Sprechen und Buchstaben auf weißem Papier: Mindestens wir im Westen haben entschieden, was die Medien für die ernsthaften Dinge sind. Wenn wir da mal nicht falsch liegen: Es geht auch anders, vielleicht von uns ach so fortschrittlichen Menschen belächelt, sind diese Aufschreibsysteme nicht der einzige Weg. Was ein Projekt und ein Gespräch darüber zeigen soll: Wenn Papst Benedikt XVI. gegen Ender der Woche nach Benin fährt, dann wird einer der Anlässe für die Reise das sogenannte postsynodale Schreiben sein, also die Gedanken und Reflexionen des Papstes im Anschluss an die Afrika-Synode im Vatikan vor nun zwei Jahren. „Die Kirche im Dienst an Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden“ war das Thema der Sonderversammlung der Bischofssynode. Ein Text auf Papier.
Drei Musiker haben nach der Synode die Gedanken und Anstöße in Musik umgesetzt. Zwei von ihnen sind kontinentweit bekannte Größen der Musik, der dritte ist im Hauptberuf Redakteur hier bei Radio Vatikan. Ein Gespräch über Afrika, die Macht der Musik und den Beitrag der Kirche:

Filomeno Lopes, es ist eine CD mit afrikanischer Musik entstanden, wahrscheinlich wird es in Benin vor dem Papstbesuch auch ein Konzert mit dieser Musik geben. Warum Musik? Wann habt ihr begonnen, diese Musik zur Synode zu machen? Schon während der Synode?
„Nein, wir haben nach der Synode damit begonnen. Wir haben darüber nachgedacht, was ein Mittel sein könnte, die Ideen und den Inhalt der Synode und auch des kommenden Schreibens des Papstes zur Synode zu verbreiten. In Afrika sind das Straßenthemen. Frieden, Gerechtigkeit und Frieden sind keine Predigtthemen, man spricht überall darüber. Wir wollten nun ein in ganz Afrika geschätztes Mittel nutzen, und das ist nun einmal die Musik.“
Sprache der Jugend
„Wir wollten die Kirche ermuntern, vor allem die katholische Kirche, endlich zu erkenne dass heute ein großer Teil der Jugendlichen, die wir ja erreichen wollen, wir nur über die Musik erreichen können. Ob es uns gefällt oder nicht, die Musik ist das Mittel dazu.
Nur ein Beispiel: Im Südwesten Afrikas, wo ich herkomme, gibt es 15 Staaten. Nach dem Krieg in Liberia, in Guinea Bissau – meinem Land – und so weiter, wollen heute über 90 % aller Jugendlichen bis 17 Jahren Musiker werden. Sie wollen Rapper werden. Sie wollen Dinge sagen, die ich in ihrem Alter mich nicht getraut hätte, den Erwachsenen zu sagen. Sie wollen kommunizieren, sie wollen reden. Und die Musik kann das schaffen.
Meine Freunde und ich haben damals nach dem Krieg begonnen, mit dem Bistum ein Programm der Versöhnung zu machen. Und wir haben das musikalisch gemacht. Wir sind über die Dörfer gezogen, haben Musik gemacht und die Menschen sind gekommen und haben zugehört und dann diskutiert. Danach ist dann auch der Bischof gekommen, hat Treffen abgehalten und Diskussionen geleitet, und immer wenn es hart wurde – schließlich ging es nach dem Krieg um sehr schwere Themen, um Vertreibung und Tod – haben wir die Menschen eingeladen, aufzustehen und zu singen. Es sind immer alle aufgestanden und haben gesungen, und danach konnte der Dialog weitergehen.“
Aufmerksamkeit
„Während der Synode haben wir uns gefragt, warum diese Erfahrung nicht nutzen? Dank der Hilfe von Radio Vatikan haben wir das dann umsetzen können. Zuerst hier in Rom, und über die CD und das Konzert hoffentlich dann auch in weiten Teilen Afrikas. Wir wollen die Aufmerksamkeit richten auf das Schreiben, das der Papst mitbringen wird, und wir wollen Interesse für dieses Thema schaffen.“
Glaubt ihr nicht, dass dieses Vorgehen die Vorurteile und Stereotypen über Afrika nährt? Die Welt denkt und schreibt, Afrika tanzt und singt?
