Es gibt ein Problem. Soweit sind sich alle in der katholischen Kirche einig. Aber was genau dieses Problem ist, daran scheiden sich die Geister. Es gibt ein Problem, nur welches? Die Frage mag dem einen oder der anderen komisch vorkommen, aber wenn man sich durch die Publikationen zur Eröffnung des synodalen Weges klickt und blättert, dann fällt die Variationsbreite möglicher Diagnosen auf. Die Probleme haben viele Namen.
Offiziell war der Auslöser die MHG-Studie, also die Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche. Die Vorgänge im Bistum Münster haben zuletzt noch einmal gezeigt, wie aktuell das ist. Daran angeknüpft wurden dann über die vier Themenforen Bereiche, die als Problemfelder gesehen wurden und werden: Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Sexualmoral und Partnerschaft, priesterliche Existenz und Frauen in der Kirche.
Die Probleme haben viele Namen
Das seien aber gar nicht die wirklichen Probleme, heißt eine andere Wahrnehmung. Eine katholische Zeitung hat das in einer Sonderbeilage sehr deutlich gemacht, „Die Krise der Kirche ist zutiefst eine Krise des Glaubens“, heißt es da, die viel grundsätzlichere schwere Glaubenskrise dürfe nicht auf die Missbrauchskrise reduziert werden.
Noch viel grundsätzlicher heißt es in einem davor abgedruckten Artikel des Bonner Theologen Karl-Heinz Menke, die Diagnose durch die vier Problemfelder bleibe an der Oberfläche, reagiere auf bestimmte Proteste, Trends und Symptome, „aber was die Kirche in Deutschland so krank erscheinen lässt, hat einen viel tiefer liegenden Grund. Die Ursache ist nämlich ein gigantischer Glaubensverlust.“
Oberflächlich? Selber!
Man mag es sich einfach machen und anmerken, alles auf den Glaubensverlust zu schieben sei selber eine ziemlich oberflächliche Antwort. Das Argument habe ich auch schon gehört, aber es hilft nicht weiter. Denn hinter den Vorwürfen sind ja Anliegen. Und die gehören meiner Meinung nach in den synodalen Weg hinein. Das nicht zu hören oder in eine Ecke abschieben zu wollen hilft niemandem.
Außerdem: Einige dieser Anliegen können wir auch im Papstbrief nachlesen. Natürlich darf ich das Verkünden nicht gegen die Reform ausspielen, aber die Weitergabe und das Bezeugen des Glaubens muss Teil der Debatte sein. Wie auch die Zentralität Gottes in all dem. Das nur, um sehr verkürzt einige der sich zu Wort meldenden Anliegen zu nennen.
Leider nur Karikaturen
Schade finde ich an diesen streitbaren Oberflächlichkeit-Kritikern allerdings, dass die Phänomene, die sie beschreiben, so in freier Wildbahn gar nicht vorkommen. Es sind Karikaturen. Niemand will die Botschaft Jesu von Jesus selbst trennen, wie es Prof. Menke vermutet. Auch ist die Zahl derer, die Gott irgendwie als höhere Macht die einen wie ein warmer Wind umpfängt eher überschaubar. Deswegen mein Appell: wer ernst genommen werden will, soll selber ernst nehmen.
Dann gehören diese Anliegen in die Debatte hinein. Und je mehr davon sich beteiligen, um so besser ist das für alle. Dann können wir debattieren, ob Evangelisierung tatsächlich eine Antwort auf die durch massiven Glaubwürdigkeitsverlust geschädigte Kirche ist. Ob man dem Missbrauch, der Vertuschung und den systemischen Problemen dahinter so begegnen kann. Ich vermute nein, aber ich kann ja auch falsch liegen. Deswegen gehört das alles beim synodalen Weg diskutiert.
Mir sagte ein sehr weiser Freund: auch wenn die (Amts)KIRCHE noch weiter marginalisiert wird, das CHRISTENTUM bleibt. Dann diskutierten wir kurz das Interview von Herrn Wollbold, er kam zur Frage „woher weiß er, dass wir damit in ein neues abendländisches Schisma laufen“.
Ja, die Erosion des Glaubens, für mich zwei Symptome. Die Bischöfe werden anhand der Statistiken bessere Beispiele haben.
a) Den Niedergang der Friedhofskultur und der Grablegung hab ich um Allerheiligen eingeworfen. b) Auf einer Laien-Fortbildung diskutierte ich mittags an einem Tisch, ich meine der eine Priester kam originär aus Indien, der andere aus der Grenzregion Polen-Weißrussland, über Sakramente und Akzeptanz. Die wahre Krise gibt es in Mitteleuropa zur Beichte.
