Das Wort „Missbrauch“ kommt nicht vor. „Zölibat“ auch nicht. „Sexualmoral“ auch nicht. All die zentralen Begriffe, die entweder Anlass oder Thema des synodalen Weges sind, glänzen durch Abwesenheit. Und doch will Papst Franziskus der Kirche in Deutschland helfen, indem er einen Brief zu diesem synodalen Weg und als Antwort auf die Krise schreibt. Kann das gelingen?
Der Papst nennt es „Zeitenwende“, was gerade in der Kirche passiert. Er bezieht sich auf Deutschland, wir können aber glaube ich alle deutschsprachigen Kirchen und dann noch einige andere mit darunter verstehen.
Antwort auf die Krise
Einige Dinge fallen auf, wenn man den Brief aufmerksam liest:
Erstens spricht sich der Papst ausdrücklich für den synodalen Weg aus, die Auseinandersetzung auf Grund der „Zeitenwende“ sei „berechtigt und notwendig“. Im Original steht hier ein Wortspiel, nicht nur eine Zeit des Wandels, sondern ein Wandel der Zeit würden wir erleben. Auch die Tatsache, dass er selber durch diesen Brief seinen Beitrag leistet spricht dafür, dass er den eingeschlagenen synodalen Weg als Antwort auf die Krise schätzt. Das ist nicht selbstverständlich, es gab ja auch Kritik an dem Vorhaben, auch von Bischöfen. Der Papst ist aber eindeutig dafür.
Zweitens setzt der Papst keinen Autoritäts-Vorbehalt. Bei den Synoden hatte er in seinen Ansprachen immer ein „Cum Petro et Sub Petro“ formuliert. Das tut er in diesem Brief nicht, die Autoritätsfrage wer in der Kirche was entscheiden darf wird gar nicht berührt. Bei den Synoden war „Cum Petro et Sub Petro“ die Garantie für die Parrhesia, also den Freimut in der Debatte. Dass er das in diesem Brief nicht eigens betont ist Zeichen des Vertrauens in die begonnene Debatte.
Autorität und geistliche Dimension
Drittens macht der Papst durch die geistliche Dimension seines Briefes klar, dass es nicht das Einschlagen eines Sonderweges gehen kann. Der Brief ist nicht immer einfach, durchaus an einigen Stellen mahnend. Man muss lächeln, weil man das „typisch Deutsche“ im Angemahnten erkennen kann, etwa den Reflex immer sofort Strukturdebatten zu führen. Der Brief zeigt: der Papst weiß, wovon er spricht.
Viertens kommt der Brief zum Anfang des synodalen Weges, er ist deswegen nicht als Korrektur oder Notbremse oder dergleichen misszuverstehen. Im Gegenteil, der Papst will von Anfang an dabei sein, auch das eine Würdigung des synodalen Weges und des Prozessgedankens.
Der Papst macht von Anfang an mit
Fünftens kommen nicht all die Themen, die wir in der Vorbereitung oder Kritik am synodalen Weg bereits gehört haben. Wie gesagt, das Wort Missbrauch kommt gar nicht vor. Der Papst hat seine eigenen Themen und Anliegen. Die tragen aber wenn man genau hinschaut auch zur Verhandlung dieser Fragen hinzu, liefern die Grundlage, das geistliche und kirchliche Fundament. Wer jetzt versucht, ihn als Anwalt seiner eigenen Ansichten vor den Karren zu spannen, hat ein Problem. Eine deutliche und geistliche Stellungnahme ganz aus dem Geist von Evangelii Gaudium.
Sechstens stimmen Form und Inhalt überein: er wirbt für den weltkirchlichen Horizont und die Einheit der Kirche, gleichzeitig ist sein Beitrag genau das, weltkirchlicher Horizont. Sein Anliegen ist also nicht nur formal als Forderung, sondern inhaltlich als Beitrag vorgebracht.
Antwort auf die Krise
Der für mich entscheidende Punkt dabei ist, dass der Papst nicht vorschreibt. Er legt nicht seine Lesart vor, verbietet nichts, setzt keine Themen und gibt keine konkreten Antworten. Er markiert aber auch nicht die Machtfrage, also wer darf in der Kirche was entscheiden. Der Brief dient nicht der Versicherung kirchlicher Autoritätsfragen, hier bleibt er seinem Plädoyer zu synodaler Offenheit treu.
Das macht sein geistliches Anliegen um so wichtiger, man kann den Brief lesen ohne sich am päpstlichen Amt oder Entscheidungsfragen abzuarbeiten.
