Es gab Klagen. Über den Brief des Papstes an die Gläubigen in Deutschland. Nicht zuletzt auch in der ZEIT, in der auch ich einen Beitrag hatte. Und zwar Klagen nicht über Inhalt oder Sinn, sondern über die Übersetzung. Die Sprache des Papstes sei schlecht wieder gegeben.
Ein Uraltes Problem: Ein frei gesprochener Text muss übersetzt werden, was ein Spezialistenjob ist. Die Nuancen, die kulturellen Anspielungen und die Zitate, das alles muss erkannt werden. Oder aber ein geschriebener Text muss in zu kurzer Zeit übersetzt werden. Dasselbe Problem nur leicht verschoben.
Die Sprache des Papstes
In den vergangenen Jahren war das fast mein täglich Brot. Sowohl in meiner Arbeit, als auch immer, wenn ich mich im Italienischen bewegt habe. Denn so gut jemand in einer zweiten Sprache auch ist, so richtig und ganz kommt man da nie rein, schon gar nicht wenn diese Sprache spät erlernt wurde.
Auch in der Bibel, in Gebet, Meditation und Liturgie begegnet einem das. Die Bibel ist nicht in unserer Sprache geschrieben und meistens sind die Texte sogar zu gut übersetzt. Paulus Griechisch ist zum Beispiel beileibe nicht so glatt und logisch wie uns die Übersetzungen glauben machen.
Besser als das Original
Zurück zu den Klagen über die Übersetzung des Papstbriefes. Professionelles arbeiten ist hier das eine. Zeitdruck und Entscheidungen des Absenders, das über sein persönliches Büro laufen zu lassen sind das andere. Nicht immer geht dabei alles so glatt, wie wir das wollen.
Neulich habe ich mich mit einem nigerianischen Jesuiten unterhalten. Nigeria – so klärte er mich auf – habe 250 anerkannte Sprachen. Sprachen, nicht Dialekte. Wie machen die das? Wenn es keine Minimalsprache gibt? So gut kann man gar nicht sein. Das Ergebnis ist oft genug, ob Nigeria oder Vatikan, eine nicht ordentliche Übersetzung.
250 Sprachen in einem Land
Oder das Gegenteil: Man übernimmt Sprachbilder, die so gar nicht passen. Denn die Sprache, in die hinein übersetzt wird, hat ja auch ihre Bilder. Und auch das kann die Aussage verzerren. Die Sprache des Papstes sagt dann etwas, was in der Intention gar nicht drin war.
Sprache verändert sich beim Übersetzen. Kulturen, Intentionen, Arbeitsumstände, Wortfelder, all das hat seinen Einfluss. Wir können schlicht gar nicht einen Text so übersetzen, dass er voll und ganz die Intention des Aussagers oder Schreibers wiedergibt.
Sprache des Papstes verändert sich beim Übersetzen
Wie schön wäre es, wenn wir nur eine Sprache hätten und diese Verwirrung und Verschiebung uns erspart bliebe. Im Vatikan glaube ich ist man oft der Überzeugung, Italienisch sei diese Sprache. Oder sei zumindest die Richtsprache. Dem ist aber nicht so.
Die Vielfalt der Sprachen und die Sprachverschiebungen trennen uns, machen uns Arbeit. Aber sind auch ein Segen. Nichts ist selbstverständlich. Nichts ist von sich aus verstehbar, verständlich. Und das hat Auswirkungen auf die Weltkirche, wenn ich bei meinem Beispiel bleibe. Eben weil übersetzt werden muss und wir wissen, dass in der Übersetzung die Bedeutung sich verschiebt, können wir nie sicher sein. Und müssen immer nachfragen. Und müssen in der Ambiguität leben, dass wir nicht alles verstanden haben und verstehen können.
In Babel einen Turm zu bauen war eine ziemlich dämliche Idee, wenn wir von den Konsequenzen drauf schauen. Aber es bewahrt uns heute davor – wenn wir uns das denn eingestehen wollen – dass wir meinen zu verstehen.
Das ist zumindest eine Lehre, die ich aus meinen zehn Jahren Vatikan und Papstübersetzungen mitnehme.
Ich persönlich habe nur Erfahrungen mit der modernen Lingua Franca dem Englischen und möchte hier zwei Punkte hinzufügen:
1) mit Personen, deren erste Sprache nicht das Englische ist, kommuniziert es sich lustigerweise einfacher. Wahrscheinlich liegt das daran, dass diese auch nur die einfachsten Vokabeln verwenden. Mit “native speakers” ist es schwieriger.
