Lieber Herr Nuzzi, herzlichen Dank für Ihren Artikel gestern in der Süddeutschen Zeitung, in dem Sie die Beweggründe für die Veröffentlichung von vertraulichen Vatikandokumenten in einem Buch darlegen. Ein sehr aufschlussreicher Artikel. Leider muss ich Ihnen sagen, dass ich Ihnen das alles nicht abnehme. Außer vielleicht der Überschrift (der in der Zeitung, nicht der im Internet).
Nur die Wahrheit macht die Kirche besser
So nennen Sie ihren Beitrag für die SZ. Da will ich gerne zustimmen. Es ist ein großes Wort, das so wie es dasteht unwidersprochen bleiben muss. Wer will schon nicht auf der Seite der Wahrheit stehen? Das Wort ist groß, es ist emotional, und es duldet aus moralischen Gründen keinen Widerspruch. Es öffnet auch das Feld für die Debatte zum Thema Journalismus, aber dazu später mehr. Sie sind auf der Seite der Wahrheit, geradezu ein Instrument der Wahrheit, und der Vatikan hat Schattenzonen. Die Bühne ist bereitet.
Recht gegen Rechte
Sie werfen dem Vatikan vor, dass er von „kriminellem Tun“ spreche, wo es doch „um nichts anderes geht als um das Recht auf Informationsfreiheit.“ Machen wird doch mal das Gegenbeispiel: Ich nehme Ihr Buch, kopiere es als pdf und setze es – im Namen der Informationsfreiheit – ins Internet. Was würde wohl Ihr Verlag dazu sagen?
Das ist nicht als Häme gemeint, sondern soll nur zeigen, dass alle Kommunikation Regeln folgt. Ein Buch kommt auch nur dann zu Stande, wenn es einen Verlag gibt, und der funktioniert nur dann, wenn die Leute, die für ihn arbeiten, bezahlt werden. Es muss Regeln geben, Rechte (des bezahlt Werdens), die zu verletzen in diesem Fall strafbar wäre. Ein Recht auf Informationsfreiheit kann nicht andere Rechte aus dem Weg kicken. Rechte enden dann, wenn sie die Rechte anderer verletzen, oder zumindest muss es eine Abwägung zwischen den Rechten geben.
Wenn ich also davon spreche, dass es sich um Diebstahl handelt und damit um kriminelles Tun, dann meine ich genau das: Es braucht eine sehr starke Begründung, um diese widerrechtliche Aneignung rechtfertigen zu können. Und die sehe ich bei Ihnen weit und breit nicht.
Ehre, Teil 1: Der Beruf des Journalisten
Sie schreiben, dass es nichts „mit dem Beruf des Journalisten“ zu tun habe, zu „destillieren“, also auszuwählen, etwas zu veröffentlichen und anderes nicht. Bei allem Respekt, genau das ist der Beruf des Journalisten. Auszuwählen, einzuordnen, zu erklären, einigen Dingen nachzugehen und vollständiger zu recherchieren.
Sie haben gar nicht recherchiert. Sie haben Dokumente in einem Buch veröffentlicht. Wofür braucht es denn Journalisten, wenn nicht genau dafür: Mit Kenntnis der Dinge zu berichten? Weiterlesen “Vatileaks und Wahrheit: Lieber Herr Nuzzi …”