Interessant auch die Feststellung, dass ein synodaler Weg nicht dazu führt, dass sich danach alle einig sind. Konflikte – und nicht nur Unterschiede – dürften nicht von Beschlüssen und dergleichen verdeckt werden.
Autorität und Konflikt
Der Brief liest sich an einigen Stellen wie eine Mahnung. Aber eigentlich ist es nichts Anderes als das, was er schon in Evangelii Gaudium vorgelegt hat. Es ist sozusagen ein Anwendungsbeispiel als Antwort auf die Krise.
Seine Mahnungen und natürlich der bei Papst Franziskus obligatorische Hinweis auf die Versuchungen sich wichtig, so ein Prozess kann ja in Fallen tappen. Diese nicht sehen zu wollen wäre fahrlässig.
Drei Versuchungen
Versuchung Eins: Reform nur strukturell sehen, „zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei“. Das schaffe vielleicht einen „modernisierten kirchlichen Organismus“, aber ohne die Seele des Evangeliums.
Versuchung Zwei: „Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, und lediglich auf die eigenen Kräfte, die eigenen Methoden und die eigene Intelligenz vertraute, endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten.“ Schon Versuchung Eins lies es anklingen: immer gleich eine Strukturdebatte zu führen, hat etwas sehr Deutsches an sich. So denken wir, und deswegen suchen wir so Lösungen. Aber so bleiben wir auch stecken, mahnt der Papst.
Versuchung Drei: Immer etwas Neues und Anderes sagen zu wollen als das, was das Wort Gottes geschenkt habe. In dem Brief nennt das der Papst „über das ‚kirchliche Wir‘ hinaus gehen“.
Klugheit ist wichtig, aber nicht alles
Letzterer Punkt verweist auf den Zentralgedanken, welcher den Papstbrief durchzieht: Ohne den Heiligen Geist, ohne die Zentralität der Verkündigung, ohne den Blick auf die Schwachen und Kleinen geht gar nichts. Eine Anwort auf die Krise ist nur so zu finden.
Klug mit den Problemen umgehen sei wichtig, Statistiken, Analysen, Prognosen und all das haben selbstverständlich ihre Bedeutung. Auch so könne man die Zeichen der Zeit erkennen. Stehen bleiben dürfe die Kirche dabei allerdings nicht, das „Gläubig-Sein“ erschöpfe sich hier nicht.
Warum kommt Missbrauch nicht vor?
Nun war der synodale Weg aber mit klarer Referenz auf den Missbrauch begonnen worden. Missbrauch von Macht, sexueller Missbrauch, geistlicher Missbrauch. Die MHG-Studie war der Auslöser auch dafür, dass anders als noch beim so genannten Gesprächsprozess vor einigen Jahren jetzt alles auf den Tisch kommen soll. Warum spricht nun der Papst gar nicht davon?
Weil der dem Prozess nicht vorgreift. Weil er ihn offenhalten will. Weil er dem Prozess vertraut. Er betont das genaue Hören, vor allem auf das Leid und die Schwachen, deswegen kann man gar nicht anders, als sich tiefgreifend mit dem Missbrauch beschäftigen, wenn man denn den Papstbrief ernst nehmen will. Nur nimmt Papst Franziskus uns das Denken und Ringen um Lösungen nicht ab.
Ermutiger, Mahner, Aufrufer
Seine Aufgabe an dieser Stelle sieht er als die des Ermutigers, Ermahners, Aufrufers, er verweist horizontal auf die Weltkirche und deren Einheit, und er verweist vertikal auf die Zentralität des Wirkens Gottes in all dem. Natürlich wird es um Missbrauch gehen und gehen müssen. Beim „synodalen Weg“ in Deutschland und auch anderswo. Aber das Ganze braucht auch ein Rückgrat, einen Kompass. Und genau darum geht es dem Papst.
Der Brief klingt nicht so, wie die meisten Beiträger zur innerkirchlichen Debatte, ganz gleich woher sie kommen, kritisch oder lobend oder fordernd. Der Brief ist O-Ton Franziskus. Seine Antwort auf die Krise, sein Beitrag zu dem Weg, den die Kirche in Deutschland – und nicht nur dort – geht. Um die Eingangsfrage zu beantworten, ob seine Antwort auf die Krise gelingen kann: Ja, kann sie.
Pater Hagenkord, der Link zum Brief funktioniert bei mir nicht: “”Server nicht gefunden”.
