Ein regnerischer Oktobermorgen in Rom. Auf der Via della Conciliazione ist schon um 8 Uhr nichts mehr zu machen: Die Straße ist gesperrt. Jeden Mittwoch geht das jetzt so. Wenn Papst Franziskus auf dem Petersplatz seine Generalaudienz abhält, strömen die Menschen. Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit die Straße zum Platz hin, die Conciliazione, kreuze, dann sind da schon seit Stunden wartende Menschen.
Irgendwer hat gestern gesagt, es würden für heute 70.000 Menschen erwartet. Ich habe keine Ahnung, wo solche Zahlen herkommen, es ist aber schon beeindruckend, was sich da abspielt. Zum einen kommen Touristen und Besucher zur Audienz, die das früher vielleicht nicht ins Programm aufgenommen hätten. Dieser Trend ist bereits in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen. Dann kommen Tagespilger busweise aus Italien. Die Liste der jeweils zu Beginn begrüßten Gruppen ist ewig lang. Live im Netz kann man das hier sehen.
Es sind auch viele Römer hier, jedenfalls solche, für die der Mittwoch kein Arbeitstag ist. Wer allerdings am Vatikan vorbei Kinder zur Schule oder sich selbst zur Arbeit fährt, der hat ein Problem. Irgendwann im Vormittag hören dann die Buslinien an den nahen Straßen auf zu halten, weil einfach kein geordnetes Ein- und Aussteigen mehr möglich ist.
Kleine Verkaufsstände für Obst und Wasser, viel regelnde Polizei, Fahnen und Banner, damit man sich nicht im Gewimmel verliert: Es ist ein Muss geworden, wenn man schon in Rom ist, zu einer Audienz zu kommen.
Und dann die Heiligsprechung …
Irgendwer hat einmal vor einigen Jahren eine kleine Beobachtung des Vatikan veröffentlicht: Es kämen immer mehr Menschen, aber der Applaus nähme ab. Das wurde damit erklärt, dass die Menschen verstärkt Mobiltelefone in den Händen hätten. Ein kurzer Blick auf den Platz scheint das zu bestätigen; ich würde gerne rein aus Neugierde einmal wissen, wie groß die Uploadmenge an Daten ist, die in diesen zwei Stunden gen Internet geschickt wird.
Natürlich ist so eine Generalaudienz ein Event, und dieser Charakter erklärt vielleicht einiges von der Attraktivität. Das Charisma Franziskus’ kommt dazu, die Neuheit, die diesem Pontifikat immer noch anhängt, und ein gewachsenes Interesse an dem, was hier so geschieht. Franziskus ist „Religion zum Anschauen“, das hat eine ganz eigene Faszination. Aber das alles lässt sich eben auch im Begriff des „Event“ zusammenfassen.
Damit meine ich erst einmal nichts schlechtes, es ist ein neutraler Begriff. Damit müssen wir aber erst umgehen lernen. Mit etwas Schrecken schauen wir nach vorne, auf den 27. April des kommenden Jahres. Dann werden Johannes Paul II. und Johannes XXIII. heilig gesprochen werden. Schon jetzt ergibt eine Kurzrecherche im Internet, dass es keine, in Worten keine, Übernachtungsmöglichkeiten zu zivilen Preisen mehr gibt. Alles ausgebucht. Das wird dann der Event schlechthin sein, eine Messe mit unglaublich vielen Menschen.
Und dann? Nach dem Event, sei es eine Generalaudienz wie die heute oder eine Massenveranstaltung wie die im kommenden April? Wie fängt man so etwas auf? Was verändert das an der Art und Weise, Rom zu besuchen und seinen Glauben zu leben? Es mag nur ein ganz kleiner Anteil sein, den so ein Besuch ausmacht, aber die Massen Woche für Woche zeigen uns, dass es ein großes Bedürfnis ist.
Die Frage an Sie: Und dann?
Und dann? – eine Antwort
…
Was hilft es, alle zu verstehen, ohne einen zu bekehren?
