Ende Juni oder Anfang Juli kommt sie endlich: Papst Franziskus hat eine neue Enzyklika angekündigt, erst hatte man sie für November, dann für März erwartet. Und bei der Pressekonferenz während des Rückfluges aus Manila hat er dann selber gesagt, dass er sie im März fertig stellen wolle, dann solle sie übersetzt werden und dann im Frühsommer vorgestellt.
Wichtig sei ihm, dass sie vor dem Klimatreffen von Paris vorgestellt wird, so dass sie ihren Beitrag leisten könne. Und damit sind wir beim Thema, denn es wird eine Umweltschutz-Enzyklika erwartet. Zu Ökologie und Klimawandel vielleicht. Auf jeden Fall wird sie als solche erwartet, aber hier liegt auch ein Teil des Problems.
Wenn man durch das Internet blättert und Kommentare dazu sucht, findet man eine große Erwartung, der Papst werde sich für dieses oder jenes einsetzen. Tatsächlich wird die Frage des Umweltschutzes ja wert- und glaubensneutral geführt, und oft begegnet mir die unausgesprochene Einschätzung, an dieser Debatte werde sich der Papst beteiligen.
Es ist noch eine Weile hin, aber vielleicht lohnt sich jetzt schon mal ein Blick darauf, was uns auch erwarten könnte.
„Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur achtet, sie hört und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“
Dieser Text ist zwar jüngeren Datums, gibt aber altes christliches Denken wieder. Und er hat außerdem den Vorzug, die Überschrift vorzustellen, unter der Papstsprecher Federico Lombardi die kommende Enzyklika angekündigt hat: Die Ökologie des Menschen. Der Auszug stammt aus der Bundestagsrede von Papst Benedikt XVI. 2011.
Ökologie des Menschen umfasst also mehr als nur den Umweltschutz wie wir ihn seit der Debatte um das Waldsterben verstehen. Er hat mit Freiheit zu tun und damit, dass wir uns selbst nicht gemacht haben und deswegen auch nicht Herren unserer selbst sind. Biblisch heißt das Schöpfung.
Oder nehmen wir die Predigt vom 9. Februar in der Casa Santa Marta: Hier setzt der Papst den Umweltschutz in den Zusammenhang genau mit Schöpfung und Erlösung. Uns sei die Schöpfung zwar anvertraut, wir seien aber nicht ihre Besitzer. „Das ist unsere Verantwortung! Ein Christ, der die Schöpfung nicht achtet, ist ein Gläubiger, der sich nicht um das Werk Gottes schert. Also, die Antwort auf die erste Schöpfung lautet: die Schöpfung bewahren und sie wachsen lassen.“
Das nur zwei Beispiele aus dem Bereich, den wir „Ökologie des Menschen” aus christlicher Sicht nennen können. Darauf müssen wir auch gefasst sein.
Ich gehe auch davon aus – meine eigene Vermutung – dass sich die Wegwerfgesellschaft dort wieder finden wird. Wir werfen Menschen weg, die in der Nutzen-Unterworfenen Gesellschaft keine Funktion erfüllen, das ungeborene Leben etwa, junge Menschen ohne Perspektive und die Alten.
Ich gehe auch davon aus – wieder nur Vermutung – dass es um die pastoralen Antworten auf Umwelt und deren Schutz gehen wird.
Ich gehe auch davon aus, dass die Frage nach der Gerechtigkeit dort hinein gehört, bei Ressourcen wie Wasser ist das ja unvermeidlich.
Das sind aber wie gesagt nur meine Vermutungen, Genaueres weiß ich auch noch nicht. In jedem Fall müssen wir vorsichtig sein, den Text jetzt schon in einen von uns gewünschten oder angenommenen Zusammenhang zu setzen. Das wäre ja auch langweilig, ich hoffe und erwarte, dass die Enzyklika uns etwas Neues, uns Überraschendes sagt. Sonst wäre es ja auch nicht Papst Franziskus.
UM es mal so zu sagen, in dem Moment wo in einer Enzyklika was echt neues, steht, in dem Sinne dass das was vorher wahr war, nun nicht mehr gilt, ist sie nicht mehr katholisch.
Das in einer Enzyklika Dinge mal von einer anderen Warte aus beleuchtet werden, und scheinbar neues, vorher eben noch nicht dagewesenes (bzw vergessenes , siehe Kohelet) versucht wird, lehramtlich einzusortieren, das ist Sinn udn Zwecke einer Enzyklika, aber Neues, i´m Sinne von anderem kann sie nicht lehren, weil die Lehre der KIrche ist wie in der Physik, die neue Erkenntnis, muss die alte in sich einschließen.