Hier habe ich den Brief aber (vorab schon mal, bevor Sie den Link möglicherweise wiederhergestellt haben) gefunden: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/letters/2019/documents/papa-francesco_20190629_lettera-fedeligermania.html
Danke für den Hinweis, jetzt sollte es (wieder) funktionieren.
“Zeitenwende”
Der Brief des Papstes an uns Deutsche ist absolut wichtig.
Wir Deutsche (und vielleicht auch Angehörige anderer Nationen, insbesondere des sog. Westens) sind es nicht mehr gewohnt, “wenn es für uns persönlich eng (d.h. schwierig) wird”, auch mit der nötigen Härte gegen uns selbst umzugehen ! Unsere Vor-Generationen waren da noch wesentlich leistungsfähiger …
(Eine sog.) Freiheit und eine sog. “liberale” Einstellung gehen uns (vorgegeben auch von der obersten politischen Führung unseres Landes) über alles … deren einzelne Ausrichtungen uns selbst aber letztendlich nicht gut tun … ohne dass wir es rechtzeitig oder manchmal auch überhaupt bemerken … Wenn auch inzwischen Viele bemerkt haben, dass mit unserer Gesellschaft “irgendetwas nicht mehr stimmt” …
Andere Völker und Religionen sind uns diesbezüglich (aufgrund unserer Nachlässigkeit in den letzten Jahrzehnten) inzwischen voraus !
Leider machen auch deutsche Kardinäle und Bischöfe schwerwiegende Fehler bei der Bewertung und ihrer Haltung zu einzelnen Fragen (und ich meine hier nicht das Thema Missbrauch) ! Auch auf dieser Seite sollte ein weitreichendes Umdenken erfolgen !
So ein Brief an “Peter und Paul” muss ja wichtig sein, obwohl jetzt alles noch sehr abstrakt klingt.
Ich interpretiere das naiv-optimistisch, dann können jetzt die Bischöfe von Deutschland, bzw. gleich der ganze “Gotteslob-Kreis” – also DACH und BENELUX – zur Tat schreiten.
Der Papst wird das nur moderieren. Er gibt Macht an dezentrale Einheiten ab. Hier die Synode im deutschsprachigen Europa (ggf. das alte mittelalterliche Heilige Reich), dort der Amazonas.
Dann auf auf, Bischöfe, Theologieprofessoren und Laien. Eine Vision, sehr vermessen: in Deutschland gibt es 80.000 Psychologiestudenten aber nur ein paar Hundert Theoliestudenten. Und wie viele zölibatäre Priester wurden heute geweiht….
Vor 68 Jahren wurde ein gewisser Joseph Ratzinger geweiht, aber wie viele werden noch kommen aus diesem Holze.
Ich meine, eine Chance wäre wirklich ein neues Curriculum an den Universitäten zu probieren. Den praktischen Theologen.
Dieser kann auch sagen, mit dem Diakonat ist für mich Schluss. Danaben mach ich zB noch eine akademische Lehre als Logopäde, Krankenpfleger, Lehrer, was auch immer. Manche sogar als praktischer Arzt.
Ich verstehe unseren Religionsgründer Jesus so: sein Hohepriester-Amt an Gründonnerstag mit dem Opfer bis Ostersonntag, das zu wiederholen, da versteigen wir uns etwas. ok, mit der Eucharistie ist Geschenk genug. Aber was hat den Jesus vorgelebt, als Menschensohn: er ging zu den Menschen, war Wanderprediger und hat geheilt geheilt geheilt.
Ziel wäre. in 15 Jahren gibt es in Deutschland 40000 Theologiestudenten und 40000 Psychologiestudenten.
Auch in einen Kreuzzug des Guten und des Lichtes. Die Zeitenwende muss kommen oder es wird alles noch viel schlimmer für das Christentum in Mitteleuropa.
Pflichtzölibat: durch die Orthodoxen bewiesen, dass es auch ohne dem ein sehr würdiges katholisches Priesteramt gibt.
Ich sehe da eine große Chance.
Richtig: “Den praktischen Theologen.”
Aber auch einen (manchmal unbeugsamen) Priester mit Mut zur Wahrheit und zum Weitblick … in jegliche Richtung und in jeglicher Hinsicht … verbunden mit der Nächstenliebe von Jesus … aber auch mit dem Wissen und der Fähigkeit, für die Praxis (einschließlich des Selbstschutzes) manchmal gute erforderliche Grenzen ziehen zu können …
Wir dürfen und müssen nämlich auch wissen: Wir (einschließlich aller Kardinäle und Bischöfe) sind nicht Jesus ! Er hatte eine andere Aufgabe als wir …
“Weil er dem Prozess vertraut.”
