Vor einigen Tagen wurde das Schreiben Papst Johannes Pauls II. Familiaris Consortio 30 Jahre alt, dazu gab es an dieser Stelle bereits einen Text. Im Vatikan tagt derzeit der Familienrat zu diesem Thema, und die Vatikanzeitung Osservatore Romano hat dazu einen Text des damaligen Kardinals Joseph Ratziner veröffentlicht, in denen es vor allem um die modernen Probleme mit der Ehe geht, oder ganz konkret: Um die Frage der Wiederverheirateten Geschiedenen und ihre Zulassung zu den Sakramenten. Mein Kollege Stefan von Kempis hat eine Zusammenfassung des Artikels geschrieben:
In dem Text geht der damalige Chef der Glaubenskongregation er konkret auf Einwände gegen die kirchliche Vorschrift ein, dass Geschiedene, die eine neue Ehe eingegangen sind, nicht zur Kommunion gehen dürfen. Das Thema hat vor allem die deutschsprachige Kirche in den letzten Jahrzehnten immer wieder beschäftigt und war zuletzt beim Papstbesuch in Deutschland wieder benannt worden. Den Essay hatte Kardinal Joseph Ratzinger 1998 als Vorwort zu einem vom Vatikan veröffentlichten Buch beigesteuert; an diesem Mittwoch hob ihn der „Osservatore Romano“, zusammen mit einem Papst-Text zum selben Thema, auf die Doppelseite im Innenteil.
Unauflöslichkeit
Detailliert geht der damalige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation auf Kritik am Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene ein. Als erstes widerspricht er der Ansicht einiger Exegeten, gar so streng habe es Jesus mit der Unauflöslichkeit der Ehe gar nicht gemeint. „Das Lehramt betont …, dass sich die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aus der Treue gegenüber dem Wort Jesu ableitet. Jesus bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit,“ so der heutige Papst. Und „auf alle Fälle kann die Kirche ihre Lehre und Praxis nicht auf unsichere exegetische Hypothesen aufbauen. Sie hat sich an die eindeutige Lehre Christi zu halten.“ Ähnlich sieht es für Ratzinger zweitens bei einem Blick auf die Kirchenväter aus: Auch hier stellt er fest, dass es „einen klaren Konsens der Väter bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe“ gibt und dass „die Kirche der Väterzeit Ehescheidung und Wiederheirat eindeutig ausschließt“. Das wiegt aus seiner Sicht schwerer als Hinweise darauf, dass einige der Kirchenväter „auf der pastoralen Ebene eine gewisse Flexibilität mit Rücksicht auf schwierige Einzelsituationen toleriert“ haben.
Praxis der Ostkirchen
Dem damaligen Kardinal ist zwar klar, dass die von Rom getrennten Ostkirchen unter Berufung auf „einen Strang der patristischen Tradition … in gewissen Fällen eine Zweit- und auch eine Drittehe erlauben“. Doch diese Praxis ist für ihn „die Folge eines komplexen historischen Prozesses, einer immer liberaleren – und sich mehr und mehr vom Herrenwort entfernenden – Interpretation einiger dunkler Vätertexte“. Sie könne „von der katholischen Kirche aus lehrmäßigen Gründen nicht übernommen werden“. Zumal in dieser Frage die katholische Lehre „die ursprüngliche Auffassung der Väter“ wiedergibt.
