückgrat. Das ist weder ein Anfang noch das Ende. Aber die Missbrauchs-Konferenz im Vatikan markiert die Tatsache, dass es eine kirchliche Frage ist. Überall.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, VatikanSchlagwörter Aufklärung, Bischofskonferenz, Kirche, Konferenz, Missbrauch, Papst Franziskus, Vertuschung, Weltkirche13 Kommentare zu Was demnächst passiert: Die Missbrauchskonferenz im Vatikan

Darüber sprechen!

Veröffentlicht am 12. August 201313. August 2013

Die Publizistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer erhebt Vorwürfe gegen die Medien bei der Aufklärung des Pädophilen-Skandals im progressiven Milieu. In einer Talkshow zu Missbrauchs-Fällen in katholischen Internaten habe sie 2010 auch auf den Skandal in der Odenwald-Schule hinweisen wollen, doch ihr sei „hart das Wort abgeschnitten” worden, schreibt Schwarzer am Montag in ihrem Blog. „Es ist gut, dass endlich darüber geredet wird.“

 

Soweit eine Meldung der Katholischen Nachrichtenagentur von heute. Nichts liegt mir ferner, als mit dem Finger auf irgendjemanden zeigen zu wollen. Dass es Missbrauch auch woanders gegeben hat, macht die Verbrechen in der katholischen Kirche um keinen Deut besser. Aber zum Umgang – und das hat die Kirche lernen müssen – hat immer auch das Wegschauen gehört. Dieses muss genauso beim Namen genannt werden wie die Verbrechen an Kindern selber, schafft es doch das schützende und stützende System für die Missbräuche.

 

Deswegen freut es mich überhaupt nicht, dass es jetzt die Grünen und wohl auch die FDP getroffen hat, was einen dummen Umgang mit der Sexualität von Kindern angeht. Ich wünsche aber allen gesellschaftlichen Gruppen Mut zur Offenheit. Der war in der Kirche auch nicht immer da, das haben wir in den vergangenen Jahren beobachten können. Aber dass nun gesprochen wird und dass Menschen wie Alice Schwarzer den Finger in die Wunde legt, ist ein Schritt zur Besserung. Auch wir Journalisten gehören zu denen, die Dinge nicht wahrhaben wollen. Cohn Bendit kam viel besser weg als jeder Bischof oder Priester. Wie gesagt, das will ich nicht als Aufrechnung verstanden wissen, aber es zeigt, dass es nicht nur Missbrauch, nicht nur Wegschauen, sondern auch eine verbogene Berichterstattung in der Öffentlichkeit gegeben hat und gibt, die auch der Reflexion bedarf.

 

 

 

P.S: Angesichts einiger Kommentare eine Klarstellung: Mit “dumm” meine ich weder den Missbrauch, noch das Wegsehen oder das Vertuschen. Mit “dummem Umgang” meine ich das leichtfertige darüber Reden und nicht Erkennen (=dumm) worum es eigentlich geht. Wenn in der Vergangenheit Menschen sexuelle Erfahrungen mit Kindern beschrieben haben, heute aber zugeben, dass das nur Fantasie war, dann ist das unglaublich dumm und dazu vielleicht auch noch gefährlich.

Das Wegsehen und Vertuschen steht auf einem ganz anderen Blatt, vom Missbrauch einmal ganz zu schweigen.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Kirche und MedienSchlagwörter Alice Schwarzer, Aufklärung, Grüne, Kirche, Missbrauch49 Kommentare zu Darüber sprechen!

Praktische Blasphemie

Veröffentlicht am 13. Januar 201313. Januar 2013

Der Exeget Thomas Söding hat zur gegenwärtigen Debatte um Missbrauch und dessen Aufklärung einen interessanten exegetischen Kommentar geschrieben. Hier ein Auszug:

Was es aufzuarbeiten gilt, ist eine menschliche Katastrophe: missbrauchte Macht, verratenes Vertrauen, ausgenutzte Schwäche. Was es aufzuarbeiten gilt, ist aber auch eine religiöse Katastrophe. Es geht um praktische Blasphemie: Gottes Heiligkeit wird angetastet; sein Wille wird pervertiert, seine Barmherzigkeit wird in den Dreck gezogen.