Was vorher wahr war wird auch sicher kein Papst als unwahr hinstellen. Meines erachtens sind es Schreiben die den Menschen in der Zeit zu der sie geschrieben sind zu Christus und zum Glauben zu fuehren, den Weg, die Richtung zu zeigen.
Räumlich geht es konrekt lediglich nur um eine ca. 50 Kilometer dicke Kugelsphäre (von der Ozonschicht bis in den Marianengraben), die wir als Menschen gestalten und beeinflußen können. Alles andere der gewaltigen ‚Schöpfung‘ ist weitgehend nur gedanklich erreichbar. Diese verletzliche Biosphäre ist unser geschenktes, wohltemperiertes Raumschiff – oder in der Kirchensprache: unsere Arche Noah – durch Raum und Zeit (siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Gaia-Hypothese. Sie gilt es ausgewogen zu bewahren und nicht der Dummheit und Gier des Homo sapiens zu opfern; dazu gehört letztlich auch eine verträgliche Bevölkerungszahl auf dem Planeten, das heißt in komplexen Regelkreisen denken und handeln zu lernen. In früheren Zeiten konnte man solche Zusammenhänge nicht erkennen, heute aber schon. Schön wäre es nebenbei, wenn die kommende Enzyklika anders als im vorstehenden Beitrag nicht unreflektiert von der Umwelt, sondern von der Mitwelt spräche, so dass die Natur nicht länger bloß als eine Welt um ums herum, sondern als eine Mitwelt aufgefasst wird, so wie Pferd, Hund, Katze und Kaninchen zur Familie mitdazugehören. „Wir sind Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ (Albert Schweitzer)
„Mitwelt“ finde ich bedenkenswert, danke für den Hinweis, auch wenn ich nicht „unreflektiert“ von Umwelt spreche.
Ich würde schon einen Unterschied zwischen den Teilen der Schöpfung sehen, aber alles vor dem viel wichtigeren Hintergrund, dass alles Teil der Schöpfung ist, nicht nur wir Menschen und der Rest irgendwie zu unserer Nutzung. Da ist das Wort „Mitwelt“ hilfreich, und sei es nur deswegen, weil es unsere Sprechgewohnheiten durcheinander bringt und zum Denken anregt.
Vordenker der ‚Mitwelt‘, welche den Umweltbegriff Jakob von Uexkülls (abgeleitet vom dänischen ‚omwerden‘)in ein erweitertes Licht stellen, sind Peter Kampits und Klaus Meyer-Abich.
Ich halte es für im Grunde immer den alten Hochmut, sich einzubilden die Erde unbewohnbar machen zu können.
Und das zu verhindern indem man Gottes Gebot des „seid fruchtbar und vermehrt euch“ ersetzt durch „seid bloß nicht fruchtbar und vermehrt euch bloß nicht“ das erscheint zwar sehr vernünftig, aber im Licht des Glaubens kann es nicht die Lösung sein.
Ich frage mich doch da tatsächlich wo irgend jemand geschrieben hat “seid bloß nicht fruchtbar und vermehrt euch bloß nicht” massive Überbevölkerung sicher auch nicht. Das rechte Maß jedes einzelnen bei sich selber und seinem Nächsten gegenüber, eine ausgewogene Ökologie ist sicher gemeint und zwar allem weltlichen, Mensch, Tier und Natur.
Bin nur mal gespannt, ob es Franziskus schafft, auf Distanz zu den Fesseln des scholastischen Naturrechts zu gehen.
Das ist wohl einer der entscheidenden Punkte galahad! Nix Evangelium, viel Theologie- und Kirchengeschichte und die daraus entstehenden Folgen.
Man mag ja kritisch der Naturrechtsphilosophie gegenüber sein, aber so einfach als nicht-evangeliumsgemäß lässt sie sich nicht vom Tisch wischen. Auch finde ich die nicht ausgesproche aber deutlich mitgemeinte Wertung der „Folgen“ von Theologie und Kirchengeschichte als negativ intellektuell nicht fair. Es ist Illusion und unhistorisch zu glauben, wir könnten direkt ohne Umwege zum Evangelium zurück.