Wozu die Heiligen verehren, wenn keiner werden will wie sie?
(aus: Martin Gutl, Loblied vor der Klagemauer,1978)
Und wenn es in unserer Zeit heute einer im Alltag versuchen wollte, ein Leben nach dem Vorbild der Heiligen zu führen, was wäre die Reaktion? Wer bist du? Und wenn ja, wieviele? Wäre wohl noch die netteste Antwort für den Betreffenden. Und wenn man einen Menschen als heiligmäßig bezeichnet, so wie ich das für Papst Benedikt tue, dann wird man mindestens in die ganz reaktionäre Ecke der Katholiken gestellt. Oder erntet Kopfschütteln.
2. Antwort auf die Frage: Ich war ein einziges Mal in Rom, 1992, zu Fronleichnam, bin die Fronleichnamprozession mitgegangen. Papst Johannes Paul II. war damals glaube ich noch zu Fuß, ganz langsam unterwegs. Dieses Ereignis begleitet mich seither, ist wichtige Erinnerung und Teil meines Lebens und meines Glaubens. Kein Skandal kann das vernichten.
Liebe Pater Hagenkord, ich war am 02.10.13 bei der Generalaudienz dabei. Da ich meine Eintrittskarte noch vom Pilgerzentrum abholen musste, ( Öffnungszeit um 8 Uhr) , bin ich so um kurz nach sieben am Petersplatz vorbei gekommen um ber die St.Angelo Brücke zum Pilgerzentrum zu gelangen. Die Menschen standen schon um 7 Uhr am Platz. Als ich so gegen halb neun zurück war, war der Platz schon gut gefüllt, doch ich bin ohne Mühe rein gekommen.
Es war unglaublich als der Papst über den Platz fuhr. Trotz unbeschreiblicher Freude und lauten Zurufen waren die Menschen um mich herum beseelt, ja sogar andächtig. Es ist Gott sei Dank kein Event. Ich habe es tief spirituell und betend erlebt. Ich war erstaunt wie still die Menschen doch auch waren. Es ist nur dort laut wo der Papst gerade vorbei kommt. Die Menschen wollen hören was Papst Franziskus zu sagen hat und hören sehr aufmerksam zu, so war es zumindest am 02.10.13 als ich dort war. Ich denke am Fernsehen sieht man halt nur die johlende Menge. Meine Empfehlung, nehmen sie sich einen Mittwoch frei und erleben es persönlich mit, direkt auf dem Platz.
Am Tag des Angleus Gebets am 06.10.13 war es ähnlich. Die Menschen freuen sich auf den Papst, seine Ansprache zu hören. Betend und voller Demut. Ich bin so danbar das ich dabei sein durfte.
Liebe Carmen Fink, danke, dass Sie Ihr Erlebnis hier mit uns geteilt haben! Das macht meine Vorfreude darauf umso größer. Es ist wahr, dass mir manchmal Angst und Bange um Papst Franziskus wird, wenn ich im Videomitschnitt diese Euphorie erlebe. Sie schildern schon glaubhaft, dass es ein spirituelles Erlebnis für den Einzelnen werden kann, und nicht nur in Einzelfällen verbunden mit Folgen für’s Leben.
Vor 7 Jahren habe ich noch ganz große Distanz gewahrt an einem Mittwoch auf dem Petersplatz. Ich gebe zu, dass ich es heute sehr bedaure, weil ich inzwischen eine neue Sicht auf Papst Benedikt em. gewonnen habe. Es geht bei diesem Bedauern auch nicht nur um eine verpasste Gegenheit, sondern für mich um ein ganzes verpasstes Pontifikat durch eigene Schuld. Seit Monaten versuche ich zu verstehen, warum sich Papst Franziskus so verbunden fühlt mit seinem Vorgänger. Ich fühle mich sehr erleichtert, jetzt den roten Faden sowohl im Arbeitsinhalt als auch in der bescheidenen Lebensart zu sehen. Insofern möchte ich sehr gern wieder nach Rom kommen, und diesmal als Pilger und nicht als Tourist!