Das Markusevangelium hat aber (im Spruch vom Mühlstein) nicht nur die Warnung der Jünger vor Missbrauch aufbewahrt; es überliefert auch ein Jesuswort, das den Weg weist, die nötige Aufklärung zu treiben: „Nichts wird geheim gehalten, außer damit es an die Öffentlichkeit kommt“ (Mk 4,22). Es ist von genau derselben religiösen Radikalität und Klarheit wie das schreckliche Wort vom Mühlstein, das doch nur den Schrecken des Missbrauchs im Gewande der Frömmigkeit bannt.

Was offengelegt werden muss, sind die Untaten der Täter, ihre Zahl und Schwere, ihre Ursachen, Erscheinungen und Folgen. Es gibt die These, dass der Zölibat und die Seminarausbildung, die katholische Sexualmoral und der klerikale Korpsgeist die Ursache seien. Es gibt die Gegenthese, dass all dies keine Gründe, keine Motive, keine begünstigenden Umstände seien. Wer hat Recht? Die Antwort ist von ungeheurer Wichtigkeit. Sie kann nur durch unabhängige Forschung gegeben werden.

 

Soweit ein kurzer Auszug, den ganzen Text lesen Sie hier.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter Aufklärung, Bibel, Exegese, Jesus, Markusevangelium, Missbrauch, Söding19 Kommentare zu Praktische Blasphemie

Eine Zensur findet nicht statt!

Veröffentlicht am 9. Januar 20139. Januar 2013

Drei Jahre nach dem Beginn der öffentlichen Debatten um Missbrauch in der katholischen Kirche gibt es erneut Gesprächsstoff: Ein Projekt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung, das die deutschen Bischöfe in Auftrag gegeben haben, ist vorerst geplatzt.

Natürlich übernehmen alle Medien erst einmal die Sicht des einen Vertragspartners, des Kriminologen Prof. Pfeiffer: „Angebliche Zensurwünsche der Kirche.“ Das ist sofort glaubwürdig, hat sich die Kirche vor 2010 in Sachen Missbrauch und Aufklärung ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Pfeiffer der gute, die Kirche wie gehabt in der schlechten Rolle. Die Verdachtslogik übernimmt die Stimmung.

Da kann natürlich auch das Justizministerium unter Frau Leutheusser Schnarrenberger nicht still bleiben, man wünscht sich dort eine wissenschaftliche Aufarbeitung auf Basis der Personalakten. Dabei ist immer noch nicht geklärt, wie man mit Datenschutz umgehen will, denn es sollen ja alle Personalakten aller Priester, also zum Beispiel auch die meine, herangezogen werden. Ich habe aber ein Recht auf Vertraulichkeit, gerade in Sachen Personaldaten.

„Es ist ein notwendiger und überfälliger Schritt, dass sich die katholische Kirche öffnet und erstmals kirchenfremden Fachleuten Zugang zu den Kirchenarchiven ermöglicht“, so das Justizministerium heute. Aber genau das ist doch vor zwei Jahren passiert. Die Tatsache, dass es gescheitert ist, heißt ja nicht, dass es nicht versucht wurde. Vielleicht ist das Scheitern ja sogar ein Hinweis darauf, dass diese schnelle und allzu einfache Forderung gar nicht so schnell und einfach umzusetzen ist. Gerade etwa mit Blick auf Vertraulichkeit. Weiterlesen “Eine Zensur findet nicht statt!”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Kirche und MedienSchlagwörter Akten, Aufklärung, Bischöfe, Bischofskonferenz, Justizministerium, Missbrauch, Personalakten, Pfeiffer, Vertraulichkeit82 Kommentare zu Eine Zensur findet nicht statt!

Aufklärung im Dienst der Religion

Veröffentlicht am 26. November 201224. November 2012

Ein Nachtrag zu meinem Blogbeitrag von Gestern, dem Gespräch mit Robert Spaemann. Am Sonntag Abend hatten wir Heiner Bielefeldt im Interview, UNO-Koordinator für Religionsfreiheit. Er schlägt was die Frage nach der Vernunft, der Aufklärung und der Religion angeht, in dieselbe Kerbe:

 

„Wir haben aber mittlerweile ein Klima, in dem Religion an und für sich mit Misstrauen betrachtet wird. Das gibt es viel zu tun. Übrigens würde ich das Aufklärung nennen: Verstehen wir Aufklärung so, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der Pluralismus gelebt werden kann? Das ist eine aufklärerische Forderung. Oder verstehen wir Aufklärung so, dass die Religionen ersetzt werden durch irgendwelche postreligiösen wissenschaftsorientierten Ideologien. Das ist ein sehr, sehr enges Verständnis von Aufklärung.“

