Bei den Verhandlungen wäre ich gerne als Beobachter dabei: die Vertreter der Kirchen gehen zu den Landesregierungen und sagen denen, wann sie in Zukunft die Osterferien einzuplanen hätten. Da gäbe es nämlich einige wenige Verschiebungen, wann wir Ostern feiern würde neu bestimmt werden. Und in dieser Frage gibt es Bewegung.
Christinnen und Christen auf der Welt feiern immer noch zu verschiedenen Terminen die Auferstehung. Manchmal fallen die zusammen, manchmal liegen sie Wochen auseinander. Besonders in Jerusalem ist das verwirrend, wenn die einen gerade Auferstehung gefeiert haben und die anderen in die Karwoche einsteigen.
Wann wir Ostern feiern
Der Unterschied betrifft die Ökumene mit den Kirchen der Orthodoxie. Und es scheint ein wenig Bewegung zu geben, zumindest schon einmal in Worten. Schön wäre es, wenn wir diesen irritierenden Punkt, der zwischen den feiernden Gemeinden steht, ausräumen könnten.
Wobei wir aber schon bei den Ferienordnungen von Kantonen und Bundesländern wären: wenn Osterferien wirklich was mit Ostern zu tun haben, dann müssten die Staaten ihre Osterpläne umbauen. Und die Tourismus- und Reise-Wirtschaft auch.
Die Ordnung der Zeit
Sind wir wirklich noch Herr unserer Kalender? Im Allgemeinen nein, die Ordnung unserer Zeit lassen wir uns von anderen Mächten vorgeben. Es ist ein spannendes Gedankenexperiment, sich vorzustellen, dass die Kirchen sich einigen und dann der Staat und die Wirtschaft sich dazu verhalten müssten. Ganz abgesehen davon, dass Kirchen ohne ökumenische Anliegen – einige Freikirchen etwa – auch noch integriert werden wollen. Oder sich dort neue Risse auftun.
Und wenn wir schon mal dabei sind: an Ostern hängen ja auch noch andere Termine, die Fastenzeit und damit der Karneval … .
Wie gesagt, bei den Verhandlungen wäre ich gerne dabei. Mindestens auch deswegen, weil das für uns Glaubende selber einige Fragen aufwirft: wären wir bereit, um der Ökumene Willen diese Auseinandersetzung zu suchen? Wären wir bereit, für den selbstbestimmten Ostertermin einzutreten oder sind wir zufriedener, wenn der Staat das übernimmt?
Allein die Debatte unter uns wäre es wert.
Ostern ist doch nicht durch Menschen festgelegt, sondern durch das Karsamstagfeuerwunder in der heiligen Grabeskirche in Jerusalem, Karsamstag, 14:00 Uhr. Die Katholische Kirche erkennt das nicht an, aber Jesus richtet sich nicht danach, das Licht der Auferstehung leuchtet Karsamstag 14:00 Uhr beim orthodoxen Patriarchen in Jerusalem. Das muss man ihm einfach lassen. Wer`s nicht glaubt, geh`hin und seh`! Das ist Menschendimensioniert. Wenn jemand auf Seiten der Katholiken meint, klüger zu sein, könnte man ja ihm nahelegen: „Der Klügere gibt nach!“. Und schon wäre das Problem so gelöst, daß alle zufrieden sind.
Ein Feuerwunder legt den Termin fest? Wohl kaum. Hier geht es um die Orientierung am Frühjahrs-Vollmond, eine Berechnung, welche die Christen von den Juden und der Berechnung des Pascha geerbt haben.
Und was soll das bitte mit Jesus, der sich nach irgendwelchen Lichtern richtet?
