Kardinal Jorge Mario Bergoglio, heute Papst Franziskus, im Interview
„Einer der ersten Kirchenväter schrieb, dass der Heilige Geist „ipse harmonia est“: er selbst ist Harmonie. Er allein ist zugleich Urheber der Einheit und der Vielfalt. Der Geist allein bewirkt Verschiedenheit, Vielfalt, und gleichzeitig Einheit. Denn wenn wir es sind, die Verschiedenheit machen, kommt es zu Schismen, und wenn wir es sind, die die Einheit wollen, kommt es zur Uniformität und Gleichschaltung.“
Worte von Kardinal Jorge Maria Bergoglio, geäußert in einem Interview in der inzwischen eingestellten katholischen Zeitschrift „30 Tage in Kirche und Welt“, im italienischen Original einfach nur 30Tage genannt. 2007 hatte er der Zeitschrift ein Interview gegeben, das mit folgendem Satz eingeleitet wird: „Lesen Sie hier, was er uns in seiner so einprägsamen und blumigen Ausdrucksweise erzählt, mit der er seine Zuhörer zu überraschen und in seinen Bann zu ziehen versteht.“

Zunächst geht es um das Dokument von Aparecida, der Bischofsversammlung Lateinamerikas, das ich hier schon einmal vorgestellt habe. Er beschreibt die Grundlagen dieses Dokumentes mit „von der Basis nach oben“; die Bischöfe hätten ohne Vorgaben und offen zusammengearbeitet und das Dokument sei so gewachsen. Kardinal Bergoglio ging es damals in dem Interview vor allem um die Frage der Verkündigung; um das, was wir heute Neuevangelisierung nennen.
„Das Ausharren im Glauben impliziert das Hinausgehen. Denn gerade dadurch, dass man im Herrn bleibt, geht man aus sich selbst heraus. Paradoxerweise gerade dann, wenn man bleibt, ändert man sich, weil man gläubig ist. Man bleibt nicht gläubig, wenn man wie die Traditionalisten oder die Fundamentalisten am Buchstaben klebt. Treue ist immer Änderung, Aufkeimen, Wachstum. Der Herr bewirkt eine Änderung in dem, der ihm treu ist. Das ist die katholische Glaubenslehre. Der hl. Vinzenz von Lerins zieht den Vergleich zwischen der biologischen Entwicklung der Person, zwischen der Person, die wächst, und der Tradition, die durch Vermitteln des depositum fidei von einer Epoche zur anderen wächst und sich im Laufe der Zeit konsolidiert: ,Ut annis scilicet consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate‘.“
Treue ist immer Änderung, Aufkeimen, Wachstum
Bei dem Interview ging es um das Konsistorium von 2007, zu dem der Kardinal nach Rom gekommen war, an dem er aber wegen einer Ischiasnerv-Entzündung dann doch nicht teilnehmen konnte. Er habe aber schon gewusst, was er hätte sagen wollen:
„Das heißt, ich hätte vielleicht zwei Dinge angesprochen, die man in diesem Moment am meisten braucht: Barmherzigkeit und nochmals Barmherzigkeit und apostolischen Mut.“ Weiterlesen „„Von der Basis nach oben““