Ich vertraue dem Prozess nicht.
Sieht für mich einfach nach einem weiteren Versuch aus, die Änderungen der Lehre implizit abzusegnen und inoffiziell festzulegen, die man schon vor Jahrzehnten in D, vor allem viele Theologen in D, wollte, die aber von Rom verwehrt wurden.
Nun hat man einen neuen Anlass gefunden – Missbrauch – und hofft, dass man soviel wie möglich beim jetzigen Papst durchbringen kann.
Somit unter der Sonne nichts neues.
“Versuchung Drei: Immer etwas Neues und Anderes sagen zu wollen als das, was das Wort Gottes geschenkt habe. In dem Brief nennt das der Papst „über das ‚kirchliche Wir‘ hinaus gehen“.”
“Versuchung” ist da etwas beschönigend; denn Versuchungen kann man erliegen oder auch nicht, womit es offen ist. Aber es gehen schon genug diesen Weg.
Ähnliche Mahnungen gibt es seit Jahrzehnten in Richtung D; haben bisher alle kaum interessiert; ich fürchte, dieser weiteren Mahnung wird es ähnlich ergehen.
Mit Verlaub, Missbrauch als “Anlass” herunter zu spielen halte ich für völlig verfehlt. Wir haben große Probleme, unter anderem mit der Frage nach Autorität und deren Ausübung, das haben uns die vergangenen Jahr gezeigt. Nun zu sagen, dass darüber nicht gesprochen werden darf, im Namen einer Lehre, das trifft nicht das, wozu der Herr die Kirche gewollt hat: Zeugnis zu geben für Ihn und sein Reich.
“Nun zu sagen, dass darüber nicht gesprochen werden darf,”
Gut, dass ich das nicht gesagt habe.
“Mit Verlaub, Missbrauch als “Anlass” herunter zu spielen halte”
Gut, dass ich das nicht gemacht habe.
Sondern ich habe den Vorwurf erhoben, dass liberal geneigte Theologen usw. den real passierten schlimmen Missbrauch als Anlass nehmen für einen weiteren Versuch, ihre Ideen durchzusetzen, anstatt wirklich ohne Scheuklappen nach den Ursachen und möglicher Abhilfe zu suchen.
Sieht man schon an der Webseite der DBK selber:
https://www.dbk.de/themen/sexueller-missbrauch/faq-mhg-studie/
“Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Zölibat und Missbrauch?
Nicht die zölibatäre Lebensweise oder die sexuelle Ausrichtung als solche bewirken, dass Priester oder Diakone Kinder und junge Menschen sexuell missbrauchen. Deshalb sind ein Verzicht der Kirche auf das Zölibatsversprechen oder die Zurückweisung homosexuell orientierter Priester kein Lösungsangebot hinsichtlich des Missbrauchs.”
Laut MHG-Studie bringen also Änderungen am Zölibat nichts gegen Missbrauch.
https://dbk.de/themen/der-synodale-weg/
“Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 11. bis 14. März 2019 in Lingen stand unter dem Eindruck der so genannten MHG-Studie zur Erhebung der Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich der katholischen Kirche, …
In Lingen wurde deutlich: Erschütterungen verlangen besondere Vorgehensweisen. Die Missbrauchsstudie und in ihrer Folge die Forderung Vieler nach Reformen zeigen: Die Kirche in Deutschland erlebt eine Zäsur. Der Glaube kann nur wachsen und tiefer werden, wenn man frei wird von Blockierungen des Denkens, wenn man sich der freien und offenen Debatte stellt und die Fähigkeit entwickelt, neue Positionen zu beziehen und neue Wege zu gehen.
Der Beschluss zum Synodalen Weg
Deshalb wurde in Lingen ein Synodaler Weg beschlossen.Man war überzeugt: Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten.”
Unter dem Eindruck des Missbrauchs und der Missbrauchs-Studie, nach der Änderungen am Zöibat nichts gegen Missbrauch bringen, beschließt man also “Voranschreiten”.
“Weiter erläuterte Kardinal Marx, welche Aspekte beim synodalen Weg eine Rolle spielen sollen:
„
…
Wir wissen, dass die Lebensform der Bischöfe und Priester Änderungen fordert, um die innere Freiheit aus dem Glauben und die Orientierung am Vorbild Jesu Christi zu zeigen. Den Zölibat schätzen wir als Ausdruck der religiösen Bindung an Gott. Wie weit er zum Zeugnis des Priesters in unserer Kirche gehören muss, werden wir herausfinden.””