Ich spreche mit den Menschen verschiedener Religionen und lebe auch mit ihnen, weil ich eingeladen werde. Ich habe mit Orthodoxen Ostern gefeiert und mit Juden Pessach. Den orthodoxen Christen ist das Feuerwunder von Jerusalem wichtig, in ihrem Glauben ist es ein Wunder Jesu. Für sie ist Jesus das Licht. Vieles ist anders als bei den Katholiken, eine Inständigkeit im Glauben, die Priester haben wenig Macht aber geniessen viel Vertrauen. Tradition und Geschichte sind wichtig. Die Christen sitzen da nicht eingepfercht in Holzbänken, sondern gehen und stehen im Kirchenraum. Der Gottesdienst wird immer von vielen Geistlichen gefeiert, die gehen und stehen auch im Kirchenraum zwischen den Gläubigen. Die Beichte und Absolution sind öffentlich vor allen, nicht vor dem Priester, aber auch individuell, in Anwesenheit eines Priesters vor Gott, der dich aus einer Ikone anschaut. Die Gottesdienste dauern stundenlang, aber man ist nicht die ganze Zeit da. Die Musik von den Frauenchören ist betörend schön. Es gibt ja keine Notwendigkeit, daß Ostern mit den orthodoxen Christen gemeinsam gefeiert wird. Die Unterschiede können doch bleiben. Aber man kann sich ja kennenlernen und achten. Tagsüber trifft man auch die Geistlichen fröhlich mit ihrer Frau und ihren Kindern in der Stadt herumgehen und Eis essen. Von Missbrauchsskandalen habe ich gar nichts gehört. Sie? Ich habe auch mit Menschen gesprochen, die den Krieg erlebt haben, die Verzweiflung, den Schock, die Hölle, die Scheisse des Krieges auf dem Balkan. Religiöse Ursprünge gehören da auch dazu. Ich war sehr beeindruckt von dem Bild aus Kiew, Maijdan, drei orthodoxe Priester standen zwischen Volk und Armee in der eiskalten Nacht auf Autoreifen, sie standen für den Frieden, für das Leben. Drei mutige Priester. Stark! Da kann man was davon lernen. Man kann ja doch auch mal mit all den klugen katholischen Köpfen überlegen, inwiefern es bei so Fragen mit dem Kalender ums Rechthaben gehen könnte? Oder um: Nichts! Bei all den Kriegen und Kämpfen kommt am Ende immer heraus, daß die Eltern ihre Kinder unter furchtbaren Mühen aufziehen müssen. Die Last der Konflikte landet immer bei den Schwächsten, den Kindern.
Es geht nicht darum, wie man die Osterfeierlichkeiten liturgisch ausgestaltet, sondern dass alle Christen die Auferstehung im Sinne der Aufforderung des Konzils von Nicäa einheitlich am selben Tag begehen: http://www.athanasius.theologie.uni-erlangen.de/dok25.html
Die Lösung ist im Kern ein kalendermathematisches Problem, sofern man keinen fixen Sonntag wählt, der die Wurzeln des Festes vom Alten Testament abtrennt. Das alles wurde übrigens schon vor mehr als 400 Jahren diskutiert, wie man es bei dem verstorbenen Pater Juan Casanovas SJ, einem der wenigen und möglicherweise dem letzten vatikanischen gründlichen Kenner der Kalenderrechnung nachlesen kann: https://www.theologie-naturwissenschaften.de/startseite/leitartikelarchiv/kalender
Danke für Ihre geduldige Erklärung! Das ist sehr interessant, die beiden verlinkten Texte zu lesen, insbesondere den von Pater Juan Casanovas.
Wenn die ganze Christenheit es endlich schaffen würde, ihr wichtigstes Fest immer gemeinsam zu feiern, wäre das doch eine große Errungenschaft. Ich denke nicht, dass dieses zusammengehen den „weltlichen“ Regeln Probleme bereitet; fällt die Osterfeier doch auch jetzt schon in jedem Jahr zwar in einen bestimmten Zeitraum so doch immer je nach dem auch um einige Wochen verschoben gegenüber dem Vorjahr. Das orthodoxe Osterfest richte sich nicht nach dem „Feuerwunder“ zu Jerusalem, dieses Ereignis richtet sich doch nach dem Ostertermin infolge des julianischen Kalenders.
Ich halte den meletianischen Kalender – von der Orthodoxen selbst vorgeschlagen – für die beste Lösung. Noch genauer als der gregorianische Kalender.