Der Gewissen der Einzelnen
Aber darf denn die Kirche in einem so delikaten Bereich „nur auf rechtliche Normen verweisen“, ohne „auch das Gewissen der einzelnen (zu) achten und (zu) tolerieren“? Das ist der dritte Einwand, dem sich der Essay von Joseph Ratzinger stellt. „Vor allem in der Frage des Sakramentenempfangs solle die Kirche hier Schritte setzen und den betroffenen Gläubigen nicht nur Verbote vorhalten“, zitiert er die Kritiker. Seine Replik: „Die Unauflöslichkeit der Ehe ist eine dieser Normen, die auf den Herrn selbst zurückgehen und daher als Normen göttlichen Rechts bezeichnet werden. Die Kirche kann auch nicht pastorale Praktiken – etwa in der Sakramentenpastoral – gutheißen, die dem eindeutigen Gebot des Herrn widersprechen.“ Allerdings dürfe sie prüfen, „welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Ehe als unauflöslich im Sinne Jesu betrachtet werden kann“. Wiederverheiratete Geschiedene, die ihre frühere Ehe als nicht gültig ansehen, sollten sich auf jeden Fall an das kirchliche Ehegericht wenden, statt sich sozusagen selbst freizusprechen. Aber wenn das Ehegericht ein Fehlurteil spricht? Dann könnte es allerdings sein, so Kardinal Ratzinger, dass Gläubige sich nicht daran halten müssten: „Diese Frage bedarf aber weiterer Studien und Klärungen.“
Die Tradition des Konzils
Alles zu „legalistisch“, ja „vorkonziliar“? Was ist denn, wenn eine Ehe sozusagen stirbt, weil „das personale Band der Liebe zwischen den Ehegatten“ reißt? Der heutige Papst zeigt zunächst, dass das Konzil, an dem er als theologischer Berater teilgenommen hat, keineswegs mit „der traditionellen Eheauffassung gebrochen“ hat: Wenn es zum Beispiel statt von einem Ehevertrag von einem Bund spricht, dann „darf dabei nicht vergessen werden, dass auch im Bund das Element des Vertrags enthalten“ sei. „Ehe ohne rechtliche Normierung, die sie ins ganze Gefüge von Gesellschaft und Kirche einordnet, gibt es nicht“, befindet der Präfekt der Glaubenskongregation. Und „wenn die Kirche die Theorie annehmen würde, dass eine Ehe tot ist, wenn die beiden Gatten sich nicht mehr lieben, dann würde sie damit die Ehescheidung gutheißen und die Unauflöslichkeit der Ehe nur noch verbal, aber nicht mehr faktisch vertreten.“
Pastoral und Praxis
Der Essay geht fünftens auch auf den Vorwurf ein, die Haltung der Kirche sei heutzutage schwer verständlich, „nicht pastoral“ und nicht barmherzig genug. „Gewiss ist es schwierig, dem säkularisierten Menschen die Forderungen des Evangeliums verständlich zu machen“, räumt Ratzinger ein. „Aber diese pastorale Schwierigkeit darf nicht zu Kompromissen mit der Wahrheit führen.“ Immerhin bemühe sich die Kirche doch in letzter Zeit deutlich darum, „die Forderungen der Wahrheit mit jenen der Liebe (zu) verbinden“. „Wenn früher bei der Darlegung der Wahrheit vielleicht gelegentlich die Liebe zu wenig aufleuchtete, so ist heute die Gefahr groß, im Namen der Liebe die Wahrheit zu verschweigen oder zu kompromittieren.“ Letztlich könne doch „nur das Wahre … letzten Endes auch pastoral sein“.
Den gesamten Artikel im Osservatore lesen Sie hier.
Anstatt sich auf „unsichere exegetische Hypothesen“ zu verlassen, nehmen wir lieber die Bibel fundamentalistisch wörtlich. Haben wir ja bezogen auf das alte geozentrische Weltbild mit Bezug auf den Schöpfungsbericht auch lange so gemacht, es ist also eine gute kirchliche Tradition.
Und die Ursache dafür? Dazu tausche man nur im päpstlichen Satz „Jesus bezeichnet die alttestamentliche Scheidungspraxis eindeutig als Folge der menschlichen Hartherzigkeit,“ den Ausdruck „die alttestamentliche Scheidungspraxis“ gegen „den römisch-katholischen Umgang mit zerbrochenen Ehen “ et voilà!
Was allerdings in dieser Frage grundlegend übersehen wird, ist die Tatsache, dass immer weniger Gläubige (auch Priester) daran interessiert sind, was die lehramtliche Meinung zum Themenspektrum Ehe und Familie ist. Es wird dem Papst schlicht die Kompetenz abgesprochen, in diesen Dingen etwas Ernstzunehmendes zu sagen. Die oben aufgeführte Argumentation gibt ihnen recht. (Neu-)Evangelisierung geht anders!
Den Worten des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger kann ich gut folgen.
Aus eigenem Eheleben und dem Miterfahren anderer Eheleute und des zölibateren Lebens von Priestern möchte ich dazu gerne eine Erfahrung mitteilen, die mit einer Bitte verbunden ist.
Die heutige Vorbereitung der angehenden Eheleute durch die Kirche auf das gegenseitige Spenden des Ehesakraments genügt nicht der Fürsorgepflicht der Kirche für ihre Gläubigen. Eventuell handelt sie hier sogar grob fahrlässig.
So wie ich es in meinem Lebensumfeld kenne, wird ein “Ehevorbereitungskurs” von einem halben oder ganzen Tag angeboten, der aber nicht verpflichtend ist. Gerne wird dabei ausführlich über die Gestaltung des Gottesdienstes und die Liedauswahl beraten. Dazu kommt das vorgeschriebene Gespräch mit dem Pfarrer. Ob dabei in jedem Fall das objektive Vorliegen der Voraussetzungen festgestellt werden kann, die für eine gültige Eheschließung notwendig sind, ist zweifelhaft. Deshalb gibt es auch das aufwendige Verfahren des Ehegerichts zur Überprüfung der Gültigkeit bei Scheitern.