Wir kamen auf die Daumenregel:
In Städten wie Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck etc. gibt es pro 1000 Einwohner (man kann sogar rechnen: pro Katholiken, es wird kaum besser) im Jahr (!!) auf maximal 1-2 Beichten.
Weil das zum Amazonas immer thematisiert wurde: niemand hat ein Problem in Deutschland oder Mitteleuropa am Sonntag schnell einen Priester zu finden, der ihm die Kommunion reicht. Also keine Krise der Eucharistie.
Es gehört auch noch zur Kultur, die Kinder zu taufen, das machen viele.
Aber die Gläubigen haben keinerlei Interesse, einem Priester um die Absolution zu ersuchen. Nur MHG? Zeitgeist?
Nun, die Konkurrenz ist groß geworden seit Sigmund Freud (seit ca. 1900) und anderen. 80.000 Psychologiestudenten, und wie viele gehen an der Uni in die Theologie? (Mit der Option: Weihe)
Das Bild ist sehr schön, wie viele Ihrer Fotos. Oberflächlich? Ich würde eher sagen: mystisch.
es erinnert mich an Aufnahmen vom Turiner Grabtuch in Leinenfarben, das war meine Assoziation. Darüber kann man auch konstruktiv streiten, aber mE ist man da mitten im Kern des Christentums. Es ist aber kaum noch Zeit und Sportsgeist, über die zentralen Fragen – des Christentums – zu streiten:
Das Ostergeschehen und alles was uns als Menschen damit bevor steht. Worum es geht. Wir streiten über die Kirche, oder schlimmer, über die Kirchenpolitik, maximal über Kirchengeschichte
Alles andere im Evangelium ist nicht der Kern. Und MHG etc. sind sehr wichtig, aber weit weg. Es schafft das Problem, dass die Menschen die Diskussion wie den Parteitag von SPD, CDU, AFD (egal, alles beliebig) wahrnehmen. Und damit haben wir verloren.
Dieser Prozess startete vermutlich vor gut 50 Jahren, mit dem Vatikanum, den modernen Medien. Wie es ausgeht, ist offen.
Ja, es ist zuerst eine große Glaubenskrise! Und der Auftrag des Papstes zu neuevangelisierung und Neumissionierung wird leider nicht wirklich ernst genommen. Dabei liegt gerade hier der Schlüssel für einen Neuaufbruch, in dem auch die jetzt vereinbarten Themenbereiche zu klären sind. Wer nicht mehr weiß, was er verkünden soll, braucht sich über die dazu geeigneten Strukturen keine Gedanken machen. Wenn unsere Kirche jetzt an Weihnachten wieder verkündet, dass Gott gleich Zeus einem Verlobten die Frau nimmt und mit ihr Ehebruch begeht um einen Erlöser zu zeugen, schmäht sie den Namen des Herrn. Und keiner steht auf und sagt: Die Kindheitsgeschichten bei Lukas und Matthäus können so nicht stimmen! Denn weder kann unser Gott mit Zeus und seinen sexuellen Eskapaden gleich gesetzt werden, noch dürfen wir Gott und Maria diesen vorsätzlichen Ehebruch andichten. Aber die vielen Theologen und Kleriker ergehen sich lieber in völlig abstrusem Idyllgehabe und faseln was von Friede und Freude auf den Fluren von Bethlehem, obwohl wissenschaftlich längst die Frage aufgeworfen (und meist negativ beschieden wurde), ob es tatsächlich diese Menschwerdung in Bethlehem gegeben hat und Jesus nicht doch in Nazareth geboren wurde; Die Kindheitsgeschichte ist eine Sammlung verschiedener Prophezeiungen und eines griechischen Göttermythos(Zeugung des Heracles) verpackt in eine Geschichte, die in der Antike plausibel war. Aber wider besseren Wissens den Namen des Herrn zu entehren, scheint mir doch eine Ungeheuerlichkeit sondersgleichen zu sein. Ich schäme mich für eine Kirche, die den Namen des Herrn derart entehrt statt sich um das Reich Gottes zu bemühen!
Manchmal ist der Blick von außen ja hilfreich. So wäre in der komplexen Gemengelage der Kirche meiner Ansicht nach ein sequentielles Vorgehen nicht zielführend. Das hieße, die bekannten Probleme nach und nach abzuarbeiten, um am Ende dann feststellen zu müssen, dass der Problemdruck in der Zwischenzeit nur noch größer geworden ist.
