Zweifel sind gut. Und wichtig. Ohne Zweifel kommen wir nicht weiter, auch und vielleicht gerade im Glauben nicht. Sie führen zu Fragen und zu Erkenntnis, oder vielleicht auch zu Bestätigung, wer weiß.
Nun ist der Zweifel aber gerade Corona-Bedingt in der Krise. Denn wer zweifelt, an Erkenntnissen der Wissenschaft oder der Sinnhaftigkeit politischer Entscheidungen, gerät schnell in einen zweifelhaften Ruf. Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, und so weiter.
Zweifel sind gut
Da gilt es gut zu unterscheiden, denn ich will mir meine eigenen Zweifel nicht nehmen lassen, ohne gleich Bill Gates zu verdächtigen oder Gesichtsmasken für Gessler-Hüte zu halten.
Das Problem ist, dass auch Zweifel gepflegt werden wollen. Nur weil es einen Zweifel gibt, heißt das noch lange nicht, dass der selbst schon eine Einsicht ist. Oder dass ich dabei stehen bleiben darf und soll.
Einen klugen Rat, was zu tun ist, wenn man Zweifel hat, besonders wenn es starke Zweifel sind, hat unser Papst. Geschrieben in einem Text, als er noch ein einfacher Ordensmann war. Man soll sich nicht direkt gegen den Zweifel stellen, sondern erst einmal fragen, was dieser in mir auslöst.
Ein alter Bergoglio-Text
Pater Jorge warnt davor, die Ursache für den Zweifel zu debattieren, denn dadurch würde dieser zu viel Macht gegeben. Im Beispiel: ich zweifle an irgend einer wissenschaftlichen Aussage, sagen wir zu Corona, und greife diese dann direkt an. Dabei übersehe ich dann den Auslöser, der ganz woanders liegen kann, nämlich in mir selber.
Der Zweifel wird wichtig und hilfreich, wenn wir lernen, auf die eigene, die innere Stimme zu hören und nicht gleich gegen jemanden oder etwas anzutreten. Der Zweifel wird eben nicht dadurch aufgelöst, dass ich nun was neues weiß, weil irgend etwas den klärt, sondern durch inneren Frieden.
Genauso ist das auch bei Glaubenszweifeln. Wir haben Fragen und Zweifel, und es lohnt sich, die nicht mit schnellen Lösungen zuzuschütten. Sondern danach zu fragen, was das in mir anspricht. Innerer Friede ist nicht dort, wo ich eine dogmatische Wahrheit aufsuche, um den Zweifel zum Schweigen zu bringen. Sondern in der Suche selber. In der Einsicht, dass ich suche und frage.
Zweifel ist gut, er darf aber nicht bei sich selber stehen bleiben. Er ist nur dann gut, wenn er zu was führt.
Cool, Danke für diese Worte! Unser Pfarrer hat an Christi Himmelfahrt fast identisch gepredigt :).
Der Umgang mit Zweifeln, der Umgang mit Unsicherheit ist für mich das zentrale Thema von Gesellschaft und Kirche heute. Das ist nun keine Allerweltsthese, sondern zielt darauf, dass die Kirche im sakramentalen Handeln ein unbedingt wirksames Gegenmittel bereit hält, das sozusagen ihr Alleinstellungsmerkmal, ihre Systemrelevanz ausmacht.
Diese starke These lässt sich an den modernen Gesellschaftswissenschaften überprüfen, die sich genau dieselben Fragen stellen. Exemplarisch möchte ich hier den Essayband von Dirk Baecker nennen. Unter dem Titel ‚4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt’ untersucht er unterschiedliche Aspekte der zukünftigen Gesellschaft im Hinblick auf die Auswirkungen der digitalen Transformation. Er bezeichnet diese Erkundungen selber als Probebohrungen, die mit Vorsicht zu genießen seien. Also eine Einladung, auch alternative Deutungen vorzunehmen.
„Die sogenannte digitale Transformation (der Gesellschaft) ist rekursiv und nicht-trivial“, so lautet der Leitgedanke von Baecker, der geradezu eine Aufforderung an die Kirche darstellt, sich über ihren eigenen Beitrag zu dieser kommenden Gesellschaft bewusst zu werden. Mein Eindruck ist, dass die Gesellschaftstheorie in den Lösungen, die sie anzubieten hat, nicht schlüssig ist und wegen ihres methodischen Atheismus auch nicht schlüssig sein kann. Da gibt es blinde Flecken, die von der Kirche (dem Volk Gottes) ausgeleuchtet und in gesellschaftliche Praxis übersetzt werden können.