Das Thema der Katechese am heutigen Tag – ich habe gerade erst mal die Nachrichten bei RV gelesen – konnte nicht besser passen zum derzeitigen Problem, das die deutsche Bischofskonferenz mit einem ihrer Mitglieder hat. Ob das Zufall ist ? Jedenfalls wird seine Vorstellung vom Bischofsamt ganz klar verständlich für Jeden, sofern er die italienische Sprache beherrscht (ich werde später noch das Video ansehen, um die ins Deutsche übersetzte Kurzversion zu hören.) Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch in Rom,, um selbst Papst Franziskus zu erleben – und leider werde ich Ihnen dann wohl auch den Platz streitig machen müssen, lieber Pater Hagenkord.
Irgendwie muss es wichtig sein für Menschen heilige Stätten bzw. diesen Stätten zugeordnete Personen (mehr oder wenig) persönlich zu treffen/zu sehen. Das ist ja auch in anderen Religionen so… teils sogar ein Muss.
Was vielleicht sehr wichtig bei so einer Audienz ist, ist dass den Gläubigen – ohne viel darüber nachdenken zu müssen – hierbei besonders deutlich wird, dass die katholische Kirche weltweit Mitglieder besitzt; man also eine große globale Gemeinschaft bildet: Auf dem Platz hört man die unterschiedlichsten Sprachen und sieht die unterschiedlichsten Menschen und alle haben sich friedlich zusammengefunden um ihren „Glaubensführer“ zu sehen und mit ihm zu beten. Eine Person, die anders als etwa ein politischer Potentat, für etwas Großes/Überzeitliches steht.
Zudem ist der Papst den Menschen durch seine Medienpräsenz so vertraut wie etwa ein Verwandter oder sehr guter Bekannter… und es gibt nur schöne Bilder vom Papst: Der Papst wird innerhalb der (Print)Medien fast immer lächelnd und von seiner Schokoladenseite abgebildet. Selbst bei Papst Benedikt war das so: Man muss da echt einmal die Photos vom früheren Kardinal Ratzinger (mit diesen extrem verschatteten/tiefliegenden Augen) mit denen von Papst Benedikt vergleichen: Als „Panzerkardinal“ wurde er oft dementsprechend abgebildet.
Auch werden wenige Städte so sehr mit nur einer Person in Bezug gesetzt wie eben Rom. Alles konzentriert sich hier auf den Petersdom und eben den Papst. Das macht diese Stadt vielleicht besonders liebenswert oder auch menschlich/persönlich… und dann ist es auch noch ein Mann im Alter eines Großvaters. So jemandem zuzujubeln ist eigentlich sowas von uncool, so uncool, dass es schon wieder hochgradig schräg ist! Also, ich will damit zum Ausdruck bringen, dass so eine Begegnung ziemlich einzigartig ist… Wo gibt es denn sowas ein zweites Mal auf der Welt? An einem Rockkonzert kann man etwa überall auf der Welt teilnehmen. (Gut, ab und zu macht der Papst Reisen… aber das hält sich in Grenzen.)
Ein Tourist der Rom besucht, besucht es zudem primär wegen dessen Kultur und Kunst. Die große Kunst in Rom ist aber eine der Päpste… da ist es klar, dass man den momentan regierenden Papst auch sehen möchte.
Was ein solcher Besuch verändern kann im Denken/Fühlen/Handeln eines Menschen? Jedenfalls hat es etwas von einem Rauschzustand… Menschen lieben es irgendwie Teil einer Masse zu sein… sich da irgendwie drin aufzulösen.
Und dann? Das ist eine gute Frage? Mmhhh.
Hallo Veruschka, sicher haben sie in einigen Punkten Recht.