2) das Wichtigste ist m.E. ein “Grundvertrauensvorschuss”, den man geben muss. Wenn eine Formulierung zweideutig oder auch beleidigend verstanden werden kann, dann muss ich mal vorerst davon ausgehen, dass es gut gemeint war.
Meint
Euer Christoph
Ich habe einen Themenvorschlag:
Könnten Sie einmal einen Beitrag darüber schreiben, ob Zensur auf einem katholischen Blog moralisch einwandfrei durchgeführt werden kann?
Noch gebe ich nicht auf.
Vielleicht kann man das ausdiskutieren.
Noch einmal: ich zensiere nicht. Ich moderiere. Ihre Beschimpfungen etwa, die lasse ich nicht durch. Auch Metathemen, also das schreiben über was hier geschrieben wird, das hat hier nichts zu suchen. Ich bin schon ziemlich freizügig, was persönliche Angriffe angeht, sowas muss man im Netz aushalten können. Aber ich wehre mich deutlich gegen das Wort “Zensur”. Das ist hier kein freier Platz für alle, das ist ein Ort den ich verantworten muss.
Und damit ist die Debatte beendet.
Ist somit akzeptiert. Aber es muss klar sein, dass es unter diesen Umständen weniger Spass macht hier zu schreiben.
Es muss aber auch klar sein, dass es kein Spaß ist, Beschimpfungen zu lesen. Gäbe es die nicht, bräuchte es die Regeln nicht.
Eine Frage noch zu […]Auch Metathemen, also das schreiben über was hier geschrieben wird, das hat hier nichts zu suchen.[…].
Der Sinn dieser Regel erschließt sich mir nicht. Heißt das, dass man überhaupt nicht aufeinander reagieren darf und jeder soll nur das Hauptthema für sich interpretieren?
Weder korrigieren noch nachfragen?
Nein, das heißt nur dass es nicht um das Reden über das Reden gehen soll.
Danke!
In Abwandlung eines bekannten geflügelten Wortes: ‘Traue keiner Übersetzung, die du nicht selbst gebastelt hast’. Leider liegt uns das Wort Gottes in uns so fremden Sprachen wie Hebräisch oder Griechisch vor. Kann erstens kaum jemand und war selbst den Rabbinen so frage-würdig, dass sie quasi eine Kommentarliteratur nachgeschaltet haben.
Wie denken die Forumsmitglieder dazu, welcher Übersetzung ‘trauen’ sie?
Die Diskussion um die lateinische Messliturgie hat damit zu tun (‘deus omnipotenz’ vs. ‘allmächtiger Gott’ ?), gendergerechte Sprache in Übersetzungen der biblischen Texte,
‘biblia sacra vulgata’ als autorisierte Übersetzung ….
Mein Vertrauen – mein Glaube – kann sich immer nur auf einen Menschen beziehen. Niemals auf eine Sache.
All die Leute, denen ich vertraut habe – der Leiter der Jungschargruppe, der Pfarrer, der Diakon – sie alle haben die Einheitsübersetzung verwendet.
Solange ich keine gegenteilige Evidenz vorliegen habe – und für den Alltagsgebrauch – ich muss ja keine Predigt zusammenstellen – werde ich also dabei bleiben.
Pragmatisch halt.
Meint
Euer Christoph
@ Christoph: Danke für den Post, auch weil er auf von mir nicht Bedachtes hinweist. Auf den ‘Übersetzer’, der mir den Text nahe bringt. Bei einem Krankenhausaufenthalt, vor einem op-Eingriff: der Krankenhauspfarrer kommt vorbei, liest für mich bzw zu mir den Psalm 23: Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen …. Das kann ich zwar lesen (evtl. sogar auf Hebräisch), aber das muss mir gesagt werden, ‘übersetzt’, Wort Gottes ist etwas Gesprochenes und nicht nur Gelesenes, und dann beginne ich zu glauben, zu vertrauen.
Ich benutze gerne verschiedene Übersetzungen nebeneinander. Da werden die Stoplersteine oft klar. Zum Beispiel die Lutherbibel neben der Bibel in gerechter Sprache neben der Einheitsübersetzung. Eine mögliche Falle sind auch die Überschriften in der Einheitsübersetzung. Sie lenken die Blickrichtung, was nicht immer von Vorteil ist.
