Eine vielleicht merkwürdige Überschrift, habe ich mich doch erst kürzlich dazu bekannt, dass Reden überbewertet ist. Aber hier ziele ich auf eine andere Idee, in etwa in dieselbe Richtung wie der Papst wenn er sagt, Dialog kenne keine Verlierer. Also denn.
„Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten“ ist ein wunderbar altmodischer Begriff. Aber ich mag es gerne mal altmodisch und immerhin ist auch Radio Vatikan so eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Und seit Gründung mit dabei bei der Union der Europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der EBU. Nie gehört? Dann kennen Sie aber eine der Unterabteilungen, und zwar die für TV: Die Eurovision. Das sind die mit dem Song-Contest.
Vergessen Sie das schnell wieder, hier geht es um Radio. Und zwar gibt es eine ganze Menge von Arbeitsgruppen innerhalb der EBU, einer darf ich vorsitzen und da geht es um Journalismus & Radio. Was gibt es Neues? Was muss diskutiert werden? Wie geht das live mit Apps? Wo gibt es Erfahrungen mit Zusammenlegungen von Radio und TV? Und so weiter.
Gerade frisch komme ich von solch einer Tagung zurück, einer sehr guten. Radio Romania war der Gastgeber, BBC und ORF waren da, Belgien und Litauen, Spanien und Schweden und so weiter. Und letzteres Radio hat uns ein neues „Projekt“ vorgestellt, wir hatten nämlich Alice Peltrén zu Gast, die bislang einzige „migration correspondent“ Europas. Eine volle Stelle nur für dieses Thema.
Klingt ja auch vernünftig, das Thema ist das größte, das uns im Augenblick beschäftigt und nichts weist darauf hin, dass es in Kürze verschwinden oder zu einem B-Thema relegiert würde, dazu sind zu viele Menschen weltweit unterwegs.
Korrespondent für Migration
Sie reist viel, besucht Lager und Ursprungsländer, aber sie arbeitet auch viel mit anderen Korrespondenten in Europa und in Schweden selber zusammen, um Geschichten rund um dieses Thema zu machen. Gesendet und als Twitter, online und als Expertin.
Wir alle haben sie beneidet darum, 100 Prozent Zeit zu haben und vor allem Reporter zu sein. Ihre Erzählung hat uns aber auch die Gelegenheit gegeben, an einigen Punkten herumzunagen, die sie uns geboten hat.
- So zum Beispiel die Frage der „emotionalen Sicherheit“: wie nah lässt man leidende Menschen an sich heran, um noch berichten zu können und nicht selbst zu sehr mitgenommen zu werden? Kein empathischer Mensch kann ja Tag für Tag harten Schicksalen begegnen, ohne dass ihn das verändert. Auf der anderen Seite will man auch nicht zynisch werden.
- Unter dieselbe Überschrift, wenn auch aus anderer Perspektive, gehört die Hate-Mail, gehören die Kommentare und eine immer brutaler werdende Sprache Journalisten gegenüber (nicht nur denen, aber das war nicht Thema). Auch das lässt einen ja nicht kalt, auch hier braucht es einen Umgang, den Journalisten vielfach erst lernen müssen.
- Ein Kollege warf ein, dass wir noch viel mehr über unsere Hörer/Leser sprechen müssen, weil wir ja offenbar viel zu sehr an denen vorbei senden. Wenn es wie in Österreich 50 Prozent abgegebene Stimmen für Herrn Hofer gibt, Brexit an der Migrationsfrage mit entschieden wird, Frankreich und Polen und Ungarn und die Tschechei … . Es kann doch nicht sein, dass wir die Sorgen und Ängste so wenig aufnehmen, dass man uns als „Lügner“ und unglaubwürdig einstuft. Das liegt nicht nur aber vielleicht auch, an uns selbst.
- Wichtig auch das Thema Sprache: Wann nennt man eine Situation „Krise“? Wann nicht? Wann ist ein Mensch ein Migrant, wann ein Flüchtling, obwohl diese Unterscheidung in anderen Sprachen wichtiger ist als in der deutschen. Es gibt Sender, die ganz klare Entscheidungen dazu getroffen haben. Sind Menschen eine Last? Auch hier braucht es noch mehr Aufmerksamkeit als bisher auf die Sprache, das Aufrufen von schlichten Aufklebern war immer schlechter Journalismus, aber gerade jetzt wird es noch einmal wichtig, sich den Vokabelkasten noch mal anzusehen.
Wie die Themenvielfalt zeigt, das ist alles offen und braucht noch mehr Debatte, auch über kleine Kreise hinaus. Wir werden noch viel häufiger darüber und über andere Dinge sprechen müssen, um uns Lösungen anzunähern. Und vielleicht – oder wahrscheinlich – gibt es ja auch gar nicht die eine große Lösung für die Fragen, sondern man muss immer wieder darüber reden, um die richtigen Lösungen für konkrete Probleme zu bekommen.
Kurz: Es muss mehr geredet werden.