Wir leben in einer hochtechnisierten und naturwissenschaftlich sehr gut erforschten Zeit. Wieso sollte es aber eigentlich nicht möglich sein, jeweils die guten Dinge von Evangelium und Naturwissenschaften positiv zu nutzen? Die Geschichten des Evangeliums sind für uns heutige Menschen oft „fremdartig“ und – zumindest für mich – recht archaisch. Die Texte lassen sich dennoch für unsere heutige Zeit anwenden und geben damit Lebenshilfe. Und die Forschungsergebnisse helfen auf ihre Art ebenfalls: Bis vor nicht mal allzulanger Zeit war z. B. eine Blinddarmentzündung ein eindeutiges Todesurteil – heute ist sie durch den medizinischen Fortschritt vergleichsweise gut behandelbar. Davon hab ich selbst schon profitiert. Ich denke, dass es für uns kein Widerspruch ist, gläubig in der heutigen Zeit zu leben und die Errungenschaften der Wissenschaften zu nutzen.
Hier frage ich mich, wie Sie die Auferstehung Christi, welche die Mitte des Christentums ist, mit der Naturwissenschaft unter einen Hut bekommen oder naturwissenschaftlich widerspruchsfrei erklären. Persönliche Lebenshilfe, altruistische Armenhilfe und ähnliches findet man auch in anderen Religionen oder Weltanschauungen.
warum sollten wir nicht zum Evangelium kommen können?
Menschen sind immer gleich, das Evangeliums hängt immer als unerreichbares Ideal über uns, und trotzdem müssen wir uns, egal wo und wie und wann wir leben, danach ausstrecken, wie die Pflanzen zur Sonne, die sie ja auch nie erreichen können.
Ich wehr mich gegen diesen plumben Historismus, der so tut, als wären vergangene Generationen entweder total schlecht oder total gut gewesen, Menschen sind und waren es udn für alle gilt das Evangelium,und alle schließt Gott in den Ungehorsam. ein, damit er sich aller erbarmen kann
Mein Kommentar bezog sich darauf, dass wir nicht einfach 2.000 Jahre überspringen und zurück zur Urkirche kommen können. Auch das Evangelium, das wir heute haben, ich durchdrungen von Geschichte und Wahrnehmungen und Deutungen, sie sich durch Jahrhunderte gebildet haben.
das Evangelium nicht, werter Pater
Hagenkord, unser Verständnis davon sicher, wie ja der Kommentar von KRP von 14:43 Uhr sehr schön zeigt, „das kann Gott doch nicht so gemeint haben mit der Vermehrerei, wie es da steht…..“,
Ich denke auch und es amüsiert sich, dass diese Urkirchenromantiker ganz schön blöd gucken würden, wenn sie in der Lage der ersten Christen wären, weil diese gingen für Christus in den brutalen, grausamen Tod (man schaue in den Machtbereich des IS, wenn man eine ungefähre Vorstellung davon haben will).
Und Leute die noch nicht mal um Christ willen entweder auf den Sex verzichten oder die ungeplanten Kinder die dabei halt rauskommen, um Christi willen, annehmen, die gehen wohl nicht freiwillig in den grausamen Tod. oder?
Ester ich glaube Sie haben mich nicht verstanden, weder das eine noch das andere ist richtig sondern das rechte Maß, das gilt in allen Dingen, ob nun Familienplanung oder sonst was und das ist Sache des Menschen dieses zu finden.
Also Jesus sagt dass das gar nicht so einfach ist mit dem rechten Weg „die Zeichen der Zeit könnt ihr nicht deuten!“ irgendwo bei Paulus steht „warum findet ihr nicht selbst die rechte Antwort“ und im AT (Weisheitsliteratur) hießt es „wir finden nur mit Mühe,was doch auf der Hand liegt“
Dennoch soll und muss man es versuchen, schon klar, aber sich drüber im Klaren sein, dass „Stückwerk ist all unser Erkennen und all unser Tun!“
Deshalb ist Christus der Weg, genau deshalb, weil wir selber es nicht sehen, und nicht finden.
Was aber nicht davon dispensiert dennoch sich zu mühen, was wohl in früheren Zeiten oft der Fehler war,. dass man sich auf einem bequemen Quietismus zurückgezogen hatte.
Nur was das 6. Gebot angeht, genau da ist das Gebot Gottes sonnenklar, und da nutzt alles Vernünfteln nichts, auch wenn es aktuell schwer im Schwange ist,
Sonnenklar mag es sein das Gebot jedoch wird es nicht nur aktuell sondern genauso wie zu allen Zeiten „Ohne Vernunft“ betrachtet. Sondern überhaupt nicht betrachtet. Sieben Wochen ohne Runtermachen heißt die evangl. Fastenaktion das ist nicht „vernünfteln“ sondern wäre ein vernünftiger Weg nicht nur in der Fastenzeit. Ein Weg den jeder Mensch selber suchen, finden und gehen sollte.
