Es gehört schon fast zum guten Ton unter Journalisten hier in Rom: Man klagt gerne, dass alles immer nur auf Italienisch passiert. Texte, Vorstellungen, Dokumente, auch wenn sie für die ganze Kirche gedacht sind, gibt es gerne einmal nur in einer einzigen Sprache. Und das auch noch in einer, die kaum auf dem Planeten gesprochen wird: Man spricht Italienisch.
Bislang zum Beispiel gibt es das Schlussdokument zur Bischofssynode in noch keiner offiziellen Übersetzung. Wie sollen junge Menschen oder auch andere aus der Seelsorge sich Inspiration holen, wenn sie den Text nicht verstehen?
Nur Italienisch
Auch ich gehöre gerne zu den Leuten, die immer wieder darauf hinweisen, wenn das Italienische übermächtig oder zu selbstverständlich zu werden droht. Wenn eine interne Hausmitteilung von „unserem Land“ spricht und Italien meint. Wenn bei einer Papstreise einige Sprachen nicht vertreten sind, Italienisch aber gleich zwei Leute schicken darf. Und so weiter.
Aber am Ende des Tages bin ich dann doch ein Fan des Italienischen hier im Vatikan. Und wie ich glaube aus guten Gründen.
Italienisch ist für die meisten von uns eine gelernte Sprache. Niemand auf dem Planeten – außer den Italienern – spricht Italienisch als Muttersprache. Also müssen alle, die in den Vatikan kommen, sie lernen. Natürlich sind die meisten hier Muttersprachler, die Verwalter, Journalisten, Techniker, und ich kann mir kaum vorstellen, wie grausam das manchmal für sie klingen muss. Aber das muttersprachliche Italienisch bleibt Minderheit, eben weil es keine Weltsprache ist.
Es ist halt nicht nicht die sonst dominante angelsächsische oder besser noch US-amerikanische Sprache und Kultur, die hier Wort und Vorstellung bestimmt. Und das ist gut so. Natürlich ist es immer noch die europäische Vorstellungswelt, aber das ist mir lieber als das Englische. Und das sage ich als bekennender Anglophiler.
Internationalismus und Italienisch
Es ist ein Internationalismus, der sich nicht der dominanten Macht anpasst. Der die Eigenheiten pflegt und eine Alternative bietet. Die Sprache ist außerdem noch ziemlich nah am Lateinischen, so dass die die Kirche prägenden Traditionen anschlussfähig sind.
Natürlich hat das auch Schwierigkeiten. Und die sind vor allem praktischer Natur. Nehmen wir noch einmal die Bischofssynode: Das Vorbereitungsdokument gab es am Tag der Vorstellung nur auf Italienisch. Und auch das Schlussdokument musste von den Teilnehmenden auf Italienisch abgestimmt werden, es war keine Zeit für Übersetzungen.
Aber das sind lösbare Probleme. Mit guten Übersetzerdiensten – die wir in diesem Jahr hatten – und in Zukunft mit guter Software ist das alles überwindbar, wenn denn die Muttersprachler des Italienischen sich etwas mehr Mühe geben würden. Italienisch ist die verbindende Sprache hier im Vatikan, nicht mehr Latein, und zumindest im Augenblick auch nicht Englisch.
Und das sollte auch so bleiben. Man spricht Italienisch.
Recht haben Sie, dass nicht alles Englisch sein sollte; Italienisch soll da ruhig dominant bleiben im Vatikan, wenn die Alternative Englisch wäre.
Aber, ein sehr, sehr großes aber:
„Italienisch ist die verbindende Sprache hier im Vatikan, nicht mehr Latein, und zumindest im Augenblick auch nicht Englisch.
Und das sollte auch so bleiben. Man spricht Italienisch.“
Es gibt eine offizielle Amtssprache des Vatikan und die ist Latein.
Und – ich weiß bereits jetzt, dass viele das wieder als überflüssigen Legalismus sehen werden – das ist wichtig; und deshalb sollte man eigentlich sogar nicht nur auf Italisnisch statt Englisch setzen, sondern sogar auf Latein statt Italienisch.
Aber da ist Italienisch statt Englisch natürlich ein guter Notnagel.
Warum ist das so wichtig?
Weil es ganz viele Auswirkungen hat, was offizielle Amtssprache ist und wann und wie die benutzt wird.
Ganz ist z.b. diese Aussage genau betrachtet falsch:
„Bislang zum Beispiel gibt es das Schlussdokument zur Bischofssynode in noch keiner offiziellen Übersetzung.“
Ganz korrekt wäre vielmehr:
Bislang zum Beispiel gibt es das Schlussdokument zur Bischofssynode noch nicht, sondern nur eine italienische Fassung aus der mittels Übersetzung das Schlussdokument hervorgehen wird.
Denn wenn offzielle Amtssprache Latein ist, dann muss das Schlussdokument eines offiziellen Gremiums des Vatikans, das für Gläubige bindende Vorgaben machen kann, auf Latein sein.
Das ist hier nicht weiter schlimm, da das inoffizielle Schlussdokument ja eh keine bindenden Vorgaben macht und jeder selbst schauen muss, was man positives daraus mitnehmen kann.
Aber man stelle sich mal vor, irgendwelche wichtigen Grundsätze werden im Vatikan in Italienisch aufgeschrieben, beschlossen, verkündet und anschließend übersetzt irgendwer nach Latein und ist dabei an einer wichtigen Stelle ungenau; und dann wird es noch offiziell auf Latein veröffentlicht; und dann sagen die einen, der lateinische Text gilt, da offizielle Amtssprache, und die anderen, der italienische Text gilt, da der ja eigentlich geschrieben wurde.