„Nein; Dom Helder Camara, der brasilianische Bischof, sagte: Entwicklung, dass heißt einen Menschen auf die Füße stellen, ihm aufstehen helfen. Was einen Menschen aufstehen lässt, das ist vor allem sein Herz. Und das ist eine Frage der Bildung. Frieden ist vor allem ein Bildungsproblem, se vis pacem para te ipsum in dem Sinn, dass es um deine Kopf und dein Herz geht. Und das geeignete Mittel dazu, die Herzen und Seelen der Menschen zu bewegen, ohne irgend welchen Schaden anzurichten, ist in Afrika die Musik. Wir haben kein anderes Mittel als das. Der Frieden ist eine Frage der Bildung, meiner Bildung, und das kann ich ganz wesentlich durch die Musik schaffen.“
Die Traditionen des Kontinents
„Ein großer Teil des afrikanischen Kontinents lebt in einer oralen Tradition, der Tradition des wörtlichen Weitergebens. Und in dieser Tradition nutzen wir die Musik als das beste Mittel und wir sind zufrieden damit. Jeder sucht sich die besten Mittel für seinen Zweck und die Musik ist eben unser bestes Mittel.
Wir müssen aber auch weiter denken und wir wollten auch die Synodenväter darauf aufmerksam machen: Wenn wir das nicht nutzen, wenn wir nicht die Musik für die kulturelle Bildung einsetzen, wenn wir nicht so versuchen, die Mentalität Afrikas zu prägen, übersehen wir etwas wichtiges. Wir reden dauernd von Inkulturation, investieren aber nicht genug für die kulturelle Bildung. Die Musik kann das. Sie kommt an Orte, wo sonst keiner hinkommt. Sie hat mehr Kraft als eine schöne Predigt, die aber an einer Stelle bleibt. Musik wandert.
Mit katholischen Musikern, die auch qualitätsvolle Musik machen – keine liturgische Musik, das ist ganz etwas anderes – die sozial anspruchsvolle Musik machen, kann man die Botschaft des Evangeliums und die Werte des Evangeliums weitergeben. Bis hin zu den letzten, zu denen sonst nichts kommt.
Das muss heute eine Herausforderung für die Kirche sein. Die anderen Kirchen Afrikas machen das. Aber vor allem auch die Sekten. Die haben vestanden, dass die Jugend Musik machen will und sie geben ihnen die Mittel. Wir dürfen da nicht bei der Kritik bleiben, wir müssen den Jugendlichen die Mittel und Instrumente geben und auch die Werte anbieten, um sie in dieser Musik umzusetzen.“
Die beiden anderen Musiker sind Papa Wemba und Bonga, hier in Europa unbekannt, aber das ist in Afrika anders?
„Ich bin völlig unbekannt, aber Papa Wemba und Bonga sind berühmt. Bonga ist im ganzen portugiesisch sprechenden Afrika eine Ikone. Ich bin mit seiner Musik aufgewachsen. Bonga hat die Musik als Mittel der Pädagogik und des Kampfes eingesetzt, gegen die Kolonisierung, gegen Apartheid, dann auch in den Vereinigsten Staaten für die Rechte der Schwarzen. Er hat weit über 40 Jahre internationale Erfahrung. Es ist ein Geschenk, dass ich dank Radio Vatikan mit ihm zusammen arbeiten kann, dass ich mit diesen beiden wunderbaren Musikern zusammen arbeiten kann. Auch Papa Wemba muss ich in Afrika nicht vorstellen.
Aber auch als Menschen sind sie wunderbar, sie sind ganz normal und unkompliziert. Weltweit berühmt und so und trotzdem bereit, hier mit zu machen.