Kategorien Allgemein, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, InterviewSchlagwörter Aufklärung, Bielefeldt, Religion, Religionsfreiheit, Vernunft19 Kommentare zu Aufklärung im Dienst der Religion

‚Die Wahrheit, mein lieber Sohn, richtet sich nicht nach uns’

Veröffentlicht am 25. November 201226. November 2012

Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, den Philosophen Robert Spaemann zu interviewen. Während der Bischofssynode war wenig Zeit, nebenbei alles zu bloggen, was eigentlich des Bloggens Wert gewesen wäre, also erscheint dieses Gespräch erst heute.

Robert Spaemann – ein Vernunft aber auch ein Freund des Glaubens. Dass die beiden zusammen gehören, ist eines seiner großen Themen. Aber es ist auch eines der großen Themen Benedikt XVI.. Sein ‚Jahr des Glaubens’ ist noch jung. In einem philosophischen Gespräch habe ich Robert Spaemann also gefragt, ob dieses Jahr des Glaubens auch ein Jahr des Denkens ist.

 

„Ich glaube ja. Der Mensch muss letztenendes mit sich im Einklang sein und wenn seine Vernunft ihm etwas sagt und sein Glaube sagt ihm das Gegenteil, dann kann er das nicht einfach stehen lassen. Er kann auch nicht entweder den Glauben oder die Vernunft einfach gewaltsam niederbügeln. Er muss versuchen, zu einer Einheit zu finden. Diese Einheit gibt es von Anfang an. Der Apostel Paulus nennt den Glauben ein rationale obsequium, einen vernünftigen Gehorsam.

Professor Robert Spaemann, aufgenommen in Rom
Robert Spaemann

Es gab in der frühen Neuzeit das Problem, dass es so schien, dass die aufgeklärte Vernunft den Glauben unmöglich mache. Heute ist die Situation eigentlich umgekehrt: Der Szientismus, also die Wissenschaftsgläubigkeit der Gegenwart, führt eigentümlicherweise dazu, dass der Vernunft nicht mehr vertraut wird. Das heißt, so etwas wie Wahrheit soll es nicht geben. Das letzte Wort soll der Relativismus sein, denn die Vernunft ist eigentlich ohnmächtig, die Wahrheit zu erkennen.

Jetzt sind es die Gläubigen, die paradoxerweise die Fähigkeit der Vernunft verteidigen. Wenn sie heute jemanden finden, der mit Nachdruck die Wahrheitsfähigkeit der Vernunft behauptet, dann können sie beinahe schon annehmen, dass es ein Katholik ist.“

 

Nietzsche rettet die Aufklärung – mit Gott

 

Glaube und Vernunft sind also nicht nur kein Widerspruch, sondern aufeinander angewiesen, auch die Vernunft auf den Glauben?

 

„Da wo Gott geleugnet wird, bricht am Ende auch die Vernunft zusammen. Wer das im 19. Jahrhundert am deutlichsten gesehen und ausgesprochen hat, war Friedrich Nietzsche. Er schreibt einmal, dass auch ‚wir Aufklärer, wir freien Geister des 19. Jahrhunderts noch unser Feuer nehmen von dem Brand, das der Christenglaube entzündet hat, der auch der Glaube Platons war’: das Gott Wahrheit und dass die Wahrheit göttlich ist.

Dann sagt Nietzsche: Wenn dieser Glaube an die göttlichkeit der Wahrheit schwindet, dann zerstört sich die Aufklärung selbst, denn diese Aufklärung war mit dem Pathos der Wahrheit angetreten. Sie will die Menschen darüber aufklären, wie es in Wahrheit ist. Nietzsche sagt, dass es wenn es Gott nicht gibt es keine Wahrheit gibt, sondern nur die individuellen Perspektiven jedes einzelnen Menschen, ohne Wahrheitsanspruch. Das bedeutet die Selbstzerstörung der Aufklärung, dann gibt es keine Aufklärung mehr. An die Stelle tritt dann ein Zeitalter neuer Mythen.“ Weiterlesen “‚Die Wahrheit, mein lieber Sohn, richtet sich nicht nach uns’”

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Interview, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Aufklärung, Denken, Glauben, Konsequenzen, Nietzsche, Robert Spaemann, Vernunft, Wahrheit7 Kommentare zu ‚Die Wahrheit, mein lieber Sohn, richtet sich nicht nach uns’