Und dann schlittert man munter NOCHMAL in ein durch die Sprache zumindest begünstigtes Schisma rein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Filioque#Linguistische_Schwierigkeiten
Deswegen gut, dass man immerhin bei Italienisch statt Englisch bleibt, aber bitte: Latein ernst nehmen.
(Oder die Amtssprache ändern; ist mir wurscht; aber eines von beiden sollte sein; es sollte immer klar sein, welches das offizielle Dokument ist, das bei Unklarheiten zu konsultieren ist; und besonderer Bonus wäre natürlich, wenn auch tatsächlich über das offizielle Dokument abgestimmt würde und nicht über einer, aus dem das offizielle dann erst noch per Übersetzung generiert wird; aber ich will nicht zu viel verlangen)
Falsch. Es gibt offizielle Dokumente aus dem Vatikan, sogar zwei Enzykliken, die nicht auf Latein ihren Status erlangt haben. Sie machen viel zu viele Voraussetzungen.
Nun, mittlerweile ist es mehr als fünf jahre her, seit ich begonnen habe, aufgrund einschlägigen Interesses meine Italienischkenntnisse aus diversen Tiefenspeichern meines Gehirns zu holen. Italienisch habe ich vor Jahrzehnten gelernt, seinerzeit viel zu schnell, viel zu holprig, als Studienzweitfach. Das ist mittlerweile egal und ich habe mich jetzt eben auf ein großes Thema spezialisiert, das genügt mir.
Um mich besser an die Sprache zu gewöhnen, habe ich mein erstes iPhone auf italienisch eingerichtet, was mich in den diversen Einstellungsdialogen immer wieder vor Sprachrätsel gestellt hat. Doch mit Ausprobieren hat es letztlich immer geklappt. Mittlerweile spricht mein neues Iphone wieder grundsätzlich deutsch mit mir, doch italienisch und englisch sind nur eine Geste weit entfernt für einen schnellen Sprachwecsel.
Da Bibellektüre und Gebet nicht fehlen darf, habe ich mir ein paar Jahre lang die Tagesliturgie auf italienisch per Mail zusenden lassen. Mittlerweile mag ich Lesepredigten auf englisch und italienisch aus meinem Alltag gar nicht mehr wegdenken. Und Vatican News lese ich auf italienisch und auf deutsch.
Und wozu dies alles? Ich bin eben hoffnungslos akustik-, sprach- und Klangverliebt. Und mir gefallen die Unterschiede in den Sprachen; der gleiche Inhalt klingt in jeder sprache anders und mir scheint, auch seine Bedeutung ist nicht ganz ident. Ich finde, dass italienisch viel religiöser klingt als deutsch, viel inniger, viel klangvoller als, – nun zumindestens als hochdeutsch.
In der gelernten Sprache bin ich Gast und ich verstehe bei weitem nicht alles, was mir nichts ausmacht. In der Muttersprache bin ich sozusagen Zuhause, obwohl alles verstehen? Selbst in der Muttersprache ist mir nicht alles verständlich und wenn es „nur“ darum geht, zwar die Worte, jedoch den Sinn oder Kontext nicht zu verstehen. Ich möchte sie nicht missen, das Italienische, das Englische und das Deutsche.
Herzlichst, euer Lese-Esel
Jawoll: „italienisch“ !!!
Und ja nicht die Weltsprache Englisch, wie bei den UN-Behörden, in der Luftfahrt, bei der EU oder der EZB.
>> Weiter so! <<
Da koppeln wir uns noch mehr vom Sprechen und Denken der Mehrheit der Menschen heute und den in einem Jahrhundert Lebenden ab.
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Zurecht verwendete man früher Latein, weil das die Welt-Sprache (der Gebildeten) war.
Und heute wird auf allen Kongressen der Welt (selbst in Aserbeidschan und in Riad) eben Englisch gesprochen.
Aber …
Ein Beispiel für Kommunkation über zwei Sprachen hinweg:
In Italien ging mein Auto kaputt. Wir waren an einem Ort in den Bergen und die Menschen dort sprachen nur italienisch und wir nur deutsch. Wir haben mit allem kommuniziert was uns zur Verfügung stand, sprich Hände, Gestik und Mimik. Sie haben sich unseres Problems angenommen als verstünden sie jedes „Wort“ und waren so hilfsbereit, dass die Reparatur vor Ort schneller erledigt werden konnte, als das in Deutschland der Fall gewesen wäre.
Ohne Zweifel gibt es Sprachbarrieren, die aber mit dem Verständnis für die Lebenssituation ausgelichen werden kann, durch die man gerade auf seine Mitmenschen angewiesen ist.
Italienisch ist ja erstaunlich einfach, fast ohne Grammatik. Und doch dem äusserst logischen und differenzierten Latein noch verbunden.
Es ist gut , wenn dadurch erkennbar bleibt, dass der Katholizismus einmal Staatsreligion einer der brutalsten und expansivsten imperialistischsten Diktaturen war. Diesen Schatten ist sie noch nicht los. Revolutionär kann man vor diesem Hintergrund nicht nur des Papstes Forderung sehen, die Strukturen des Vatikan zu bekehren, sondern auch seinen Respekt für die indigenen Völker und die Einsicht, dass die Kirche in Hinblick auf Klerus und seine Verbrechen den Blick der Anderen braucht!! Also: polyglott sein! Wie an Pfingsten. Die Sprache der Anderen lernen, zuhören und sich dadurch verändern lassen.