Die Kirche ist voller Heiliger, sie stehen auf Säulen und sind auf Bildern und Fresken abgebildet, man könnte sie fast für Überchristen halten. Deswegen zur Erinnerung: Warum sprechen wir heilig? Warum ist es für uns wichtig, dass Johannes XXIII. und Johannes Paul II. an diesem Sonntag heilig gesprochen werden?
Zunächst einmal das Wichtigste: Eine Heiligsprechung ist keine Beförderung. Ein Heiliger steht nicht durch eine kirchliche Entscheidung besser vor Gott da, ist kein besserer Christ als vor der Erklärung der Kirche. Eine „Erhebung zu den Ehren der Altäre“, wie es auch genannt wird, stellt einen Christen oder eine Christin nicht unerreichbar hoch auf Säulen, auch wenn die Einrichtung unserer Kirchen manchmal anderes zeigt.
Und dann das Zweitwichtigste: Eine Heiligsprechung erklärt nicht nachträglich alles, was ein Mensch jemals in seinem Leben getan hat, für gut und gelungen und unterstützenswert. Es ist kein sakramentales Weißwaschen eines Lebens. Niemand betont so oft öffentlich, dass alle Menschen Sünder seien, wie der gegenwärtige Papst Franziskus. Und das gilt auch für seine Vorgänger, auch jetzt noch, nach ihren Heiligsprechungen.
Das Heilige
Was ist das dann, eine Heiligsprechung? Sie sagt nicht so viel über die heilig gesprochenen Menschen aus als über uns selber. Wir erklären, dass wir – die Gemeinschaft der Glaubenden, die Kirche – in diesen Menschen die liebende Gnade Gottes erkennen können. Wir glauben fest und als Gemeinschaft, dass wir das, was Jesus uns aufgegeben hat, in diesen Heiligen erkennen können. Wir glauben zu wissen, dass die Verheißung der Erlösung sich für uns erkennbar in diesen Menschen erfüllt hat. Wir sprechen also mindestens so viel über unsere Verehrung wie über die Heiligen selbst.
Religionswissenschaftler und Philosophen diskutieren seit Jahrhunderten, was das denn genau sei, das Heilige in unserer Welt. Fragen wir die Bibel, dann tritt uns das Heilige vor allem als etwas entgegen, was Gott allein zukommt, was ja auch in unserem Gloria seinen Ausdruck findet: „Du allein bist der Heilige, du allein der Herr!“ Paulus erweitert das dann und spricht die Gemeinden mit diesem Titel an: „Paulus, Knecht Jesu Christi, (..) an die Heiligen, die in Rom sind“, so in etwa beginnt der Römerbrief. Gemeint sind die Getauften, diejenigen, die zur Gemeinde Gottes, seiner Kirche, gehören.
Gott hat den Menschen mit Heiligkeit beschenkt und zur Heiligkeit berufen. Diese Heiligkeit ist kein moralisches Korrekt-Verhalten, es geht nicht um große Tugenden. Das würde in den Worten des Papstes die Gemeinschaft der Heiligen, die Kirche, zu einer NGO machen, zu einer Hilfsorganisation mit guten Absichten. Das ist es aber nicht, es geht nicht um Tugend, es geht um das Annehmen des Geschenkes und das Ausrichten des eigenen Lebens an diesem Geschenk.
Die dem Heiligen entsprechende Grundhaltung unsererseits ist die Ehrfurcht. Und hier schließt sich der Kreis: Wenn wir jemanden einen Heiligen nennen, dann sagen wir damit, dass wir in ihm oder ihr dieses rettende Geschenk Gottes erkennen können.
Die Heiligen
Religiös besonders herausgehobene Menschen kennen so gut wie alle Religionen: Vorbilder, Mystiker, Modell-Gläubige. Im katholischen Glauben waren die Heiligen lange Zeit sowohl Vorbilder als auch Fürsprecher bei Gott, das ist aber zumindest in unseren Breiten weitgehend eingeschlafen, in anderen Weltgegenden aber nach wie vor sehr wichtig.
Heilige sind keine kleinen Götter, keine Über-Christen. Ihre Bedeutung für uns ist eben genau nicht, dass sie entrückt werden, sondern dass wir in ihnen Menschen wie uns erkennen können.
Dass wir dazu nicht unbedingt heilig gesprochene Personen gebrauchen, das betont gerne und immer wieder Papst Franziskus. Er gibt nicht nur die ‚große’ Heiligkeit, es gibt sie auch im Kleinen, im Alltag.
„Ich sehe die Heiligkeit im Volk Gottes, seine tägliche Heiligkeit. Es gibt eine ‚Mittelklasse der Heiligkeit’, an der wir alle teilhaben können(..). Ich sehe die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes: eine Frau, die ihre Kinder großzieht, ein Mann, der arbeitet, um Brot nach Hause zu bringen, die Kranken, die alten Priester, die so viele Verletzungen haben, aber auch ein Lächeln, weil sie dem Herrn gedient haben, die Schwestern, die so viel arbeiten und eine verborgene Heiligkeit leben. Das ist für mich die allgemeine Heiligkeit. Ich bringe Heiligkeit oft in Verbindung mit Geduld: nicht nur die Geduld als hypomoné,[das griechische Wort im Neuen Testament für ‚Geduld’] als das Auf-sich-Nehmen von Ereignissen und Lebensumständen, sondern auch als Ausdauer im täglichen Weitergehen.“
Aus dem Interview mit den Jesuitenzeitschriften, September 2013
Die Kombination der Heiliggsprechungen beinhalten eine Taktik.