Meines Erachtens wäre es vernünftiger und verantwortungsbewußter, wenn die Ehekatechese vertieft und verbessert würde, um das Gewissen der angehenden Eheleute zu bilden.
Besondere Aufmerksamkeit verdiente bei dieser Vorbereitung die geistliche Dimension der Ehe. Zur Sprache müsste der Sinn der Ehe kommen, der nicht im Paar selbst zu finden ist, sondern dem Paar zukommt und über es hinausweist. Das erste Ja wird gesprochen in guten Tagen, aber es kommen für jedes Paar die bösen Tage. Dann muss das zweite Ja gesprochen werden. Denn die Beziehung zwischen Mann und Frau ist ein Geheimnis. Nur der personale Mensch als Mann und Frau kann sich so nahe kommen und gleichzeitig so vollkommen fremd sein. Diese Trennung zu überwinden in der bedingungslosen Annahme des Anderen hat sakramentalen Charakter, der über das Paar hinaus wirkt. Jeder kennt die aufbauende Wirkung eines Paares mit gelingender Ehe in Familie und Gesellschaft hinein. Und jeder kennt die weitreichenden destruktiven Kräfte scheiternder Ehen.
Deshalb bitte ich um eine bessere Vorbereitung der künftigen Eheleute auf das Sakrament der Ehe und eine wohlwollend begleitende Pastoral während der Ehe, die nicht nur die soziale oder wirtschaftliche Dimension berücksichtigt sondern in besonderer Weise die geistliche Dimension. Eheleute sind nicht weniger wert als Priester, die sich im Vergleich dazu sechs Jahre lang auf ihre Lebensform vorbereiten.
In aller Demut ist mir aber auch bewusst, dass keine noch so sorgfältige Vorbereitung das Gelingen einer Ehe garantieren kann, sondern allein die Gnade dem Herrn zum Lob gereicht.
Gut, Inge Klein.Genau. Der Wurm ist drin. Ich erlebe sehr katholische Paare, deren Ehe in die Brüche geht. Ich selber bin aus einem komplett schaurigen Ehevorbereitungskurs davongelaufen 1979, wo klar war, dass der Mann nur dann zu Hause helfen sollte, wenn er sich nicht lächerlich macht. Wo von selbstverschuldeter 3 fach Belastung der Frau gesprochen wurde, wenn diese denn unbedingt berufstätig sein will. Sicher. Der Ehemann hat das ewige Leben und die ewige Gesundheit, mal ganz praktish gesprochen. Irgendwas Religiöses war da nicht. Wir haben auf den kirchlichen Segen damals verzichtet. Ich habe auch kirchliche Eheannullierungsprozesse erlebt, die so grauenvoll waren, dass man sich mal damit befassen sollte kirchlicherseits. Wenn ich mir angucke, wer alles aus Romantik kirchlich heirtat und dann hinterher sauer ist, wenn man das nicht merhfach haben darf..keine Vorbereitung Wwenige Ausnahmen), ich kenne Pfarrer, die sagen, worum es geht. Ansonsten stark überhöhtes Familienbild, Frauenbild, Priesterbild, meines Erachtens. Nur, w i e man das alles schaffen soll..doch, man betet zum Herrn und es klappt. Nein, es klappt über Menschen. Wenn der Herr seine Freude daran hätte, Gold vom Himmel regnen zu lassen ohne menschliches Dazutun von allen Seiten, sähe die Welt anders aus.
Ja, Ameleo, meine Rede…die Praxis sieht meist anders aus und so findet dann Reform in der Kirche statt, was aber nicht der Weg ist, die Hintenrummethode.
Liebe Frau Klein, Ihr Beitrag spricht mich sehr an, weil er aus der Praxis kommt, von viel Verantwortungsgefühl und gut geerdeter Spiritualität zeugt.
Andererseits, wie sollen die immer weniger werdenden Priester, die immer mehr Aufgaben zu bewältigen haben, ihrer Verpflichtung auf allen Ebenen noch gerecht werden? Silvia Brückner
Liebe Frau Brückner,
diese Frage hat mir ein Priester bzw. Pfarrer noch nie gestellt, es sei denn, Sie sind einer.
Die Pfarrer, die ich kenne, besitzen eine ausgeprägte Zeit- und Arbeitssouveränität. Sie können selbst bestimmen, in welchem Aufgabenbereich sie ihre Prioritäten setzen und was delegiert wird. Eine Leitungspersönlichkeit, die ein Pfarrer ja sein sollte, braucht deshalb die Fähigkeit, das Ziel im Auge behalten zu können, die anstehenden Aufgaben zu erkennnen und für ihre adäquate Umsetzung zu sorgen.