Ja, was den Sonnenlauf im Kalender betrifft, stimmt das, kirchlich gesprochen, für die unbewegliche Feste, aber nicht für die beweglichen, die vom Mondlauf bestimmt werden. Wenn es nebenbei nur um eine akribische Exaktheit im Kalenderwesen in Bezug auf die Sonnenschalttage ginge, wäre der Mädler-Kalender noch genauer: https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4dler-Kalender#. Die Eleganz des Gregorianischen Kalenders (GK) liegt jedoch nicht bloß in seiner Genauigkeit gegenüber dem Julianischen Kalender, sondern in seiner von vorherein geplanten Anpassbarkeit an veränderte himmelsmechanische Bewegungsverhältnisse. Um das zu erreichen, bedient man sich einer mathematisch-zyklischen Sonne und eines ebensolchen Mondes, die man beide gelegentlich und harmonisch an die tatsächlichen Naturwerte angleicht. Bei den Sonnenschalttagen sieht man das sehr schön an dem Rhythmus 4,100 und 400 – leicht einprägsam für jedermann. Man nennt es auch das Säkularprinzip. Der melitianische Kalender ist gegenüber der „mathematischen Eleganz des GK“ ein Rückschritt, den er möchte zur Bestimmung des Ostertermins wieder auf möglichst exakte Beobachtungen zurückgreifen. Lassen wir Milutin Milankovitch hierzu selber zu Wort kommen: „Aus diesem Grunde hat der Konstantinopler Kongreß auf Vorschlag seines Präsidenten beschlossen, daß die für die Festlegung des Osterdatums erforderlichen Mondphasen durch genaue astronomische Rechnungen zu ermitteln sind, wobei das Datum des Jerusalemer Meridians ausschlaggebend ist.“ (vgl. http://adsabs.harvard.edu/full/1924AN….220..379M). Profan gesprochen, im Gregorianischen Kalender muss niemand mehr einen Turm besteigen und nach dem Neulicht des Mondes Ausschau halten…
ich möchte den Osterspaziergang von Goethe, Faust I einwerfen.
Ich frage mich, war das sehr säkular gemeint. Vor allem die Zeile: denn sie sind selbst auferstanden.
Hinweise für das Kalenderproblem finde ich offensichtlich nicht.
Aber es scheint, dass es doch kälter war um 1820. Also Beweise für den fortschreitenden Klimawandel??
***
Osterspaziergang
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick.
Im Tale grünet Hoffnungsglück.
Der alte Winter in seiner Schwäche
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weisses.
Überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farbe beleben.
Doch an Blumen fehlts im Revier.
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Strassen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluss in Breit und Länge
so manchen lustigen Nachen bewegt,
und, bis zum Sinken überladen,
entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges ferner Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel.
Hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzet gross und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!
(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Schriftsteller, Naturforscher)
Ich möchte nicht belehren, aber ein Blick in die Grundlagen und Historie unseres Kalenderwesen kann durchaus nützlich sein, das Thema sachlich anzugehen, wie z.B. hier vorbildlich ausgeführt: http://www.nabkal.de/ostern.html.
Es zeugt jedenfalls von Umsicht, Ostern nicht schlicht auf einen festen Sonntag, wie z.B. den zweiten Sonntag im April, festlegen zu wollen, denn so bleibt nicht nur die jüdische Mond-Wurzel des Festes erhalten – der Herr konnte, als er in der Nacht des 14. Nisan durch Ägypten ging, im Licht des vollen Mondes deutlich erkennen, welches Haus Blut am Türschurz und den Pfosten hatte und verschont werden sollte -, sondern der Mond kann dann auch nirgendwo auf den Erdenkreis am Ostertag das strahlende Licht der Sonne verdunkleln, was symbolisch eher zum Karfreitag passen würde. Wenn man nun für Juden, Katholiken und Orthodoxe ein gemeinsames Osterfest erreichen und den Anspruch des Konzils von Nicäa nach 1700 Jahren vollenden möchte, muss man das Auseinanderdriften der Hochfeste aufgrund der jeweils unterschiedlich zugrundegelegten Geschwindigkeiten des Kalendermonds mathematisch in Einklang bringen. Beizeiten sollte man sich deshalb nach einem neuen Aloysius Lilius und Christopheros Clavius SJ umschauen, um diese Vereinheitlichung bis zum Jahre 2025 fertig zu bringen. Viel Glück!
Liebe Herren Blogbesucher – hier noch der Kommentar einer NICHTMATHEMATIKERIN. Carl Friedrich Gauß erstellte eine Osterformel mit dieser das letztmögliche Osterfest am 26. April zu feiern wäre, was sich mt der meletianischen Berechnung in einiger Zukunft dann doch bis in den Sommer verschieben könnte. Wir haben ja schon Weihnachten auf einen festen Termin gelegt – mt der Festlegung auf einen Ostertermin nach der jüdischen Berechnung kämen wir ja auch weiter – hoffentlich mit allen Glaubensbrüdern und -schwestern. Ich persönlich bin ja schon neugierig was nach der letztmaligen Änderung 2012 sich jetzt dann verändern wird…und vor allem wann das werden kann.
Am 26. April wird entsprechend der alexandrischen Ostergrenzen niemals Ostern gefeiert, wie Gauß selber einräumt: http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/e/2005/gausscd/html/Osterformel/Seite5.htm. Mehr dazu findet man kostenlos hier: https://www.spektrum.de/pdf/suw-1998-04-s326-pdf/1282595