Prozesstag Eins

Veröffentlicht am 29. September 201229. September 2012

Auf dem Platz vor der Engelsburg, in Sichtweite meines Bürofensters, ist an diesem Morgen ein Gerüst aufgebaut. Ein Baugerüst, allerdings freistehend und nicht für den Bau gedacht, sondern für eine Fernsehkamera. So etwas gibt es sonst nur bei wirklich großen Ereignissen, zuletzt bei der Seligsprechung Johannes Pauls II., wenn ich nicht irre. Von diesem Standpunkt aus hat man einen wunderbaren Blick die Via della Conciliazione hinauf zum Petersdom.

Das Gerichtsgebäude im Vatikan, Außenansicht
Das Gerichtsgebäude im Vatikan

Warum steht die Kamera samt Übertragungswagen und Journalisten und Technikern dort? Weil heute der erste Tag im Prozess gegen Paolo Gabriele stattfindet. Die Kollegen können von ihrer frisch gebauten Aussichtsplattform aus über Kriminalität und Geheimnis, Vatikan, Priester und den Papst berichten. Aber da es keinerlei Bilder geben wird – wie bei jedem Prozess üblich wird nicht übertragen, noch sind Kameras zugelassen – wird es nichts zu zeigen geben und deswegen werden wohl wieder all die Spekulationen wiederholt, die wir uns schon in der Vergangenheit anhören durften.

Zugegeben, das ist selber auch Spekulation, aber sie hat ihre Gründe in den bisherigen Erfahrungen.

In unserer Redaktion haben wir schon öfters diskutiert: Was ist eigentlich so interessant an der letztlich doch sehr lokalen Affäre? Warum diese ungeheure Medienauftrieb? Der Fall selber gibt das doch gar nicht her. Weiterlesen “Prozesstag Eins”

Kategorien Allgemein, Interview, Kirche und Medien, VatikanSchlagwörter Aufklärung, Gericht, Jorunalisten, Medien, Öffentlichkeit, Paolo Gabriele, Prozess, Vatikan5 Kommentare zu Prozesstag Eins

Wie die Religion in den Tatort kommt: Das Katholische im Fernsehen

Veröffentlicht am 26. August 201221. August 2012
Prof. Claudia Stockinger

Ästhetik und Praxis populärer Serialität: Ein sperriger Titel für ein wissenschaftliches Projekt, dass unsere Alltagskultur, Unterabteilung Serien, unter die Lupe nimmt. Ein Teilprojekt davon wurde von der Göttinger Germanistin Claudia Stockinger betreut, und für alle Freunde des Sonntags-Rituals „Tatort“ klingt es wie ein Traumjob: „Die Rolle des Katholischen im Tatort“.

Der Tatort sei für viele bereits selbst zur Kirche geworden, zitiert Prof. Stockinger den Schauspieler Ullrich Tukur. Wieviel Wahrheit tatsächlich in diesem saloppen Vergleich stecken mag? Was haben die Krimis mit Religion zu tun?

 

Frau Stockinger?Sind sie ein Tatort-Fan?

 

„Ich schaue seit den 90er Jahren regelmäßig Tatort, aber ich weiß es nicht genau, ob der Fanbegriff hier zutrifft. Ich analysiere den Tatort gerne und versuche gerne, ihn in Zusammenhänge einzubetten. Fankultur würde ja auch bedeuten, dass man Unterschriften sammelt oder sich die Schimanski-Jacke zulegen und den Tatort zur Religion macht. Das würde ich nie tun.“

 

Sie sind Literaturwissenschaftlerin. Wie kommt man von da zum Tatort?

 

„Die Literaturwissenschaft ist gewissermaßen für alles zuständig. Die Literaturwissenschaft hat sich in den letzten Jahren stark kulturwissenschaftlich ausgerichtet und versucht, ihre philologische Lektürekompetenzen auf einen erweiterten Textbegriff anzuwenden. Da liegt es relativ nahe, sich auch mit Film oder in diesem Zusammenhang mit Fernsehen und dem Tatort zu beschäftigen.“

 

Esoterik, Patchwork und das Katholische

 

Was ist das Interessante am Thema Religion im Tatort? Wie kommt man überhaupt darauf, anstatt sich unterhalten zu lassen sich mit dem Thema Religion im Tatort zu beschäftigen?