@Vom-anderen-Stern:
„Einfach glauben“, das Motto ist doch nicht schlecht! Muss denn immer alles seziert werden? Es gibt nun mal die Wissenschaften als auch den Glauben und ich als Katholikin glaube auch im Jahr 2015 tatsächlich an die Auferstehung Christi. Das ist aber nicht besonders erklärbar. Man kann nicht alles rational nachvollziehen und hinterfragen. Für mich ist es jedenfalls kein Problem, beide Dinge neben- und miteinander laufen zu lassen und zu akzeptieren.
@Christa:
Könnte es sein, dass Sie Glauben mit Für-wahr-halten gleichsetzen?
Ich bin der Meinung, dass man durchaus Dinge hinterfragen sollte, denn nur wenn man etwas gut analysiert – in Ihrem medizinischen Sprachgebrauch „seziert“ – hat, kann man die Bestandteile anders und besser zusammensetzen, sprich so synthetisieren, das etwas Neues, noch nie Dagewesenes aus dem Vorhandenen entsteht. In dieser Weise hat auch Jesus die alten Schriftworte des Judentums auf einzigartige Weise neu gedacht und gelebt.
Natürlich können wir die 2000 Jahre nicht überspringen; das wäre doch naiv; deshalb ist der Exegese sehr zu danken, dass sie jenseits des „herumgehenden Steins“ Brücken baut und uns hilft klar zu bekommen, was da gemeint sein könnte mit der jesuanischen Botschaft. Intellektuell stehen wir „Gott sein Dank“ an den Punkt, dass wir wieder klarer sehen können, was diese Botschaft möglichweise wollte. Wir verdanken der Exegese des 20. Jahrhundert, z.B. einem Anton Vögtle, sehr viel dafür und der sozialgeschichtlichen Exegese in diesem Jahrhundert ebenso. Ich habe kein idealistisches Geschichtsbild. Aber man kann schon in den Pastoralbriefen deutlich sehen, wie die Inkulturation in die antike Gesellschaft gesiegt hat. Ist ja total nachvollziehbar und war fürs Überleben der Organisation absolut klug; aber man hat z.B. den Markus mit seinem Egalitätskonzept schlicht verraten, bis heute, was relativ leicht zu zeigen wäre. Ich stimme also zu; ohne Umwege können wir nicht zurück zum Evangelium; aber die Erneuerung (der Kirche) geht immer auf das Evangelium zurück und dies provoziert; genau dies tut m. E. der Papst. Kirchegeschichte ist immer die Mischung von Grandiosität und Verrat, so ist Mensch und Gesellschaft. Gerade deshalb braucht es diesen evangelischen Kompass, der bei genauer Beschäftigung – jenseitts einer Perikopenexegese- ganz schön hart sein kann.
Dann sind wir uns einig.
Der Kirchengeschichtler Hubert Wolf hat das Problem in seinem neuesten Buch Krypta am Beispiel des Franz von Assisi und den Waldensern kurz und präzsie aufgezeigt. Die Verkirchlichung einer charismatischen Gemeinschaft war ein hoher Preis. Ohne Organisation (Kirche) wüssten wir nichts vom Evangelium; und indem Organisation startet organisiert sie zugleich (unvermeitlich) den Verrat ihres Zwecks; daraus gibtes kein Entkommen, sondern immer nur Korrekturbewegungen nach vorne; also nix „Urkirchenromantik“, Ester, sondern vertrakte Paradoxie. Es geht übrigens nicht um die Kirche, sondern immer um die jesuanische Botschaft, auch wenn sie immer nur als schon von Messiasjesusgläubigen geglaubte zu haben ist. Schön, dass das ein Kardinal Marx so etwas klar sagt, Papst Franziskus übrigens auch. Kirche ist Instrument und das einigermaßen adäquat zu sein, damit hat sie genug zu tun.
Ich verstehe nicht, was Sie meinen.
@ Kosmas: Ich wollte mit meiner Perspektive der Distanz nicht etwa hinter die Scholastik zurück zu einem biblischen Narrativ, sondern der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es Franziskus gelingen möge, eine Ökologie und Anthropologie auf der argumentativen Höhe des 21. Jahrhunderts zu formulieren.