Man beschließt also in Anbetracht einer Missbrauchsstudie, die Änderungen am Zölibat als ungeeignet zur Verhinderung von Missbrauch einschätzt, dass man Änderung am Zölibat diskutieren muss.
Sieht für mich von außen so aus, als wären die Missbräuche und die Missbrauchsstudie hier nur Anlaß, Zölibat zu diskutieren, denn wenigstens nach der Studie helfen Zölibatsänderungen nichts gegen den Mißbrauch.
Deshalb vertraue ich dem Prozeß nicht, weil für mich die Vorgehensweise – Studie ergibt, Zölibat aufgeben verhindert Missbrauch nicht -> das Zölibat muss bei dem aufgrund MIssbrauch notwendigen Reformprozess diskutiert werden – schlicht unlogisch erscheint.
Sie konstruieren hier Kausalitäten, die keine Sind. Sie verwechseln Grund und Anlass.
Sie dem Missbrauch zu stellen bedeutet im Kern, sich der Frage nach der Macht zu stellen. Nach Autorität, Mandat, Ausübung, Überhöhung, Zulassung, zu all dem. Zu behaupten – wie Sie es tun – dass hier “ein Anlass gefunden wurde”, ist zynisch, dabei bleibe ich.
Wenn es um die Einzelfrage nach dem Zölibat geht – und der synodale Weg ist viel breiter als das – dann geht es um die Frage nach Zugang und Lebensform derjenigen, welche in der Kirche Macht und Autorität übernehmen.
“die Änderungen der Lehre implizit abzusegnen”. Es hat immer schon Änderungen an der Lehre gegeben. Warum sollte das jetzt ein Problem sein?
““die Änderungen der Lehre implizit abzusegnen”. Es hat immer schon Änderungen an der Lehre gegeben. Warum sollte das jetzt ein Problem sein?”
Ich sprach von Änderungen, “die man schon vor Jahrzehnten in D, vor allem viele Theologen in D, wollte, die aber von Rom verwehrt wurden”, also nicht von Weiterentwicklung der Lehre, sondern vom neu aufköcheln bereits verworfener Irrlehre.
All (unsere) Formulierungen bleiben abstrakt. Die Frage ist , ob das Kirchenvolk das verstehen kann oder überhaupt noch Interesse besteht.
War das nicht auch bei der Missbrauchsdiskussion in den letzten Jahren der Fall. Ist die Materie aber sooo kompliziert? Oder dient der sehr akademische Zugang doch einer Ideologisierung und einer gewissen Verschiebung. Ich lese in vielen österr. Medien dann nur den Bann in Leserbriefen etc. “Die Kirche mit der jahrhundertealten Geschichte des Kindesmissbrauchs…”
Andererseits, in den ZDF Nachrichten, was vom Prototyp nicht unbedingt der sozialistischte aller Sender ist, stelle ich fest, dass über Neues aus Vatikan kaum berichtet wird. Neuigkeiten der Soziologie des Bunten und der Gleichberechtigung aller sexuellen Orientierungen bekommen jeden Tag mehrere Minuten zur besten Sendezeit, dann noch etwas Warnung von Herbert Grönemeyer und anderen vor dem Ungemach rechter Politik. Jeden Tag ein anderer Star. Sind diese Stars die neuen Propheten und Priester seit der 68-Revolution? So schwach war diese Bewegung nie. Man soll sie nicht unterschätzen.Ich meine, wir haben in der EU eine neue Staatsreligion. Und die hat mit christentum nix am Hut.
An sich ist ja unsere heilige katholische Kirche auf der Erde sowas wie eine Monarchie oder konstitutionelle Monarchie. Der Papst als unser King oder besser Kaiser. in den Pfarreien mittlerweile erstaunlich viel Demokratie.
Die Synode als Versammlung der Kurfürsten wie früher auf mächtigen Pfalzen.
Jedoch hat das seine Tücken, wenn die Euphorie etwas verblasst. Wer wird auf der Synode die Leitung übernehmen bei all der Buntheit und Verwirrung unserer Zeit.
Müsste dann nicht doch Kaiser Franziskus eine Instruktion schreiben.
Also, mit Verlaub, die 20 Punkte aus der Synode Februar 2019 Rom, das hätte Papst Franziskus in 2 h mit einigen Beratern runtergeschrieben und publiziert, auch schon im Jahr 2013 oder wann auch immer.
Wir haben eine Verfassungskrise (?) zwischen Zentralismus und Dezentralismus. ABer wie bringt das alles nun gute Frucht für den Weinberg Christi.