 

„Tatsächlich ist es so, dass ich bei diesem Projekt persönliche Sehinteressen oder meinetwegen auch Leseinteressen mit meinem Beruf verbinden kann.

Es gibt einen ganz interessanten Tatort aus München, Gesang der toten Dinge aus dem Jahr 2009. Das ist ein Tatort, in dem es um Esoterik geht und um eine Art Patchwork-Religion, die alle möglichen Strömungen aufnimmt. So spielt der Engel Gabriel eine Rolle in dieser Religion aber im Grunde ist das jetzt keine katholische Welt. Sie gibt nur Bildwelten ab. Es gibt da eine Figur, die außerhalb dieser esoterischen Zusammenhänge steht, und diese Frau ist eine Marienverehrerin und tatsächliche eine Katholikin, ohne dass das sehr ausgestellt wird. Der Kommissar Ivo Batic orientiert sich in seinen Ermittlungen an den Vorhersagen dieser religiös musikalischen Frau, die aber im Tatort als Hellseherin bezeichnet wird. Sie verlässt sich auf ihre Ahnungen, aber sie ist eindeutig katholische identifiziert. Der Tatort nimmt das Ernst. Am Ende hat die Figur mit dem Kommissar den Fall gelöst. Und das wird nicht kommentiert oder dementier, das hat auch keine seriellen Konsequenzen, sie spielt nie wieder eine Rolle im Tatort, aber es gibt Tatorte, wo so etwas bleibt. Das ist eine jüngere Entwicklung, und das finde ich so bemerkenswert.

Ich beobachte das eigentlich auch erst seit 1992. Nein: Mir ist das jetzt erst aufgefallen aber der Tatort ist von 1992, “Sommernachtstraum”. Da geht es um Satanisten. Es gab auch mal einen in Köln, “Rabenherz” von 2009, da bleibt immer ein unerklärlicher Rest, der nicht aufgelöst wird. Weiterlesen “Wie die Religion in den Tatort kommt: Das Katholische im Fernsehen”

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Was lange währt

Veröffentlicht am 14. August 2012

Es wollte ja keiner glauben. Der Vatikan müht sich um Transparenz. Gleichzeitig achtet er die Rechte von Verdächtigen und wirft sie nicht den Medien vor, um gut da zu stehen. Beides zusammen gehört zu der Art und Weise, wie man sich zivilisiert verhalten sollte.

Vatileaks kommt an einen Wendepunkt; am Montag hat der Vatikan die Anklageschrift gegen den egemaligen Kammerdiener Paolo Gabriele und eine weitere Person veröffentlicht.

Was haben wir nicht alles gehört und gelesen: Von Verschwörungen hier oder da, von Absichten gegen den Papst oder seine Mitarbeiter, alles Mögliche wurde herbei gedacht und geschrieben, um das Erscheinen von Dokumenten zu erklären. Alles, außer dass es vielleicht ratsam wäre, zu warten, was denn die Ergebnisse der Untersuchung ergeben.

Dass es einen zweiten Namen gibt und dass es auch um Diebstahlt geht – der ehemalige Kammerdiener Gabriele wird auch angeklagt werden, Wertvolles gestohlen zu haben – das hat keiner von den angeblich so viel mit Insiderwissen gefüllten Vatikankennern gewusst.

Vertrauen wir dem Prozess: Dem Prozess der Untersuchung wie auch dem Prozess, der jetzt herausfinden wird, was genau Paolo Gabriele getan hat und warum. Das füllt zwar nicht unser Bedürfnis nach sofort-haben-wollen von Information, wie er uns überall sonst angeboten wird. Aber es wird uns irgendwann in der Zukunft sagen, was wirklich passiert ist.

Aufklärung ist eben nicht durch das schnelle Schreiben und skepulieren gedient. Sondern durch Geduld und Arbeit.

Und so schön diese Verschwörungsideen auch vielleicht klingen mögen: Die Wahrheit ist allemal besser.

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., VatikanSchlagwörter Anklage, Aufklärung, Paolo Gabriele, Prozess, Vatikan, Vatileaks4 Kommentare zu Was lange währt

„Das Christentum globaler denken!“

Veröffentlicht am 19. Juni 201219. Juni 2012

Braucht man den Glauben oder nicht? Gibt es irgend etwas, was es ohne den Glauben nicht gäbe? Ein heißer Kandidat für eine Antwort darauf wäre die Sittlichkeit: Es braucht einen den Menschen und ihren Setzungen entzogenen Anker, um Moral begründen zu können. Gebe es keine Letztbegründung, dann fiele auch die Moral.