Es sind viel Menschen unterschiedlichster Nationen auf dem Platz., sicher sind auch die meisten katholisch. Doch es sind auch wie ich, die nicht katholisch sind, sondern evangelisch oder sogar konfessionslose Menschen dort.
Sicher haben sie auch Recht mit dem was sie im 2 Absatz schreiben, aber auch da möcht ich sagen dass es viele Gläubige gibt die sich für das Wort des Papstes interessieren und nicht für den netten Onkel von nebenan. Ich wäre nie auf die Idee gekommen zur Audienz zu gehen, wenn ich mich nicht täglich, seit Anfang an des Pontifkates, mit den Worten des Papstes auseinandersetzen würde. Und bei der Verkündung des Evangelium hilft ihm sicher sein Charisma das die Menschen ihn zuhören und sehen wollen. Wenn Papst Franziskus in den Medien wie sie sagen z.Zt. nur Lächelnd gezeigt wird, zeigt es doch nur dass was er auch predigt. Ein Christ sollte nicht mit einem Gesicht eines Essigtopfs herumlaufen. Wenn Papst eine hl. Messe hält ist er eher gesammelt und ernst.
Und zu Rom möchte ich sagen, es ist eine wunderbare, schöne Stadt in der ich jetzt das dritte mal war. Sicher kann Pater Hagenkord, unabhängig der Präsentz des Vatikans, seine Stadt hier viel besser präsentieren. Was ich mir auch wünschen würde.
Zu ihren letzen Abschnitt, es war eine Woche des pilgerns für mich in Rom. Diese Reise ist sehr präsent in meinem jetzigen Altag und füllt meine Seele.
Herr Pater Hagenkord, sie haben Recht um Ostern bis zur Heiligsprechung ist alles ausgebucht in Rom. Nehmen sie es mit Gelassenheit und Liebe.
Liebe Frau Fink,
dass wir uns da nicht falsch verstehen: Ich würde den Papst nie ernsthaft als „netten Onkel“ oder „lächelnden Heuchler“ bezeichnen. Und dass viele Leute die diese Audienzen besuchen tatsächlich für Inhalte interessieren, bezweifle ich auch nicht.
Wenn es aber nur darum(!) gehen würde, also um das Zuhören/Aufnehmen von Inhalten, dann könnten die Menschen das eigentlich auch genau so gut vor dem Fernseher machen.
Mich interessiert eher dabei, weshalb Menschen generell solche Massenveranstaltungen mögen, die „Aura“ die davon ausgeht. Ich selbst mag so etwas nämlich nicht sonderlich (war etwa noch nie auf einem Pop- oder Rockkonzert).
Aber ich war auch schon einmal in Rom (wir machten da eine Klassenfahrt hin) und natürlich haben wir auch den Papst (damals Johannes Paul II.) gesehen und natürlich hat mir das damals sehr gut gefallen bzw. mich beeindruckt. Wer sagen würde, dass Rom eine von vielen anderen Städten ist, der würde damit aufzeigen, wie beschränkt er/sie eigentlich ist – da haben Sie auch Recht.
Aber habe ich auf Grund dieser Begegnung irgendetwas an meinem Leben geändert? Nein. (Gut, ich war 18… das ist wieder ein anderes Thema).
Gut, vielleicht ist mit diesem Papst jetzt wirklich alles anders. Und sicherlich muss man sich auf so einen Besuch, wie Sie richtig geschrieben haben, auch innerlich vorbereiten. Ja, das ist wahrscheinlich zu empfehlen um das Ganze intensiver wahrzunehmen/aufzunehmen. Vielen Dank für Ihre Gedanken und
viele liebe Grüße
„…, dass so eine Begegnung ziemlich einzigartig ist… Wo gibt es denn sowas ein zweites Mal auf der Welt?“
Das ‚zweite Mal‘ findet man u.a. in den Büchern der Diplom-Theologin Gabriele Ebert beschrieben und in Medard Boss „Indienfahrt …“ – und gewiß auch im NT. http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=380770
Freilich ersetzt Lesen nicht das Erleben.