Es ist jedenfalls gut, dass dieser Blog auf die Probleme von Übersetzungen hinweist. Denn jede Ünersetzung ist nur eine möglichst genaue Annäherung an den Ursprungstext. Und bei der Bibel kommt hinzu, dass die Texte sehr alt sind und der historische Kontext für uns heute nicht unmittelbar zur Verfügung steht. Ein klassisches Beispiel ist das Kamel vor dem Nadelöhr. Ich habe den Titel des Buches von Lohfink vergessen, aber das Bild habe ich noch im Kopf.
@ Eva
Buber/Rosenzweig für’s Alte Testament! Da werden uns so manche Anfragen an unser traditionelles Verständnis der einen oder anderen Stelle gestellt.
Denken Sie an dieses Buch?
Gerhard Lohfink (2019): Das Geheimnis des Galiläers: Ein Nachtgespräch …. Freiburg: Herder S. 39ff – interessantes Buch und am Abend im gemütlichen Ambiente zu lesen.
Für mich kommts drauf an, was ein Gläubiger sagt und tut, wie der Kontext oder sein oder ihr Leben ist. Und gesprochen ist wichtig, da hör ich, wenn’s vom Herzen kommt und von was für einem, oder ob’s evtl. eine Selbstansprache ist oder eine Ausrede. Der Papst spricht sehr sprechend, die Semiotik ist auch wichtig, um ihn zu hören. Die Wörter haben in Spanisch oft eine andere Bedeutung, z.B. die Arme sind oft ein Synononym für die Brust und die Liebe, berühren hat eine starke musikalische und aktive Note und Zärtlichkeit spielt in der deutschen Sprachkultur im Vgl. zu Spanisch eine eher zurückgesetzte Rolle. Wir Deutschen neigen doch etwas zum emotionalen Ausufern wie etwa Wagners Musik oder zur gebrüllten Sprache im Vgl. zu dem eher im “Secco” modulierten spanischen Klang. Man kann auch nur dem Klang, der Musik eines Sprechers zuhören und versteht mehr, als wenn man wie so ein Pharisäer Haarspaltereien anfängt. Ich finde den Papst ganz okay, herzlich und sympathisch sprechend. Er hat auch komplizierte und schwer verständliche Seiten, ich sag aber jetzt nichts dazu. Irgendwie muss er ja sein. In dem Alter noch so einen Job machen und mit nur einer Lunge und einem kaputten schmerzenden Knie kann auch nicht jeder. Und er ist jetzt nicht unbedingt nur langweilig sondern weckt einen auch auf! In unserer postrukturalistischen Zeit ist das ganz entscheidend wichtig!
Ich habe mir jetzt den ganzen Brief von Franziskus durchgelesen, ich finde ihn sehr gut und ausgewogen.
Was mir an dem Brief gefällt, ist, dass er oft auf den Heiligen Geist rekurriert. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es auch um strukturelle Verkrustungen und, was sehr wichtig ist, um die Wirkmacht des Gebetes.
Was mir weniger gefallen hat, ist, dass er zwar, zurecht, die Fremdenfeindlichkeit kritisiert, aber keinen Satz gefunden hat, dass auch gegenüber berechtigten Sorgen, welche die Migration aufwirft, oftmals mit Unverständnis, Überheblichkeit oder gar mit Gehässigkeit reagiert wird. Es wäre sinnvoll gewesen, hätte Franziskus die daraus resultierende Polarisierung angesprochen, die ein sachliches Gesprächsklima verunmöglicht.
Dass er sich bezgl des Spannungsraumes zwischen “konservativ” und “liberal” auf Gustav Mahler beruft, ist wiederum sehr gut. “Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.”
Mahler war auch Konvertit aus Überzeugung, man denke an seine VIII Symphonie, 1. Satz.
“Traduttore traditore” – der Übersetzer ist ein Verräter. In der Vulgata (zB. Mt 17,22) sagt Jesus: Filius hominis tradendus est in manus hominum. Das ist der Sinn von “Tradition”: Auslieferung in die Hände der Menschen. Ihre Skepsis bezüglich der Möglichkeit des Verstehens halte ich für unbegründet. Ihre Bescheidenheit ehrt Sie, aber Sie haben in den vergangenen zehn Jahren sicher mehr verstanden als das, was Sie Ihre Lehre aus zehn Jahren Vatikan und Papstübersetzungen nennen.