Schade, das sie untransparent ist.
Das ist bei allem Respekt erst einmal eine Behauptung. Wie kommen Sie darauf?
Da würde mich interessieren welche Taktik, können Sie das näher erläutern. Das ist mir zu oberflächlich.
Beziehen Sie sich in etwa hierauf http://www.ksta.de/politik/-interview-zu-heiligsprechung-interview-mit-religionssoziologe,15187246,26957724.html und ähnliche “Analysen”, die aus aktuellem Anlaß kursieren?
Nach dem nachträglichen Lesens des von Ihnen freundlicher Weise verlinkten Artikels finde ich mich im Schlussabsatz wieder: Franziskus hätte besser verweigert, sich auf diese Art und Weise instrumentalisieren zu lassen. Redlicher
und freier Nein zu sagen zeigt Kompetenz.
Ja sagen ist aber meistens viel schwieriger als Nein sagen. So ganz so einfach ist das nicht und ich glaube auch nicht, dass Papst Franziskus sich in irgend einer Weise instrumentalisieren lässt. Im Gegenteil, er ist Herr seiner Entscheidungen und ich gehe fest davon aus, dass er das wollte und will.
Wenn ich das könnte, würde ich die Taktik durchschauen. Aber ich sehe Widersprüche. Hier passt vieles nicht zusammen. Die absichtslose Absicht gibt es nur im Zen.
Ich finde die Aussage trotzdem etwas schwierig. Das Nichterkennen soll ein Beweis für die Taktik sein, das sehe ich so nicht. Widersprüche passt da schon eher, auch wenn ich da nicht ihrer Meinung bin verstehe ich, was sie sagen wollen.
Die Ursache dieser Diskussionen über die Taktik ist nach meinem Empfinden, dass einfach zu wenig Zeit vergangen ist seit dem Tod der beiden Päpste. Die Päpste werden noch stark mit aktuellen Fragen (Bedeutung des Konzils und dessen Umsetzung, Rolle des Papstes beim Mißbrauchsskandal, etc.) verbunden. Ich meine, dass die Kirche gut daran getan hätte hier noch einige Zeit zu warten. Ich finde Konzil + Nachkonzilszeit sehr “unübersichtlich” und halte es für möglich, dass man in 100 Jahren diese Heiligsprechungen (oder eine der beiden) nicht mehr so toll findet…. Stimmt es, dass Paul VI auch heiliggesprochen werden wird? Pius XII/Paul VI ist auch eine schöne Kombination, oder? Und in 20 Jahren können wir uns dann auf die Heiligsprechung BenediktXVI + Franziskus freuen. Vielleicht verstehen wir die Taktik der Kurie dann schon perfekt.
Leider haben wir im Deutschen das Wort “Heiligsprechung” für den Vorgang morgen gewählt. Ich wurde fast ein bischen neidisch als ich in einem englischen Beitrag las, das dort das Wort “cannonization” verwendet wurde, auch erklärungsbedürftig, aber nicht so leicht misszuverstehen, wie der deutsche Ausdruck
Der inzwischen verstorbene Martin Gutl schrieb treffend: “Wozu die Heiligen verehren, wenn keiner werden will wie sie?” Die Religionen bieten viele Vorbilder, Vater- und Mutterfiguren an. Dennoch zählt das Original mehr als eine Kopie davon.
Ganz klar ist Papst Jan Pawel II heilig, das spürt man, wenn man durch Polen reist oder anderswo in Osteuropa, er hat eine große Wirkung und ein heiliges Charisma, das geachtet und verehrt wird. Er konnte aus und über sich hinausgehen, und war ohne Rache, aber hat die Gabe der Güte und der Freude aus sich herausgegeben und ist dahinter zurückgetreten. Also, klar: heilig. Auch Johannes XXIII, ich bin zu jung, um mich persönlich zu erinnern, aber meine lutherisch protestantische Großmutter hat ihn sehr verehrt, und sie war auch heilig. Das Besondere an den Heiligen ist für mich, daß sie in einer Gemeinschaft leben an der wir teilhaben können, auch wenn wir nicht mal Mittelklasse, sondern vielleicht Golfklasse oder nur Fahrrad sind. Oder Agnostiker oder Zweifler. Jedenfalls finde ich es gut, wie Sie über die Heiligen schreiben und, daß es sie gibt. Für mich, der ich nicht zu Gott beten kann, aber ihm für die Freude und die Schönheit der Welt danken und der ich nicht an die Sakramente glaube, aber an die heilige Mutter Gottes und die Engel, sind sie doch ein großer Trost und eine Stütze. Warum soll man sie eigentlich nicht paarweise heiligsprechen, wo sie doch sowieso in der Gemeinschaft der Heiligen leben, die zwei beiden Päpste?!