Man muss auf den Heiligen Geist hoffen. Und man soll die Spinner nicht vorab aussperren, auch wenn es weh tut. Ich bin kein Verteidiger der Piusbrüder. Aber schauen wir in den Spiegel, den sie der 1968-Revolution (und gewissen Ergebnissen des Vatikanums) vorhalten – und einige Wahrheiten erkennt man!?
Ich meine, die Synode kann nur mit einem Rütli-Schwur (oder Reichenau-Schwur, heiliger Pirmin hilf auch Du) auf große alte Kardinäle/Bischöfe, tote und lebende, starten. “Frings, Ratzinger, Innitzer” usw usw.
Auch hier, oder vor allem hier, Vielfalt zulassen
Es wird doch weiter sehr schwierig
Modern ist modern, ein Beitrag von Ihnen Pater Hagenkord aus dem Oktober 2011. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und kam zu folgendem Schluss, den ich gern an dieser Stelle präsentieren möchte.
Die Kirche aus meiner Sicht:
Ich bin eine Frau und die Mutter von zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter.
Für mich ist Kirche zunächst etwas ganz Abstraktes, das eine Art Zuhause bildet in dem ich mich mit meinem Glauben auseinandersetzen kann. Dieser Glaube ist es, der mich mit meiner! Kirche verbindet. Durch ihr Dasein kann ich von meinem Glauben zehren, der sich auf ihre Gemeinschaft beruft, die in unserer Einheit als Mensch durch Jesus Christus immer wieder neue, geistige Nahrung findet. Das ist der Grund warum ich meiner Kirche gegenüber dankbar bin, denn in ihr finde ich all die alten und neuen Zeugnisse im Glauben an dem ich mich als Frau festgemacht habe. Die Katholische Kirche ist Heimat, eine Heimat von der ich hoffe, dass sie mich ein Leben lang kommuniziert. Durch sie, die Begründerin meines Glaubens, habe ich das Leben gefunden, dessen Vorfreude mich mit neuem Lebenswillen erfüllt, den ich durch die Aussichten auf das, was durch Jesus noch alles auf uns zukommen mag von der Katholische Kirche ein ganz neues Bild bekam.
Demütig falte ich dafür täglich meine Hände zum Gebet mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, um durch ihn, mit ihm und in ihm die Liebe der Kirche zum Leuchten zu bringen, die in meinen Augen täglich sichtbarer wird. Sie, die mich in meinem Glauben nicht allein gelassen hat und mir einen Ort gab, an dem ich trotz widrigster Umstände täglich willkommen bin, ihr will ich dienen so lange mich Gott dienen lässt.
Vielleicht klingt das alles überspitzt und abgehoben, doch für jede Frau, die in der Welt ein Ebenbild dessen sucht was aus ihr geboren werden kann, kann die Kirche einen Anhaltspunkt in dem Glauben geben, der Jesus Christus geboren hat und durch die Katholische Kirche seine Heimat erhält.
Das sind sehr schöne Zeilen.
Ein banaler Gedanke: in Österreich zahlt kaum jemand mehr als 250 EUR Kirchenbeitrag PRO JAHR. Eventuell kann das Kirchensteuermodell auch in Deutschland neu berechnet werden. Die meisten zahlen 150-225 EUR.
Das Jahresticket der Stadt Wien für öffentlichen Verkehr kostet 360 EUR und wird immer beworben “Mobilität um 1 EUR pro Tag”.
Wenn man so herumschaut – was alles bekommt man von der katholischen Kirche um ein paar Cent am Tag und warum hat sie doch “SO SCHLECHTE PRESSE”. Warum ist das so.
Alleine die 12-15 Feiertage extra, für alle. Ein Feiertag für 10 EUR, das ist doch ein Geschäft, oder. Zumal der Feiertag bezahlt wird !?
Manches ist wirklich unlogisch in unserer modernen Welt.
***
Wenn man in der Patristik Datenbank der Uni Fribourg die Suchbegriffe “Synode” oder “Synodalität”, eingibt, wuselt es nur so an Ergebnissen, Hunderte sind es. Das Thema war also wirklich in der frühen Kirche sehr wichtig. Damit hat der Heilige Vater Recht, wenngleich es für Laien noch immer schwierig ist, das alles zu verstehen. Wir studieren weiter. Das Literaturverzeichnis des Briefes ist ja sehr schön.