Zu Ihrer Sorge wegen Überlastung der Priester:
Meiner Erfahrung nach sind viele Aktivitäten, die in Gemeinden oft mit großem Engagement ausgeführt werden, noch kein Beweis für eine lebendige Pfarrei, die aus dem Heiligen Geist lebt. Vieles davon macht kurzzeitig Spaß und vermittelt das Gefühl von Gemeinschaft, aber die existentiell notwendige geistliche Begleitung darf davon nicht verdrängt werden.
Liebe Frau Klein, ich bin natürlich kein Pfarrer, denn ich bin römisch – katholisch, da gibt es nur männliche Priester. Silvia
Liebe Frau Klein,
Sie sprechen da einen sehr wichtigen Punkt an.
“Drum prüfe, wer sich ewig bindet…”
Vor lauter Begeisterung, dass ein Paar überhaupt kirchlich heiraten will, wird vergessen, ihm klar zu sagen, worauf es sich da einlässt.
Die Paare müssen besser vorbereitet und begleitet werden, so dass sie wirklich eine verantwortete Entscheidung treffen können.
Es sollte in der Vorbereitung deutlich Klartext gesprochen werden.
Wieviel Leid ließe sich da verhindern….
Hinterher über das Ehegericht gehen zu müssen ist leidvoll, schmerzhaft und auch mitunter sehr demütigend. Das sollte man niemandem zumuten.
Silvia, Ehekurse können auch Laien machen..allgemeines Priestertum.Gemeinde. Nicht nur am Anfang einer Ehe oder Taufe, oder Kommunion und Firmung. In einer Gemeinde hier in Berlin heißt es immer,liebe Gemeinde, liebe Firmpaten,bitte beten wir für die Firmlinge,helfen wir ihnen beim Glauben, es ist heute nicht mehr so einfach wie früher, zu glauben.Oder es wurde auch mal in einer anderen Gemeinde für die gebetet, die kirchlich geheiratet hatten an dem Wochenende.Meine eigene Wiederaufnahme in die Kirche lief so vonstatten, dass verschiedene Gottesdienstteilnehmer Fürbitten für mich und andere mögliche Rückkehrer oder Zweifler gesprochen haben, der Priester(ein sehr kreativer Jesuit) hat erzählt zum Thema Kirchenaustrittsgründe und Wege zurück.Gott sucht den Menschen, der Mensch antwortet, die Gemeinschaft hilft mit. Es war ein Gottesdienst mit dem Thema Wiederaufnahme und Leiden an der Kirche, Rückkehr trotz allem.Und da ich die Geschichte vom verirrten Schaf so schön finde, kam auch die.Und ein Gedicht von Teresa von Avila…und später wurde ich angesprochen darauf von Gemeindemitgliedern. Also wer sich da nicht aufgenommen fühlt.Und verantwortlich..heiraten und alles was so in der Kirche stattfindet, muss wieder eine Sache der Gemeinde sein. Dann funktioniert es besser als im Moment.
Die Menschen sind verschieden, mich würde so eine öffentliche Wiederaufnahme total abschrecken. Und auch sonst möchte ich mein Privatleben weder in der Öffentlichkeit noch in der Gemeinde ausbreiten. Silvia
Diese Wiederaufahme war in der Krypta des Karmels Maria Regina Martyrum.30-35 Teilnehmer. Die Schwestern kenne ich seit 1997. Sie und andere haben sich vorher Gedanken mit mir gemacht über meine Rückkehr. Das war ein wochenlanger Prozess der harten Sorte. Die Gäste, die dort hinkommen, sind meist dieselben. Fremd war da nichts.In St Canisius werden die Neugetauften und Rückkehrer in einem Gottesdienst von der ganzen Gemeinde aufgenommen. Das ist in der Regel ein großes Fest.Zwei Tage später kamen Menschen auf mich zu im Sonntagsgottesdienst und haben sich bedankt, dass ich ihnen die Möglichkeit gegeben habe, an der Wiederaufnahme teilzunehmen.Wir waren sehr bewegt, hieß es. Nun, was will ich mehr? Ich weiß nur, dass dieser Gottesdienst wie ein Regenbogen über mir leuchtet und mich trägt. Einen Tag vorher gab es noch in der Charismatischen Erneuerung Aufnahmegebte.Denn ich war sehr aufgeregt. Man heiratet öffentlich, tauft öffentlich,wird öffentlich beerdigt. Warum dann nicht auch das?