Aber woher kommt das dann? Dazu hat in den vergangenen Monaten und Jahren Hans Joas viel publiziert, meine Kollegin Anne Preckel hat sich mit ihm darüber unterhalten:

 

 

Herr Professor Joas, sie sprechen in Ihrem neuen Buch „Glaube als Option“ vom „Tod“ zweier „Pseudo-Gewissheiten“ in unserer Zeit: der Annahme, dass Säkularisierung automatisch zu Moralverfall führt und ein Feind der Religion ist, und andererseits der Annahme, dass es zur Moral unbedingt die Religion braucht. Bitte erklären Sie uns das näher.

 

„Die Säkularisten und Religionskritiker neigen, man könnte sagen seit dem 18. Jahrhundert dazu, anzunehmen, dass Modernisierung notwendig zur Säkularisierung führt. Säkularisierung im Sinne einer abnehmenden Bedeutung, einer Schwächung, eines Verfalls von Religion. Sie sehen ihren Unglauben damit eben nicht nur als ihre persönliche Überzeugung oder ihren Mangel an Überzeugungen, sondern als die Speerspitze eines historischen Fortschrittes, sie sehen alle Gläubigen damit als rückständig an und den Glauben in all seinen Manifestationen als eine Art Relikt einer Vergangenheit, die überwunden werden muss, auch demnächst überwunden sein wird, aber eben noch nicht überall überwunden ist. Diese Annahme kann man, glaube ich, als Sozialwissenschaftler heute eindeutig als verfehlt darlegen.“

 

Und was halten Sie diesen Säkularisten und Religionskritikern entgegen?

 

„Es ist nicht so, dass die geschichtlichen Prozesse, auch gerade die unter dem Titel ,Modernisierung‘ gemeinten, notwendig zu einer Schwächung von Religion führen, diese Annahme ist von bestimmten Prozessen der europäischen Geschichte, vor allem der französischen Geschichte im 19. Jahrhundert, abgelesen. Weiterlesen “„Das Christentum globaler denken!“”

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, InterviewSchlagwörter Aufklärung, Denken, Europa, Geschichte, Gott, Hans Joas, Mora1 Kommentar zu „Das Christentum globaler denken!“

Heute, nicht vor zwei Jahren

Veröffentlicht am 28. Januar 201223. September 2012

Es ist ein großer Schatten, den wir gerne in die Vergangenheit entschwinden sehen würden: Die Missbräuche in der Kirche und der Umgang mit ihnen, das wegsehende Schweigen. Vor genau zwei Jahren gab es die ersten Berichte über das Canisius-Kolleg in Berlin, zwei Tage später die erste Pressekonferenz. Österreich war Deutschland schon weit voraus, sah dann aber erneut eine Welle von Aufklärung.

Es ist aber nicht Vergangenheit, es ist Heute, Gegenwart, denn das Damals bestimmt das Heute. Und zwar nicht nur, was den Einbruch des Vertrauens in die Kirche angeht, das auch, aber das ist gar nicht einmal das Wichtigste.

Es hat mit Gewalt und Macht zu tun, mit Struktur und unserem Umgang mit Opfern. Es hat mit dem zu tun, was die Bibel ‚Blindheit’ nennt, den ‚gehaltenen Augen’, wie die Formulierung der Schrift häufig lautet. Es hat damit zu tun, dass wir neu lernen müssen, was denn das ist, was die Augen hält. Es hat damit zu tun, dass wir Christen die richtige Seite wählen müssen, wenn es um Missbrauch geht, gleich welcher Sorte. Es geht darum, dass wir Versuchung als Versuchung erkennen müssen. Dass wir mit dem Schmerz und der Erschütterung umgehen lernen müssen. Und damit, dass wir uns dem stellen, wie wir das Wort Gottes verbreiten.

Es wäre zu einfach, nur an den Tag zu erinnern. Es geht um das Heute.

Ein RadioVatikan Beitrag: Pater Klaus Mertes SJ im Interview, zwei Jahre danach:

http://212.77.9.15/audiomp3/00299104

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige KircheSchlagwörter Aufklärung, Bischof Ackermann, Blindheit, Canisius Kolleg, Ettal, Gewalt, Hotline, Kirche, Missbrauch, Versuchung4 Kommentare zu Heute, nicht vor zwei Jahren

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