Hier ein wunderbares syrisches Dokument aus dieser Datenbank, Loblied auf einen heiligen Bischof von Aleppo. Viertes Jahrhundert.
http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2249.htm
Ich lese immer wieder dass Themen global und im Sinne der Weltkirche angegangen werden sollen und nicht aus lokaler europäischer Sicht. Bei den Themen Zölibat, Frauenweihe und Sexualität wird immer wieder diese Sicht eingefordert und damit jeder Dialog abgewürgt. Ich finde dass das einfach nicht stimmt, dass Zölibat, Frauenweihe und Sexualität nur europäische Themen sind. Die ganze Welt hat ein Problem damit. Das merkt man schon daran, dass Mißbrauch ein weltweites Problem darstellt. Außerdem wurden schon vor Jahren in Brasilien mehrere verheiratete Männer zu Priestern geweiht ohne dass das weltweit geregelt worden wäre. Wenn nicht bald ehrliche Dialogbereitschaft gezeigt wird, dann ist die Kirche bald zu Ende. Das salbungsvolle Geschwafel und das Herumreden um den Brei ist einfach nicht mehr glaubwürdig und wird bald nicht mehr hingenommen werden.
Ich selbst habe mich über den Brief von Papst Franziskus gefreut. Er solidarisiert sich mit uns, mit dem was schwierig ist, versucht jedoch dies in einen größeren Kontext zu setzen.
Versuche einiges zu kommentieren, auch wenn es umfangreich wird. Wo im heutigen christlichen Kontext die Sicht auf historische Umstände auch wichtig erscheinen. Danke für die notwendige erklärende Hinweise v. Pater Hagenkord.
Papst Franziskus schafft einen Bogen, jenseits von Interessen, die es im religiösen Kontext auch gibt. Er sieht in all den komplexen Themen eine große Chance für ein lebendiges Christentum. Jenseits von aktuellen Brandthemen und den Umständen unserer Vorfahren. Er will uns in seinem Brief nicht verzwecken für eine Massenfrömmelei, einer aufgeblähten Euphorie oder für selbstzerfleischende Sondersituations-Endlosdiskussionen, die den Blick für weitere wichtige Themen nehmen.
Er spricht vom apostolischen Köper und des „Kirche –seins“, das mehr ist – wo die Kirche lebendig wird. Aber sich nicht in dysfunktionalen Exzessen verlieren darf. Spricht über Reformen und Gedanken seiner Vorgänger. Spricht über die Heiligkeit einer streitenden Kirche und über Teilkirchen als Teil der Weltkirche! Auch wenn uns dieser Gedanke manchmal unmöglich, widersprüchlich und fremd erscheint.
In den einzelnen Statements werden wichtige Themen angesprochen, dessen Anführungen vermisst wurden. Vieles scheint komplex, manches erkennen wir nur an den Auswirkungen und an dem, wie wir unsere Kirche eigentlich nicht sehen wollen. Dies zeigt sich tragischer Weise an der Missbrauchsdebatte, die Franziskus nicht aufführt, doch viele darüber reden. Menschen im kirchlichen Dienst mit klugen kompetenten theologischen oder priesterlichen Umsetzungen, die aber auch eine perverse andere Seite haben können. Warum? Das Schlimme als Ausdruck fehlender Selbstbeherrschung oder einem hohem perversem Verführungspotential. Nur hierbei vom klerikalen Versagen zu sprechen scheint zu kurz gegriffen. Und eine falsche Aufarbeitung kann noch mehr zerstören. Zudem eine bewusste Verdächtigung als Mittel zur Diffamierung von unliebsamen/ kompetenten Personen gibt es auch. Dies macht eine objektive Aufarbeitung tw. schwieriger.
Auch im frühen Mittelalter gab es Gottesfriedens-Synoden (de reformanda pace et sacre fidei institutione), die sich auf Reformbestrebungen bemühten. Vorausgehend waren kriegerische Wirren und Hungersnot. In ihrer Not beteten sie „Diese deine Kirche Herr die du in alten Zeiten gegründet und … erhöht hast, sitzt da in Traurigkeit. Keiner ist da, der sie trösten und befreien könnte…“. Wie nah scheinen uns diese Menschen von damals?
In diesem Kontext hat die Kirche / das Mönchsleben versucht, Regeln zu schaffen. Auch Bestätigung und Notwendigkeit des Zölibats im Kontext v. klösterlichem Leben. Das damals eingeführte Gebet im Gottesdienst aus Psalm 73 könnte auch für uns heute ein Gebet sein.