Statt dessen: parallel arbeiten. Die Themen Missbrauch, Macht, Zugang zu Ämtern sind wichtig und gehören ganz oben auf die Agenda. Damit zeigt die Kirche, dass sie selber ernsthaft gewillt ist umzukehren. Das ist das wichtige Ergebnis, mit dem sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann, nicht so sehr die Detailfragen, die in Kommissionen geklärt werden. Es spricht also nichts dagegen, gleichzeitig auch den Themenkomplex Glaube und Evangelisierung anzupacken. Ob dies in demselben synodalen Rahmen geschehen sollte, ist dann noch die offene Frage.
Ich halte die Vermutung eines Glaubensverlustes nicht für oberflächlich.
Abgesehen davon, entspricht es den Tatsachen; soferne wir von Europa sprechen.
Schwierig freilich die Frage, wie es zu diesem kommen konnte.
Da kann es aufschlussreich sein, eine umgekehrte Perspektive einzunehmen.
Nämlich: Was bewirkte die Zunahme des Christentums in der Frühphase, im römischen Reich? Dazu gibt es viele Erklärungsansätze: das Christentum als Gegenpol einer auf „panem et circenses“ basierten Gesellschaft; der Wunsch, dem juristischen/materialistischen Charakter Roms ein Konzept der Gnade entgegen zu setzen, und andere Erklärungsansätze mehr.
Diese Ansätze haben alle etwas für sich, und aus Sicht des Glaubenden war Rom ein guter Nährboden für das Christentum. Durch die Größe und Vernetzung des Reiches konnte auch der Glaube rasch verbreitet werden.
Aus atheistischer Sicht mögen diese Erklärungen hinreichend sein.
Aber andererseits sind für mich, als Christen, diese Ansätze noch unvollständig. Denn wenn ich die Existenz meines Glaubens bloß auf Juristische Dispositionen, Verkehr, weltliche Macht, Verkehrsmöglichkeit, Vernetzung, Organisation zurück führte, so würde ich ja auch meinen Glauben als eine bloß utilitaristische Konsequenz aus obigen Dingen sehen. Als etwas rein materiell Bedingtes, und da spüre ich: Das allein kann es nicht sein.
Es war auch -und vor allem- die Wirkung des Heiligen Geistes, die Christus in die Welt brachte (das schließt freilich nicht aus, dass sich der Heilige Geist des römischen Reiches bediente).
Damit komme ich zum heute.
Hat uns der Heilige Geist verlassen?
Das glaube ich nicht, ein solcher Gedanke widerspricht ja der Barmherzigkeit Gottes. Aber: Gott drängt sich nicht auf. Vielleicht sind wir undurchlässiger geworden für den Heiligen Geist? Beten wir noch? Glauben wir an die Wirksamkeit des Gebetes? Wissen wir, was Kontemplation ist?
Das sind einige Fragen, die mich beschäftigen.
Und auch: Fürchten wir uns davor, den Jungen vom Tod und der Auferstehung Christi zu erzählen? Schämen wir uns, wenn wir von Seinen Wundern berichten? Wie geht es uns mit der Angst allgemein?
Ich möchte diese Fragen einfach einmal so in den Raum stellen, oder vielleicht sollte ich sagen: In den Spannungs-Raum? Denn spannend ist es ja allemal, wenn durch den synodalen Prozess, und als Anfang einer Entwicklung, erst einmal Fragen (und wohl nicht nur meine) aufgeworfen werden.
Wann wenden sich Menschen oft einer Kirche zu? Nach schlimmen Erfahrungen: einer Vergewaltigung, einer schweren Verletzung, einem fürchterlichen Verlust, dem Erleben von Krieg, Gewalt und Verbrechen im Krieg oder auf der Flucht oder der Einsicht, selbst furchtbar etwas zerstört zu haben z.B. oder den erschütternden Erfahrungen einer eigenen Psychose oder Sucht oder Erkrankung oder dem Alter und dem Verlassensein im Alter und der den Alten sehr oft entgegengebrachten menschenverachtenden Grausamkeit etc.. Mir kommt es vor, dass da eine Kirche die düster und eitel sich selbst zugewandt ist und gerne mit Moral und Vorwürfen kommt eher abstossend oder sogar schädlich ist . Deswegen ist es vielleicht bei einer Pfingstkirche mit ihrer Aktivität freundlicher und wärmer und wird als echter und erlösender empfunden.