Sie haben begriffen, dass Afrika bisher nicht viel kulturell beiträgt zur Musik. Der Vatikan trägt jetzt ein kleines Stück dazu bei, dass sich das ändert. Bei allem Respekt eines kleinen Künstlers vor einem großen: Mir gefällt nicht, dass zum Beispiel Bono aus Irland oder den USA nach Afrika kommt, um dort vom Frieden zu singen. Als ob afrikanische Künstlder das nicht auch könnten. Dank dem Heiligen Stuhl passiert so ein Friedenskonzert nun zum ersten mal, und das nicht nur in einem ganz-afrikanischen Kontext, sondern weltkirchlich.“
Sind die Texte der Synode übersetzt oder dienen sie der Inspiration? Wie ist die Musik zu Stande gekommen?
„Als wir angefangen haben, haben wir uns die Frage nach dem Wie des Umsetzens gestellt. Und wir haben uns das so gedacht: Die Idee ist die der Kommunikation. Ich kann eine wunderbare deutsche Musik hören und verstehen, klassissche Musik, auch wenn ich keine Ahnung davon habe. Aber sie nimmt mich mit, bewegt mich. Das ist das Schöne an der Musik, sie geht über Sprache hinaus. Sie bezieht uns ein. Und es entsteht vielleicht eine Neugierde dafür, was dieser Bach mit seiner Musik eigentlich wollte.“
Die Päpste und der Rhythmus
„Das erste Stück von Papa Wemba, Licht der Welt, versucht, rhythmisch mit traditionellen Instrumenten die Wortes des Papstes während der Synode zu übersetzen: Die Afrikaner können stolz auf ihr Erbe sein, und in diesem Stolz könne man das, was man gestern geschafft hat, heute wieder schaffen. Der Papst spricht und wir haben darunter Rhythmus gelegt, afrikanischen Rhythmus.“
Die Botschaft ist also im Rhythmus, in der Musik, nicht in den Texten?
„Genau. Dann spricht auch Johannes Paul II. der sagt, dass der Krieg ein Weg ohne Umkehr ist. Das nimmt Bonga auf und macht daraus Musik. Er singt auf Protugiesisch über den Krieg in meinem Land, Guinea Bissau, den er überlebt hat. Dann spricht Benedikt XVI., er grüßt die zur Synode versammelten Bischöfe, Pax Vobis, der Friede sei mit euch. Das ist der Beginn eines Liedes, das ich gemacht habe, das Kassumai heißt, einer Dschiola-Sprache: Friede mit dir. Wir haben auch die berühmte Rede Pauls VI. vor den Vereinten Nationen genommen, als er sagt, dass die Menschheit den Krieg beenden muss, sonst würde der Krieg die Menschheit beenden. Und das wird dann musikalisch umgesetzt, zuletzt sind Papa Wemba: Jamais plus la guerre, jamais plus la guerre, nie wieder Krieg. So in etwa haben wir gearbeitet.“
Mit Rhythmus zum Interesse
„Das Produzieren der Musik allein ist schon ein großer Fortschritt, denn es ist das erste mal, dass afrikanische Musiker in den berühmten vatikanischen Studios traditionelle Musik aufgezeichnet haben, und dann auch noch zwei der allergrößten. Für mich ist das sehr wichtig. Ich habe auch noch nie gesehen, dass eine päpstliche Botschaft derart von Musik begleitet worden wäre. Und dabei geht es gar nicht um unsere Musik, um unseren Text, sozusagen. Wir wollen das Interesse der Menschen an den Themen wecken, am postsynodalen Schreiben des Papstes. Deswegen haben wir die Texte auch nicht auf die CD gepackt, sondern entschieden, dass wir nur das Interesse der Menschen wollen. Wenn die sich fragen um was es geht und sie dann selber suchen und nachdenken, das ist unser Zeil. Das wollen wir rhythmisch erreichen.“
Kunst grundsätzlich als eine Form der Kommunikation. Das geschriebene Wort als Ursache vieler Übel erlebt man in Blogs.
ganz tolle musik! wo kann man die CD kaufen?
Die CDs gehen jetzt erst einmal alle nach Afrika. Ich weiß nicht, ob nach dem Papstbesuch noch welche übrig bleiben werden.