Das andere schwierige Thema scheint der Abbau der christlichen Theologie, die mit der Religionskritik begonnen hatte. Kurz nach dem 1.vat. Konzil 1870 plötzlicher Deutsch-Französischer Krieg. Theologen/ Kleriker hofften auf Aufnahme eines zeitnahen Treffens, was fast 100 Jahre erst stattfinden konnte. Weitere einzelne Sichtweisen, die ich mal so entdeckt habe.
19.Jahrhundert
Die christliche Religion wurde sehr in Frage gestellt –
Glaube an Gott = Glaube an Natur/ Kierkegaard meinte das Christentum sein keine Lehre. Marx und Engels meinten Religion und Moral hätten keine Geschichte. Trotzdem Entstehung von Endzeitprophetien, Marienerscheinungen, Kulturkampf. Ein päpstliches Schreiben sollte die Christen ermuntern (1846) „mit dem Licht der göttlichen Erkenntnis erleuchtet und dem höchst sanften Joch Christi selbst unterworfen, allen Frieden verkündend, Gutes verkündend [vgl. Jes 52,7],
20. Jahrhundert
1902 Kirchentag: Forderung nach christlicher Weltanschauung, Distanz zu Wunderglaube, praktischer u. engagierter Glaube als Glück und Wohlfahrt für die Zukunft
Trotzdem: 2 Weltkriege, Not, Zerstörung, Utopien, Täuschung, Massen-Hysterie versus Vernunft, Kirche in schwerer Krise:
Zuerst in den Träumen von Idealen, erstarken v Jugendverbänden, kämpferisch, Glauben an „den deutschen Glauben“, an die „Freiheit“ oder an die „Kommende Gemeinde“, Hoffnung im neuen Staat mitzuwirken, geistiger Totalitarismus und vordringendem Führerprinzip, veränderte Stellung zu historisch gewordenen Kirchen, unterschiedliche freireligiöse Gemeinden, allmählich in der völligen Ablehnung alles Christlichen „Heil dem neuen Reich“, Indoktrination einer „die uns von unserem Schicksal gewiesene Aufgabe zu erfüllen…“ Entfremdung – u. Loslösung vom Christentum, Rassendenken, Frontenverhärtung, religiöse Ausgrenzung, plötzliches auftreten radikaler Kräfte, lebensunwertes Leben, Judenvernichtung, Endlösung, KZ, Weltkrieg.
Heute ist vieles nicht mehr im Bewusstsein, der Staat garantiert uns Religionsfreiheit. Es ist vieles möglich, die Spiritualität mit versch. religiösen/ fernöstlichen Elementen . Doch immer wieder Konflikte und in Frage Stellung v. ökumenischen Annäherungen. Radikalität v. extremen Weltanschauungen, auch in Deutschland. Das Erwachen von längst vergangen geglaubten Irrtümern.
Papst Franziskus, der auch immer wieder in Frage gestellt wird, der sich mit einem Rudel von „Wölfen“ auseinandersetzen muss. Vieles kompensieren und durchhalten muss, jenseits von dem, was wir nur erahnen können. Die Wunde von allzu menschlicher Vermessenheit, die vielen Knoten von falschen Verstrickungen, Missverständnissen, Schuld einzelner, Sprachlosigkeit vieler, mitten im Leben. Manchmal auch die Würde klerikaler Vorzüge wichtiger scheint als „Christi Abbild zu sein“. Wo entartete religiöse Strukturen sogar Placebo- Effekte haben, einzelne täuschen und andere ausgrenzen können.
Papst Franziskus erinnert uns an die christliche Freude, jenseits von Klagen, Trauern, erstarren in Hilflosigkeit. Mehrmals erwähnt er diese Freude, die etwas anderes ist, als das Klagen über das fehlende Paradies und den leidvollen Wirklichkeiten. Er ermutigt uns, aus dem Geist Christi die Seele der Städte mit neuen Geschichten und Paradigmen zu erreichen. Vielleicht könnten wir hierbei auch von anderen Kirchen lernen, die manchmal authentischer, leidenschaftlicher und kreativer das Christsein leben.
Wenn der Papst von Modernisierung spricht, dann gibt mir seine Blickrichtung in die Zukunft Mut: mit dem Wissen der heterogenen christlichen Kirchen- Geschichte und ihre Art mit schwierigen Umständen umzugehen, mit hoffnungsfroher Gelassenheit damit auch Neues zu wagen. Dies in einer Sprache, mit zutiefst christlicher Ermutigung, Fürsorge und Weitblick – eingebettet in die Vernunft. Dies hat für mich der Schein der Sprache und Güte Christi in sich.